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Schlagwort: a-cappella

Reinraummusik: Die King’s Singers in St. Stephan

So richtig begeis­tern kon­nte ich mich beim Auftritt der King’s Singers in Mainz nicht: Per­fekt intoniert, ohne Frage — aber alles auch per­fekt rou­tiniert, vom Auf-die-Bühne-Schre­it­en bis zur Hand­hal­tung alles minu­tiös ein­studiert: Raum für Spon­taneität, für Begeis­terung (der Musik­er selb­st) gibt es hier nicht. Deswe­gen wird’s auch mal lang­weilig. Denn auch ein wahnsin­nig pro­fes­sioneller, nahezu per­fek­ter Ensem­bleklang ist alleine auf Dauer nur mäßig befriedi­gend. Aber trotz­dem schön anzuhören ;-)

Wenn es so etwas wie königliche Rein­heit gäbe – hier wäre es zu hören. Denn wenn die King’s Singers etwas beherrschen, dann ist es die müh­elose Per­fek­tion der reinen Into­na­tion. Eine naht­lose, unzer­brech­liche Ein­heit bilden diese sechs Sänger, vom ersten Einat­men bis zum let­zten­Verklin­gen. Und selb­st die Hand­hal­tung und das pro­fes­sionelle Lächeln sind bei allen gle­ich – Unter­schiede gibt es nur in der Haar­tra­cht.

Mit unwider­stehlich­er Rou­tine pro­duzieren die King’s Singers einen Ver­schmelzungsklang, der wahnsin­nig machen kann. Zusam­men bilden sie etwas ganz Einzi­gar­tiges, bei dem es fast egal ist, was sie sin­gen. In St. Stephan, wo sie im Rah­men des Rhein­gau Musik­fest­vals gastierten, war das zunächst ein Grün­don­ner­stags-Pro­gramm rund um den gre­go­ri­an­is­chen Choral „Pange lin­gua“. Da macht es auch nichts, das die Kar­woche schon einige Zeit zurück liegt: Hier geht es nur um die Musik, und da vor allem um den puren Klang – die Texte und Inhalte spie­len nur eine unter­ge­ord­nete Rolle. In St. Stephan waren die Worte nur aus­nahm­sweise zu erah­nen, ver­ste­hen kon­nte man die Text schon gar nicht.

Schön ist diese Musik trotz­dem. Und das ist die Haupt­sache, egal ob es um Motet­ten von Car­lo Gesu­al­do oder von Anton Bruck­n­er geht, ob Mau­rice Duru­flés „Tan­tum ergo“ oder Tomas Luis de Vic­to­rias „Pop­ule meus“ erklingt. Die Dif­ferenz zwis­chen 16. und 20. Jahrhun­dert wird müh­e­los über­brückt, die Unter­schiede ver­schwim­men: Das sind ein­fach die King’s Sin­grs – fer­tig. Und das heißt: Wohlk­lang pur, immer wieder, egal, welche Noten ger­ade auf dem Pult liegen. Schon das langsame Ausklin­gen der Schlus­sakko­rde allein ist dabei jedes Mal wieder beza­ubernd, wie sie immer weich­er wer­den und sich im Raum auflösen – solche Fein­heit­en bietet kaum ein anderes Ensem­ble so überzeu­gend. Aber beson­ders span­nend ist das nicht, weil außer dem extrem gle­ich­mäßig, unge­mein rein aus­ge­formten Wohlk­lang für die sechs Englän­der wenig anderes zählt. Ein kleines Crescen­do ist da schon fast eine Sen­sa­tion. Denn die zarte Zer­brech­lichkeit des per­fek­ten Vokalk­langs ist eben immer in Gefahr – da würde über­mäßige Expres­siv­ität nur schaden. Und schade wäre es wirk­lich, würde dieser Wohllaut zer­stört. Doch das passiert den King’s Singers nie, ihr einzi­gar­tiger a‑cap­pel­la-Klang bleibt auch an diesem Abend unge­brochen.

Singende Seelen

Wenn ein A‑Cap­pel­la-Ensem­ble sich den Namen „Sjael­la“, für „Seele“ gibt, kann man von der ersten CD schon einiges erwarten. Beson­ders beseelt sin­gen die sechs jun­gen Sän­gerin­nen auf ihrer Debüt-Auf­nahme allerd­ings eher sel­ten. Ein biss­chen schade ist das, die tech­nis­chen Möglichkeit­en dazu hätte die Gruppe, die trotz der Jugend ihrer Mit­glieder schön sechs Jahre gemein­sam singt, näm­lich dur­chaus. Der wilde Stilmix, das kun­ter­bunte Sam­mel­suri­um dieser CD zeigt das deut­lich: Into­na­tion­ssich­er und klar aus­bal­anciert sin­gen sie immer, ob die Musik von Knut Nyst­edt stammt oder von Sting, ob ger­ade die Noten von Duru­flés „Tota pul­chra es“ oder ein Volk­slied­satz an der Rei­he sind: Immer wieder singt Sjael­la ohne Zweifel sauber – man kön­nte prob­lem­los mitschreiben. Aber Charme, Inspi­ra­tion oder Esprit – das ver­mit­telt die Auf­nahme lei­der kaum. Deswe­gen hän­gen selb­st Bea­t­les-Hits wie „Dri­ve my car“ oder Stings „Val­paraiso“ etwas glan­z­los im leeren Raum. Dabei gelingt Sjael­la dur­chaus einiges, Dia­mons are a girl’s best friend etwa – das hat in sein­er naiv­en Unschuld schon seinen Reinz … Aber ob das wirk­lich so tief ins Innere der Teenag­er-See­len blick­en lässt, wie das Book­let behauptet?

Sjael­la: Sjael­la. Quer­stand VKJK 1009. 2011. 48:52 Minuten.

(geschrieben für die Neue Chorzeit.)

Vocal Percussion und Beatbox selbst gemacht

Das Beat­box­en und die Vocal Per­cus­sion ist ja eine ver­gle­ich­sweise junge Art des “Sin­gens”, deren Gehei­minisse, Tech­niken, Modal­itäten und Ideen fast nur im direk­ten Kon­takt, in Clubs — und über YouTube — weit­ergegeben wur­den. Aber das ändert sich ger­ade — weil Beat­box­en aus der Club­nis­che befre­it wurde und immer bre­it­ere Ver­bre­itung find­et. Es kommt also ger­ade recht, dass Richard Filz die Basics dieser Pro­fes­sion ver­mit­teln will. Und die DVD ist dafür natür­lich ein nahe­liegen­des Medi­um — mit einem Buch ließe sich das Nachah­men von Schla­gin­stru­menten höch­stens halb so gut erre­ichen. Bei “vocal per­cus­sion basics” darf man nicht nur Erk­lärun­gen lauschen, son­dern Filz auch dabei zuse­hen, wie das alles entste­ht. Und Filz ist nicht nur ein Beat­box­er, son­dern auch ein Coach mit viel Erfahrung.

Die gibt er mehr als zwei Stun­den auf dieser DVD weit­er. Sein Konzept ist ein­fach, schlüs­sig und über­sichtlich: Aus­ge­hend von den Grund­sounds des Mund-Schlag­w­erks entwick­elt er ein­fache grundle­gende Rhyth­men vom Rock über Funk, Hip Hop & Swing zu Latin Grooves, baut diese aus ver­schiede­nen Bausteine zusam­men, stellt mögliche Fills und Ergänzun­gen vor, bis hin zur eigentlichen Song­be­gleitung — immer mit dem Ziel der prak­tis­chen Anwen­dung, schießlich soll das Geübte auch im musikalis­chen Zusam­men­hang erprobt wer­den. Und Filz ermuntert darüber hin­aus aus­drück­lich zum eige­nen Exper­i­men­tieren und Impro­visieren mit den hier ver­mit­tel­ten Grund­la­gen.

Durch­weg merkt man die Erfahrung des Unter­richt­ens: Richard Filz macht das näm­lich nicht nur vor, son­dern kann auch sehr genau erk­lären, was wo mit welchem Teil des Mundes zu tun ist, was beson­ders am Anfang hil­fre­ich ist, wie man das mit etwas Übung weit­er­en­twick­eln kann. Und neben­bei zeigt er auch immer wieder, welche Klänge und Instru­mente man als Vocal Per­cus­sion­ist eigentlich imi­tiert.
Der eigentliche Lehrgang, ein inter­ak­tiv­er Work­shop im “Call and Response”-Verfahren, wird auch immer wieder von hil­fre­ichen Ergänzun­gen zur Atmung, zur Visu­alierung der Sounds (dem Air­drum­ming, bei dem die Hände das Schlagzeugspiel par­al­lel zum Mundw­erk mitvol­lziehen) oder zum Lip­pen-Warm-Up und der Mikro­fonierung unter­brochen.

“Vocal Per­cus­sion basics” wird begleit­et von einem kleinen Heft mit notierten Basis-Rhyth­men (das den etwas hochge­grif­f­e­nen Titel “Vocal Groove Lexikon” trägt) und einem frei zugänglichen Inter­net-Ange­bot unter http://www.vocal-percussion.com. Filz ist überzeugt: “Vocal Per­cus­sion kann jed­er machen” — immer und über­all, beileibe nicht nur Sänger, auch Schlagzeuger. Und mit dieser DVD sollte zumin­d­est der Ein­stieg möglich wer­den.

Richard Filz: Vocal Per­cus­sion basics. Inter­ak­tiv­er Work­shop. DVD, 124 Minuten. Uni­ver­sal Edi­ton UE 45017. 2009.

(geschrieben für die Neue Chorzeit.)

wise guys: so viel nettigkeit — das kann doch nicht sein

sie nervt zumin­d­est ein biss­chen. aber bevor ich das lästern anfange, zunächst ein­mal den text, den ich für die mainz­er rhein-zeitung schrieb:

Sie sind brin­gen alle zusam­men: Sin­gende Kinder, kreis­chende Tee­nies mit und ohne Eltern, alte Fans, die schon beim ersten Konz­ert dabei waren genau wie zahlre­ich neu enthu­si­as­mierte, solche mit Par­ti­tur unterm Arm und diejeni­gen, die schon im Tour-T-Shirt erscheinen und sig­nierte CDs als Trophäen heim­tra­gen. Bei den Wise Guys ist ein­fach jed­er zu Hause. Und die fünf sind über­all dort daheim, wo ein Bühne und einige gut gelaunte Zuhör­er zu find­en sind. In Mainz passiert das öfters. Jet­zt wieder mal in der Phönix-Halle, um ihr neues Album vorzustellen. Das heißt „Klassen­fahrt“ — ein wun­der­bar­er, passender Titel für das Quin­tett. Die auch nicht mehr ganz so jun­gen Her­ren aus Köln wer­den näm­lich ein­fach nicht so richtig erwach­sen. Dafür haben sie viel zu viel Spaß am Rumal­bern. Und am Sin­gen. Und ganz beson­ders, wenn sie bei­des verbinden kön­nen. Zum Beispiel in der Rap-Par­o­die „Ham­let“, in der zumin­d­est zwei aus ihrer Mitte, Sari und Fer­enc, mal die ganz harten Ker­le geben. Das erfordert einige Umstel­lung, denn eigentlich sind die Wise Guys viel zu nett für so etwas. Deshalb ist das auch nicht ger­ade der Höhep­unkt des Konz­ertes. Davon gibt es aber mehr als genug andere – mit den alten Hits wie „Es ist nicht immer leich ich zu sein“ oder dem unvergessen­lichen „Radio“. Aber auch mit neuer Musik und neuen Tex­ten, wie immer vor allem von Dän und Eddi.
Denn, das zeigt „Klassen­fahrt“ sehr schön, die Wise Guys bleiben sich treu. Und das heißt, dass sie weit­er­hin sehr nette, hitverdächtige Pop­songs schreiben. Dass sie die als A‑Cap­pel­la-Gruppe halt auss­chließlich mit ihren Stimm­bän­dern pro­duzieren, ist da fast zufäl­lig. Und gar nicht so wichtig. Haupt­sache, die gute Laune kommt. Dafür brauchen sie nie viel: Eine eingängige Melodie, ein unbe­d­ingt gereimter Text, etwas Augen­zwinkern: Und fer­tig ist schon die Rock-Hymne „Latein“, die den Klassen­primus zum Helden macht. Zumin­d­est für diesen Song. Über­haupt ihr unge­broch­en­er Opti­mis­mus. Das wird manch­mal fast zu viel, wenn sie immer noch und wieder nur an das Gute glauben – selb­st „Am Ende des Tages“, mag er noch so rup­pig gewe­sen sein. Und das „Schlechte Kar­ma“ wird natür­lich auch umge­hend über­wun­den. Das sind eben die Wise Guys: unver­drossen gut drauf. Das es musikalisch ein­fall­sre­ichere und stimm­lich raf­finiert­ere Grup­pen gibt, macht da gar nix. Denn wenn die Wise Guys dann zum Beispiel „Wo der Pfef­fer wächst“ anstim­men, kön­nten sie sich ganz entspan­nen und aufs pan­to­minis­che Sin­gen ver­legen – das Pub­likum singt gerne und run­dum begeis­tert an ihrer Stelle. Aber das tun sie natür­lich nicht. Son­dern leg­en noch einen Zahn zu und rock­en auf der Bühne mal so richtig ab. Schließlich wollen ja alle Spaß haben – und das „ganz ohne Dro­gen“, wie es ein­mal heißt. Aber irgen­dewie sind die Wise Guys doch auch eine Droge. Man kommt ein­fach nicht los von ihnen.

ja, so war das. und ich habe noch ein biss­chen mehr drüber nachgedacht. vielle­icht ist ja der erfolg der wise guys in deutsch­land das beste zeichen für ihr mit­tel­maß — in zeit und ort -, für die zufrieden­heit der musik­er & des pub­likums mit der beque­men mitte, dem ewigen sowohl-als auch: ein biss­chen witz, ein biss­chen nach­den­klichkeit, ein biss­chen gut, ein biss­chen böse, ein biss­chen freud und ein biss­chen leid. aber halt nichts richtig … nichts wirk­lich zu ende gedacht oder geführt. und das nervt nach ein­er weile — mich zumin­d­est: diese ewigen halb­heit­en, die — das unter­stelle ich — dur­chaus berech­net, zumin­d­est beab­sichtigt sind: näm­lich aus der ori­en­tierung am größten gemein­samen nen­ner. die offen­sichtliche ästhetis­che (und intellek­tuelle) belan­glosigkeit ist die folge davon. und damit ist die musik nicht nur nachrangig, son­dern auch voll zufrieden: das streben nach beson­derem, nach außergewöhn­lichem hat sie längst aufgegeben. das aber macht sie (fast) blödsin­nig (ok, das ist vielle­icht ein wenig hoch gegrif­f­en) massenkom­pat­i­bel. nur eben auch lang­weilig und vorherse­hbar. da ist für mich ein­fach kein kitzel, kein reiz mehr dran — wed­er musikalisch noch inhaltlich irgend etwas über­raschen­des, neues.

schon die beset­zung weist ja darauf hin: fünf män­ner­stim­men — aber keine extreme. kein wirk­lich tiefer bass und kein ordetnlich­er hoher tenor. auch keine beat­box oder wirk­lich gute vocal per­cus­sion. und, das ist die kehr­seite, deswe­gen sind sie ja auch so wun­der­bar zum mitsin­gen geeignet. aber das liegt natür­lich auch an den ein­fachst gebaut­en songs, den über­sichtlichen arrange­ments und vor allem den eingängi­gen, unkom­plizierten, eigentlich sog­ar sim­plen melo­di­en.

angebissen: der don-camillo-chor auf cd

Musik dazu ver­wen­den, jeman­den zu ver­führen, ist keine neue Idee. Das Opfer mit der Musik als Köder zur Musik zu begehren, ist schon etwas ungewöhn­lich­er. Und wenn ein Chor das dann auch noch so offen und direkt untern­immt wie der „Don-Camil­lo-Chor“ aus dem Münch­n­er Umland, dann gehen jed­er Zielper­son schnell die Argu­mente für den Wider­stand aus.

Das liegt, wie ihre neueste (und erste) CD mit dem passenden Titel „Good Bait“ beweist, zu großem Teil an der jugendlichen Frische und dem unbändi­gen Über­schwang, mit dem der gesamte Chor sich auf sein Reper­toire vor­wiegend aus Jazz und Pop stürzt. So eine freizügige Freude teilt sich dem Hör­er in jedem Moment mit, dass er mit dem größten Vergnü­gen anbeißt.

Das Vergnü­gen ist allerd­ings nicht nur ein Ver­di­enst der Sänger und ihres Chor­leit­ers, der sie immer wieder knack­ig auf den Punkt fokussiert. Es liegt zu einem großen Teil auch an den angenehm ein­fall­sre­ichen Arrange­ments, die mehrheitlich vom Diri­gen­ten selb­st oder aus der bewährten Fed­er des um keine Pointe ver­lege­nen Oliv­er Gies stam­men.

Das reicht vom feuri­gen „Chili con Carne“ aus dem Fun­dus der „Real Group“ über aufge­frische Swing-Klas­sik­er bis zu – in ihren kom­plex­en Arrange­ments kaum noch erkennbaren – Pop-Hits der let­zten Jahrzehnte. Mit ein­er recht freien Bear­beitung von Brahms’ „Guten Abend, gut’ Nacht“ beweist der Don-Camil­lo-Chor dann neben­bei auch noch, dass er mehr als nur rein­er Jazz-Pop-Chor ist: Diese jun­gen Sänger und Sän­gerin­nen fühlen sich in vie­len Gefilden zu Hause. Mit Recht. Denn „Good Bait“ ist nicht nur eine schöne, gelun­gene Leis­tungss­chau, son­dern auch ein­fach gute Unter­hal­tung.

Don Camil­lo Chor: Good Bait. Spek­tral SRL4-09049, 2009.

(geschrieben für die neue chorzeit)

harte männer ganz sanft: rammsteins “engel” a‑cappella

Mutig ist es, was der Bosse-Ver­lag macht: Seine neue Rei­he „Bosse Hits a‑cappella“ gle­ich mit Ramm­steins „Engel“ zu eröff­nen. Denn vie­len ist Ramm­stein in Deutsch­land (im Aus­land übri­gens im Grunde gar nicht) immer noch ein Ärg­er­nis. „Engel“ ist aber sicher­lich eines der unver­fänglich­sten Lieder. Und zugle­ich ein­er der großen Erfolge der umstrit­te­nen Band, der Durch­bruch in die größere Öffentlichkeit vor über zehn Jahren.

Was der Bosse-Ver­lag nun vor­legt, ist aber nicht so sehr eine a‑cap­pel­la-Ver­sion des Ramm­stein-Songs, son­dern eine noch ein­mal bear­beit­ete Ver­sion – für gemis­cht­en Chor sowie Frauenchor/Männerchor – des May­be­bop-Arrange­ments. Und das Quar­tett verkehrt die „Neue Deutsche Härte“ des Orig­i­nals ins ziem­lich genau Gegen­teil – eine weiche, schmusige Bal­lade haben sie daraus gemacht. Mit einem recht raf­finierten, sehr ökonomis­chen Arrange­ment. Das find­et sich auch in den vor­liegen­den Sätzen so wieder – die hal­ten sich näm­lich sehr genau ans May­be­bop-Orig­i­nal, nur min­i­male Anpas­sun­gen an die ver­schiede­nen Beset­zun­gen hat Oliv­er Gies noch vorgenom­men.

Ein schönes Beispiel ist dieser Satz zugle­ich, wie sehr eine Bear­beitung den Charak­ter eines Stück­es verän­dern kann: Die Noten „stim­men“ eigentlich noch ziem­lich genau mit der Musik von Ramm­stein übere­in. Aber die Reduk­tion auf vier men­schliche Stim­men und die Verän­derung der Struk­tur tun einiges, dem Engel­slied jede Härte zu nehmen – damit aber auch viel von seinem eigentlichen Reiz. Jeden­falls ist es ein gut singbares Arrange­ment, das zwar tech­nisch schon ver­sierte Sänger fordert (etwa beim Zwis­chen­spiel in klas­sis­ch­er Imi­ta­tion­stech­nik, eine echte May­be­bop-Zutat und ‑Spezial­ität), son­st aber zurück­hal­tend bleibt. Und es lässt den Inter­pre­ten wiederum eini­gen Raum – man muss das nicht unbe­d­ingt so wie May­be­bop sin­gen. Dass ist das große Plus dieser Aus­gabe und ihre Auf­gabe an Chöre und Ensem­bles: Einen eige­nen Weg zwis­chen Ramm­stein und May­be­bop zu find­en.

Ramm­stein: Engel. Arrange­ment: Maybebop/Oliver Gies. Gus­tav Bosse Ver­lag 2008. (Bosse Hits a cap­pel­la, hrsg. von Ste­fan Kalmer). Gemis­chter Chor: BE 721, Frauen­chor: Be 722, Män­ner­chor: BE 723. 7 Seit­en, 3,50 Euro.

(geschrieben für die neue chorzeit)

st. petersburg und mainz

Der Zusam­men­prall zweier Kul­turen gilt oft als ein Zeichen von Unheil. Das muss aber nicht unbe­d­ingt so sein. Ger­ade in der Musik haben sich immer wieder große Ereignisse aus dem Aufeinan­dertr­e­f­fen vol­lkom­men unter­schiedlich­er Stile und Musik­er ereignet. Das adventliche Chorkonz­ert im Dom war genau so ein Fall. Im Zen­trum stand zwar der St. Peters­burg­er Knaben­chor. Aber die Mainz­er ließen es sich nicht nehmen, den Mäd­chen­chor wenig­stens ein biss­chen sin­gen zu lassen. Und das war eine großar­tige Idee. Denn einen großen Teil sein­er Wirkung und Ein­drück­lichkeit zog diese Adventsmusik aus dieser Kon­fronta­tion. Hier trat­en zwei völ­lig ver­schiedene Chor­tra­di­tio­nen ins Blick­feld, zwei ganz gegen­sät­zliche Klangkul­turen.
Den Anfang machte der Mainz­er Mäd­chen­chor. Nicht viel war es, was sie san­gen. Aber es reichte Karsten Stor­ck, um das Niveau und die Qual­ität seines Ensem­bles wieder ein­mal plas­tisch bewusst zu machen. Egal, ob verträumt und san­ft schwin­gend wie der Satz des Wei­h­nacht­sliedes „Maria durch ein Dorn­wald ging“ oder fed­ernd zupack­end wie bei der aus­gewählten Mag­ni­fi­cat-Ver­to­nung: Immer bewiesen sie volle Präsenz, vor­bildliche Klarheit und Ein­heit des Klangkör­pers, der alle Struk­turen klar erken­nen ließ.
Und dann der Wech­sel zu den rus­sis­chen Jun­gen. Das war nicht nur ein anderes Geschlecht, das war eine ganz andere Idee des Chork­langs. Denn Trans­parenz und kom­pos­i­torische Struk­turen waren jet­zt über­haupt nicht mehr wichtig. Jet­zt ging es vor allem darum, den Raum mit Klang auszufüllen – ein Vorhaben, das im Mainz­er Dom zu sehr anre­gen­den Ergeb­nis­sen führte.
Alles war immer im Fluss, jed­er Über­gang wurde von Wladimir Ptscholkin so sorgsam abgefed­ert, dass er nahezu unerkennbar wurde. Es war eine schein­bar nie ver­siegende Fülle weich­er Klang­bilder, die sie aus den Werken vor­wiegend rus­sis­ch­er Kom­pon­is­ten her­ausholten. Und es war immer wieder verblüf­fend, wie naht­los sie sich in den Raum schmiegten, wie die gar nicht so vie­len Kinder und Jugendliche die Energien fließen ließen. Einen Sieger gab es in diesem Konz­ert natür­lich nicht, nur zwei völ­lig unter­schiedliche klan­gliche Ergeb­nisse. Aber schön waren bei­de.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

musik, den glauben zu festigen: voces cantantes in st. stephan

Anfangs lag noch ein san­fter blauer Schim­mer über dem Kirchen­raum. Doch bald schon schwand jede Außen­welt ganz und gar dahin. Das lag nicht nur an der ein­brechen­den Dunkel­heit, son­dern vor allem an dem, was in der Kirche passierte. Denn rein­er Chork­lang eroberte den Raum, machte ihn sich zu eigen: St. Stephan feierte das 30-jährige Jubiläum der Cha­gall-Fen­ster mit einem Konz­ert der Voces Can­tantes.
Und mit ein­er passenden Auswahl Musik: Werke, die zwar immer wieder ein Außen mit sich brin­gen, im Kern aber ganz auf sich selb­st konzen­tri­ert bleiben hat­te sich Alexan­der Süß für seinen Kam­mer­chor aus­ge­sucht. Denn in allem, was hier erk­lang, geht es nicht um die Welt, son­dern um Gott, um den Glauben und die Zweifel der Chris­ten – egal ob mit Musik aus der Renais­sance oder der Roman­tik, egal ob nun Jacobus Gal­lus, Johannes Brahms oder Felix Mendelssohn Bartholdy christliche Texte ver­to­nen.
Der Kern des Konz­ertes waren einige der vie­len Psalmver­to­nun­gen von Mendelssohn Bartholdy. Und die tru­gen hier schon so viel Vielfalt in sich, dass sie allein schon aus­gere­icht hät­ten. Denn die Voces Can­tantes bemüht­en sich sehr und mit hör­barem Erfolg um eine passende Klanggestalt für jeden Satz, fast sog­ar für jedes Wort. Immer wieder suchte — und fand — Alexan­der Süß die tre­f­fend­ste Aus­drucks­form, die eine genau passende, adäquate Umset­zung der stum­men Noten in aus­sagekräfti­gen Schall.
Und die Chorsänger fol­gten ihm dabei sehr willig. Ob es nun die durch­weg sehr flex­i­blen Tem­pi, die weichen Ein­sätze oder der strahlend tri­um­phierende Schlus­sakko­rd waren – immer blieben sie eine homo­gene Ein­heit. Dadurch blieben alle Gemüt­sla­gen der Musik nicht nur erfahrbar, son­dern auch ver­ständlich. Der Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes leuchtete eben­so unmit­tel­bar ein wie die unbeir­rbare Fes­tigkeit des Glaubens und die Freude an der Gebor­gen­heit in Gottes Hand oder an der Her­rlichkeit der Schöp­fung.
Dass der eine oder andere Über­gang dabei etwas abrupt erfol­gte, dass die Span­nungs­bö­gen manch­mal etwas kurzat­mig blieben, trübte die Freude nur sehr ger­ingfügig und kurzzeit­ig. Denn schließlich endet alles immer wieder im Wohlk­lang, auf den die Voces Can­tantes abon­niert schienen. Keine Zweifel bleiben, wenn nur der Glaube fest genug ist – und die Schön­heit der Musik groß genug.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

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