diesmal darf im mainzer theater der kapellmeister ran — und er macht seine sache nicht schlecht, bei einem ziemlich anspruchsvollen programm…
das träumen ist das vorrecht der jugend. kein wunder also, das beim zweiten sinfoniekonzert, das ausdrücklich den jugendlichen komponisten gewidmet war, ganz viel verträumte romantik zu hören war aus dem 19., dem 20. und dem 21. jahrhundert. im mittelpunkt dabei: zwei orchesterwerke von anno schreier, dessen oper kein ort. nirgends gerade im kleinen haus auf dem spielplan steht. und die verraten schon in den titeln ihre nähe zu den ideen der romantik: nachtstück heißt das eine, fragmente ist das andere überschrieben.
schreiers orchesterstücke sind eine art von musik, die alles auf einmal sein will und deshalb kaum eine chance hat, irgendetwas bestimmtes tatsächlich zu sein. das riesige orchester beherrscht er souverän, veranstaltet mit ihm ein entsprechendes getümmel und zuweilen recht aufdringliches klangliches gewusel: feste zustände gibt es hier nie, selbst das sowieso ständig sich verändernde klanggeschehen wird immer wieder unterbrochen und mit einer art kommentar versehen sehr gekonnt, aber irgendwie auch ungeheuer ziellos und beliebig beim ersten hören. ganz ähnlich erscheinen die vier fragmente, die in mainz in ihrer revidierten fassung zum ersten mal erklangen. die sind so sehr vollgestopft mit motivischen und stilistischen zitaten und anklängen, dass es ihnen nur selten gelingt, einen eigenen tonfall zu entwickeln. thomas dorsch schaffte es immerhin, diese mischung aus krachender groteske und gefühliger seelenschau sehr plastisch und mit großzügig dimensioniertem krafteinsatz auch sehr packend zu gestalten.
als zuverlässiger klangverwalter trat er auch mit hans werner henzes la selva incantata auf: präzise mischte er hier die matten streicherklänge mit den beeindrucken holzbläsern, verbindet schwerelose träume und gewichtige ernsthaftigkeit in sehr klaren, übersichtlichen abläufen. aber er konnte noch mehr. bei mendelssohn-bartholdys erster sinfonie, auch ein echtes jugendwerk des zwanzigjährigen komponisten, griff er nämlich noch einmal ganz tief in die trickkiste. im vergleich zu dem brodelnden feuertopf, dessen deckel er im ersten satz mit großer geste beiseite schleuderte und die ganze gewalt der grimmigen attacke auf das publikum los lies, war der rest des konzertes auf einmal nur noch vorgeplänkel. und er konnte diesen eindruck auch weiterhin behaupten: geschmeidig zelebrierte er den zweiten satz, blieb auch im scherzo ein unermüdlich wirbelwind, der das orchester immer wieder an die grenzen trieb und pfefferte das finale so sehr mit leidenschaft, dass die musiker noch einmal wirklich aufblühten und echte klasse zeigten.