ZEIT-Geschich­te, 2/​2013: Anders leben. Jugend­be­we­gung und Lebens­re­form in Deutsch­land um 1900. 114 Seiten.

Das Heft bie­tet vor allem eines: Vie­le schö­ne Bil­der luf­ti­ger oder gar nicht beklei­de­ter Men­schen … Die Tex­te haben mich näm­lich die­ses Mal etwas ent­täuscht: Joa­chim Rad­kau haut im ein­lei­ten­den Über­blicks­ar­ti­kel erst mal kräf­tig auf alle ande­ren His­to­ri­ker aller Pro­ve­ni­en­zen ein, die die (Lebens-)Reformbewegungen der Jahr­hun­dert­wen­de sowie­so alle falsch ver­stan­den haben (im Gegen­satz zu ihm selbst). Inter­es­sant ist dann noch der Text über den „Mon­te Veri­tà“, Andre­as Molitors Text über die Darm­städ­ter Mat­hil­den­hö­he hin­ge­gen bleibt flach – wie vie­le ande­re Bei­trä­ge auch. Ins­ge­samt sicher eines der schlech­te­ren Hef­te – mit der Geschich­te einer Idee kommt die Redak­ti­on mit ihren gewohn­ten Mit­teln offen­bar nicht zuran­de: Das ist nur eine lan­ge Rei­hung von Ein­zel­phä­no­me­nen, die kaum ein gro­ßes oder nur ein grö­ße­res Bild ergeben.

Jörn Rüsen: Kann ges­tern bes­ser wer­den? Zum Beden­ken der Geschich­te. Ber­lin: Kad­mos 2003 (Kul­tur­wis­sen­schaft­li­che Inter­ven­tio­nen, Bd. 2). 160 Seiten.

Vier Essays über Geschich­te an sich, als Pro­blem und Lösung, über die Ver­ant­wor­tung von His­to­ri­kern gegen­über der Ver­gan­gen­heit, der Gegen­wart und der Zukunft – all die­se Grund­satz­fra­gen beim Nach­den­ken über und Arbeit mit und an der Geschich­te eben. Das ist alles sehr reflek­tiert, aber auch sehr tro­cken und strikt theo­re­tisch: typisch Rüsen eben … Typisch für ihn ist auch, immer von einer (exis­ten­zia­lis­ti­schen) „Anthro­po­lo­gie des His­to­ri­schen“ aus­zu­ge­hen und dar­aus sei­ne Über­le­gun­gen zu Wert und Gestalt der Geschich­te zu entwickeln.

Ger­hard Falk­ner: Per­ga­mon Poems. Gedichte+Clips (dt-en). Über­ta­gen von Mark Ander­son. Ber­lin: kook­books 20012. 64 Sei­ten + DVD.

Zu dem Per­ga­mon Poems auf Papier und Sil­ber-/Matt­schei­be habe ich die­se Woche schon ein biss­chen etwas geschrie­ben: klick.

Edgar Allan Poe: Die Geschich­te der Arthur Gor­don Pym aus Nan­tu­cket. Über­setzt von Hans Schmid, her­aus­ge­ge­ben von Hans Schmid und Micha­el Farin. Ham­burg: mare­buch­ver­lag 2008. 525 Seiten.

Ein schön gemach­tes Buch, mit aus­führ­li­chem Begleit­ma­te­ri­al, einer neu­en, gut les­ba­ren Über­set­zung mit reich­li­cher Kom­men­tie­rung (auch wenn mich die Fuß­no­ten fast ein biss­chen zu sehr ablen­ken beim Lesen des Haupt­tex­tes). Vor allem aber ein wirk­lich groß­ar­ti­ger Roman, ein Hoch­fest des unzu­ver­läs­si­gen Erzäh­lens – denn das ein­zi­ge, das sicher ist, ist, dass nichts sicher ist, was hier erzählt wird … – da hilft auch die Beteue­rung des Erzäh­lers nicht viel:

Ich berich­te die­se Umstän­de ganz detail­ge­treu, und ich berich­te sie, wohl­ver­stan­den, exakt so, wie sie uns erschie­nen. (199)

Davon darf man sich den Spaß aber nicht ver­der­ben las­sen. Im Gegen­teil, der schlitz­oh­ri­ge Erzäh­ler ist ein nicht uner­heb­li­cher Grund, war­um die­se Aben­teu­er­ge­schich­te einer See­rei­se mit blin­dem Pas­sa­gier, Meu­te­rei, Schiffs­bruch, Süd­see-Han­del, Süd­pol-Expe­di­ti­on und Kämp­fen mit Ein­ge­bo­re­nen … so unter­halt­sam daher­kommt und so ein raf­fi­nier­ter Text ist.