Ins Netz gegangen am 30.5.:
- Kleist-Edition: Ein trauriges Ende | Süddeutsche → kleist-experte und ‑herausgeber klaus müller-salget berichtet vom sehr unrühmlichen umgang des hanser-verlages mit der offenbar grottenschlechten, aber als ultimativen angepriesenen kleist-leseausgabe von roland reuß und peter staengle — nachdem der verlag eine revision versprach, die fehlerhafte ausgabe aber munter weiter verkaufte, stellt er sie nun gänzlich ein (das sind übrigens die verlage, die über die vg wort geld von den urhebern haben wollen — für ihre unersetzlichen leistungen …)
- re:publica 2016 – Thorsten Schröder & Frank Rieger: Ad-Wars → spannender vortrag von frank rieger & thorsten schröder über adblocker, malware und gefahrenabwehr im netz (mit lösungvorschlägen!)
- Museumsdirektor Köhne im Gespräch: Wir müssen es wagen! | FAZ → eckart kröhne, direktor des badischen landesmuseums, will sein museum öffnen — die faz spricht im interview von einer “revolution von unten”:
Museen sind eigentlich so angelegt, dass sie die wissenschaftlich fachliche Deutungshoheit für ihre Inhalte haben. Wir versuchen, neben diesem kuratorischen Strang einen zweiten Strang zu entwickeln, bei dem wir selber nicht mehr deuten, sondern die Nutzer und Nutzerinnen des Museums das tun.
- Krise des Liberalismus: Ein autoritäres Angebot | Zeit → thomas assheuser versucht sich in der “zeit” an einer analyse der situation des liberalismus — und so viel er richtig beobachtet, frage ich mich doch, ob sein ausgangspunkt — dass nämlich “unsere” moderne liberale gesellschaft so eng mit dem liberalismus zusammenhängt, wirklich richtig ist. ich tendiere ja eher zur annahme, dass die politik der letzten jahre/jahrzehnte genau das — nämlich den liberalismus — verloren hat, auch ohne in das autoritäre gehampel der rechten zu verfallen.
Man kann sich leicht ausmalen, welch klebrige Attraktivität eine solche Apartheidgesellschaft entwickelt, wenn Bürger das Gefühl haben, sie seien Modernisierungsverlierer und könnten sich für ihre liberale Freiheit nichts kaufen. Die rechte Alternative verspricht dagegen die Befreiung von der Befreiung und den Abschied von Europa sowieso. Sie malt die Nation als gute Stube mit Hirschgeweih und kugelsicheren Butzenscheiben, als Trutzburg gegen Terror, Klimakatastrophe und Flüchtlinge, kurz: als wetterfesten Herrgottswinkel für Menschen mit apokalyptischen Vorgefühlen, die nicht zu Unrecht fürchten, die “Welt draußen” könne über ihren Köpfen zusammenbrechen. Das autoritäre Angebot verfängt.
- Exzellenzinitiative: Privat ein Laster, öffentlich eine Tugend | FAZ → jochen hörisch über den “doublespeak” in bezug auf die exzellenziniative,die auch viele (beteiligte) wissenschaftler für suboptimal bis unsinn halten, das aber selten/kaum öffentlich sagen
Man muss kein approbierter Medien- und Kommunikationswissenschaftler sein, um die alltägliche Kommunikation an den Universitäten über die alte wie die neu aufgelegte Exzellenzinitiative auffallend und analysebedürftig zu finden. Denn immer wieder macht sich ein profanes Dilemma bemerkbar. Im ältesten Medium, der face-to-face-communication, wird noch sehr viel stärker als sonst gänzlich anders über die Exzellenzinitiative gesprochen als in der publizierten Schriftform. Antragsprosa oder Verlautbarungen von offiziösen Universitätszeitschriften begrüßen die Erneuerung der Exzellenzinitiative, ansonsten aber hört man zumeist lästerliche Reden.
- Corporate’s Child | textdump → zur lage der politik einige scharfe beobachtungen und anmerkungen in guenter hacks textdump:
Der Staat gibt vor, alles sehen zu können (siehe Punkt 2), wenn er aber handeln soll, tut er so, als seien ihm die Hände gebunden, von der bösen EU, durch internationale Verträge, durch Ressourcenmangel, durch die allgemeine Wirtschaftslogik, die halt nun mal so ist. Wenn der Staat agiert, dann nur mit noch mehr Repression nach unten, weil das halt einfacher ist, als Steuern von Amazon zu verlangen. Diese Diskrepanz führt zu einer Art Theodizeegefühl, die schon ziemlich massive Weltreligionen hat abschmelzen lassen.
Die neonationalistischen Parteien sind nicht deswegen so erfolgreich, weil sie disruptiv wären, sondern weil sie bestehende Leitlinien der Mainstream-Politik der letzten 30 Jahre konsequenter und skrupelloser weiterdenken als die Corporate-Politiker selbst.
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