»Nächstens mehr.«

Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

willensfreiheit — aber richtig, bitte!

endlich das merkur-heft von märz ange­gan­gen. wie so oft ste­ht das beste am anfang: ein text von jan philipp reemts­ma, das schein­prob­lem wil­lens­frei­heit. ein plä­doy­er für das ende ein­er über­flüs­si­gen debat­te. denn reemts­ma gelingt — mit zunächst erstaunlich geringem, sehr schnell aber bewun­dernd beobachtet ökonomis­chen ein­satz von gehirn­schmalz und argu­men­ta­tion, die von den neu­rolo­gen (um wolf singer und kon­sorten) angezettelte debat­te um die neu­rol­o­gis­che vorbes­tim­mung aller men­schlichen entschei­dun­gen und die damit ange­blich ein­herge­hende unmöglichkeit des kon­struk­tes, der idee ein­er per­son­alen, sub­jek­tiv­en, ich-gebun­de­nen wil­lens­frei­heit, — ja man muss sagen, abzuschmettern und mit eini­gen ver­nich­t­end genau platzierten schlä­gen auf den boden zu schick­en. wenn ich das richtig ver­standen habe, geht die argu­men­ta­tion unge­fähr so: zunächst muss man natür­lich erst mal klarstellen, was wil­lens­frei­heit ist — näm­lich die unter­stel­lung, „men­schen hät­ten auch anders han­deln kön­nen, als sie es getan haben”. das impliziert ja ger­ade die idee der ver­want­wor­tung des sub­jek­tes für seine entschei­dun­gen und v.a. tat­en, und entsprechend seine schuld­fähigkeit. der entschei­dende schritt, der reemts­ma von den schein­bar philosophis­chen argu­menten der neu­ro­bi­olo­gen tren­nt, ist nun fol­gen­der: „nichts spricht gegen die annahme, daß solche phänomene [d.h. entschei­dun­gen, gedanken, stim­mungen etc.] als hirn­vorgänge in einem neu­ro­bi­ol­o­gis­chen respek­tive bio­chemis­chen vok­ab­u­lar voll­ständig beschrieben wer­den kön­nen. nichts spricht für die annahme, daß mit der möglichkeit ein­er solchen beschrei­bung ein vok­ab­u­lar der moralis­chen oder eines der ästhetis­chen oder eines der juris­tis­chen beschrei­bung solchen ver­hal­tens über­flüs­sig würde.” und vor allem dann: „eben­sowenig spricht dafür, daß die let­zt­ge­nan­nten vok­ab­u­lar­ien das wesentliche an diesen phänome­nen erfaßten, woge­gen die ersteren nur die ‘materielle erschei­n­ungs­form’.” par­al­lel dazu weist reemts­ma natür­lich auch das kausal­ität­sar­gu­ment zurück — das lässt sich ja durch ein­fachen regress ad adsur­bum führen: „wenn alles vom urk­nall an wie eine gut gebaute lin­ie domi­nos­teine durch die jahrmil­lio­nen klap­pert, dann ist auch die art und weise, wie ernst jemand dies als argu­ment nimmt, eben­so deter­miniert wie das vor­brin­gen des argu­ments selb­st. dann ist das für-läp­pisch-hal­ten dieses argu­ments bei eini­gen eben­so notwendig deter­miniert wie das vor­brin­gen des argu­ments selb­st.” der näch­ste schritt ist nun, das libet-exper­i­ment als argu­ment für einen neu­rol­o­gis­chen deter­min­is­mus zurück­zuweisen. denn das exper­i­ment sagt ja bei genauer betra­ch­tung nur aus, dass „das bere­itschaftspo­ten­tial entste­ht, bevor die ver­suchsper­son der empfind­ung, einen entschluß gefaßt zu haben, aus­druck ver­lei­ht.” das entschei­dende hier­bei ist näm­lich, nicht aus den augen zu ver­lieren, dass „wir niemals jene momente des bewußten über­gangs, des schwanken zwis­chen mehreren möglichkeit­en” ein­er entschei­dung über­haupt erleben. der wichtige schritt von den neu­ro­bi­ol­o­gis­chen vorgän­gen zu den gedanken schafft näm­lich die neu­ro­bi­olo­gie offen­bar noch nicht, da ist noch eine — entschei­dende — lücke. wie reemts­ma nun aber zeigen kann, muss singer die „vorstel­lung eines sub­jek­tes ‘hin­ter’ den neu­ronalen prozessen, das sich ihrer gle­ich­sam bedi­ent” über­haupt erst etablieren, um es dann ach so wirkungsvoll abwehren zu kön­nen. und die ursache dieser argu­men­ta­tiv­en mis­ere sieht reemts­ma in der man­gel­haften philosophis­chen bil­dung singers. denn: „das kuriose dabei ist, daß in dieser weise ambi­tion­ierte akademik­er den anspruch der philoso­phie zunächst ernst nehmen müssen, um ihn dann vehe­ment bestre­it­en zu kön­nen.” „denn die unken­nt­nis der philosophis­chen tra­di­tion ist ja bei diesen tex­ten oft mit hän­den zu greifen.” und aus all dem fol­gt schießlich ganz unauf­dringlich: „die mod­erne hirn­forschung zeigt uns, wie wir im laufe unseres lebens zu dem wer­den, was wir sind. … wenn wir unter ‘frei­heit’ ver­ste­hen wür­den, daß men­schen han­del­ten, als hät­ten sie einge­baute zufalls­gen­er­a­toren, wür­den wir die frei­heit nicht schätzen” — „die bedeu­tung von ‘wil­lens­frei­heit’ ist niemals die unter­stel­lung, jemand könne oder solle han­deln, als wäre er nicht er selb­st oder jemand anderes.” frei­heit meint also — das ist nicht über­raschend — autonomie: „frei­heit heißt nicht han­deln, als wäre ich nicht ich selb­st, son­dern anders han­deln zu kön­nen als jemand anderes.” und dann ist die ganze neu­ro­bi­olo­gie und ihr deter­min­is­mus doch ziem­lich belan­g­los: „was tut es hinzu, zu erwäh­nen, daß dies ‘wollen’, ‘die entschei­dung’, wie immer wir es nen­nen, im gehirn stat­tfind­et? … was tut es hinzu, daß sich dies ‘wollen’, ‘die entschei­dung’, wie immer wir es nen­nen, als eine abfolge neu­ronaler prozesse beschreiben läßt? nichts.” genau, das ist es!

reemts­ma ergänzt das ganze dann noch um einige anmerkun­gen zum prob­lem der moralis­chen (und rechtlichen) ver­ant­wor­tung, der schuld — fra­gen, die ja die neu­ro­bi­olo­gen auch gerne aufw­er­fen. auch hier beste­ht reemts­ma natür­lich auf die weit­er­hin gültige voraus­set­zung der wil­lens­frei­heit: „daß jemand gehan­delt hat, wie er gehan­delt hat, beweist natür­lich über­haupt nicht, daß er nicht anders han­deln kon­nte, son­dern allein, daß er nicht anders han­deln wollte.” –> „wer meint, die neu­ro­bi­olo­gie könne das strafrecht auf ein ganz anderes wis­senschaftlich­es fun­da­ment stellen, hat das funk­tion­ieren mod­ern­er gesellschaften nicht ver­standen. denn das strafrecht ruht auf über­haupt keinem wis­senschaftlichen (oder philosophis­chen) fun­da­ment, son­dern beruht auf den unter­schei­dun­gen, die sein spez­i­fis­ches vok­ab­u­lar erlaubt, in der welt zu tre­f­fen.” und damit wäre das jet­zt auch endlich mal gek­lärt.

die rheinische orchesterakademie entdeckt amerika

ein nettes abschlusskonz­ert der fün­ften arbeit­sphase der rheinis­chen orch­ester­akademie mainz im kur­fürstlichen schloss — mit drei ganz ver­schiede­nen vertretern “amerikanis­ch­er” musik:

ameri­ka ist ein großes land mit vie­len leuten, die gerne auch so viel tra­di­tion und geschichte hät­ten wie die europäer. vor allem wenn es um die musik für den konz­ert­saal geht – da tat­en sich die siedler und ihre nach­fahren näm­lich lange schw­er.

inzwis­chen ist das prob­lem freilich nicht mehr so zu erken­nen, auch die amerikan­er haben eine musik­tra­di­tion.

drei möglichkeit­en des kom­ponierens in und mit ameri­ka beschäftiget die fün­fte aus­gabe der rheinis­chen orch­ester­akademie mainz (roam), die ihre ergeb­nisse bei einem abschlusskonz­ert im schloss präsen­tierte.

sergej prokof­jew muss her­hal­ten als ein emi­grant, der zumin­d­est zeitweise in den usa lebte. seine 7. sin­fonie freilich ist erst viel später ent­standen und ver­ar­beit­et deshalb auch andere ein­flüsse, vor allem die bes­tim­mungen der sow­jetis­chen kul­tur­poli­tik nach dem zweit­en weltkrie. aber let­ztlich ist es auch ein­fach nur musik. die strenge, fast mil­itärisch straffe organ­i­sa­tion, die der junge diri­gent tobias rokahr der roam verord­netet, ver­hil­ft dieser sin­fonie zu ein­drück­lichem erfolg. keine spur von chaos, kein unkon­trol­liert­er tumult trüben die große überzeu­gungskraft.

weniger glück­lich zeigte sich rokahr dage­gen beim con­certi­no für marim­baphon und orch­ester von paul cre­ston, das für die zweite möglichkeit des amerikanis­chen kom­ponierens stand: die verbindung von u- und e‑musik, wohl die erfol­gre­ich­ste form. am solis­ten ben­jamin schäfer lag das freilich nicht: der ließ seine schlegel mit viel feuer und gehörig druck tanzen. die roam wirk­te dage­gen wie ziem­lich schw­er­fäl­liger dampfer – aber da sie eh’ nicht so wichtig ist für das gelin­gen dieses con­certi­nos, macht das nichts.

charles ives schließlich ist einen drit­ten weg gegan­gen: vor allem der kün­st­lerischen avant­garde verpflichtet, ohne seine heimat darüber zu vergessen. „the unan­swered ques­tion“ ist ein echter dauer­bren­ner, um das zu beweisen. zum glück spielte die roam auch den dazuge­höri­gen zweit­en teil. denn schon der anfang ist ein­fach unwer­fend: zart flir­ren die stre­ich­er, darüber erhebt sich die tas­tend fra­gende trompete, die eigentlich schon jede hoff­nung auf eine antwort aufgegeben hat und zunehmend desparater wirkt, aber den stachel der hoff­nung nie ganz ent­fer­nen kann: vielle­icht klappt es ja doch noch ein­mal. die antwort ver­suchen die holzbläs­er – und find­en keine. sie erge­hen sich in hek­tis­chem ges­tam­mel, wis­sen allerd­ings selb­st immer schon, dass das keine antwort wer­den wird, bis sie schließlich genug haben und selb­st den ver­such aufgeben – da hat tobias rokahr die tragik der mod­erne wirk­lich wun­der­bar her­aus­gek­itzelt.

deutsche (?) geschichte (?) im mittelalter (?)

die neueste lek­türe­frucht: frank rexroth: deutsche geschichte im mit­te­lal­ter. münchen: beck 2005.

im all­ge­meinen sind die bänd­chen der rei­he „wis­sen“ aus dem beck-ver­lag ja sehr zu empfehlen: kom­pak­te darstel­lung, kom­pe­tente schreiber, infor­ma­tiv und les­bar. aber rexroths büch­lein hat mich nicht wirk­lich überzeugt. vielle­icht sind 120 seit­en doch zu wenig, um eine sin­nvolle, aus­re­ichend aus­führliche, les­bare und ver­ständliche geschichte deutsch­lands oder der deutschen oder des deutschen reichs im mit­te­lal­ter zu schreiben. rexroth reflek­tiert diese prob­leme, also was in diesem zeitrah­men über­haupt deutsch heißt, natür­lich – in der gebote­nen kürze und fol­gt dann einem recht prag­ma­tisch scheinen­dem ansatz, der sich vor allem auf die wieder­ent­deck­ung von tac­i­tus‘ „ger­ma­nia“ bezieht. auch wenn die vorgeschichte (karolinger, entste­hung des reichs etc.) wirk­lich extrem knapp aus­fällt.

in den haupt­teilen gilt rexroths inter­esse dann zum einen der machtökonomie und den herrscheride­olo­gien (also vor allem ihren recht­fer­ti­gungsver­suchen und unternehmungen der dynas­tiegrün­dung etc.). großen wert legt er deshalb auf die beschrei­bung der kon­sti­tu­tion, gestal­tung, ausweitung/erhaltung/pflege von poli­tis­ch­er macht in den hän­den der könige und kaiser, aber eben auch der fürsten und klerik­er. das verbindet er grob gesagt zu ein­er geschichte der (men­tal­en) reichs­bil­dung.

da rexroth geschichte offen­bar vor allem als dial­o­gis­ches geschehen auf­fasst (ins­beson­dere wenn es um die deutsche geht), als bewe­gung von dial­o­gis­chen span­nun­gen, tritt neben diesen macht­poli­tis­chen fokus noch ein (in der darstel­lung freiliche ent­täuschend pauschaler) blick auf die sozialgeschichte der betra­chteten zeiträume. ger­ade im zusam­men­spiel dieser bei­den fak­toren ist rexroth beson­ders darauf bedacht, langfristige entwick­lun­gen und verbindungslin­ien aufzuzeigen. das einzelne ereig­nis inter­essiert ihn dabei weniger bzw. vor allem als symp­tom oder anstoss solch­er entwick­lun­gen.

diese per­spek­tiv­en auf die deutsche geschichte des mit­te­lal­ters sind ohne zweifel inter­es­sant, durch die ständig wech­sel­nden foki wird die darstel­lung aber äußerst unüber­sichtlich und wirkt oft unsys­tem­a­tis­ch­er als sie eigentlich ist. auf­grund der zusät­zlichen, sehr gedrängten kom­pak­theit der schilderung ist das ganze ohne dur­chaus einiger­maßen detail­liertes vor­wis­sen im grunde nicht nutzbar zu lesen und auch kaum ver­ständlich. das gilt vor allem, was die beziehung zwis­chen den jew­eils han­del­nden bet­rifft. da zeigt sich vor allem, dass geschichte eben doch immer noch auch etwas mit geschicht­en zu tun hat – doch dafür hat rexroth hier ein­fach keinen platz.

fussball

ein klein­er zwis­chen­ruf, aus der faz vom fre­itag:

jochen jung: wm

deutsch­land, deutsch­land, übe alles,
übe alles für die welt-
meis­ter­schaft, den fall des fall­es,
damit kahn das led­er hält.
oder lehmann. oder bälamm.
oder kant. auf jeden fall,
und trotz all dem blö­den schmäschlamm,
hal­ten soll er halt den ball.

kajak-videos

aus irgend einem grunde fällt mir das hier ger­ade ein — jed­er, der schon ein­mal (oder gar öfter) so ein video gese­hen hat, wird diese schilderung ken­nen…

gunnar homann

how to have some fun with some friends: szenen eines videoabends

ich bin ja kein pad­dler. aber ich kenne pad­dler. und die pad­dler, die ich kenne, schauen manch­mal pad­delvideos. da schau ich mit. gar nicht so sehr aus sozi­ol­o­gis­chem inter­esse, son­dern eher weil ich es unter gar keinen umstän­den ver­passen will, wenn mit­tel-irrsin­nige vol­lkom­men irrsin­ni­gen zuschauen. allein die fach­sim­pelei über boote! es gibt blaue. und es gibt grüne. und gelbe. es gibt solche von ein­er fir­ma, solche von ein­er anderen und solche von noch mal anderen fir­men. die mit­tel-irrsin­ni­gen, mit denen ich pad­del-videos schaue, erken­nen die marke immer sofort. was aber noch viel unglaublich­er ist: sie erken­nen sog­ar die vol­lkom­men irrsin­ni­gen, die in den booten sitzen, und zwar nur am helm!
jemand schiebt den ersten video rein. ach, denke ich, jet­zt geht es gle­ich wieder los: eine unternehmungslustig klin­gende stimme wird erk­lären, wo sich irrsin­nige wasser­fälle run­ter­stürzen wer­den. und tat­säch­lich: eine unternehmungslustige stimme erk­lärt, wo sich gle­ich ein paar irrsin­nige die wasser­fälle hin­un­ter­stürzen wer­den. der ort ist aber nicht so wichtig.
wichtiger ist, was jet­zt kommt: men­schen­fresser­musik. uah! bamm-bamm. uah! uah! bamm­bamm-bamm. und hier der erste irrsin­nige. er fährt an, macht alles falsch, über­schlägt sich, haut sich an felsen an, fällt in ein tosendes beck­en. so einen scheiß würde ich nie machen. die machen das aber. ein paar von den mit­tel-irrsin­ni­gen, mit denen ich das video schaue (und die momen­tan übri­gens nicht sehr intel­li­gent auf den bild­schirm star­ren), auch. aber wenig­stens lassen sie sich dabei nicht fil­men.

menschenfressermusik

wenn dann der erste depp endlich run­terge­poltert ist, kommt der moment, auf den ich in wirk­lichkeit gewartet habe: meine lieblingspas­sage in pad­delvideos, das sah­ne­häubchen, die amare­nakirsche auf der eis­creme­torte. denn jet­zt sehen wir den irrsin­ni­gen, der sich ger­ade alles kaputtge­hauen hat, beim inter­view auf der inten­sivs­ta­tion, quatsch, am ufer. er tropft, lacht und ist sehr lebendig. mit anderen worten: wir sehen irgend einen­jun­gen mann von der straße, für fünf dol­lar vor die kam­era gelockt, in ned­pren gesteckt, mit einem eimer wass­er übergössen und vor ein­er foto­tapete aufgestellt, um den klap­skalli zu erset­zen, der sich eben in den tod gestürzt hat.
na gut, vielle­icht irre ich mich. aber wenn der junge mann, den wir sehen, wirk­lich der junge draufgänger ist, macht das die fol­gende szene umso erschüt­tern­der. denn jet­zt fühlt ein unsicht­bar­er inter­view­er dem draufgänger knall­hart auf den zahn und hin­ter­fragt den ganzen wahnsinn mal so richtig und gesamtkri­tisch. man hört die frage zwar nie, aber aus der antwort kann man schließen, dass sie ziem­lich genau so laut­en muss: “sag mal steve, alte hütte, das ist zwar doof, aber in den anderen videos fra­gen die das auch immer. also, wieso pad­delst du eigentlich?”
und was antwortet der draufgänger? etwa: “och, weiß nich, aber da wo ich herkomme, sind eigentlich alle gestört”? ach woher. der draufgänger strahlt, ham­pelt ein biss­chen rum und ver­fällt in einen dem ohr schme­ichel­nden singsang, in dem sich neun worte unun­ter­brochen wieder­holen: yeah. it’s. great have. some. fun. with. some. friends. fünf minuten geht das so. ger­ade, wenn alle ein­schlafen, kommt wieder men­schen­fresser­musik und völ­lig über­raschend: der zweite pad­dler. obwohl er ganz genau gese­hen hat, wie es seinen vorgänger zer­bröselt hat, fährt er an den fall ran, macht alles falsch, über­schlägt sich, haut sich an, fällt in ein tosendes beck­en, dann wieder bamm­bammhave­some­fun-with­some­friends. plöt­zlich und wie aus heit­erem him­mel: der dritte pad­dler.
bevor ich auf ihn, sein boot, seinen helm sowie sein gesamtes ver­hal­ten genauer einge­hen werde, sollte ich vielle­icht kurz reka­pit­ulieren, was sich bish­er im ersten von den 23 hier zu behan­del­nden videos abge­spielt hat, damit auch die zu spät gekomme­nen gäste auf dem laufend­en sind. also: bish­er sind zwei pad­dler einen fall gefahren, haben alles falsch gemacht, sich über­schla­gen, um her­nach in ein tosendes beck­en zu fall­en. dann haben sie gemurmelt, es sei schön. spaß mit fre­un­den zu haben, und meine mit­guck­er haben blöd genickt.

pro video 18.000.000 mal

nun aber wie ver­sprochen zum drit­ten paddler…nein, halt, es gibt eine über­raschung: es meldet sich näm­lich wieder die stimme. sie verkün­det, dass sich die pad­dler jet­zt woan­ders anhauen wer­den! und dieses mal fährt der pad­dler, der beim ersten mal zuerst gefahren ist, vielle­icht als drit­ter! dann aber wieder der zweite, der dritte, dann kommt der vierte, dann der fün­fte. dieser zyk­lus wird in gut gemacht­en videos min­destens 18 mil­lio­nen mal durch­laufen. dann kommt das näch­ste video. und dann alle videos hin­tere­inan­der weg. ich schaue gerne pad­delvideos with some friends. yeah. it’s great. eat some chips, have some fun, bamm­bamm­bamm. was daran gut
ist? keine ahnung. ich bin ja kein pad­dler.

(aus dem kanu­magazin)

klaus doldinger wird 70 — und spielt ein umwerfendes konzert

klaus doldingers geburt­stagskonz­ert dieses jahr in der mainz­er phönix­halle: ein langes (dreiein­halb stun­den) glück, mit eini­gen trock­e­nen, eher lah­men teilen (der anfang) und eher pein­lichen momenten — udo lin­den­berg ver­sucht zu sin­gen und, achtung!, zu scat­ten. vor allem in den bei­den pass­port-teilen aber jede menge beglück­ende momente — nicht nur momente, son­dern lange peri­o­den wun­der­bar­er musik. mit extrem smoother pow­er bei der clas­sic-for­ma­tion — wie hier bassist und schlagzeuger etwa miteinan­der agieren, ein­fach wun­der­bar — und reich­lich musikalis­chem exo­tismus, einge­bun­den in mod­ern jazz mit viel gespür für drama­tis­che abläufe und integrität im pass­port-today teil mit den marokkanis­chen gästen. und vor allem mit einem mein­er lieblingskey­board­er, mit rober­to di gioia. wie der spielt und schraubt zugle­ich, das hat schon enorme klasse. und, weil er fast immer eine hand und einen fuss an den reglern hat, kann er faszinierend lebendi­ge kläge entwick­e­len. zum schluss, in den abschließen­den “sahara sketch­es” auch bis hin zu fast reinen, leicht mod­ulierten sinus-tönen und ähn­lichen elek­tro­n­is­chen spiel­ereien. da kommt dann doldinger selb­st ger­ade noch so, qua­si mit hechel­nder zunge, mit: bei stück­en dieser art hält er sich selb­st stärk­er zurück, er scheint doch zu merken, dass seine grund­sät­zlich dem heute eher tra­di­tionell scheinen­den mod­ern jazz zuge­höri­gen impro­vi­sa­tion­s­muster und ‑tak­tiken nicht mehr ganz in diese musik passen. aber trotz­dem: klasse. auch wenn die unver­schämten und tra­di­tionell eh’ saudum­men blöd­köppe vom fernse­hen (unver­schämt, wie sehr die für ihre paar bilder, die sie dann eh’ nur mit­ten in der nacht — damit es ja nie­mand sieht — ausstrahlen, das zahlende! pub­likum belästi­gen) ziem­lich gen­ervt haben. dafür war der ton­tech­niker ziem­lich klasse — sehr flex­i­bel mit der dynamik vor allem, er kon­nte den mas­ter-regler auch mal wieder run­ter­fahren (dann hat man zwar das enorme grun­drauschen der anlage gehört, aber was soll’s). so nun genug der krit­telei (obwohl, da fällt mir ger­ade noch das fernseh-zitat von rainald goetz ein: “die hohlheit der leute vom fernse­hen ist wirk­lich abso­lut unübertrof­fen.” (abfall für alle) — und noch bess­er: “wer vom fernse­hen kommt, wer da arbeit­et, ist dumm, es hil­ft nichts, es hil­ft nichts, bis unter den eitri­gen schei­t­el, eit­el und dumm­frech, dum­m­dumm und saudumm, vielle­icht sog­ar teil­weise super­saudumm.” (aus rave))

jet­zt aber der offizielle text:

von „hän­schen klein“ bis in die sahara ist es ein weit­er weg. aber klaus doldinger ste­ht ja auch schon ein paar jahre auf der bühne. zu seinem 70. geburt­stag ist er mit ein­er ganzen bus­ladung fre­unde und wegge­fährten in die mainz­er phönix­halle gekom­men. und wie im richti­gen leben macht „hän­schen klein“ auf dem klavier den anfang – mit ein­er impro­vi­sa­tion über diese melodie hat er als schüler seine auf­nah­meprü­fung fürs kon­ser­va­to­ri­um geschafft. aber dann geht es ruck­zuck in musikalisch etwas kom­plexere gefilde.

plaud­ernd weist der jubi­lar den weg durch sein leben mit dem jazz: die anfänge mit dem klaus doldinger quar­tett, das er auch fast kom­plett noch ein­mal auf die bühne holt, sind für heutige ohren doch leicht anges­taubt. aber dizzy gille­spies „night in tunisia“ weist schon den weg – nicht nur des titels wegen, son­dern auch musikalisch: die unge­heuere begeis­terung für den jazz ist erwacht. und sie ist heute immer noch spür­bar, wenn die vier alten her­ren den damals mod­er­nen jazz noch ein­mal zum leben erweck­en. die näch­ste große sta­tion doldingers war dann „pass­port“.

und auch diese vier sind noch ein­mal nach mainz gekom­men. jet­zt geht es so richtig los: „pass­port clas­sic“ schleud­ert den mainz­ern eine explo­sive mis­chung aus psy­che­dlis­chen key­boards, klaren sax­ophon­lin­ien, funky bass­läufen und knall­harten drums um die ohren. ein regel­recht­es euphorie-gewit­ter ist es , das die halle jet­zt zum kochen bringt – nicht, dass das bei den massen an schein­wer­fern beson­ders schw­er gewe­sen wäre. aber jet­zt ist klar: solche musik kann man nur mit großer über­win­dung im sitzen hören, das muss man tanzen kön­nen.

so richtig schmerzhaft wird einem das mit der aktuellen beset­zung von pass­port bewusst. die musste zwar zunächst ein­mal dafür her­hal­ten, udo lin­den­berg bei seinen zwei geträllerten schlagern begleit­en. aber danach kon­nten sie so richtig losle­gen. die titelmelodie aus „das boot“ war dafür ein wun­der­bar­er über­gang – denn nun begann die zeit der musikalis­chen aus­flüge in alle teile der welt, nach ameri­ka, brasilien und natür­lich nach nach marokko, die let­zte sta­tion von pass­port. und da ist er auch schon wieder: doldingers unver­wech­sel­bar­er dri­ve, sein nie ver­siegen­der elan und sein gold­enes händ­chen bei der auswahl sein­er musik­er – wer leute wie rober­to di gioia für sich spie­len lässt, hat schon fast gewon­nen. und den rest übern­immt doldinger selb­st. er lässt die muskeln sein­er inte­gra­tiv­en kraft ganz unauf­fäl­lig spie­len. deshalb ist das kein belan­glos­er mix, son­dern eine echte sym­biose von afrikanis­ch­er, europäis­ch­er und amerikanis­ch­er musik – jen­seits aller gren­zen, nicht nur geo­graphisch, son­dern auch emo­tion­al: ein­fach unglaublich gute musik.

porno-pop noch einmal

so, jet­zt ist auch der rest des ban­des bewältigt — mit dur­chaus zwiespälti­gen ein­drück­en. aber wie sollte es bei einem sam­mel­band auch anders sein. der anfang war ja sehr vielver­sprechend, der rest allerd­ings lei­der nicht immer genau­so span­nend. clau­dia gehrke hat einen etwas wirren erfahrungs­bericht (rotkäp­pchen und die pornografie) beiges­teuert, in dem sie von der pub­lika­tion “mein heim­lich­es auge” berichtet und den schwierigkeit des umgangs damit, was ins­beson­dere an der schwierigkeit ein­er klaren (juris­tis­chen) def­i­n­i­tion von pornogra­phie liegt. jörg met­tel­man hat in flesh for fan­ta­sy. das porno-pop-for­mat dage­gen sehr schön die kon­stan­ten und var­i­anzen des porno her­aus­gear­beit­et, ins­beson­dere auf the­o­retis­ch­er ebene recht erquick­lich. er beobachtet dabei neben anderem vor allem den ver­lust der erre­gung, die mit dem obszö­nen und sein­er über­schre­itung ver­bun­den war. die hin­wen­dung zur kun­st vol­lzieht zunächst hol­ger liebs, der in spul mal vor, alter vor allem die gegen­seit­ige befruch­tung von kun­st und pornografie in den blick nimmt — nicht sehr span­nend, weil nicht beson­ders viel dabei her­aus kommt. kathrin rög­gla verzweifelt dann an ihren fig­uren, die fick­en wollen, wenn sie nicht sollen beziehungsweise umgekehrt und so weit­er… diemar schmidt nimmt in zwis­chen den medi­en die trans­me­di­al­ität als pornographis­che bewe­gung (und die pornogra­phie als inter­me­di­ale unternehmung) mit bezug auf schnit­zlers traum­nov­el­le und kubricks anlehnung, eyes wide shut, in den blick. das schien mir aber vor allem kurios, nicht ganz klar ist mir gewor­den, warum er so darauf behar­rt, dass inter­me­di­al­ität ein pornographis­ches phänomen sei. dem rap wen­det sich flo­ri­an wern­er mit “pornog­ra­phy on wax”? zu. schlüs­sig unter­sucht er rap-texte, ins­beson­dere von eminem, auf den vor­wurf der pornogra­phie (ins­beson­dere natür­lich im zusam­men­hang mit der mut­terbeschimp­fung) und erken­nt sie als im grunde als aufk­lärerische pornogra­phie: anklage und stilmit­tel zugle­ich, gefan­gen in der ambi­gu­i­tät des under­dogs im main­stream etc… und sven­ja flaßpöh­ler ver­sucht mit shake your tits!, die rolle der frau bzw. ihrer stel­lung zwis­chen men­sch und sex-objekt in diversen schat­tierun­gen anhand der beispiele madon­na, christi­na aguil­era und brit­ney spears zu beleucht­en. aber das bleibt ziem­lich­es wis­chi-waschi…

den mann nicht zu ken­nen, ist fast unmöglich. zumin­d­est sein­er musik kann man nicht entkom­men: klaus doldinger ist ein­fach fast all­ge­gen­wär­tig. dafür sorgt allein seine wohl bekan­nteste melodie, das titelthe­ma des „tatorts“, das den kri­mi seit mehr als dreißig jahren eröffnet. dabei hat­te klaus doldinger das zunächst gar nicht vorge­se­hen: jazz wollte er eigentlich spie­len. in berlin am 12. mai 1936 geboren, erhielt er sein aus­bil­dung am robert-schu­mann-kon­ver­sato­ri­um in düs­sel­dorf und hat­te auch schon während seines studi­ums mit der dix­ieland-com­bo „the feet­warm­ers“ die ersten erfolge. vom blues und aus­ge­sprochen tra­di­tionellem jazz kam er in dieser zeit zum mod­ern jazz und blieb dabei, bis hin zur jüng­sten for­ma­tion, den „old friends“, die einige urgesteine des deutschen jazz ver­sam­melt und immer noch ver­dammt frisch klingt. ab den frühen sechzigern kom­ponierte er auch unter­hal­tungsmusik wie kaum ein ander­er: für wer­bung, für’s fernse­hen und immer wieder für das kino.

am bekan­ntesten ist er aber als jazz-sax­o­phon­ist, kom­pon­ist und band­leader. und vor allem als chef von „pass­port“. mit dieser band hat doldinger zu beginn der siebziger den jaz­zrock in deutsch­land pop­ulär gemacht und in den let­zten drei jahrzehn­ten an die 30 alben veröf­fentlicht. aber ein ende ist noch nicht in sicht: ger­ade erst erschien „pass­port to marokko“, eine hom­mage doldingers an die musik nordafrikas.

so viel­seit­ig und gefragt seine film­musiken sind – mit dem sound­track für „das boot“ feierte er große erfolge -, so per­sön­lich ist sein jazz immer geblieben. denn doldinger ver­stand es, stets eine gewis­sen eingängigkeit zu pfle­gen und die aktuellen trends der musik­szene, ob es nun bossa nova, beat oder ganz aktuell welt­musik und hip-hop waren, nicht zu kopieren, son­dern in seine musikalis­che welt einzubauen. seine stärk­ste leis­tung ist vielle­icht diese inte­gra­tive kraft: egal, welche anre­gung er auf­greift, die musik bleibt immer doldinger pur.

inzwis­chen hat er so über 2000 songs kom­poniert, mehr als 4000 konz­erte in der ganzen welt gespielt und über 50 alben aufgenom­men. und obwohl er mit 70 jahren das rentenal­ter schon längst erre­icht hat, ist er immer noch unter­wegs. seinen geburt­stag feiert er mit einem großen hap­py-birth­day-konz­ert in mainz, für das er die klas­sis­che pass­port-beset­zung aus den siebzigern mit der aktuellen for­ma­tion und ein­er menge gäste wie udo lin­den­berg und uwe ochsenknecht zusam­men bringt.

mozart und die orgel

ein gespräch­skonz­ert mit ger­hard gnann in st. johan­nis, mainz.

Mozart war schon ein gemein­er Kerl: Da lobt er die Orgel als Köni­gin der Instru­mente immer wieder – und kom­poniert ein­fach nichts für sie. Aber die Organ­is­ten haben sich davon noch nie stören lassen. Denn es gibt einen Ausweg: Sie spie­len Werke, die Mozart für eine Orgel­walze geschrieben hat. Das ist, wie Ger­hard Gnann zu Beginn seines Gespräch­skonz­ertes in St. Johan­nis erläuterte, nichts anderes als eine kleine Orgel, deren Pfeifen von ein­er mech­a­nisch bewegten Walze ges­teuert wer­den – ein Organ­ist ist also unnötig.

Aber das war ein­mal, diese Walzen sind längst ver­loren. Doch die Noten sind immer noch da – eine unwider­stehliche Chance für die Organ­is­ten. Gnann erzählte dankenswert­er­weise aber auch den Rest der Geschichte: Dass die Phan­tasien Auf­tragswerke für ein Wiener Kuriositätenk­abi­nett waren. Und dass Mozart sie nur ungern und allein aus pekunären Inter­essen kom­ponierte. Ver­ständlich wäre die Musik aber auch ohne das gewe­sen. Denn Gnann befleißigt sich bei seinem Vor­trag angenehmer Tugen­den. Die Phan­tasie in f‑Moll KV 594 ist ihm nicht nur eine prachtvolle Schau­musik, son­dern vor allem eine tönende Szener­ie. Mit ehrlich­er, ein­fühlsamer Sach­lichkeit spielt er das und hält sich selb­st vor­bildlich zurück. Auch das in der Ausstel­lung für das Schlafgemach der Gra­zien vorge­se­hene Andante wird auf diese dezente Weise lebendig: Anmutig schre­it­en die Gra­zien, fast schweben sie wie zarte Schlafwan­d­lerin­nen im fahlen Mondlicht, ohne den Schleier je zu lüften. Etwas kraftvoller kommt dage­gen die zweite Phan­tasie KV608 daher: Auch wenn Gnann hier einige Übergänge etwas hölz­ern geri­eten, bleibt doch die ele­gante Mis­chung aus fließen­der Anmut und zuge­spitzter, aber maßvoller Dra­matik ver­di­en­stvoll.

Aber das war noch nicht alles. Die Organ­is­ten ken­nen näm­lich noch mehr Tricks. Mozart hat schießlich, in sein­er Salzburg­er Zeit, auch einige Sonat­en kom­poniert, bei den die Orgel mal mit­spie­len durfte – manch­mal sog­ar solis­tisch. Gnann sparte sich die oblig­a­torischen Stre­ich­er und machte gle­ich alles selb­st: Lock­er aus dem Handge­lenk schüt­telt er diese Musik, vol­lkom­men unkirch­lich verkün­det er die sehr „fro­he“ Botschaft mit immer wieder tänz­erisch anmu­ten­den, ver­führen­den Klän­gen. So etwas für den son­ntägliche Gottes­di­enst zu kom­ponieren, ist wirk­lich fast friv­ol – und ein klein wenig suber­siv.

popthe­o­rie, popdiskurs und pop­krik­tik sind schw­er ver­minte und heftig umkämpfte zonen. auch behrens spart nicht mit deut­lichen worten und harten attack­en vor allem in rich­tung jour­nal­is­mus, aber auch pro­duzen­ten und kon­sumenten bekom­men ihren teil ab. “das reden über pop ist bisweilen mehr pop als das, worauf es gerichtet ist” — die gnaden­lose per­for­ma­tive selb­st­bezüglichkeit des pop-sys­tems ist sein aus­gangspunkt — und das in weit­en teilen immer noch ekla­tant naive reden über pop­phänomene, die genau diesen umstand nicht erken­nen kön­nen und wollen. dazu gehört für behrens auch die man­gel­hafte beobach­tung und erken­nt­nis der ver­flech­tung von markt und pop, von pro­duk­tions- und kon­suma­tions­be­din­gun­gen: “zur dieskur­siv­en struk­tur gehört allerd­ings, daß diesem pro­duzen­ten­da­sein, also der ver­flech­tung im kru­den ökonomis­chen zusam­men­hang kauf aufmerk­samkeit geschenkt wird.” — “pop erscheint als ein außen­raum inner­halb des kap­i­tal­is­mus”, eine posi­tion die behrens nicht befriedi­gen kann. denn er ver­sucht doch, genau dieses desider­at einzu­holen und den pop als poli­tisch-gesellschaftlich­es phänomen wenn nicht zu ret­ten (weil er nur das scheit­ern des pro­jek­tes attestieren kann), so doch immer­hin zu durch­leucht­en und zu ver­ste­hen.

dazu kommt ein weit­er­er fak­tor, der das denken und reden/schreiben über bzw. in pop bes­timmt (und der immer wieder, etwa von diedrich diedrich­sen, reflek­tiert wurde und wird): der zusam­men­hang zwis­chen pop und pos­i­tivis­mus: “der pop recht­fer­tigt dne pos­i­tivis­mus und der pos­i­tivsimus recht­fer­tigt den pop”, das, was man auch als authen­tiz­itäts­falle beze­ich­nen kön­nte: “jed­er zugang, jedes urteil ste­ht und fällt mit dem beweis, dabeigewe­sen zu sein. wer nicht da war, kann nicht mitre­den.” egal wie fein man pop nun also in szenen, grup­pen, felder dif­feren­ziert: “pop ist wesentlich eine bes­timmte umgangs­form mit musik im kap­i­tal­is­mus.” und dann wird es wirk­lich schwierig, denn anschluss an die poli­tis­che kraft des pop zu garantieren oder gar seine sub­ver­sität zu bes­tim­men, denn es bleibt ein­fach immer dabei: “wesentlich ist das geschäft der pop­musik eines von reklame”.

behrens schlägt dann noch eine weit­ere schleife, von diesem punkt des pos­i­tivis­mus oder der sub­jekt-zen­tri­erten authen­tiz­itäts­falle: “pop ist ver­spätete spätro­man­tik” — auch wenn ihm hier, ger­ade in der par­al­lelisierung mit der “kunst”-musik, einige unge­naugikeit­en und fehler unter­laufen. doch dadau­rch ist nund klar: “am ende der bürg­er­lichen kun­st­musik ste­ht der pop: eine sub­jek­tive inner­lichkeit, der alles sub­jek­tive genom­men ist”.

da nun aber auch zu beboacht­en ist: “der affir­ma­tive charak­ter der pop­kul­tur tritt […] nicht präven­tiv [wie in der kul­tur des bürg­er­tum, als schutz vor den eige­nen wider­sprüchen], son­dern aggres­siv auf.” und weil pop das leben gnaden­los mit der kun­st ver­mis­cht und zwar in dem sinne, das er proklamiert, “das leb­ne zum kunst­werk erheben zu kön­nen” — ver­schwindet pop in der kul­turindus­trie. die weni­gen räume der sub­ver­sion kann er dann allerd­ings auch nicht mehr nutzen: “die sub­ver­sion, die hier stat­tfind­et, hat sich je schon mit ihrem platz abge­fun­den; sie schlägt deshalb so leicht vom poli­tis­chen ins ästhetis­che um, weil ihr poli­tikver­ständ­nis kün­st­lerisch gemeint war”. prob­lema­tisch wird dann vor allem, dass die “sub­ver­sive indi­vid­u­altiät des pop­sub­jek­ts unter­stellt wird”, die doch eigentlich erst das ende der sub­ver­sion sein kön­nte. das ist es, was behrens dann in aller schärfe als die “ide­ol­o­gis­che lüge im rebel­lis­chen pro­gramm” verortet: pop und sub­ver­sion bilden so einen schö­nen zirkel.

“der pop real­isiert in seinem rebel­lion­s­ge­bahren gle­ich­sam das grund­mo­tiv des jugen­stils: ‘das träu­men, man sei erwacht’ [w. ben­jamin, pas­sagen-werk].” — “gle­ich­wohl bricht alle sub­ver­sion im pop nicht nur am scheit­ern solch­er sub­jek­tiv­ität, son­dern auch an ihrem drän­gen und ihrer not, die utopis­che in der musik noch nach­hallt. davon möcht sich der [.…] pop freimachen, weil alles ver­sprechen, was noch nicht mit den monatl­ci­hen neuer­schei­n­un­gen abge­golten ist, als geschäftschädi­gend gilt.” — und so scheint mir die einzige möglichkeit, über pop heute über­haupt noch gewinnbrin­gend nachzu­denken.

roger behrens: die rav­ing soci­ety frißt ihre kinder. anmerkun­gen zum zweit­en jugend­stil.

Seite 204 von 206

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén