Das Heft bietet vor allem eines: Viele schöne Bilder luftiger oder gar nicht bekleideter Menschen … Die Texte haben mich nämlich dieses Mal etwas enttäuscht: Joachim Radkau haut im einleitenden Überblicksartikel erst mal kräftig auf alle anderen Historiker aller Provenienzen ein, die die (Lebens-)Reformbewegungen der Jahrhundertwende sowieso alle falsch verstanden haben (im Gegensatz zu ihm selbst). Interessant ist dann noch der Text über den “Monte Verità”, Andreas Molitors Text über die Darmstädter Mathildenhöhe hingegen bleibt flach — wie viele andere Beiträge auch. Insgesamt sicher eines der schlechteren Hefte — mit der Geschichte einer Idee kommt die Redaktion mit ihren gewohnten Mitteln offenbar nicht zurande: Das ist nur eine lange Reihung von Einzelphänomenen, die kaum ein großes oder nur ein größeres Bild ergeben.
Vier Essays über Geschichte an sich, als Problem und Lösung, über die Verantwortung von Historikern gegenüber der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft — all diese Grundsatzfragen beim Nachdenken über und Arbeit mit und an der Geschichte eben. Das ist alles sehr reflektiert, aber auch sehr trocken und strikt theoretisch: typisch Rüsen eben … Typisch für ihn ist auch, immer von einer (existenzialistischen) “Anthropologie des Historischen” auszugehen und daraus seine Überlegungen zu Wert und Gestalt der Geschichte zu entwickeln.
Zu dem Pergamon Poems auf Papier und Silber-/Mattscheibe habe ich diese Woche schon ein bisschen etwas geschrieben: klick.
Ein schön gemachtes Buch, mit ausführlichem Begleitmaterial, einer neuen, gut lesbaren Übersetzung mit reichlicher Kommentierung (auch wenn mich die Fußnoten fast ein bisschen zu sehr ablenken beim Lesen des Haupttextes). Vor allem aber ein wirklich großartiger Roman, ein Hochfest des unzuverlässigen Erzählens — denn das einzige, das sicher ist, ist, dass nichts sicher ist, was hier erzählt wird … — da hilft auch die Beteuerung des Erzählers nicht viel:
Ich berichte diese Umstände ganz detailgetreu, und ich berichte sie, wohlverstanden, exakt so, wie sie uns erschienen. (199)
Davon darf man sich den Spaß aber nicht verderben lassen. Im Gegenteil, der schlitzohrige Erzähler ist ein nicht unerheblicher Grund, warum diese Abenteuergeschichte einer Seereise mit blindem Passagier, Meuterei, Schiffsbruch, Südsee-Handel, Südpol-Expedition und Kämpfen mit Eingeborenen … so unterhaltsam daherkommt und so ein raffinierter Text ist.
Schreibe einen Kommentar