Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: antike

Worte

O ihr abge­holzten Bürg­er, vernehmt meine Worte.

— Archi­la­chos (52 D./109 W.)
weihnachtsbaum im netz

Ins Netz gegangen (22.12.)

Ins Netz gegan­gen am 22.12.:

  • Unter falsch­er Flagge. Rechte “Iden­titäre” set­zen auf Antiken-Pop. Die Geschichte ihrer Sym­bole dürfte ihnen kaum gefall­en | Pop His­to­ry → eine wun­der­bare kleine geschichte: bodo mrozek erzählt, was hin­ter dem lamb­da als signet der iden­titären bewe­gung steckt — wie so oft, ist das zeichen, seine entste­hung und nutzung deut­lich weniger ein­deutig als seine nutzer es gerne hät­ten oder sug­gerieren …
  • Der normierte All­t­ag | Neues Deutsch­land → ein kurz­er rück­blick auf 100 jahre nor­mung in deutsch­land — von kegel­s­tiften bis ret­tungstra­gen …
  • Ist dieser Mann an allem schuld? Oder doch Sig­mar Gabriel? | zeit → bernd ulrich sehr richtig über das irrlichternde denken und argu­men­tieren von sig­mar gabriel und (zumin­d­est teile) der spd:

    Ökolo­gie … wird als etwas Zweitrangiges und im Prinzip schon Geregeltes abge­tan, die fun­da­men­tale Krise wird oft­mals geleugnet. … Und als dann das ZDF segen­sre­icher­weise eine ein­schlägige Umfrage in Auf­trag gab, waren alle ganz über­rascht von den Ergeb­nis­sen: Auf die Frage, ob zum Erre­ichen der Kli­maziele auch dann Kohlekraftwerke abgeschal­tet wer­den soll­ten, wenn das ökonomisch neg­a­tive Fol­gen haben kön­nte, antworteten zwei Drit­tel mit Ja. 82 Prozent gaben an, gegen den Kli­mawan­del werde inter­na­tion­al nicht genug getan, während immer­hin 52 Prozent der Mei­n­ung waren, selb­st Deutsch­land tue hier zu wenig. Offen­bar bewe­gen sich viele Poli­tik­er und Jour­nal­is­ten ökol­o­gisch gese­hen in ein­er Son­der­welt.

  • Büch­er ver­legen und Holz hack­en | Deutsch­land­funk Kul­tur → peter engstler im gespräch mit ulrike timm beim deutsch­land­funk kul­tur
  • Wozu noch Bib­lio­theken? | Deutsch­land­funk → inter­es­san­ter (langer) essay von michael knoche über bib­lio­theken und das inter­net, wenn auch manch­mal etwas selt­same argu­men­ta­tion (u.a.: such­maschi­nen erfassen nicht das ganze inter­net, deswe­gen benötigt man bib­lio­theken, die wis­sen mit aus­gewählten werken bere­it­stellen …)

    Die Fokussierung auf die eigene Samm­lung reicht heute nicht mehr aus. Die eigene Samm­lung muss als Teil eines Net­zw­erks begrif­f­en wer­den. Bib­lio­theken müssen heute viel arbeit­steiliger vorge­hen und viel mehr miteinan­der kooperieren, als dies in der Welt der gedruck­ten Lit­er­atur notwendig war. Bib­lio­theken müssen Bestand hal­ten, aber sie funk­tion­ieren nur noch als Sys­tem.

spinnennetz vor natur

Ins Netz gegangen (19.7.)

Ins Netz gegan­gen am 19.7.:

  • Eine Welt jen­seits von Face­book: Auf der Suche nach Alter­na­tiv­en zum dig­i­tal­en Kap­i­tal­is­mus | Berlin­er Gazette → geert lovink über soziale net­zw­erke, offene net­ze und alter­na­tiv­en …
  • Das Luther­jahr sollte ein großer Erfolg wer­den, doch die Besuch­er bleiben aus | FAZ → der faz ist aufge­fall­en, dass zwis­chen pla­nung und wirk­lichkeit der besuch­er­ströme ein unter­schied beste­ht — luther alleine scheint nicht über­all die massen zu lock­en (da er aber ja über­all ist, sind es wohl doch recht viele …)
  • “Es ist eine andere Welt gewor­den” | Zeit → inter­es­santes inter­view — ger­ade in sein­er rel­a­tiv­en unspek­takulärtheit — mit markus hin­ter­häuser, dem inten­dan­ten der salzburg­er fest­spiele
  • Die falschen Ver­heißun­gen der E‑Mobilität | Blät­ter für deutsche und inter­na­tionale Poli­tik → über die notwendigkeit ein­er mobil­itärs-rev­o­lu­tion — die wende vom ver­bren­nungs- zum e‑motor reicht da näm­lich bei weit­em nicht aus …

    Es bedarf nicht primär ein­er tech­nol­o­gis­chen Erneuerung des beste­hen­den autodo­minierten Indi­vid­u­alverkehrs, son­dern ein­er umfassenden Mobil­itätswende. Deren Ziel muss sein, den öffentlichen und schienenge­bun­de­nen Verkehr zu stärken, die Fahrrad­in­fra­struk­tur auszubauen und das Verkehrsaufkom­men radikal zu ver­ringern – und zwar auf den Straßen und in der Luft. Die fos­silen Antrieb­sag­gre­gate müssen zum Aus­lauf­mod­ell wer­den und nur der unbe­d­ingt nötige Bedarf an indi­vidu­ellen Auto­mo­bilen sollte auf eine elek­trische Basis gestellt wer­den. Nur auf diese Weise kön­nten die gegen­wär­ti­gen Ansätze ein­er Verkehr­swende zu ein­er umfassenden Mobil­itätswende weit­er­en­twick­elt wer­den. […] Let­ztlich brauchen wir eher eine Rev­o­lu­tion als eine Wende: Wir müssen das Auto­mo­bil als zen­trales Sym­bol für Fortschritt und sozialen Sta­tus wie auch für indi­vidu­elle Frei­heit ent­thro­nen – auf der Straße, aber auch in unseren Köpfen.

  • In guter Ord­nung, aber schlechter Ver­fas­sung | FAZ → michael knoche weist in darauf hin, dass deutsch­land sein kul­turelles erbe der (gedruck­ten) büch­er seit langem arg ver­nach­läs­sigt … (auch in der faz darf man also für die dig­i­tal­isierung sein ;-) …)

    Wis­senschaft und Gesellschaft brauchen bei­des, das Orig­i­nal und das Dig­i­tal­isat. Aber wed­er mit der Bewahrung der Orig­i­nale noch mit der Dig­i­tal­isierung der his­torischen Buchbestände geht es in Deutsch­land recht voran. Dabei müsste die Sicherung der schriftlichen Über­liefer­ung auf der kul­tur­poli­tis­chen Agen­da ganz oben ste­hen. Ziel müsste sein, das Gros der alten Bestände in Bib­lio­theken und Archiv­en zugle­ich zu erhal­ten und dig­i­tal ver­füg­bar zu machen, natür­lich in klug abges­timmter Weise.

    Bei­de Aspek­te ließen sich fabel­haft miteinan­der kom­binieren, wenn entsprechende För­der­mit­tel zur Ver­fü­gung stün­den: Was dig­i­tal­isiert wird, sollte zugle­ich kon­ser­va­torisch gesichert wer­den. Was gesichert ist, wird auch dig­i­tal­isiert. Das Prinzip lautet: Kon­ver­sion nicht ohne Kon­servierung.

  • Mys­tery of Greek Amphitheater’s Amaz­ing Sound Final­ly Solved | Live Sci­ence → wieder ein rät­sel gelöst: die phänom­e­nale akustik des the­aters von epi­dau­ros liegt an den mate­ri­alien …

Ins Netz gegangen (18.6.)

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  • Ste­fan Nigge­meier | Der Ehrgeiz des Ste­fan Raab — ste­fan nigge­meier schreibt einen nachruf auf ste­fan raab (zumin­d­est liest es sich über weite streck­en so …)
  • Pro­fil, ver­schachert für 25 Cent — con­stanze kurz in ihrer faz-kolumne über die selt­same dig­i­talpoli­tik der kan­z­lerin

    Warum sollte sich aber daran in Zukun­ft nicht mehr nur ein klein­er Kreis von Konz­er­nen eine gold­ene Nase ver­di­enen, son­dern plöt­zlich – falls endlich die stören­den Skep­tik­er aus dem Weg gehen – Big Data zum Segen für die deutsche Wirtschaft wer­den? Glaubt die Bun­deskan­z­lerin, die Big-Data-Könige wer­den ihre Serv­er-Hallen, Cloud-Stan­dorte und Rechen­zen­tren neb­st den Forschungszen­tren und den klüg­sten Data-Min­ing-Köpfen, die sie inter­na­tion­al eingekauft haben, den deutschen Unternehmern abtreten, wenn diese nur ihre skep­tis­che Hal­tung able­gen?

  • Rachel Dolezal: Die Far­ben­frage | ZEIT ONLINE — ein sehr kluger, aus­führlich­er und abwä­gen­der text von nils mark­wardt über rachel dolezal, schwarz und weiß und die (aus deutscher/meiner sicht reich­lich merk­würdig anmu­tende) diskus­sion um “rasse” als iden­titäts­mark­er

    Doch was fol­gt nun aus dem Ganzen? Sofern race eine soziale Kon­struk­tion ist, stellt sich die hypo­thetis­che Frage, ob das Pass­ing von Rachel Dolezal nicht zumin­d­est dann legit­im gewe­sen wäre, wenn sie mit offe­nen Karten gespielt hätte, wenn sie also von vorn­here­in pub­lik gemacht hätte, dass sie als Weiße geboren wurde, sich aber als Schwarze fühlt.
    Doch selb­st dann hätte dieser Fall ein entschei­den­des Prob­lem, das sich aus ein­er his­torischen Unter­drück­ungs­geschichte ableit­et. Wenn man solch ein tran­sra­cial-Konzept radikal zu Ende denkt, hieße dies ja, dass let­ztlich jede Form eth­nis­ch­er Selb­st­beschrei­bung indi­vidu­ell ver­han­del­bar würde. Und dies würde dann, zumin­d­est bis zu einem gewis­sen Grade, eben­falls bedeuten, dass let­ztlich auch jene affir­ma­tiv­en schwarzen Iden­tität­skonzepte, etwa black­ness oder négri­tude, die nicht zulet­zt auch als Reak­tion auf jahrhun­derte­lange Repres­sion durch Weiße ent­standen sind, obso­let wür­den oder sich zumin­d­est soweit öff­nen müssten, dass auch Weiße “I’m proud to be black” sagen kön­nten.
    Sprich: Man hätte, wenn auch unge­wollt und mit den Mit­teln weißer dekon­struk­tivis­tis­ch­er Essen­tial­is­muskri­tik, aber­mals eine Sit­u­a­tion, in der Schwarzen gesagt wird, wie sie ihre Kul­tur zu definieren haben.

  • Wie ich Fem­i­nist wurde | Log­buch Suhrkamp — ein sehr per­sön­lich­er, auf­schlussre­ich­er und inter­es­san­ter text von thomas mei­necke (fast eine art beken­nt­nis), im dem es um den weg zum selb­st und zum schreiben (und auch: dem ver­ste­hen von welt und men­sch) geht

    In diesem ästhetisch-poli­tis­chen Spalt lassen sich diskur­sive Romane ver­fassen, die von anderen Din­gen erzählen als jene, die von den großen männlichen, ver­meintlich geschlosse­nen, auf jeden Fall sich als autonom insze­nieren­den Autor-Sub­jek­ten (oft als Genies beze­ich­net) ver­fasst wur­den (und weit­er­hin munter ver­fasst wer­den). Die große Bina­rität, wie sie dem an der Kat­e­gorie der Klasse ori­en­tierten poli­tis­chen Denken und Schreiben anhaftete, wurde nun durch einen genauen Blick auf die kleinen Unter­schiede, auf sub­tile Ver­schiebun­gen und Mod­u­la­tio­nen abgelöst

  • Trea­sure In Heav­en | Lapham’s Quar­ter­ly — peter brown über die “kam­pagne” des frühen chris­ten­tums und beson­ders hierony­mus’, euer­getismus in christlich­es almosen­geben zu ver­wan­deln

    Alto­geth­er, to accept Chris­t­ian preach­ing was to make a major shift in one’s image of soci­ety. In terms of the social imag­i­na­tion, it involved noth­ing less than mov­ing from a closed uni­verse to an open one. We begin, in the clas­si­cal world, with a hon­ey­comb of lit­tle cities, in each of which the rich thought of nur­tur­ing only their fel­low cit­i­zens, with lit­tle regard to whether any of them were poor. We end, in Chris­t­ian times, with an open uni­verse, where soci­ety as a whole—in town and coun­try­side alike—was seen to be ruled, as if by a uni­ver­sal law of grav­i­ty, by a sin­gle, bleak divi­sion between rich and poor. The duty of the Chris­t­ian preach­er was to urge the rich no longer to spend their mon­ey on their beloved, well-known city, but to lose it, almost heed­less­ly, in the face­less mass of the poor. Only that utter­ly coun­ter­fac­tu­al gesture—a ges­ture that owed noth­ing to the claims of one’s home­town or of one’s fel­low citizens—would earn the rich “trea­sure in heav­en.”

  • Der Pianist Mau­r­izio Polli­ni im Inter­view — ein sehr, sehr gutes, inter­es­santes und intel­li­gentes gespräch zwis­chen zwei beethoven-lieb­habern, jan brach­mann und mau­r­izio polli­ni, anlässlich der vol­len­dung sein­er auf­nahme aller beethoven-sonate

    Es gibt in Beethovens Musik Momente, die in die Nähe religiös­er Erfahrung führen kön­nen. Momente von gesteigertem Enthu­si­as­mus. Ich will das gar nicht leug­nen. Ich per­sön­lich finde, dass man nicht notwendi­ger­weise an Reli­gion denken muss, um diese Musik zu würdi­gen. Es ist nur deren Größe, welche die ästhetis­che Begeis­terung schnell ins Religiöse umschla­gen lassen kann.[…]
    Das Prob­lem liegt darin, dass Beethovens Werke so vielgestaltig sind. Er wech­selt Stil und Stim­mung von Stück zu Stück. Es wieder­holt sich nichts. Deshalb sind diese Sonat­en so schw­er zu spie­len. Die Ken­nt­nis der einen Sonate hil­ft Ihnen über­haupt nicht weit­er bei der näch­sten.

  • Dop­pelte Unfall­ge­fahr: Helmträger in Mün­ster öfter im Kranken­haus | Rad­helm­fak­ten — eine etwas beun­ruhi­gende samm­lung von dat­en der unfall­sta­tis­tiken: es scheint so, dass die ver­let­zungsrate bei helmträgern in unfällen deut­lich größer ist als bei nicht-helmträgern. das wider­spricht schön jed­er all­t­agslogik — und es ist über­haupt nicht klar, warum das so ist …
  • DER NERD: EINE MINI-PHÄNOMENOLOGIE | Das Schön­ste an Deutsch­land ist die Auto­bahn — sehr coole über­legun­gen von georg seeßlen zum nerd­tum, der pop-)kultur und ins­beson­dere dem deutschen nerd:

    Jede Kul­tur hat die Nerds, die sie ver­di­ent. Den Geist ein­er Com­ic-Serie, eines TV-Events, eines Star-Ima­gos oder ein­er Buchrei­he, ein­er Sportart, ein­er Kom­mu­nika­tion­stech­nik, ein­er Pro­duk­tlin­ie erken­nt man an ihren Nerds.[…]
    Der deutsche Nerd liebt nicht, was er sich erwählt hat, son­dern er has­st, was dem ent­ge­gen oder auch nur außer­halb ste­ht. Der deutsche Nerd denkt immer hier­ar­chisch. Er will unbe­d­ingt Ober-Nerd wer­den. Er will das Nerd-Tum organ­isieren. Statt Exege­sen pro­duziert er Vorschriften, statt Gottes­di­en­sten seines Kultes hält er Gerichte.

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  • Mord: Der Para­graf | ZEIT ONLINE — Niedrige Beweg­gründe soll­ten kein Maßstab mehr sein
    Der Mord-Para­graf des Strafge­set­zbuch­es muss drin­gend über­ar­beit­et wer­den. Beileibe nicht nur, weil er von Nazi-Juris­ten for­muliert wurde.
  • Geliefert | zynæs­the­sie — wun­der­bare Liefer­ung. RT @zynaesthesie: Geliefert
  • Archae­ol­o­gy in Greece Online — An indis­pen­si­ble tool for researchers in all dis­ci­plines who wish to learn about the lat­est archae­o­log­i­cal dis­cov­er­ies in Greece and Cyprus, Archae­ol­o­gy in Greece Online/Chronique des fouilles en ligne is a rich­ly illus­trat­ed topo­graph­i­cal data­base with a map­ping fea­ture to locate field projects with­in sites and regions.
  • Lyrik­erin Elke Erb : “Es ist Leben, konkret, nicht Spiel­erei” — DIE WELT — Elke Erb spricht über das Schreiben und Leben:

    Es ist eine aktive Welt und es kommt darauf an, wie man spricht. Es ist doch ganz egal, wovon man spricht, Haupt­sache, es wird anständig erzählt.

    Die Sprache ist ein lebendi­ges Ding und nicht etwas, was schon fest­gelegt ist. Was man übri­gens auch sehen kann, wenn die Klein­lebendi­gen kom­men, die kleinen Kinder, wenn sie die Sprache nach­bilden wollen und Vor- und Nach­sil­ben aus­pro­bieren.

    Und natür­lich, ganz zen­tral:

    Die Sprache lebt, wie gesagt. Es ist Leben, konkret, nicht Spiel­erei.

    (Die Fra­gen von Dorothea von Törne kom­men mir allerd­ings dur­chaus selt­sam vor, wie hingeschmis­sene Brock­en, die warten, ob Erb irgend­wie darauf reagieren mag …

  • Ein let­ztes Gespräch mit Peter Kurzeck: „Wie sollst du dir jet­zt den erset­zen?“ — Feuil­leton — FAZ — Ein Gespräch mit Peter Kurzeck im Sep­tem­ber 2013 über Wal­ter Kem­pows­ki, Chro­nis­ten und Schrift­steller und das Tage­buch­schreiben, das noch ein­mal Kurzecks Posi­tion (zum Schreiben und zur Welt) sehr schön zusam­men­fasst:

    Ja, man denkt, man sei für die Bewahrung der Welt zuständig.

    Schön auch diese beiläu­fige Bemerkung:

    Man muss schon auf­passen, was man liest.

Aus-Lese #10

ZEIT-Geschichte, 2/2013: Anders leben. Jugend­be­we­gung und Leben­sre­form in Deutsch­land um 1900. 114 Seit­en.

Das Heft bietet vor allem eines: Viele schöne Bilder luftiger oder gar nicht bek­lei­de­ter Men­schen … Die Texte haben mich näm­lich dieses Mal etwas ent­täuscht: Joachim Rad­kau haut im ein­lei­t­en­den Überblick­sar­tikel erst mal kräftig auf alle anderen His­torik­er aller Prove­nien­zen ein, die die (Lebens-)Reformbewegungen der Jahrhun­der­twende sowieso alle falsch ver­standen haben (im Gegen­satz zu ihm selb­st). Inter­es­sant ist dann noch der Text über den “Monte Ver­ità”, Andreas Moli­tors Text über die Darm­städter Mathilden­höhe hinge­gen bleibt flach — wie viele andere Beiträge auch. Ins­ge­samt sich­er eines der schlechteren Hefte — mit der Geschichte ein­er Idee kommt die Redak­tion mit ihren gewohn­ten Mit­teln offen­bar nicht zurande: Das ist nur eine lange Rei­hung von Einzelphänome­nen, die kaum ein großes oder nur ein größeres Bild ergeben.

Jörn Rüsen: Kann gestern bess­er wer­den? Zum Bedenken der Geschichte. Berlin: Kad­mos 2003 (Kul­tur­wis­senschaftliche Inter­ven­tio­nen, Bd. 2). 160 Seit­en.

Vier Essays über Geschichte an sich, als Prob­lem und Lösung, über die Ver­ant­wor­tung von His­torik­ern gegenüber der Ver­gan­gen­heit, der Gegen­wart und der Zukun­ft — all diese Grund­satzfra­gen beim Nach­denken über und Arbeit mit und an der Geschichte eben. Das ist alles sehr reflek­tiert, aber auch sehr trock­en und strikt the­o­retisch: typ­isch Rüsen eben … Typ­isch für ihn ist auch, immer von ein­er (exis­ten­zial­is­tis­chen) “Anthro­polo­gie des His­torischen” auszuge­hen und daraus seine Über­legun­gen zu Wert und Gestalt der Geschichte zu entwick­eln.

Ger­hard Falkn­er: Perg­a­mon Poems. Gedichte+Clips (dt-en). Überta­gen von Mark Ander­son. Berlin: kook­books 20012. 64 Seit­en + DVD.

Zu dem Perg­a­mon Poems auf Papi­er und Sil­ber-/Mattscheibe habe ich diese Woche schon ein biss­chen etwas geschrieben: klick.

Edgar Allan Poe: Die Geschichte der Arthur Gor­don Pym aus Nan­tuck­et. Über­set­zt von Hans Schmid, her­aus­gegeben von Hans Schmid und Michael Farin. Ham­burg: mare­buchver­lag 2008. 525 Seit­en.

Ein schön gemacht­es Buch, mit aus­führlichem Begleit­ma­te­r­i­al, ein­er neuen, gut les­baren Über­set­zung mit reich­lich­er Kom­men­tierung (auch wenn mich die Fußnoten fast ein biss­chen zu sehr ablenken beim Lesen des Haupt­textes). Vor allem aber ein wirk­lich großar­tiger Roman, ein Hochfest des unzu­ver­läs­si­gen Erzäh­lens — denn das einzige, das sich­er ist, ist, dass nichts sich­er ist, was hier erzählt wird … — da hil­ft auch die Beteuerung des Erzäh­lers nicht viel:

Ich berichte diese Umstände ganz detail­ge­treu, und ich berichte sie, wohlver­standen, exakt so, wie sie uns erschienen. (199)

Davon darf man sich den Spaß aber nicht verder­ben lassen. Im Gegen­teil, der schlit­zohrige Erzäh­ler ist ein nicht uner­he­blich­er Grund, warum diese Aben­teuergeschichte ein­er Seereise mit blin­dem Pas­sagi­er, Meuterei, Schiffs­bruch, Süd­see-Han­del, Süd­pol-Expe­di­tion und Kämpfen mit Einge­bore­nen … so unter­halt­sam daherkommt und so ein raf­finiert­er Text ist.

Pergamontexte

Mit diesem Blick begin­nt Europa! (29)

Ger­hard Falkn­er spricht, befragt von dem, nun­ja, Lit­er­aturfernsehred­ner Denis Scheck, im Fernse­hen über seine Lyrik im all­ge­meinen und seinen neuen Lyrik­band Perg­a­mon Poems — natür­lich im Perg­a­mon-Altar. So bin ich auf dieses schmale Bänd­chen mit den neuen Gedicht­en von Ger­hard Falkn­er (der spätestens seit “Gegen­sprech­stadt — ground zero” auf mein­er Liste geschätzer Lyrik­er ste­ht) gestoßen. Ganz nett anzuschauen und vor allem anzuhören sind die fünf Filme — eigentlich ja eher Trail­er — die die ersten Gedichte des Ban­des insze­nieren und die dem Bänd­chen als DVD beigelegt sind: Ger­ade in ihrer Zurück­hal­tung fand ich das ganz gut gemacht, die Konzen­tra­tion auf den Text und die Rez­i­ta­tion der Schaus­pielerin­nen zusam­men mit den beschriebe­nen Bildern des Perg­a­mon-Altars: Min­i­mal­is­tisch, aber nicht nüchtern — im Gegen­teil, sog­ar voller wohldosiertem Pathos. Aber bei Göt­tergedicht­en und solch mythisch und erin­nerung­stech­nisch aufge­laden­em Gegen­stadt geht das nicht anders …: “Das Beispiel, das die Griechen gaben / man wird es nicht mehr los” (37)

Die Gedichte selb­st nehmen die Betra­ch­tung der Fig­uren und Geschicht­en des Perg­a­mon-Altars nicht nur zum The­ma, son­dern zum Aus­gangspunkt — für Fra­gen vor allem: Das hat gerne einen etwas kul­tur- und/oder zivil­sa­tion­skri­tis­chen Ein­schlag. Vor allem aber geht es um Fasz­i­na­tion: Die Fasz­i­na­tion des Betra­chters durch die Schön­heit der Steine, die Lebendigkeit ihrer Gestal­ten und — auch — der Gewalt ihrer Tat­en, der Größe und Unmit­tel­barkeit. Das ist der Punkt, wo immer wieder die fra­gende Gegen­wart­skri­tik anset­zt: Haben wir heute noch solche Größe? Wie sähe oder sieht sie aus? “Wie viel Giga­byte hat dieser Fries?”, fragt Falkn­er dann auch entsprechend. Und genau aus dieser Span­nung zwis­chen mod­ern-tech­nisiert-medi­al­isiert­er Gegen­wart und mythisch-kämpferisch-helden­hafter Ver­gan­gen­heit ziehen die kurzen, oft lock­er gefügt erscheinen­den Gedichte ihre Span­nung:

Oh, Mann!
Hier fliegen Räume auseinan­der. Hier treten Zeit­en
aus den Schranken, Göt­ter wanken. Alles ist ent­fes­selt.
Ist mit sich im Über­maß und den­noch reduziert und klar
… (Otos, 27)

Was Falkn­er außer­dem immer wieder neu fasziniert: Die stille Hand­lung, die einge­frorene Bewe­gung, der ewige Augen­blick — “ein Tanz der Tat”:

wenn Aphrodite tanzt, raschelt der Mar­mor (43)

An ander­er Stelle heißt das “Actionk­i­no / fest­ge­hal­ten als Still”. Und ähn­lich funk­tion­ieren auch seine kurzen Gedichte: Sie sind voller Bewe­gung und Drang, voller Auf­bruch und Tatkraft — und bleiben doch bei einem Augen­blick, erstreck­en sich nie über län­gere Zeit­en oder ent­fal­tete Vorgänge. Schade nur, dass es so wenig gewor­den ist: Ohne die englis­che Über­set­zung und viel Para­text hätte das nicht ein­mal für den sowieso schon gerin­gen Umfang eines Lyrik­ban­des gere­icht.

Ger­hard Falkn­er: Perg­a­mon Poems. Gedichte+Clips (dt-en). Überta­gen von Mark Ander­son. Berlin: kook­books 20012. 64 Seit­en + DVD.

Das Gespräch mit Denis Scheck:

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Und hier sind auch die fünf ange­sproch­enen kurzen Filme, die zu dem Auf­trag für die “Perg­a­mon Poems” führten, zu find­en:

Perg­a­mon Poems I: Aste­r­ia & Phoibe | Judith Engel, Ger­hard Falkn­er, Perg­a­mon­al­tar

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Perg­a­mon Poems II: Aphrodite | Eva Meck­bach, Ger­hard Falkn­er, Perg­a­mon­al­tar

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Perg­a­mon Poems III: Artemis | Tilman Strauss, Ger­hard Falkn­er, Perg­a­mon­al­tar

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Perg­a­mon Poems IV: Apol­lon | Sebas­t­ian Schwarz, Ger­hard Falkn­er, Perg­a­mon­al­tar

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Perg­a­mon Poems V: Kybele | Jen­ny König, Ger­hard Falkn­er, Perg­a­mon­al­tar

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