“Es ist die Sprache, die am Sprechen hindert, nicht ihr Verlust.”
— Marcus Steinweg, Subjekt und Wahrheit, 2018, 30
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quodque parum novit, nemo docere potest
[Niemand kann lehren, was er wenig versteht.]Ovid, Tristia, 2,348
Die Unmoral der Lüge besteht nicht in der Verletzung der sakrosankten Wahrheit. Auf diese sich zu berufen hat man letzten eine Gesellschaft das Recht, die ihre Zwangsmitglieder dazu verhält, mit der Sprache herauszurücken, um sie dann desto zuverlässiger ereilen zu können. Es kommt der universalen Unwahrheit nicht zu, auf der partikularen Wahrheit zu bestehen, die sie doch sogleich in ihr Gegenteil verkehrt. Trotzdem haftet der Lüge etwas Widerwärtiges an, dessen Bewußtsein einem zwar von der alten Peitsche eingeprügelt ward, aber zugleich etwas über die Kerkermeister besagt. Der Fehler liegt bei der allzu großen Aufrichtigkeit. Wer lügt, schämt sich, denn an jeder Lüge muß er das Unwürdige der Welteinrichtung erfahren, die ihn zum Lügen zwingt, wenn er leben will, und ihm dabei auch noch “Üb imer Treu’ und Redlichkeit” vorsingt. Solche Scham entzieht den Lügen der subtiler Organisierten die Kraft. Sie machen es schlecht, und damit wird die Lüge recht eigentlich erst zur Unmoral am anderen. Sie schätzt ihn als dumm ein und dient der Nichtachtung zum Ausdruck. Unter den abgefeimten Praktikern von heute hat die Lüge länst ihre ehrliche Funktion verloren, über Reales zu täuschen. Keiner glaubt keinem, alle wissen Bescheid. Gelogen wird nur, um dem andern zu verstehen zu geben, daß einem nicht an ihm liegt, daß man seiner nicht bedarf, daß einem gleichgültig ist, was er über einen denkt. Die Lüge, einmal ein liberales Mittel der Kommunikation, ist heut zu einer der Techniken der Unverschämtheit geworden, mit deren Hilfe jeder Einzelne die Kälte um sich verbreitet, in deren Schutz er gedeihen kann. Theodor W. Adorno, Minima moralia, #9, S. 28
Niemand hat je bezweifelt, daß es um die Wahrheit in der Politik schlecht bestellt ist, niemand hat je die Wahrhaftigkeit zu den politischen Tugenden gerechnet. Lügen scheint zum Handwerk nicht nur der Demagogen, sondern auch des Politikers und sogar des Staatsmannes zu gehören. Hannah Arendt, Wahrheit und Politik (1963)
Ungleichheiten sind das Wesen der Welt, und dass etwas besser sei, als anderes, ist leicht zu dulden Wilhelm von Humboldt, Litauischer Schulplan (zitiert nach: ders: Schriften zur Bildung. Hrsg. von Gerhard Lauer. Stuttgart: Reclam 2017, 140f.)
Am schwierigsten ist es, beim Denken nicht immer nur die eigenen Gedanken zu denken. Gerhard Falkner, Romeo oder Julia, 137
Die Wirklichkeit ist ein verpatztes Ideenkonzept.”
Robert Musil, Ideenblatt zum Mann ohne Eigenschaften
Es ist wahr, dass die Menschen im Durchschnitt nirgends sehr viel wert sind. Aber hier sind sie viel mehr als anderswo nichtsnutzig und unverantwortlich. Ludwig Wittgenstein an Bertrand Russell, 23.10.1921
Der Bürger wünscht die Kunst üppig und das Leben asketisch; umgekehrt wäre es besser. Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie (Suhrkamp 1989), 27