Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: lyrik Seite 1 von 14

Herbst

Die Blät­ter fal­len, fal­len wie von weit,
als welk­ten in den Him­meln fer­ne Gär­ten;
sie fal­len mit ver­nei­nen­der Gebär­de.

Und in den Näch­ten fällt die schwe­re Erde
aus allen Ster­nen in die Ein­sam­keit.

Wir alle fal­len. Die­se Hand da fällt.
Und sie dir and­re an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, wel­cher die­ses Fal­len
unend­li­chen sanft in sei­nen Hän­den hält.

Rai­ner Maria Ril­ke, Herbst (Das BUch der Bil­der)

Gedichte

Bei Gedich­ten hilft zwei Mal lesen immer. Das kann nie falsch sein. Denn meis­tens ist schon nach dem zwei­ten Mal klar, ob das Ding vor uns über­haupt ein Gedicht ist oder nicht. Wenn näm­liuch nach dem zwei­ten Mal klar ist, was da steht, und eben­so due­litch, dass da nichts wei­ter ist, als was man ver­stan­den hat, dann ist es kein Gedicht. Weil ein Gedicht eben nicht das ist, was man gemein­hin meint, wenn man sagt: Ich habe ver­stan­den.

Urs Enge­ler, Mein Lie­ber Lühr (in: MÜt­ze #33, 1671)

Waldwege

Bors­ten und räu­be­risch sind mei­ne spe­zia­len
Ver­stär­ker auf Wald­pfa­den, Käfer spie­gelns
Hase-Fuchs-Reh, selbst­ru­fend Herr und Frau
Kuckuck. Der Mensch, idea­lisch, sei immer
dem Wal­de zu, sin­gend. Beeren‑, Pilz­kör­be
neben sich an dem gluck­sen­den Bache sit­zen
gleich­sam zau­brisch. Nicht ach­te Zwer­gen-
werk nied­rig und ‑hor­te in Ger­ma­ni­ens Adern.
Nebst Dis­po, Glat­zen, Spuk, mag sein, auch
äch­tes Gold … Denn wer hat nach­ge­forscht.

Wald­we­ge

Stef­fen Popp, 118, 65

Gebirge

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The­re are the Alps,
fools! Sit down and wait for them to crum­ble!

Basil Bun­ting, On the Fly­le­af of Pound’s Can­tos

Er ist’s.

Früh­ling läßt sein blau­es Band
Wie­der flat­tern durch die Lüf­te;
Süße, wohl­be­kann­te Düf­te
Strei­fen ahnungs­voll das Land.
Veil­chen träu­men schon,
Wol­len bal­de kom­men.
– Horch, von fern ein lei­ser Har­fen­ton!
 Früh­ling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich ver­nom­men!

Edu­ard Möri­ke

Wochenblog 11/​2023

Stür­mi­sche Woche. Ganz wört­lich – am Mon­tag und Diens­tag war es zeit­wei­se so win­dig (vor allem auf dem Heim­weg), dass ich momen­tan sogar zwei Gän­ge run­ter­schal­ten muss­te: Ich kam ein­fach nicht mehr gegen den Sturm an.

Stür­misch auch, weil viel Pla­nung zu orga­ni­sie­ren war, damit ich mich in den nächs­ten Wochen auf mein neu­es Pro­jekt kon­zen­trie­ren kann und nicht von dem gan­zen all­täg­li­chen Aller­lei immer wie­der abge­lenkt wer­de. Aber irgend jemand muss das ja trotz­dem machen … Ich bin gespannt, wie sich das in den nächs­ten Wochen ent­wi­ckeln wird – ich kann es mir noch nicht so ganz vor­stel­len.

Text: „Kriegs­ly­rik“ von Her­mann Plag­ge. Ein (nicht nur mir) abso­lut unbe­kann­ter Dich­ter aus der Zeit des Ers­ten Welt­krie­ges, for­mal und sprach­lich jetzt nicht unbe­dingt die bes­ten Gedich­te aus die­ser Zeit, aber doch immer wie­der sehr ein­drück­lich und leben­dig in den Schil­de­run­gen und Stim­mun­gen. Die Lek­tü­re habe ich der wun­der­ba­ren Edi­ti­on Ver­sen­sporn von „Poe­sie schmeckt gut“ zu ver­dan­ken – das ist ein sehr zu rüh­men­des Unter­neh­men, das mehr­mals im Jahr klei­ne Hef­te mit Lyrik von meist ver­ges­se­nen, unbe­kann­ten Dichter*innen, meist aus dem wei­ten Feld des Expres­sio­nis­mus (wie Plag­ge) oder ver­wand­ten Strö­mung, zum klei­nen Preis ver­sen­det und mei­nen lite­ra­ri­schen Hori­zont immer wie­der ange­nehm erwei­tert.

Ton: Ein­stür­zen­de Neu­bau­ten. Und die Mün­che­ner Auf­nah­men von „Fol­low me“ und „Whe­re are you“ von Ondřej Adá­mek.

Bild: You Peo­p­le von und mit Jonah Hill. Ziem­lich cool, ziem­lich gelun­gen, wit­zig und tref­fend die Pro­ble­me der (ame­ri­ka­ni­schen) Gesell­schaft bzw. ihrer Tei­le im Umgang mit­ein­an­der dar­stel­lend.

Drau­ßen: Der Streak hält, ich ver­su­che es sogar mal wie­der mit struk­tu­rier­tem Trai­ning. Und dabei habe ich mir gleich am Mon­tag ein ordent­li­ches Pro­blem ein­ge­han­delt: Für den Tem­po­test­lauf fand ich es sinn­voll, die pas­sen­den Schu­he anzu­zie­hen. Nur hat­te ich die seit min­des­tens 15 Mona­ten nicht mehr an den Füßen. Das ende­te, ich hät­te es mir den­ken kön­nen, im Blut­bad: Zwei gro­ße, fet­te Bla­sen an den Fer­sen. Vor allem die rech­te Fer­se war mit einer flä­chi­gen, blu­ti­gen Bla­se ver­se­hen. Mit Bla­sen­pflas­ter und Com­peed ging es dann aber immer­hin auch am Diens­tag wei­ter. Doch für den Rest der Woche blieb das Andenken noch, wenn auch all­mäh­lich verblassend/​verheilend. Dafür konn­te ich die­se Woche sowohl beim schö­nen Son­nen­un­ter­gang als auch im spek­ta­ku­lä­re bun­ten Son­nen­auf­gang lau­fen – der Früh­ling macht’s mög­lich.

Wochenblog 7/​2023

Eine etwas selt­sa­me Woche war das.

Am Frei­tag bin ich schon wie­der heim­ge­fah­ren, weil am Wochen­en­de eine Gene­ral­pro­be für den Auf­tritt am nächs­ten Wochen­en­de geplant war. Die Zug­fahrt, die­ses Mal spä­ter in der Nacht (bin erst um 20.35 in Regens­burg weg) hat pro­blem­los funk­tio­niert. Dafür war es mit der Gene­ral­pro­be nichts: Ein Sän­ger kam gera­de aus Coro­no und hat­te am Sonn­tag mor­gen den ers­ten nega­ti­ven Test, ein ande­rer mel­de­te sich am Sams­tag krank. Also war das nichts. Dafür machen wir jetzt eine Online-Pro­be. Da bin ich ja noch sehr gespannt.

Ansons­ten war das Wochen­en­de im Oden­wald aber doch recht schön. Kurz ent­schlos­sen bin ich dann doch schon am Sonn­tag wie­der zurück­ge­fah­ren und nicht wie ursprüng­lich geplant am Mon­tag in der Frü­he, das macht den Wochen­be­ginn etwas ent­spann­ter.

Text: Eine inter­es­san­te Lek­tü­re hat­te ich: Wulf Sege­b­rechts Stu­die „Goe­thes Nacht­lied ‚Über allen Gip­feln ist Ruh‘ “. In der erwei­ter­ten Fas­sung von 2022 (ursprüng­lich war das schon ein­mal 1978 erschie­nen) geht es hier auf über 200 Sei­ten nur um das kur­ze Gedicht. Aber das ist schließ­lich das Gedicht über­haupt. Und genau dar­um geht es Sege­brecht: Um die Rezep­ti­on des Acht­zei­lers, vom ers­ten Druck (oder der ers­ten Nie­der­schrift, was schon alles erstaun­lich unklar ist) bis zu Par­odien und Inter­pre­ta­tio­nen (ernst gemein­ten und weni­ger erns­ten) in der Gegen­wart. Die Ver­to­nun­gen streift er dabei nur, und hat doch mehr als genug Mate­ri­al für inter­es­san­te Beob­ach­tun­gen und Schluss­fol­ge­run­gen.

Drau­ßen: Brav wei­ter gelau­fen, wei­ter­hin ohne beson­de­re Vor­komm­nis­se, aber immer­hin jetzt schon über 50 Tage in Fol­ge. Das kann man dann wohl wie­der mal einen Streak nen­nen.

Herbstbild

Dies ist ein Herbst­tag, wie ich kei­nen sah!
Die Luft ist still, als atme­te man kaum,
Und den­noch fal­len raschelnd, fern und nah,
Die schöns­ten Früch­te ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Fei­er der Natur!
Dies ist die Lese, die sie sel­ber hält,
Denn heu­te löst sich von den Zwei­gen nur,
Was vor dem mil­den Strahl der Son­ne fällt.

Fried­rich Heb­bel

wer hat die­sen mond auf die blaue flur,
wer hat die­sen mund auf die nacht ange­setzt?“

— Caro­lin Cal­lies, scha­tul­len & bre­douil­len, 83

Ode

aus: caro­lin cal­lies, bewohn­ba­re käs­ten (scha­tuul­len & bedouil­len, 28)

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