Es war ein Hit von der ersten Auf­führung an, den Joseph Haydn vor 210 Jahren mit seinem Ora­to­ri­um „Die Schöp­fung“ gelandet hat. Und wie jet­zt der volle Dom bei schön­stem Son­ntags­som­mer­wet­ter beweist, gilt das auch noch heute. Man kon­nte im Dom auch wun­der­bar erfahren, warum genau die „Schöp­fung“ sich eigentlich seit ihrer Urauf­führung dieser andauern­der Beliebtheit erfreut: Kaum ein anderes Werk Haydns – und auch die Vor­bild-Ora­to­rien Hän­dels nicht – kann so eine große Band­bre­ite musikalis­ch­er Mit­tel und so eine gelun­gene Mis­chung aus Schön­heit, Dra­ma, Span­nung und Hap­py-End aufweisen: Fast wie das Rezept eines Block­busters liest sich die Liste der Eigen­schaften dieses Kom­po­si­tion.

Und Domkapellmeis­ter Math­ias Bre­itschaft gelingt es mit der ganzen Masse der erwach­se­nen Sängern sein­er Chöre und dem vital spie­len­den Mainz­er Kam­merorch­ester, diese Mis­chung ganz aus­geze­ich­net vorzuführen und in der Bal­ance zu hal­ten. So erhält die aufk­lärerisch gefärbte Erzäh­lung der Schöp­fungs­geschichte eine sehr pointierte Dra­matik. Bre­itschaft nimmt sich näm­lich der plas­tis­chen Klangschilderun­gen Haydns und sein­er bild­haften Ver­to­nung des bib­lis­chen Geschehens in drastis­ch­er Deut­lichkeit an. Das macht den Text fast über­flüs­sig, so klar und nachvol­lziehbar wird die Klang­sprache im Dom entwick­elt. Und das Beste: Damit ist Bre­itschaft noch nicht am Ende. Ihm gelingt es näm­lich außer­dem auch, die Ein­heit des Ora­to­ri­ums beto­nend zu wahren. Die zügi­gen Tem­pi und seine scharfe Kon­trolle des Geschehens, gepaart mit der ener­gis­chen Ani­ma­tion aller Beteiligten ver­hin­dern trotz aller feinen Arbeit das Ver­lieren in Details. Von der hier sehr fried­vollen „Vorstel­lung des Chaos“ am Beginn, die die kom­mende Ord­nung der Schöp­fung schon in sich trägt, bis zum großen Finale nach dem Lobpreis des paradiesis­chen Lebens im Garten Eden reicht die vol­len­dete Ein­heit der Musik. Und die Solis­ten unter­stützen ihn in seinen inten­siv­en Bemühun­gen. Bari­ton Diet­rich Greve hil­ft mit fül­liger, warmtö­nen­der Güte und Har­monie, während Tenor Markus Schäfer sich eher den drama­tis­chen Akzen­ten und deut­lichen Akzen­ten verpflichtet sieht. Vor allem die Sopranistin Sabine Goetz aber beein­druckt mit ihrer engels­gle­ichen, reinen und in allen Lagen aus­gegelich­enen Stimme – eine wun­der­bare Beset­zung für den Erzen­gel Gabriel. Der Chor wirk­te neben dieser lei­den­schaftlichen und aus­ge­sprochen präzisen fast etwas blass, bewältigt seine Par­tie aber natür­lich sehr sich­er. Mit so viel cho­risch­er Masse, die sich – etwa im wun­der­bar zarten Ein­gangschor – dur­chaus zäh­men lässt, kann Bre­itschaft sou­verän arbeit­en. Und da ist es kein Wun­der, dass die „Schöp­fung“ auch in Mainz ihren Sta­tus als immer­währen­der Hit behaupten kann.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)