Pflichthörprogramm für den 3. Februar:
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Leser mit allerlei Ansprüchen und ausdauernder Läufer. Je nach Tagesform auch mal ausdauernder Leser und Läufer mit allerlei Ansprüchen.
Pflichthörprogramm für den 3. Februar:
Ein Stück Draht, krumm
ausgespannt, zwischen zwei
kahlen Bäumen, die
bald wieder Blätter
treiben, früh am Morgen
hängt daran eine
frisch gewaschene
schwarze Strumpfhose
aus den verwickelten
langen Beinen tropft
das Wasser in dem hellen
frühen Licht auf die Steine.
―Rolf Dieter Brinkmann
schwerfälliger mahlt
der grosse motor sommer
gedanken kauender tor
zum abend geneigt
steht mittag im feld
pracktvoll sinkt rot
unterm wolkenbrokat
schon am herbstsaum
treiben die wiesen
das tor in den tag
angelehnt
du ich zwischen
tür und angel
―Stefan Döring (aus: Monate Jahre (in: WENN WELT. Berlin, Schupfart 2024 (roughbooks 064), S. 83.))
Ich bin wieder mal hoffnungslos late to the party, dafür gibt es gleich alles auf einen Streich und hier, nicht auf Mastodon, wo die Challenge herkommt: “20 Bücher, die dich geprägt haben. Ein Buch pro Tag, 20 Tage lang.”.
Die Auswahl war gar nicht so einfach: Manche Bücher waren sehr schnell klar, bei anderen war es schwieriger, sich auf ein konkretes Buch festzulegen — oft ist es dann doch eher ein Autor/eine Autorin oder eine Gruppe von Texten, die mich besonders beeinflussten. Nichtsdestotrotz, das ist die Liste, die nach einigem Überlegen rauskam (ohne besondere Reihenfolge):
“Es ist die Sprache, die am Sprechen hindert, nicht ihr Verlust.”
— Marcus Steinweg, Subjekt und Wahrheit, 2018, 30
himmelwärts gezogen
die striche der gräser
mit lüften verflochten
unter federwolke gesang
flug auf unliniertem blatt
samen gefiedert steigt
hingesunkene feder
getaucht in holunderschatten
schreibt
―Stefan Döring (aus: Monate Jahre (in: WENN WELT. Berlin, Schupfart 2024 (roughbooks 064), S. 81.))
Laßt eine müde Seele dem grimmigen Tode entkommen,
wenn, schon gestorben zu sein, einem das Sterben erspart!
―Publius Ovidius Naso (aus: Lieder der Trauer. Die Tristien. Aus dem Lateinischen von Volker Ebersbach, 1997, S. 23, Erstes Buch, Elegie IV)
Das Nicht-Erinnerte ist Tag-gerecht,
Irdische Intonation und handvolle
Blüte, nicht Nachahmung.
Bild mehr!
―Petra Ganglbauer (aus: Wasser im Gespräch, 2016, S. 39, Karger Lämmermond)
Die Weinbergschnecke ist fort
Michael Buselmeier (aus: In den Sanden bei Mauer. Letzte Gedichte, 2023, S. 14)
gekrochen, den zarten Deckel aus
Kalk oder Elfenbein ließ
sie auf der Mauer zurück.
Was sie sagen,
die Vorfahren,
geht uns vielleicht gar nichts an.
Wir sehen, was sie tun, was sie taten,
aber ob es sie waren?Ich könnte in die Bibliothek gehen
und lesen, was eigentlich gemeint war,
und schreien.
Ich könnte die Blödheit im Schnitt der Steine,
vermergelt mit Weisheit, erkennen
und schreien,
eingemauert in diese Geschichte.Es muss Geschwister geben (alle so Schwesta, Bruda, Cousin)
unterschiedlich reagierend auf den gleichen Schas,
gleich (gemeinsam) im Unterschiedlichen,und ich bin blöde zu meinem Glück
wie ein Götterbaum ein, zwei Meter wachsend im Jahr,
das kann ich,
mit dem ganzen Körper in die Bewegung lehnen.Die Anleitungen: Was sagen sie, was — wohin fallen sie,
Ann Cotten (aus: Die Anleitung der Vorfahren. Berlin: Suhrkamp 2023, s. 138)
dahin fallen wir auch und dann sagen wirs nicht.
Schau mich an,
wir sind die Ruinen
für alle Idyllen,
wir sind die Minen
für Ironie
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