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Kategorie: wissenschaft Seite 1 von 3

Fallschirme helfen nicht

Obwohl es eine über­aus gän­gi­ge Lebens­weis­heit ist, dass Fall­schir­me beim Sprung aus einem Flug­zeug Leben ret­ten (kön­nen), gibt es dafür kei­ne wis­sen­schaft­li­chen Bele­ge – zumin­dest nicht in Form ran­do­mi­sier­ten, kon­trol­lier­ten Stu­die. Das wur­de nun – mit eini­gen Schwie­rig­kei­ten, ins­be­son­de­re bei der Pro­ban­den­re­kru­tie­rung – end­lich nach­ge­holt. Und mit einem aus­ge­spro­chen über­ra­schen­den Ergeb­nis: Fall­schir­me sind gar nicht hilf­reich. Zumin­dest in die­ser Stu­die gab es kei­nen signi­fi­kan­ten Unter­schied in Todes­fäl­len oder schwe­ren Ver­let­zun­gen zwi­schen Pro­ban­den, die beim Sprung aus dem Flug­zeug eine Fall­schirm tru­gen und sol­chen, die einen gewöhn­li­chen (lee­ren) Ruck­sack beka­men. Sie kom­men des­halb (unter ande­rem) zu dem Schluss:

We have per­for­med the first ran­do­mi­zed cli­ni­cal tri­al eva­lua­ting the effi­ca­cy of parach­u­tes for pre­ven­ting death or major trau­ma­tic inju­ry among indi­vi­du­als jum­ping from air­craft. Our ground­brea­king stu­dy found no sta­tis­ti­cal­ly signi­fi­cant dif­fe­rence in the pri­ma­ry out­co­me bet­ween the tre­at­ment and con­trol arms. Our fin­dings should give momen­ta­ry pau­se to experts who advo­ca­te for rou­ti­ne use of parach­u­tes for jumps from air­craft in recrea­tio­nal or mili­ta­ry set­tings.

https://www.bmj.com/content/363/bmj.k5094

Frei­lich, dar­auf wei­sen die Autoren auch hin, blei­ben Fra­gen, ob sich das Set­ting der Unter­su­che hin­rei­chend ver­all­ge­mei­nern lässt.

Yeh, Robert W., Vals­dot­tir, Lin­da R., Yeh, Micha­el W,. Shen, Chan­gyu, Kra­mer, Dani­el B, Strom, Jor­dan B et al. (2018). Parach­u­te use to pre­vent death and major trau­ma when jum­ping from air­craft: ran­do­mi­zed con­trol­led tri­al. BMJ 363 :k5094. doi: https://doi.org/10.1136/bmj.k5094

Emeritus

emeritus ist ein schöner beruf ...

Wissen

Wis­sen ist nicht dazu bestimmt, uns zu trös­ten: es ent­täuscht, beun­ru­higt, schnei­det, ver­letzt. Michel Fou­cault, Wach­sen und ver­meh­ren

Vigiles et studeas atque legas

Vigi­les et stu­de­as atque legas, ut ex hoc buio tibi rema­nen­te, exci­te­ris ad stu­den­dum et legen­dum, cum vive­re sine lit­teris mors sit et vilis homi­nis sepul­tu­ra—Wache und stu­die­re und lies, damit du, wenn dir dabei ein Zwei­fel bleibt, dadurch (erst recht) ange­spornt wirst zum Stu­die­ren und Lesen, da ohne Wis­sen­schaft zu leben der Tod ist und ein elen­des Grab für den Men­schen.Siger von Bra­bant, Ques­tio­nes de ani­ma intellec­ti­va

Placebo

Wer sich mal kurz Gedan­ken über Pla­ce­bos und Wirk­sam­keits­nach­wei­se machen möch­te – bit­te schön:

Man beach­te die mus­ter­gül­ti­ge Anga­be der zugrund­lie­gen­den Stu­die per DOI, die noch nicht ein­mal erfun­den ist …

Kein Versuch wurde unternommen, dieses Ergebnis zu verstehen

Wun­der­bar, die­ser Abs­tract, der tat­säch­lich in einem Tagungs­band (EOS Trans. AGU Vol 72 1991, No 27–53, S. 456) ver­öf­fent­licht wur­de:

Fractal Analysis of Deep Sea

Frac­tal Ana­ly­sis of Deep Sea


und da heißt es immer, die Geis­tes­wis­sen­schaf­ten wür­den lee­re Luft ver­öf­fent­li­chen, wäh­rend die Natur­wis­sen­schaf­ten durch stren­ge peer-reviews vor sol­chem Unsinn geschützt sei­en … (via wired)

Physik für/​von Biologen

Wun­der­bar, was Jan-Mar­tin Klin­ge da in sei­nem „Halb­tags­blogzeigt:

Physik für Biologen

Phy­sik für Bio­lo­gen

Gute wissenschaftliche Praxis nur im Verborgenen?

Die DFG – die immer­hin einen Groß­teil der deut­schen For­schung finan­ziert und damit auch inhalt­lich maß­ge­bend bestimmt – hat zusam­men mit der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz beschlos­sen, dass „gute wis­sen­schaft­li­che Pra­xis“ (eine Wort­kon­struk­ti­on, die mich immer sehr an die genau­so unspe­zi­fier­te „gute fach­li­che Pra­xis“ der Bäue­rin­nen und Bau­ern erin­nert) ver­langt, dass Whist­le­b­lower ihre Beob­ach­tun­gen, Ent­de­ckun­gen und Befürch­tun­gen – zum Bei­spiel von Pla­gia­ten – nicht öffent­lich machen sol­len, son­dern nur den zustän­di­gen Gre­mi­en der Hoch­schu­len ver­mel­den – damit, so muss man sich das wohl den­ken, die dann in Ruhe und ohne von den blö­den Fra­gen der ner­ven­den Öffent­lich­keit (die zwar alles bezahlt, aber was soll’s …) oder gar Fach­kol­le­gin­nen und ‑kol­le­gen beläs­tigt zu wer­den, ent­schei­den kön­nen, was sie zu tun geden­ken. Fast wie die arca­na impe­rii also …

Wer das – wie ich – nicht so gut fin­det und sol­che Din­ge auch zukünf­tig lie­ber öffent­lich ver­han­delt sehen möch­te, der oder die möge bit­te die­se von Ste­fan Heß­brüg­gen initi­ier­te Peti­ti­on hier mit­zeich­nen. Viel Hoff­nung habe ich zwar nicht, dass sie wirk­lich etwas bewegt, aber ver­su­chen soll­te und muss man es wenigs­tens. Also: Mit­zeich­nen!

Nach­trag: Der Pete­ten Ste­fan Heß­brüg­gen hat im Redak­ti­onblog von Hypo­the­ses noch ein­mal aus­führ­lich begrün­det, war­um die Peti­ti­on not­wen­dig ist und war­um HRK & DFG irren.

Verreißen

In der „Süd­deut­schen Zei­tung“ kann man heu­te ein wun­der­ba­res Bei­spiel für einen Total­ver­riss fin­den: Jens Hacke lässt kein ein­zi­ges gutes Haar an der Habi­li­ta­ti­ons­schrift von Fried­rich Kieß­ling, der die alte Bun­des­re­pu­blik auf ihre/​eine Ideen­ge­schich­te unter­sucht. Und Hacke bemän­gelt wirk­lich alles, was man an einer his­to­ri­schen Stu­die kri­ti­sie­ren kann: Die (feh­len­de) Metho­de, die man­geln­de Berück­sich­ti­gung neu­er Lite­ra­tur, die dün­ne und unver­ständ­li­che Quel­len­aus­wahl und sogar den Titel. Und natür­lich die mage­ren Ergeb­nis­se. Gründ­li­cher kann man einen His­to­ri­ker­kol­le­gen kann erle­di­gen. Zumin­dest nicht mit Feder und Tin­te …

Universitäres Blutgeld

schön und auch gar nicht wei­ter kom­men­tie­rungs­be­dürf­tig, die­ser Sei­ten­hieb, den Diede­rich­sen (der die Uni­ver­si­tät ja inzwi­schen von innen kennt) in sei­nem Büch­lein zu den „Sopra­nos“ da schnell noch in Rich­tung (privat-)spendenfinanierte Uni­ver­si­tä­ten aus­teilt:

In die­ser Epi­so­de ist nicht nur end­lich ein­mal befrie­di­gens beschrie­ben wor­den, wie Hoch­schu­len sich dort finan­zie­ren, wo dies der Staat nicht tut – indem sie durch geschul­te Kräf­te Druck auf die ideo­lo­gisch unsi­che­ren und legi­ti­ma­ti­ons­be­dürf­ti­gen Teil­de des pri­vat­wirt­schaft­lich-mafiö­sen Kom­ple­xes aus­üben -, son­dern vor allem sehen wir zu, wie die Akteu­re der „Sopra­nos“ sich ihren See­len­frie­den zurecht­kon­stru­ie­ren

Died­rich Diede­rich­sen: The Sopra­nos. Zürich: Dia­pha­nes 2012, S. 84

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