klaus doldingers geburt­stagskonz­ert dieses jahr in der mainz­er phönix­halle: ein langes (dreiein­halb stun­den) glück, mit eini­gen trock­e­nen, eher lah­men teilen (der anfang) und eher pein­lichen momenten — udo lin­den­berg ver­sucht zu sin­gen und, achtung!, zu scat­ten. vor allem in den bei­den pass­port-teilen aber jede menge beglück­ende momente — nicht nur momente, son­dern lange peri­o­den wun­der­bar­er musik. mit extrem smoother pow­er bei der clas­sic-for­ma­tion — wie hier bassist und schlagzeuger etwa miteinan­der agieren, ein­fach wun­der­bar — und reich­lich musikalis­chem exo­tismus, einge­bun­den in mod­ern jazz mit viel gespür für drama­tis­che abläufe und integrität im pass­port-today teil mit den marokkanis­chen gästen. und vor allem mit einem mein­er lieblingskey­board­er, mit rober­to di gioia. wie der spielt und schraubt zugle­ich, das hat schon enorme klasse. und, weil er fast immer eine hand und einen fuss an den reglern hat, kann er faszinierend lebendi­ge kläge entwick­e­len. zum schluss, in den abschließen­den “sahara sketch­es” auch bis hin zu fast reinen, leicht mod­ulierten sinus-tönen und ähn­lichen elek­tro­n­is­chen spiel­ereien. da kommt dann doldinger selb­st ger­ade noch so, qua­si mit hechel­nder zunge, mit: bei stück­en dieser art hält er sich selb­st stärk­er zurück, er scheint doch zu merken, dass seine grund­sät­zlich dem heute eher tra­di­tionell scheinen­den mod­ern jazz zuge­höri­gen impro­vi­sa­tion­s­muster und ‑tak­tiken nicht mehr ganz in diese musik passen. aber trotz­dem: klasse. auch wenn die unver­schämten und tra­di­tionell eh’ saudum­men blöd­köppe vom fernse­hen (unver­schämt, wie sehr die für ihre paar bilder, die sie dann eh’ nur mit­ten in der nacht — damit es ja nie­mand sieht — ausstrahlen, das zahlende! pub­likum belästi­gen) ziem­lich gen­ervt haben. dafür war der ton­tech­niker ziem­lich klasse — sehr flex­i­bel mit der dynamik vor allem, er kon­nte den mas­ter-regler auch mal wieder run­ter­fahren (dann hat man zwar das enorme grun­drauschen der anlage gehört, aber was soll’s). so nun genug der krit­telei (obwohl, da fällt mir ger­ade noch das fernseh-zitat von rainald goetz ein: “die hohlheit der leute vom fernse­hen ist wirk­lich abso­lut unübertrof­fen.” (abfall für alle) — und noch bess­er: “wer vom fernse­hen kommt, wer da arbeit­et, ist dumm, es hil­ft nichts, es hil­ft nichts, bis unter den eitri­gen schei­t­el, eit­el und dumm­frech, dum­m­dumm und saudumm, vielle­icht sog­ar teil­weise super­saudumm.” (aus rave))

jet­zt aber der offizielle text:

von „hän­schen klein“ bis in die sahara ist es ein weit­er weg. aber klaus doldinger ste­ht ja auch schon ein paar jahre auf der bühne. zu seinem 70. geburt­stag ist er mit ein­er ganzen bus­ladung fre­unde und wegge­fährten in die mainz­er phönix­halle gekom­men. und wie im richti­gen leben macht „hän­schen klein“ auf dem klavier den anfang – mit ein­er impro­vi­sa­tion über diese melodie hat er als schüler seine auf­nah­meprü­fung fürs kon­ser­va­to­ri­um geschafft. aber dann geht es ruck­zuck in musikalisch etwas kom­plexere gefilde.

plaud­ernd weist der jubi­lar den weg durch sein leben mit dem jazz: die anfänge mit dem klaus doldinger quar­tett, das er auch fast kom­plett noch ein­mal auf die bühne holt, sind für heutige ohren doch leicht anges­taubt. aber dizzy gille­spies „night in tunisia“ weist schon den weg – nicht nur des titels wegen, son­dern auch musikalisch: die unge­heuere begeis­terung für den jazz ist erwacht. und sie ist heute immer noch spür­bar, wenn die vier alten her­ren den damals mod­er­nen jazz noch ein­mal zum leben erweck­en. die näch­ste große sta­tion doldingers war dann „pass­port“.

und auch diese vier sind noch ein­mal nach mainz gekom­men. jet­zt geht es so richtig los: „pass­port clas­sic“ schleud­ert den mainz­ern eine explo­sive mis­chung aus psy­che­dlis­chen key­boards, klaren sax­ophon­lin­ien, funky bass­läufen und knall­harten drums um die ohren. ein regel­recht­es euphorie-gewit­ter ist es , das die halle jet­zt zum kochen bringt – nicht, dass das bei den massen an schein­wer­fern beson­ders schw­er gewe­sen wäre. aber jet­zt ist klar: solche musik kann man nur mit großer über­win­dung im sitzen hören, das muss man tanzen kön­nen.

so richtig schmerzhaft wird einem das mit der aktuellen beset­zung von pass­port bewusst. die musste zwar zunächst ein­mal dafür her­hal­ten, udo lin­den­berg bei seinen zwei geträllerten schlagern begleit­en. aber danach kon­nten sie so richtig losle­gen. die titelmelodie aus „das boot“ war dafür ein wun­der­bar­er über­gang – denn nun begann die zeit der musikalis­chen aus­flüge in alle teile der welt, nach ameri­ka, brasilien und natür­lich nach nach marokko, die let­zte sta­tion von pass­port. und da ist er auch schon wieder: doldingers unver­wech­sel­bar­er dri­ve, sein nie ver­siegen­der elan und sein gold­enes händ­chen bei der auswahl sein­er musik­er – wer leute wie rober­to di gioia für sich spie­len lässt, hat schon fast gewon­nen. und den rest übern­immt doldinger selb­st. er lässt die muskeln sein­er inte­gra­tiv­en kraft ganz unauf­fäl­lig spie­len. deshalb ist das kein belan­glos­er mix, son­dern eine echte sym­biose von afrikanis­ch­er, europäis­ch­er und amerikanis­ch­er musik – jen­seits aller gren­zen, nicht nur geo­graphisch, son­dern auch emo­tion­al: ein­fach unglaublich gute musik.