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Schlagwort: gesellschaft Seite 1 von 10

Lüge

Die Unmoral der Lüge beste­ht nicht in der Ver­let­zung der sakrosank­ten Wahrheit. Auf diese sich zu berufen hat man let­zten eine Gesellschaft das Recht, die ihre Zwangsmit­glieder dazu ver­hält, mit der Sprache her­auszurück­en, um sie dann desto zuver­läs­siger ereilen zu kön­nen. Es kommt der uni­ver­salen Unwahrheit nicht zu, auf der par­tiku­laren Wahrheit zu beste­hen, die sie doch sogle­ich in ihr Gegen­teil verkehrt. Trotz­dem haftet der Lüge etwas Wider­wär­tiges an, dessen Bewußt­sein einem zwar von der alten Peitsche eingeprügelt ward, aber zugle­ich etwas über die Kerk­er­meis­ter besagt. Der Fehler liegt bei der allzu großen Aufrichtigkeit. Wer lügt, schämt sich, denn an jed­er Lüge muß er das Unwürdi­ge der Wel­tein­rich­tung erfahren, die ihn zum Lügen zwingt, wenn er leben will, und ihm dabei auch noch “Üb imer Treu’ und Redlichkeit” vors­ingt. Solche Scham entzieht den Lügen der sub­til­er Organ­isierten die Kraft. Sie machen es schlecht, und damit wird die Lüge recht eigentlich erst zur Unmoral am anderen. Sie schätzt ihn als dumm ein und dient der Nich­tach­tung zum Aus­druck. Unter den abge­feimten Prak­tik­ern von heute hat die Lüge länst ihre ehrliche Funk­tion ver­loren, über Reales zu täuschen. Kein­er glaubt keinem, alle wis­sen Bescheid. Gel­o­gen wird nur, um dem andern zu ver­ste­hen zu geben, daß einem nicht an ihm liegt, daß man sein­er nicht bedarf, daß einem gle­ichgültig ist, was er über einen denkt. Die Lüge, ein­mal ein lib­erales Mit­tel der Kom­mu­nika­tion, ist heut zu ein­er der Tech­niken der Unver­schämtheit gewor­den, mit deren Hil­fe jed­er Einzelne die Kälte um sich ver­bre­it­et, in deren Schutz er gedei­hen kann. Theodor W. Adorno, Min­i­ma moralia, #9, S. 28

spinnennetz vor natur

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  • „Die Gesellschaft prof­i­tiert von unser­er Autonomie“ | FAZ → ein schönes, inter­es­santes, kluges inter­view mit der his­torik­erin bar­bara stoll­berg-rilinger

    Die ganze Gesellschaft prof­i­tiert von der Autonomie der Wis­senschaft. Die eigentliche Arbeit der His­torik­er ist mein­er Ansicht nach von solchem bürg­er­rechtlichen Engage­ment zu unter­schei­den. Indem man Geschichte nach his­torisch-kri­tis­chen Stan­dards schreibt, leis­tet man ja schon Aufk­lärungsar­beit.

  • Vor­bild Frank­furt: Restau­ra­tive Schiz­o­phre­nie| Merkur → ein sehr kluger und, trotz sein­er klaren posi­tion­ierung, unaufgeregter kom­men­tar von philipp oswalt zur rekon­struk­tion­sar­chitek­tur wie der frank­furter “neuen alt­stadt” (schon der name ist in sein­er ästhetis­chen grausamkeit ja beze­ich­nend)

    Es ist eine Medi­en­ar­chitek­tur, die aus tech­nis­chen Bildern gener­iert nun vor allem der Erzeu­gung neuer medi­aler Bilder dient. Auch son­st ist die Architek­tur keineswegs so tra­di­tionell, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Der Rohbau beste­ht – von den weni­gen Fach­w­erkhäusern abge­se­hen – aus Stahlbe­ton und Indus­trieziegeln, die Ausstat­tung umfasst Fuß­bo­den­heizung mit Fer­n­wärme, Dreifachver­glasung, mech­a­nis­che Lüf­tung, mod­ern geschnit­tene, offene Wohnküchen, umfan­gre­iche San­itär­räume und meist einen direk­ten Zugang zu den pri­vat­en Stellplätzen in der zuge­höri­gen Tief­garage.

    Nicht nur für die Bewohn­er, auch für die zeitk­nap­pen Fer­n­touris­ten aus Asien und Übersee ist die neue Alt­stadt die mod­erne Alter­na­tive, und so wird sie auch bewor­ben.

    […]

    Ob icon­ic build­ing oder Rekon­struk­tion his­torisch­er Baut­en – bei­des sind sym­bol­is­che Gesten zur Iden­tität­skon­struk­tion, wie sie seit den 1990er Jahren in Mode gekom­men sind.

    […] Der Staat hat sich aus der Fläche zurück­ge­zo­gen, und die vorherige Kohä­sion­spoli­tik wurde durch einen Inselur­ban­is­mus abgelöst, bei dem große Bere­iche der Stadt dereg­uliert und pri­vatisiert wer­den, während an aus­gewählten zen­tralen Orten kleine Inseln mit großer Kon­trolltiefe beplant wer­den. […]

    Mit dem Zer­fall ein­er im All­t­ag prak­tizierten Kohä­sion ist die Aufw­er­tung eines sym­bol­isch-medi­alen Ersatzes umso wichtiger.

    […]

    Doch die Alt­stadt Frank­furt ist keine überzeu­gende Antwort auf die drän­gen­den Fra­gen des heuti­gen Städte­baus, sie ist Teil des Prob­lems.

  • Im Ruck­sack: die Frei­heit | Oliv­er B. Weber → ein inter­es­san­ter essay über die spez­i­fis­che form des reisens der gegen­wär­ti­gen back­pack­er und die daraus entstehende/erwachsende “glob­al­i­ty”

    Der Back­pack­er ver­ste­ht sich als Zeitreisender. Er sucht die selige Ver­gan­gen­heit in geo­graphis­ch­er Ferne. Die Men­schen, die darin leben müssen, begutachtet er mit ein­er ambiva­len­ten Mis­chung aus Staunen und Her­ab­set­zung. Immer sel­tener hinge­hen ist ein tat­säch­lich ein­tre­tender habitueller Posi­tion­swech­sel des Beobachters. Woher kommt die häu­fige Blind­heit gegenüber der tat­säch­lichen Welt, zu deren Ent­deck­ung das Back­pack­ing ja ange­treten war?

  • Sehn­sucht nach Retro­topia | Zeit → ein kluger essay von nils mark­wardt über “Poli­tisierung der Nos­tal­gie” und die “Fetis­chisierung von Geschichte unter Aus­blendung von Geschichtlichkeit”:

    Im Angesicht der aktuellen Retro­ma­nia beste­ht die Auf­gabe darin, Geschichte als gle­icher­maßen bewussten wie pro­gres­siv­en Wieder­hol­ung­sprozess, nicht als bloßes Abstauben der Ver­gan­gen­heit zu ver­ste­hen.

  • Da läuft etwas ganz schief | Forschung & Lehre → der erziehungswis­senschaftler volk­er laden­thin hat genug von den man­gel­nden fähigkeit­en und ken­nt­nis­sen der aktuellen studieren­den (ich bin mir nicht sich­er, ob das in die kat­e­gorie “früher war alles bess­er” fällt oder ob es wirk­lich die real­ität trifft)

    Die Studieren­den sind über­aus fre­undlich und kom­mu­nika­tiv, im Zwiege­spräch sehr geschickt. Eben­so sind sie fleißig, gutwillig und kon­struk­tiv: Aber es lässt sich ein entwick­lungspsy­chol­o­gis­ches Prob­lem fest­stellen. Auf Grund der kog­ni­tiv­en Entwick­lung scheinen die Studieren­den in den Anfangsse­mes­tern mehrheitlich nicht in der Lage, kom­plexe, antin­o­mis­che und mul­ti­kausale Prozesse, wie sie heute in allen Wis­senschaften üblicher­weise beschrieben wer­den, angemessen aufzunehmen und Vorgänge streng aspek­t­ge­bun­den oder mul­ti­per­spek­tivisch zu betra­cht­en.

spinnennetz

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  • Geht doch auch so | Zeit → der sozi­ologe armin nasseh über kom­plex­ität, poli­tik, lösun­gen und den ganzen kram der gegen­wart

    Aber man braucht eine bes­timmte Denkungsart, um sich nicht von der Welt über­fahren zu lassen. Der größte Fehler heute wäre, weit­er so zu tun, als kön­nten wir die Dinge kon­trol­lieren. Kön­nen wir nicht. Und mit dieser Nicht-Kon­trol­lier­barkeit müssen wir rech­nen.

  • Freibad, Gle­ich­heit, Brüder­lichkeit | NZZ → richard käm­mer­lings ver­sucht sich — vielle­icht etwas frei­händig, aber doch sehr flott zu lesen — an ein­er klitzek­leinen kul­turgeschichte des freibads

    Freibad, das war ein Aus­druck sozialen Fortschritts, ein erfrischen­der Luxus für alle, gewis­ser­maßen die gebaute Vor­weg­nahme eines kom­mu­nis­tis­chen Endzu­s­tands, in dem auch der Arbeit­er seinen gerecht­en Anteil am Reich­tum hat und Freizeit kein Priv­i­leg von Adel und Bour­geoisie mehr ist.

  • Abzock-Fachzeitschriften: Wie groß ist das Prob­lem? | Scilogs → markus pös­sel ver­sucht, dem von recherche­ver­bund des ndr, wdr & süd­deutsche lancierten prob­lem der betrügerischen zeitschriften (das dort, vol­lkom­men falsch und über­haupt nicht nachvol­lziehbar, als “fake sci­ence” etiket­tiert wird) und vor allem der zahl der betrof­fe­nen wissenschaftler*innen nachzuge­hen, weil die medi­en keine details ver­rat­en …
  • Radl­ret­ter → drei stu­den­ten haben eine mobile rad­w­erk­stätte — v.a. für not­fälle, nicht für große repara­turen und umbaut­en — in regens­burg eröffnet. sieht ganz nett aus und die preise schauen mir auch fair aus (auch wenn ich’s eher nicht brauchen werde, so sachen mache ich dann doch selb­st …)
  • Smart home tech is being turned into a tool for domes­tic abuse| Wired → noch mehr gründe, warum das IoT nur eine bed­ingt gute idee ist …
  • There­sa May’s Impos­si­ble Choice | New York­er → eine ziem­lich gute reportage über den brex­it, zugle­ich ein inten­sives porträt von there­sa may (oder umgekehrt, wie man möchte …) von sam knight

    Brex­it and Trump are often com­pared. The dis­as­ters that have occurred in two of the world’s old­est democ­ra­cies stem from sim­i­lar caus­es, but they man­i­fest as very dif­fer­ent phe­nom­e­na. The dan­ger posed by Trump is the­o­ret­i­cal­ly unlim­it­ed, as bor­der­less as his pro­cliv­i­ties and the ter­ri­fy­ing pow­er of his office. The Brex­it vote, by con­trast, has trau­ma­tized British pol­i­tics by nar­row­ing it. There is only one con­cept, and we are putting every prob­lem that we have inside that con­cept. May’s assign­ment has been to quell a pop­ulist wave, not ride it; to sub­li­mate the con­tra­dic­to­ry forces with­in Brex­it and to pro­tect the coun­try from itself.

spinnennetz in blühpflanzen

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  • Umso schlim­mer für die Tat­sachen | Süd­deutsche → wolf­gang kraushaar wirft einen instruk­tiv­en blick auf die “ergeb­nisse” des gedenk­jahres zum 50. jubiläum von “1968”

    Kaum jemand, der sich damals auf die Bewe­gung ein­ge­lassen hat­te, dürfte so wieder aus ihr her­aus­gekom­men sein, wie er zuvor in sie hineinge­gan­gen war. Das war ein kom­prim­iert­er, äußerst dynamis­ch­er Prozess, der die Einzel­nen nur zu häu­fig grundle­gend verän­dert hat.

    Diese Bewe­gung war aber in ihrem Kern auch etwas völ­lig Neuar­tiges. Ihre Akteure woll­ten ja nicht ein­fach wie noch die Arbeit­er- oder Gewerkschafts‑, die Friedens- oder Oster­marschbe­we­gung durch ihren Protest Inter­essen ver­fol­gen und bes­timmte Ziele erre­ichen. Nein, sie woll­ten sich dabei auch selb­st entwick­eln, verän­dern, manche sog­ar “befreien”. Es ging 1968 zugle­ich auch immer um die Bewegten selb­st, um ihre Bedürfnisse, ihre Wün­sche, ihre Träume — in einem emphatis­chen Sinne um Sub­jek­tiv­ität. Die Schalen der alten Per­son soll­ten abgeschüt­telt und darunter ein neues Ich ent­deckt und gebor­gen wer­den. Damit hat­te sie allen Irrun­gen und Wirrun­gen zum Trotz ein Bewe­gungs­for­mat geschaf­fen, das für andere Protestierende zum Fix­punkt wurde und an dem sich viele später ori­en­tiert haben.

  • Die Sche­in­frei­heit der Bibel | taz → heinz-wern­er kub­itz­ka erk­lärt, warum es falsch (und schein­heilig) ist, sich für mod­erne werte auf das chris­ten­tum zu berufen:

    Tol­er­anz und Frei­heit sind eben nicht organ­isch aus dem Chris­ten­tum erwach­sen, son­dern mussten ger­adezu in Geg­n­er­schaft zum Chris­ten­tum ver­wirk­licht wer­den. […] Befreiung find­et und fand nicht mit, son­dern meist gegen die Reli­gio­nen statt. Mod­erne Werte nimmt man nicht aus alten Schriften.

  • Ver­bale Auss­chuss­ware | Spiegel → sascha lobo verzweifelt an face­books com­mu­ni­ty-stan­dards — und zwar aus­drück­lich schon an ihrer sprach­lichen ver­fass­theit
  • Mein erster DSGVO Rant – Zu viele Mythen und gefährlich­es Halb­wis­sen zum neuen europäis­chen Daten­schutzrecht | Recht 2.0 → carsten ulbricht ärg­ert sich über panik und falsche infor­ma­tio­nen in bezug auf die dsg­vo

    Wer sich hier von der Panikmache nicht ansteck­en lässt, son­dern sich aus vernün­fti­gen Quellen oder bei Beratern informiert, die einen prak­tik­ablen Weg zur Umset­zung zeigen und nicht nur mit­teilen, wie unsich­er und riskant alles wird, der wird auch die Vor­gaben der DSGVO sin­nvoll umge­set­zt bekom­men.

  • Von der Lügen­presse zur Lügen­wis­senschaft? | Zeit­geschichte online → andreas wirsching macht sich gedanken über den platz und die rel­e­vanz der (zeit-)geschichte in der heuti­gen gesellschaft:

    Mit ihrem plu­ralen Blick auf die Ver­gan­gen­heit ver­mei­det die Prob­le­merzeu­gungs­geschichte zugle­ich die Frag­men­tierung ihres Gegen­standes ent­lang iden­titär­er Abgren­zun­gen. Sie lässt sich daher nicht vor den Kar­ren außer­wis­senschaftlich­er Iden­tität­skon­struk­tions­bedürfnisse span­nen, son­dern analysiert diese selb­st als Prob­lemhor­i­zont der Gegen­wart.
    So – und wie ich meine nur so – lässt sich die Zeit­geschichte als Vorgeschichte der Gegen­wart ver­ste­hen. Und als solche kann sie nicht nur, son­dern sollte unbe­d­ingt ihre Stimme in der Deu­tung aktueller Prob­lem­la­gen erheben. Gegenüber den Reduk­tion­is­ten aller Couleur wirkt sie störend, aber eben das erweist ihre öffentliche Rel­e­vanz.
    Und in nicht weni­gen Diskus­sio­nen liegt darin auch ihre beson­dere Kom­pe­tenz. His­torische Wis­senschaften sind näm­lich die einzi­gen Diszi­plinen, die gle­ich­sam mit zwei Augen sehen. Während das eine Auge in der Zeit- und Stan­dort­ge­bun­den­heit des Wis­senschaftlers haften bleibt, richtet sich das andere auf die his­torische Tiefe. Und erlauben Sie mir zum Schluss eine nicht ganz ern­stzunehmende Weit­er­führung des Bildes. Denn sind nicht die rein gegen­wart­sori­en­tierten Wis­senschaften gle­ich­sam die Einäugi­gen unter den Blind­en – den blind­en Zeitgenossen, die ihre Gegen­wart nicht zu ver­ste­hen ver­mö­gen? Und ist es demge­genüber nicht allein die Zeit­geschichte, die mit ihren bei­den Augen zusam­men räum­lich sehen kann. Wenn es sich so ver­hält, ist die Zeit­geschichte wed­er anti­quar­ische noch Lügen­wis­senschaft und um ihre Rel­e­vanz braucht uns nicht bange zu sein.

fischernetz

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  • Fata, Libel­li. Lit­er­aturkolumne | Merkur → ekke­hard knör­er wirft einen instruk­tiv­en blick auf den buch­markt und seine (haupt-) akteur*innen

    Ein Buch ist ide­al­typ­isch das, was eine Autorin ver­fasst, ein Agent in ihrem Namen verkauft, eine Lek­torin lek­to­ri­ert, ein Ver­lag set­zen lässt, pub­liziert und bewirbt, was ein Händler online oder im Laden verkauft, eine Rezensentin rezen­siert, eine Käuferin kauft. Ein Buch ist also ein ziem­lich kom­plex­es, aus geisti­gen, materiellen, ökonomis­chen Aspek­ten zusam­menge­set­ztes Objekt. […] Das Schreiben von Büch­ern ist eine in jed­er Hin­sicht aufwändi­ge und anstren­gende Sache. Die aller­meis­ten Autorin­nen und Autoren von Lit­er­atur kön­nen, wie sich aus den genan­nten Zahlen ohne viel Rech­nen ergibt, wed­er von den Verkäufen ihrer Büch­er noch von den Vorschüssen leben. Das gilt für die USA, das gilt für Deutsch­land, es gilt wohl über­all auf der Welt. Den­noch erscheinen Jahr für Jahr unfass­bar viele bel­letris­tis­che Titel. Wovon leben all diese Men­schen?

  • Geschlossen gegen imag­inierte Bedro­hun­gen | Süd­deutsche → ein ziem­lich guter essay von felix stephan über die ver­biesterten, eng­stirni­gen kämpfe um (deutungs-)hoheit (auch) in der kul­turszene, die er er im ver­har­ren in den eige­nen echokam­mern begrün­det sieht
  • Aber über Juden­hass nicht lachen wollen! | Über­mei­den → gabriel yoran regt sich ziem­lich zu recht über dumme fra­gen beim dlf auf:
    [Lev­it] soll allen Ern­stes erk­lären, wie sich sein Twit­tern jüdis­ch­er Witze mit Kri­tik an einem Preis für Verächtlich­machung von Auschwitz-Häftlin­gen verträgt. Was ist das für ein furcht­bares Land, in dem ein führen­des, ser­iös­es Medi­um solche Fra­gen stellt?
  • Moni­ka Grüt­ters im Inter­view | Tagesspiegel → ein total irres inter­view mit moni­ka grüt­ters, die sich ern­sthaft darüber beschw­ert, dass bei kul­tur­poli­tis­chen entschei­dun­gen (zu) viele mitre­den wollen. nun ja:

    Manch­mal würde auch der Kul­turbe­trieb eine Autorität gut ver­tra­gen.

  • Die große Inklu­sion | taz → vor­ab­druck eines auzuges aus armin nassehs neuem buch über 1968, “Gab es 1968?”, das — wenn ich den hier veröf­fentlicht­en text als maßstab nehme — sehr inter­es­sant zu sein scheint:

    Als wirk­sames Erbe [von 1968] haben sich Inklu­sion­ss­chübe vol­l­zo­gen, in deren Folge es zu ein­er Gen­er­alin­klu­sion der Bevölkerung kam. Dadurch ist es, so meine These, in allen wes­teu­ropäis­chen Län­dern zu einem mehr oder weniger merk­lichen impliziten Linksruck gekom­men – nicht expliz­it links gemäß der Vorstel­lung der radikalen Rev­o­lu­tion­sper­spek­tive des kleinen harten Kerns von „1968“, wonach die Gesellschaft ein umbaubares Objekt darstellt. Doch die Inklu­sions­dy­namik hat dur­chaus zu ein­er diskur­siv­en Beteili­gung größer­er Grup­pen geführt, und es kam zu ein­er grup­penüber­greifend­en Prämi­ierung von Abwe­ichung allein deshalb, weil die „Arbeit­steilung“ von Schicht­en und Milieus durcheinan­derg­eri­et.
    […] Die Poli­tisierung der Inklu­sion ist das, was ich hier als das impliz­it Linke beze­ich­nen möchte. Es ist links, weil es die egal­itären, auf soziale Ungle­ich­heit zie­len­den For­men von Mit­glied­schaft und Gen­er­alin­klu­sion von Bevölkerun­gen offen­siv ange­ht und sich mit jedem Schritt in Rich­tung Gen­er­alin­klu­sion die Unmöglichkeit ein­han­delt, solche For­men wieder zurück­zu­drehen. Und es ist impliz­it links, weil es für die Ver­fol­gung solch­er Poli­tik kein­er expliz­it linken Seman­tik und Pro­gram­matik bedarf.

drahtnetz (detail)

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  • The mys­tery of the phan­tom ref­er­ence | harzing.com → eine schöne geschichte: ein wis­senschaftsver­lag erfind­et für seine for­matvor­lage einen fachar­tikel — und der taucht immer wieder in wis­senschaftlichen pub­lika­tio­nen auf …
  • Frau am Steuer: Pio­nierin­nen in Män­ner­domä­nen | Stan­dard → bet­ti­na bal­a­ka über “frauen am steuer” (und in anderen berufen) in öster­re­ich — eine schöne erin­nerung, wie kurz die zeit der emanzi­pa­tion doch eigentlich ist …

    Man kann sich nie sich­er sein, was ver­rückt ist oder vielle­icht doch eine gute Idee, was nor­mal und was irra­tional, weil einen Geschichte und Gewöh­nung nicht sel­ten eines Besseren belehren. Manch­mal geht gesellschaftliche Verän­derung so schnell, dass eine Gen­er­a­tion der näch­sten davon erzählt wie aus grauer Vorzeit. Was heute vol­lkom­men vernün­ftig erscheint, löst Jahrzehnte später ungläu­biges Kopf­schüt­teln aus. Wir dür­fen davon aus­ge­hen, dass auch einiges von dem, was wir im Augen­blick für gut und richtig, da ver­traut hal­ten, von diesem Schick­sal ereilt wer­den wird.

  • Kli­mawan­del – ich habe darüber gere­det | Kli­mafak­ten → ein wis­senschaftler berichtet über die schwierigkeit­en, mit men­schen über den kli­mawan­del ins gespräch zu kom­men und an strate­gien oder lösun­gen zu arbeit­en
  • The Hori­zon of Desire | Lon­greads → lau­rie pen­ny über con­sent, rape und moral­ität und kul­tur — wie (fast) immer bei ihr, ein großer lesegewinn

    The prob­lem is that tech­ni­cal­ly isn’t good enough. “At least I didn’t active­ly assault any­one” is not a gold stan­dard for sex­u­al moral­i­ty, and it nev­er was. Of course, we have to start some­where, and “try not to rape any­one” is as good a place as any, but it can’t end there. Our stan­dards for decent sex­u­al and social behav­ior should not be defined pure­ly by what is like­ly to get us pub­licly shamed or put in prison, because we are not tod­dlers, and we can do bet­ter. […] This is what con­sent cul­ture means. It means expect­ing more — demand­ing more. It means treat­ing one anoth­er as com­plex human beings with agency and desire, not just once, but con­tin­u­al­ly.

  • The secret tricks hid­den inside restau­rant menus | BBC → über die opti­mierung von speisekarten — also opti­mierung im sinne von mehr geld für’s restau­rant …
  • Com­pul­so­ry hel­met laws won’t make cycling safer | British Cycling → wieder/noch ein­mal der hin­weis, dass helmpflicht­en für radfahrer_innen die kopfver­let­zun­gen nicht unbe­d­ingt reduziert, von anderen (gesund­heitlichen) auswirkun­gen ganz zu schweigen

Erziehung

Die Erziehung aber ist immer rück­ständig. Ihr Fortschritt beste­ht darin, daß ihre Rück­ständigkeit ein wenig über­wun­den wird. Siegfried Bern­feld, Sisyphos oder die Gren­zen der Erziehung (1925) 126

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  • Hel­mut Kohl Vis­its Yad Vashem – June 6th 1995 | Yaa­cov Lozowick’s Rumi­na­tions → Yaa­cov Lozow­ick, mitar­beit­er bei yad vashem, berichtet über das egozen­trische desin­ter­esse hel­mut kohls bei dessem besuch in yad vashem 1995 — und seine gegen­teilige insze­nierung für die medi­en. sehr span­nen­der zeitzeu­gen­bericht

    Fed­er­al Chan­cel­lor Hel­mut Kohl came to vis­it us at Yad Vashem this morn­ing. I accom­pa­nied him through­out his 70 minute vis­it. We began in the Val­ley of the Destroyed Com­mu­ni­ties, a sort of ceme­tery of ceme­ter­ies. Once the Jews were gone, their ceme­ter­ies began to die, so they’ve been sym­bol­i­cal­ly trans­plant­ed to Jerusalem where the Jews still live. I had intend­ed to sug­gest some of these ideas to him, but he wasn’t inter­est­ed. “Yes yes, I under­stand”, he said, and moved on. Not that he did­n’t observe his sur­round­ings. The gigan­tic stone blocks of the Val­ley remind­ed him of his beloved Rhineland, and he told me about the beau­ti­ful cathe­dral in Spey­er, and how the set­ting sun makes it glow. That’s how it went the entire time. He nev­er saw Yad Vashem, and even less what it means. […] Then, as he stood before the TV cam­eras, his entire demeanor abrupt­ly changed. He seemed some­how small­er, and he spoke about shame, mem­o­ry, and the future… but you saw him on the evening news, no doubt. A minute lat­er it was over, and he car­ried on his friend­ly chat­ter with me.

  • Links bin ich schon lange nicht mehr | NZZ → ein extrem irri­tieren­der, unvernün­ftiger, nicht-/pseu­do-argu­men­tieren­der text von moni­ka maron, die ich als autorin bish­er sehr geschätzt habe. nach diesem elab­o­rat wird mir das schw­er fall­en …
  • Hor­monelle Irra­tional­ität. Zur Geschichte der Gefüh­le in der Schwanger­schaft | Geschichte der Gegen­wart → ein span­nen­der text über den zusam­men­hang von weib­lich­er kör­per­lichkeit und rol­len­bildern

    Auch das heutige Wis­sen zu hor­monellen Stim­mungss­chwankun­gen in der Schwanger­schaft ist also Aus­druck bes­timmter Weib­lichkeit­skonzepte. Dabei sind vor allem zwei Aspek­te zen­tral: Erstens führen die aktuellen Vorstel­lun­gen schwan­ger­er Gefüh­le dazu, dass gesellschaftliche Prob­leme […] in den Frauenkör­p­er ver­legt wer­den. Aus poli­tis­chen Wider­sprüchen wird so hor­monelle Irra­tional­ität. Zweit­ens zeugt der aktuelle Diskurs zur hor­monellen Irra­tional­ität davon, dass mit der zunehmenden Emanzi­pa­tion von Frauen auch eine gewisse Re-Tra­di­tion­al­isierung ein­herge­ht. […] Denn auf diesem Wege wird Frauen das alte Rol­len­bild der hyper-ver­ant­wortlichen Mut­ter in Kör­p­er und Psy­che eingeschrieben – und zwar bere­its während der Schwanger­schaft.

  • Nicht­mehrlinke | Neues Deutsch­land → leo fis­ch­er sehr schön und pointiert über die mode der nicht-mehr-linken

    Abge­se­hen davon, dass, wer in welchen Milieus auch immer nur deshalb unter­wegs ist, um Zuge­hörigkeits- und Stamme­ser­fahrun­gen zu machen, vielle­icht ein viel größeres Prob­lem hat, als es von solchen Milieus behan­delt wer­den kann: Welch­es Milieu soll das denn sein? Wo gibt es noch sol­i­darische Struk­turen in diesem Land, die über das Organ­i­sa­tion­sniveau von MLPD-Stammtis­chen und alter­na­tiv­en Wohn­pro­jek­ten hin­aus­re­icht­en? Wen meint diese Frau? »Real­itäts­fern« ist an diesem Milieu nur, dass es schlichtweg nicht existiert.

  • Welchen Fak­ten kön­nen wir trauen? | Philoso­phie-Mag­a­zin → inter­es­santes inter­view mit lor­raine das­ton und georg mas­co­lo über wahrheit, tat­sachen, medi­en und poli­tik

    Die Flug­blät­ter der Refor­ma­tion­szeit lassen sich mit ein­er Web­seite wie Bre­it­bart News ver­gle­ichen. Es hat über 200 Jahre, also bis zur Mitte des 18. Jahrhun­derts gedauert, bis Ver­fahren etabliert waren, mit denen sich wahre von falschen Infor­ma­tio­nen unter­schei­den ließen. Ich hoffe, wir sind in der Lage, heute schneller an dieses Ziel zu gelan­gen. […] Die Wahrheit ist kein Fer­tighaus, das man über Nacht errichtet. Sie ist, wenn ich das etwas pathetisch for­mulieren darf, eine Kathe­drale.

spinnennetz

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  • Im Gespräch: Timo Brandt redet mit Bertram Rei­necke | Fix­po­et­ry → bertram rei­necke gibt timo brandt lange antworten übers ver­legen, exper­i­mentelle lit­er­atur und seine eigene lyrik

    Nein, ich wollte immer bloß inter­es­sante Lit­er­atur ver­legen, solche, die irgend­was bietet, was man ander­swo nicht geboten bekommt. Ich muss nicht jedes Jahr ein Pro­gramm füllen und kann warten, was mich trifft. Darüber hin­aus ver­lege ich lieber Autoren, deren Beson­der­heit ich auch greif­bar schildern kann.
    […] Ins­ge­samt ist der Ver­dacht, dass bes­timmte alte For­men bes­timmte alte Inhalte nahele­gen, zwar nie unbe­grün­det, aber das Prob­lem erweist sich als eines, mit dem man sehr gut umge­hen kann.

  • Zum Geschäft der Lit­er­aturkri­tik heute | Voll­text → daniela strigl beant­wortet den “volltext”-fragebogen:

    Für mich per­sön­lich: die Sim­u­la­tion ein­er gesellschaftlichen Rel­e­vanz, die sie schon seit Län­gerem nicht mehr hat. Ich muss zumin­d­est so tun, als wäre die Kri­tik noch wichtig, damit ich jenes Maß an Hingabe und Ernst auf­bringe, das jed­er lit­er­arische Text grund­sät­zlich ver­di­ent. Mit­ten in dieser mir selb­st vorge­spiel­ten Wichtigkeit däm­mert mir freilich die Irrel­e­vanz meines Tuns, die wiederum eine schöne Frei­heit eröffnet. All­ge­mein betra­chtet ist die Kri­tik in ihrer Mar­gin­al­isierung natür­lich als siame­sis­ch­er Zwill­ing an die Lit­er­atur gebun­den. Der Zeit­geist hält nicht viel von Lit­er­atur und von lit­er­arisch­er Bil­dung beziehungsweise er hält sie für Luxus, ergo ent­behrlich. Das wird sich ein­mal auch wieder ändern, bis dahin lese und schreibe ich unver­drossen weit­er.

  • Smarte Mobil­ität | taz → Mar­tin Held, Man­fred Kriener und Jörg Schindler schla­gen vor, vorhan­dene, funk­tion­ierende Assis­ten­zsys­tem bei Pkw und Lkw viel stärk­er einzu­binden, um Unfälle zu ver­mei­den

    Wir haben Visio­nen vom kom­plett autonomen Auto, das ange­blich alles bess­er macht. Wir trauen uns aber nicht, nüt­zliche Assis­ten­zsys­teme auch nur in Ansätzen vorzuschreiben?

    Der oben beschriebene Ein­satz der Tech­nik wäre sofort mach­bar und würde eine heil­same Wirkung ent­fal­ten. Eben­so wäre in der Über­gangszeit ein „Mis­ch­be­trieb“ von Fahrzeu­gen mit und ohne Assis­ten­zsys­teme prob­lem­los möglich. Und noch ein­mal: In allen Fällen blieben die Frei­heits­grade beim Fahren so lange voll­ständig erhal­ten, wie die Rechtsvorschriften einge­hal­ten und keine gefährlichen Fahrmanöver ges­tartet wer­den.

  • Gestern böse, heute nor­mal | Zeit → Har­ald Welz­er über “shift­ing base­lines” (oder, um es anders zu sagen: verän­dernde diskurse)

    Shift­ing base­lines sind ger­ade in Zeit­en großer poli­tis­ch­er Dynamik ein Prob­lem, weil die Nachricht­en, Begriffe, Konzepte und Pro­voka­tio­nen so beschle­u­nigt und vielfältig einan­der abwech­seln, dass man kaum bemerkt, wie das, was gestern noch als unsag­bar galt, heute schon Bestandteil eines schein­bar nor­malen poli­tis­chen Diskurs­es ist. […] Wie bemerkt man solche Ver­schiebun­gen, und wie stemmt man sich dage­gen? Dafür gibt es kein Paten­trezept, schließlich ist man als Mit­glied ein­er Gesellschaft stets Teil ein­er sich verän­dern­den sozialen Gemein­schaft. Aber vielle­icht kann man sich darin üben, gele­gentlich “Augen­blick mal!” zu sagen, wenn einem etwas so vorkommt, als habe man es kurz zuvor nicht mal denken, geschweige denn sagen wollen. … Ein­fach mal den Rede- und Denk­fluss unter­brechen, die base­line am Ver­schieben hin­dern. Den eige­nen moralis­chen Kom­pass eichen.

  • Gedichte für alle! | NZZ Felix Philipp Ingold recht klug über die Vorteile von Lyrik, ihre Rezep­tion und Kri­tik momen­tan →

    Im Unter­schied zum Infor­ma­tion­s­ge­halt des Gedichts ste­ht seine Sprachgestalt ein für alle Mal fest, sie ist am und im Gedicht sinnlich fass­bar, ist Gegen­stand sein­er ästhetis­chen Erken­nt­nis, dies in Ergänzung oder auch in Kom­pen­sa­tion zu dem von ihm Gemein­ten. Nicht sein­er Bedeu­tung nach, aber als Laut­ge­bilde hat das Wort in jedem Fall seine eigene Wahrheit – nicht zu wider­legen, nicht zu ver­fälschen, niemals adäquat zu über­set­zen.

fischernetz (detail)

Ins Netz gegangen (16.5.)

Ins Netz gegan­gen am 16.5.:

  • Weswe­gen der Ver­weis auf „Führungss­chwäche“ das Prob­lem der Bun­deswehr nicht trifft. Die Skan­dale bei der Bun­deswehr als unge­wollte Neben­fol­gen von Kam­er­ad­schaft­ser­wartun­gen | Sozialthe­o­ris­ten → ste­fan kühl über die bun­deswehr, ihre beson­dere (und wohl notwendi­ge) form der kam­er­ad­schaft und die frage der “führungss­chwäche”

    Die Bun­deswehr hat mit ihrem in der Öffentlichkeit geze­ich­neten Wun­schbild nichts zu tun. Jen­seits der for­malen Ord­nung gibt es in Armeen immer auch Prob­leme der Zusam­me­nar­beit, die nicht durch die for­male Ord­nung gelöst wer­den kön­nen. Vor allem die konkrete Leis­tungsmo­ti­va­tion der Mit­glieder, beson­ders aber die rei­bungslose Lösung der Prob­leme der alltäglichen Zusam­me­nar­beit zwis­chen den Organ­i­sa­tion­s­mit­gliedern lassen sich nicht durch for­male Vorschriften allein garantieren. Und genau hier greifen die in Kam­er­ad­schaft­snor­men verdichteten infor­malen Erwartun­gen.

    Jed­er Sol­dat weiß, dass eine Armee nur deswe­gen funk­tion­iert, weil von den for­malen Regel­w­erken immer wieder abgewichen wird.

  • Vor­rats­daten­spe­icherung wird jet­zt schon aus­geweit­et | Zeit → das gesetz zur vor­rats­daten­spe­icherung ist noch nicht umge­set­zt, da wird es schon aus­geweit­et — und die ver­sprechen der poli­tik­er gebrochen. das sollte es dem bver­fg doch eigentlich leichter machen, die fehlende ver­fas­sungstreue zu erken­nen …
  • Ähn­lichkeits­beschla­gung. Fün­fte These zur Geschicht­skul­tur | zzz → achim landwehrs seziert weit­er­hin sehr tre­f­fend (und spitz­züngig) die geschicht­skul­tur unser­er gegen­wart:

    Die fün­fte These zur Geschicht­skul­tur lautet: Die deutsche Geschicht­skul­tur des frühen 21. Jahrhun­derts tendiert dazu, Ver­gan­ge­nes nicht mehr als fremd und irri­tierend wahrzunehmen, son­dern es sich der eige­nen Gegen­wart anzuäh­neln. […] Und die Ten­denz lautet: Ver­gan­gen­heit wird mit Ähn­lichkeit beschla­gen. Ganz im Sinne der erken­nt­nis­the­o­retis­chen Bin­sen­weisheit, dass man nur sehen kann, was man bere­its weiß, zeigt sich am Beispiel der gegen­wär­ti­gen Geschicht­skul­tur, dass sie häu­fig nur noch wis­sen will, was sie ohne­hin schon sieht. Und das ist meis­tens nichts allzu weit ent­fer­nt von der eige­nen Nasen­spitze. […] Das Andere, das ver­gan­gene Zeit­en für uns sein kön­nten, wird dadurch in Eigenes und Ver­trautes ver­wan­delt und muss eine Ähn­lichkeits­beschla­gung über sich erge­hen lassen. Der Vor­gang ließe sich auch mit der angemesse­nen Neg­a­tiv­ität zum Aus­druck brin­gen: Es geht um Störungsver­weigerung. […] Kann man dann über­haupt noch nach der Aktu­al­ität des Gewe­se­nen fra­gen? Sicher­lich kann man das. Aber nicht unter scham­los­er Aus­nutzung des bere­its benan­nten Macht­ge­fälles zwis­chen Gegen­wart und Ver­gan­gen­heit. Wir müssen dem Ver­gan­genen seine Einzi­gar­tigkeit nicht nur zugeste­hen, son­dern sie auch schützen. Nur dann kann es zu einem Dia­log kom­men zwis­chen den Zeit­en, nur dann kön­nen wir etwas ler­nen aus dieser Beziehung (denn wir ler­nen nicht ‚aus der Ver­gan­gen­heit‘, son­dern aus der Art und Weise, wie wir uns auf Ver­gan­gen­heit­en beziehen), nur dann kön­nen wir uns durch das Ver­traut-Frem­dar­tige, durch das Bekan­nt-Ver­wirrende hin­re­ichend aus dem Trott brin­gen lassen, um nicht nur die Ver­gan­gen­heit, son­dern auch unsere Gegen­wart neu und anders zu befra­gen.

  • Marathon­läufer über TV-Sportvielfalt: „Nicht alle mögen den Fußball“ | taz → arne gabius spricht mit der taz über die monokul­tur der sport­berichter­stat­tung in den deutschen medi­en und die schä­den, die das — nicht nur für die ver­nach­läs­sigten sportler/innen — nach sich zieht
  • His­torik­erin über Fürstin Maria There­sia: „Man ging leg­erer mit Trav­es­tie um“ | taz → span­nen­des und inter­es­santes inter­view mit stoll­berg-rilinger über maria there­sia und das ancien régime

    Was die Geschlech­ter­dif­ferenz ange­ht, war man im Ancien Régime deut­lich flex­i­bler als im 19. Jahrhun­dert. In der höfis­chen Gesellschaft ging man viel leg­erer mit Trav­es­tie und Homo­sex­u­al­ität um. Trans­gen­derverklei­dun­gen waren an der Tage­sor­d­nung. Das erschien im bürg­er­lichen 19. Jahrhun­dert als absoluter Sit­ten­ver­fall. […] Das Span­nende am Meti­er der Geschichte ist ja, sich die Fremd­heit des Anderen vor Augen zu führen. Pro­jiziert man eigene Wertvorstel­lun­gen in die Geschichte, bestätigt man nur, was man sowieso schon empfind­et. Ich brauche Maria There­sia nicht, um Fem­i­nistin zu sein.

  • Short-Attack­en oder Pech durch Mit­tod – Mil­liar­den ver­nichtet! | Wild Dueck Blog → gunter dueck über short-attack­en mit­tels geschickt platziert­er gerüchte — und die daran fleißig mitver­di­enen­den banken

    Man kann Mil­lio­nen schef­feln, indem man vage Vor­würfe gegen eine börsen­notierte Fir­ma im Inter­net for­muliert, am besten so, dass sich die Vor­würfe nicht sofort entkräften lassen. Das betrof­fene Unternehmen braucht dann ein paar Tage für eine ser­iöse Antwort – bis dahin rauscht der Kurs aber nach Süden ab. Da haben die Leerverkäufer gut Zeit zum Kassemachen. Was das betrof­fene Unternehmen nach einiger Bedenkzeit und Rechts­ber­atung antwortet, ist schon egal. Die schwarzen Rit­ter sind schon weg, das Unternehmen leckt seine Wun­den, die Aktionäre sitzen auf schw­eren Ver­lus­ten.

  • How the KGB infil­trat­ed clas­si­cal music | Spec­ta­tor → nor­man lebrecht plaud­ert ein biss­chen über emil gilels und die kol­portierten spi­one in seinem umfeld …

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