“Es ist die Sprache, die am Sprechen hindert, nicht ihr Verlust.”
— Marcus Steinweg, Subjekt und Wahrheit, 2018, 30
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Die Orthographie ist die Erziehungsanstalt des freien schriftlichen Ausdrucks. Es soll Korrektoren geben, die über der Orthographie das Lesen verlernt haben. Wenn es sie nicht gäbe, würde jeder in jedem geschriebenen Satz die Entwicklung seiner Sprache und die Strukturen seiner Intelligenz dokumentieren — wie Friedrich II., wie Quirinus Kuhlmann, wie noch Goethe und Schiller gelegentlich.
— Hubert Fichte, im Gespräch mit Dieter E. Zimmer
(zitiert nach Thomas Beckermann (Hrsg.): Hubert Fichte. Materialien zu Leben und Werk. Frankfurt am Main: Fischer 1985, S. 91)
Was passiert, wenn man den Layouter trennen lässt und kein sprachverständiger Mensch das kontrolliert, sieht man sehr schön bei diesem Plakat der am Wochende stattfindenden Mainzer Weintage:
Ich hoffe mal, dass die Implikation, die sich aus der völlig regelwidrigen (und ja auch hirnrissigen) Trennung ergibt, keine Absicht im Sinne einer versteckten Botschaft ist: Das aus der Theodor-Heuss-Brücke eine SS-Brücke wird, ließe ansonsten für die politische Einstellung der Beteiligten nichts gutes vermuten. Dass die Weintage aber eine derartige Propagandaveranstaltung sind, wäre mir neu (Propaganda sind sie natürlich schon, für das in Deutschland in seiner Gefährlichkeit notorisch unterschätzte Konsumieren von alkoholischen Drogen).
In Edgar Wolfrums Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrebublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart heißt es auf Seite 641:
Hinsichtlich der Anti-Systempartein am echten und linken Rand des politischen Spektrums erwiesen sich Parteienverbote der wehrhaften Demokratie als ein probates Mittel, die Republik zu konsolidieren.
Ich glaube, einen schöneren Flüchtigkeitsfehler habe ich bisher noch nicht wahrgenommen: Der “echte Rand” hat schon seine ganz eigenen Qualität (ich möchte jetzt nicht darüber spekulieren, ob — und was — uns dieser Fehler über die Einstellung oder den Standort des Verfassers verrät …).
- “ein evidenzaverser Ichling” — so bezeichnet Sascha Lobo in einem FAZ-Text am 2.10.2013 Günter Grass
- “Fastivität” nenn Ron Winkler in “Torp” den Modus des immer-nur-beinahe, gerade-so — fast halt …
- “Essgeschwindigkeitsbegrenzung” — “Literaturwelt” in einem Text über den “Genussführer 2014″
- “Massenvernichtungsfloskeln” — Stefan Niggemeier, 1.9.2013
- “Vermaisung” — bioland-Fachmagazin 10/2013
- “schilyfiziert” — schreibt Maximilian Steinbeis am 23.9.2013 im Verfassungsblog
- »Schönwörtler« — nennt Gerhard Polt (in Gerhard Polt und auch sonst, 27) die Politiker und ähnliche Rednert
- »Verdungstungstrinker« — habe ich zum ersten (und bisher einzigen) Mal im TOM vom 13.4. gesehen.
- »Ego-Historiker« — so nennt Achim Landwehr (im Verein mit den »Ego-Archivaren«) die permanente Arbeit am eigenen Archiv und der eigenen Geschichte
- »Brauchtumsgelände« — Norbert Lange in seinem Gedicht »Ein Foxtrott nicht« (abgedruckt als Gedicht der 14. Kalenderwoche im Lyriktaschenkalender 2013).
- »Predikt« — wenn die Predigt zum Verdikt wird … (aus einer privaten E‑Mail, in der das aber ein bloßer Vertipper war)
- »Kohlenhydranten« — ist zwar offenbar nur ein Versprecher, aber trotzdem schön …