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Da Capo – Effektvolle Zugaben für Chöre

carsten gerlitz, da capo
Zuga­ben­stü­cke sind offen­bar gefähr­lich: Wenn der Ton­set­zer selbst schon vor ihrem über­mä­ßi­gem Genuss warnt, dann soll­te man wohl wirk­lich mit Vor­sicht genie­ßen. Dabei gibt es kaum einen Grund, den Band „Da Capo!“ von Cars­ten Ger­litz mit spit­zen Fin­gern anzu­fas­sen. Im Gegen­teil, man soll­te den unbe­dingt auf­schla­gen und (ein)studieren. Auch wenn der Titel nicht so ganz passt. Denn nicht die Wie­der­ho­lung ist das Ziel von Ger­litz, son­dern neu­es Mate­ri­al für die Zuga­be bei Chor­kon­zer­ten zu lie­fern. Ech­te „Knal­ler“ sol­len es also sein, pep­pi­ge Arran­ge­ments ver­spricht der Unter­ti­tel. Und das fin­det man in den sechs Sät­zen von über­schau­ba­rer Schwie­rig­keit dann durch­aus – wenn auch nicht in jedem ein­zel­nen.

Denn einen Schluss­punkt für ein Kon­zert set­zen sie alle auf ganz ver­schie­de­ne Wei­se: „Auf uns“ als groovig-​poppige Soul­bal­la­de, die Ger­litz‘ Fähig­keit als Arran­geur effekt­vol­ler Chor­mu­sik beson­ders deut­lich zeigt, „Das Publi­kum war heu­te wie­der wun­der­voll“ als schnell ein­stu­dier­te und schnell gesun­ge­ne, unkom­pli­zier­te Minia­tur, die schon als Abspann­mu­sik bei Bugs Bun­ny gut funk­tio­niert hat. Es geht aber auch roman­ti­scher, mit dem von Brahms ent­lehn­ten „Guten Abend, gute Nacht“, dem sanft und sehr fein aus­ge­ar­bei­te­ten „Der Mond ist auf­ge­gan­gen“ oder auch mit dem Abschieds­lied der Come­di­an Har­mo­nists, „Auf Wie­der­sehn, my Dear“, das Ger­litz sehr nah an deren Klang und Arran­ge­ment setzt. Und damit auch wirk­lich jeder gemisch­ter Chor hier etwas fin­det, gibt es noch eine unkom­pli­ziert swin­gen­de, ja, fast harm­lo­se „Sen­ti­men­tal Jour­ney“ dazu. Und wenn man den schma­len Band so durch­blät­tert, trifft die War­nung des Vor­worts viel­leicht doch zu: Zu viel Feu­er­werk ermü­det. Dafür rei­chen die­se sechs Sät­ze aber nicht aus – schon allein des­halb nicht, weil sie so ganz und gar unter­schied­lich sind.

carsten gerlitz, in my life (beatles)
Und wer noch nicht weiß, wie er sein Publi­kum dazu bringt, Zuga­ben zu for­dern, kann sich zwei­er ande­rer kürz­lich erschie­ner Arran­ge­ments von Cars­ten Ger­litz bedie­nen – die sind jetzt aber nicht mehr für jeden Chor und jeden Geschmack geeig­net. Denn mit ABBAs „Dancing Queen“ und „In My Life“ von den Beat­les legt der ver­sier­te Arran­geur zwei Sät­ze vor, die sehr genau und gut in die neue Rei­he Pop-​Choir-​Classics passen.Nah am Ori­gi­nal emp­feh­len sie sich vor allem für im Pop schon ver­trau­te und geüb­te Chö­re – bei­de set­zen auch ein fünf­stim­mi­ges, rhyth­misch siche­res Ensem­ble vor­aus. Mit weni­gen, oft nur punk­tu­el­len Ände­run­gen, geschick­ter Stimm­ver­tei­lung und dra­ma­tur­gi­schem Gespür wird aus blo­ßen a-​cappella-​Coverversionen bei Ger­litz ein Hit fürs nächs­te Kon­zert. Dabei arbei­tet er sehr öko­no­misch mit Ein­fäl­len: Sei­ne Arran­ge­ments sprü­hen nicht vor Ideen, sind aber stets wir­kungs­voll gear­bei­tet. Nicht zuletzt liegt das auch an den Ori­gi­na­len: Das sind eben ech­te Klas­si­ker, die Kraft und Inspi­ra­ti­on genug haben – die Rei­he trägt den Titel „Pop-​Choir-​Classics“ schließ­lich nicht umsonst.

Cars­ten Ger­litz: Da Capo! Zuga­be­stü­cke in pep­pi­gen Arran­ge­ments für gemisch­ten Chor. Mainz: Schott 2015 (ED 20577).
Cars­ten Ger­litz: Beat­les, In My Life. (Pop-​Choir-​Classics) Ber­lin: Bos­worth 2015 (BOE7741).
Cars­ten Ger­litz: ABBA, Dancing Queen. (Pop-​Choir-​Classics) Ber­lin: Bos­worth 2015 (BOE7742).

(Zuerst erschie­nen in „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“)

spinnennetz in der sonne

Ins Netz gegangen (26.10.)

Ins Netz gegan­gen am 26.10.:

katie melua & gori women's choir (gruppenbild)

Winterliche Romantik mit Katie Melua

katie melua, in winter (cover)Katie Melu­as „In Win­ter“ ist die akus­ti­sche Ver­si­on einer kusche­li­gen Sze­ne vor dem Kamin, wäh­rend drau­ßen die Käl­te klirrt: Das Feu­er knis­tert, die Gitar­re klim­pert und Melua singt. Aber nicht allein: Für ihr Weih­nachts­al­bum hat sie den geor­gi­schen Gori Women’s Choir und Bob Chil­cott als Arran­geur ver­pflich­tet.

Zusam­men bie­ten sie eine Mischung aus eige­nen Songs und tra­di­tio­nel­ler geor­gi­scher, rumä­ni­scher und ukrai­ni­scher Weih­nachts­mu­sik, und ein Teil von Rach­ma­nin­offs Ves­per­ver­to­nung. Vor allem ist „In Win­ter“ aber eine Katie-Melua-CD: Nicht nur die eige­nen Songs, auch der Rest des Pro­gramms klingt unver­kenn­bar nach ihr, ob das nun Joni Mit­chells „River“ oder Adol­phe Adams „Holy Night“ ist. Nur dass die hier mit sehr ver­hal­te­ner Instru­men­tie­rung aus­kom­men und dafür den Gori Women’s Chor qua­si als Instru­ment mit­be­nut­zen. Der kann näm­lich, von Bob Chil­cott ver­siert arran­giert, wun­der­bar im Hin­ter­grund far­bi­ge, sanft schim­mern­de Klang­flä­chen auf­bau­en, vor der sich Melu­as Stim­me frei ent­fal­tet. Beson­ders anrüh­rend schön gelingt das im rumä­ni­schen Wie­gen­lied „Lega­nelul Lui Lisus“: Der ein­fa­che Chor­satz unter­stützt die schlich­te, gra­ziö­se Melo­die sehr ein­fühl­sam. Auch im geor­gi­schen „If you are so beau­tiful“ spie­len Melu­as voll­tö­nen­des Solo und der dun­kel, rauh und ursprüng­lich-inten­siv klin­gen­de Gori Women’s Choir in der Abwechs­lung über­zeu­gend zusammn. „In Win­ter“ genießt man wohl dann am bes­ten, wenn man sich die­ser tota­len Rüh­rung ein­fach hin­gibt und sich zu einer musi­ka­li­schen Win­ter­fei­er über­re­den lässt, die Weih­nach­ten (fast) ohne sowie­so nur stö­ren­den reli­giö­sen Bezü­ge fei­ert. Und das dafür mit aller Empha­se und ein biss­chen Kitsch tut.

Katie Melua: In Win­ter. Fea­turing Gori Women’s Choir. BMG 2016. Spiel­zeit: 35:27.

(Zuerst in einer etwas kür­ze­ren Ver­si­on erschie­nen in »Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

Zu „Per­fect World“ gibt es hier auch noch ein schön kit­schi­ges Video:

Katie Melua – Per­fect World (Offi­ci­al Video)

Beim Kli­cken auf das und beim Abspie­len des von You­Tube ein­ge­bet­te­ten Vide­os wer­den (u. U. per­so­nen­be­zo­ge­ne) Daten wie die IP-Adres­se an You­Tube über­tra­gen.

Volkslieder 2.0

volkslieder 2.0 (cover)Das Volks­lied taucht in den letz­ten Jah­ren immer mehr aus der Ver­sen­kung wie­der auf – Pro­jek­te wie das Carus/S­WR-Lie­der­pro­jekt oder S.O.S. – Save Our Songs von Sin­ger Pur sind nur Teil und Zei­chen eines grö­ße­ren rück­be­sin­nen­den Revi­vals. Das, was das SWR Vokal­ensem­ble Stutt­gart und die SWR Big Band unter der Lei­tung von Mor­ten Schuldt-Jen­sen mit Volks­lie­der 2.0 vor­le­gen, ist frei­lich etwas ande­res. Denn für ihre ers­te Zusam­men­ar­beit gehen die bei­den SWR-Klang­kör­per einen Schritt wei­ter und in eine ande­re Rich­tung.

Der Kom­po­nist und Arran­geur Ralf Schmid warf dafür einen Blick auf die nor­we­gi­sche Tra­di­ti­on, wäh­rend der Nor­we­ger Hel­ge Sun­de umge­kehrt deut­sche Volks­lie­der bear­bei­te­te. Dabei steht für bei­de nicht das Volks­lied an sich im Zen­trum, son­dern des­sen künst­le­ri­sche Potenz ohne natio­na­lis­ti­schen Bal­last. Und viel­leicht ist es ganz fol­ge­rich­tig, dass Schmid sich ohne Volks­lie­der direkt mit Peer Gynt aus­ein­an­der­setzt, mit Griegs tra­di­tio­nel­ler Musik und Ibsens Text. Trotz aller Nähe zu ein­zel­nen Sät­zen wie der „Mor­gen­stim­mung” oder „Solv­eigs Lied“ ver­leiht er Peer Gynt eine sehr eigen­stän­di­ge Prä­gung, bringt etwa die Mor­gen­stim­mung als „toast på coast“ locker-beschwingt zum Tan­zen und nutzt die Fusi­ons­en­er­gie aus der voka­len Kraft und der eher metal­li­schen Ener­gie der Big-Band in fein abge­stimm­ten Arran­ge­ments.

Über­haupt gibt die Koope­ra­ti­on zwei­er so her­aus­ra­gen­der Ensem­bles den Kom­po­nis­ten rei­che Mög­lich­kei­ten an die Hand. Die nut­zen das zurück­hal­tend, aber sub­til und geschickt. Die Viel­falt der Klang­far­ben ist phä­no­me­nal: Vom grel­len Schmet­tern bis zum gehauch­ten Laut, von zackig-prä­zi­ser Kraft über expres­si­ves Par­lan­do bis zu den weich flie­ßen­den Melo­dien, von fili­gra­nen poly­pho­nen Struk­tu­ren bis zu kraft­vol­len cho­ri­schen Klang­flä­chen – man merkt, dass das den Musi­kern sozu­sa­gen auf den Leib oder in die Stim­me geschrie­ben wur­de.

Der Nor­we­ger Hel­ge Sun­de steu­ert einen fas­zi­nie­ren­den Blick auf vier deut­sche Volks­lie­der bei: Das eigent­lich so harm­lo­se Schlaf­lied­chen wird ihm zu einem Thril­ler – einem leben­dig und detail­liert nach­zu­hö­ren­den Kampf zwi­schen Kind und Schlaf, zwi­schen Traum und Unge­heu­er, der gera­de so noch die Kur­ve bekommt und im fried­li­chen Schlaf endet. Auch „Auf einem Baum“ erfährt eine Ver­wand­lung: Der Kuckuck sitzt nicht ein­fach nur rum, man kann ihn in den agi­len Stim­men des Vokal­ensem­bles tän­zeln und flat­tern hören – und auch vom Baum fal­len, nach­dem der Jäger ihn abge­schos­sen hat. Und wäh­rend „Wenn ich ein Vög­lein wär“ zu einer ast­rei­nen Jazz­bal­la­de wird, kracht die „Lore-Ley“ aus­ge­spro­chen fun­kig und rockig. Über­haupt haben Sun­des Bear­bei­tungs­kom­po­si­tio­nen etwas sehr ver­spiel­tes: Wie ein Kind, das im Spiel­wa­ren­la­den freie Aus­wahl hat, legt sich Sun­de kaum Zurück­hal­tung auf – das offen­sicht­lichs­te mei­det er meis­tens, aber die vokal-instru­me­na­len und klang­li­chen Fähig­kei­ten bei­der Ensem­bles nutzt er weid­lich aus. Die Avant­gar­de-Spe­zia­lis­ten des Stutt­gar­ter Vokal­ensem­bles sin­gen das prä­zi­se, blei­ben aber immer ganz ent­spannt, ganz egal, ob sie nun gera­de sanft säu­seln oder wie in der „Lore-Ley“ selbst zu einem Teil der Big Band wer­den. Und da gibt es immer wie­der bun­tes und abwechs­lungs­rei­ches zu hören – bei­de Grup­pen fan­gen die Stim­mun­gen der Lie­der sehr geschickt auf und machen sie sehr deut­lich ver­nehm­bar. Das bes­te ist aber: Alles wirkt voll­kom­men natür­lich, unge­zwun­gen und har­mo­nisch – weil sowohl Schmid als auch Sun­de bei­den Ensem­bles ihren Raum las­sen. Auch wenn die­se viel­schich­tig-ver­track­te Musik so sicher nicht selbst zu Volks­mu­sik wer­den wird – man wünscht ihr, mög­lichst oft gespielt, gesun­gen und gehört zu wer­den.

Ralf Schmid, Hel­ge Sun­de: Volks­lie­der 2.0. SWR Big Band, SWR Vokal­ensem­ble, Mor­ten Schuldt-Jen­sen. SWR­mu­sic 2016.

(In einer etwas kür­ze­ren Fas­sung zuerst erschie­nen in »Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin« No. 28, Juni 2016.)

Klingender Adventskalender

singer pur, adventskalenderAm Schluss wir­belt Weih­nach­ten dann doch her­ein. Bis dahin hält „Der Sin­ger Pur Advents­ka­len­der“ genau, was er ver­spricht: Chor­mu­sik für den Advent. Wenn man in die­sem Advents­ka­len­der bis zum Hei­li­gen Abend gekom­men ist, hat man eini­ges hin­ter sich. Denn die 23 bekann­ten, tra­di­tio­nel­len Advents­lie­der von „Nun komm, der Hei­den Hei­land“ bis „Wir sagen euch an den lie­ben Advent“ in über drei­ßig Sät­zen, die Sin­ger Pur hier für sech­stim­mi­ge Chö­re vor­le­gen, bie­ten viel aus­ge­zeich­ne­te Musik. Am Ende steht dann ein furio­ses, begeis­tert-freu­di­ges Arran­ge­ment von Sören Sieg: So fröh­lich ist selbst die „Fröh­li­che Weih­nacht“ bei­lei­be nicht immer.

Alt und neu sind glei­cher­ma­ßen ver­tre­ten – 10 Lie­der in Sät­zen von Alten Meis­tern (bis ins 16. Jahr­hun­dert), 14 von leben­den Arran­geu­ren. Für den Druck wur­den die Sin­ger-Pur-Sät­ze etwas über­ar­bei­tet, damit sie für nor­ma­le sech­stim­mi­ge Beset­zun­gen gut sing­bar sind. Gut sing­bar ist aller­dings nicht unbe­dingt ein­fach: Kom­ple­xe Sät­ze, die etwas Hin­wen­dung und Pro­ben­aus­dau­er erfor­dern, sind hier reich­lich ver­tre­ten. Die har­mo­ni­schen und rhyth­mi­schen Mög­lich­kei­ten der (fast) durch­ge­hen­den Sechs­stim­mig­keit nut­zen die Arran­geu­re ger­ne aus und las­sen sich viel ein­fal­len – Bern­hard Hof­mann benö­tigt für “Lasst uns froh und mun­ter sein“ immer­hin 14 Sei­ten. Und die haben es auch in sich, da ist fast durch­gän­gig min­des­tens eine Stim­me mit dem „tra­la­la“ beschäf­tigt, wäh­rend der Rest durch diver­se Takt- und Ton­ar­ten wan­dert.
Über­haupt: So arg besinn­lich ist die­se Advents­zeit nicht. Sicher, es gibt ruhi­ge Momen­te: Hei­ke Beck­mann hat etwa eine sehr schö­ne, ver­hal­te­ne Swing-Ver­si­on von „Lei­se rie­selt der Schnee“ bei­gesteu­ert, die ganz fein glit­zert. Und Rei­ko Füting lässt den Chor in „O Hei­land, reiß die Him­mel auf“ vom ver­hau­chen­den Tenor­so­lo bis zum mas­si­ven Tut­tik­lang die Him­mels­be­we­gung im Wech­sel von Bei­na­he-Still­stand und beweg­ter Rhyth­mik dyna­misch nach­zeich­nen. Die Band­brei­te ist über­haupt sehr groß, denn die Sät­ze sind durch­weg sehr indi­vi­du­ell gear­bei­tet. Der Advents­ka­len­der bie­tet in einer anre­gen­den Mischung mit Niveau viel Pep, manch­mal auch etwas Show – aber wer braucht schon den 87. vier­stim­mi­gen homo­pho­nen Chor­satz von „Macht hoch die Tür“? Dann doch lie­ber Wil­liam Haw­leys wil­de Jagd zum tri­um­phie­ren­den Lob­preis Got­tes.

Die alten Sät­ze aller­dings – Crü­gers „Wie soll ich dich emp­fan­gen“ etwa, „Nun komm der Hei­den Hei­land“ von Prae­to­ri­us, Eccard, Schein und Vul­pi­us oder Bachs „Wachet auf“ und sein „Wie schön leuch­tet der Mor­gen­stern“ – wer­den die meis­ten Chö­re schon im Archiv haben. „Es kommt ein Schiff“ ist dafür zum Glück zwei Mal ver­tre­ten: Neben der bekann­ten Ver­si­on von Max Reger hat Sin­ger-Pur-Bass Mar­cus Schmidl ein geheim­nis­voll rau­nen­des, das Mys­te­ri­um des Glau­bens beschwö­ren­de Arran­ge­ment geschrie­ben. Auch sei­ne Ver­si­on von „Toch­ter Zion“ geht, so harm­los sie anfängt, eige­ne Wege: klei­ne rhyth­mi­sche Wider­ha­ken und eine behut­sa­me har­mo­ni­sche Moder­ni­sie­rung geben Hän­dels Klas­si­ker fri­schen Glanz.

Sin­ger Pur (Hrsg.): Der Sin­ger Pur Advents­ka­len­der. 24 Lie­der zum Advent für SAATBB. Mainz: Schott 2015. ED 22344.

(Zuerst erschie­nen in „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“, Novem­ber 2015)

Flashdance, Easy Lover & Fix You: Moderne Pop-Chor-Arrangements von Martin Seiler

„I am music now!“ heißt es im Refrain von „What a fee­ling“. Und tref­fen­der lässt sich das Arran­ge­ment aus der Feder von Mar­tin Sei­ler kaum beschrei­ben: Hier kann man als Sänger/​Sängerin – und auch als Zuhö­rer – voll­kom­men in die Musik ein­tau­chen. Dabei ist das nur eines von drei Arrag­ne­ments, die Sei­ler im Helb­ling-Ver­lag vor­legt: neben „What a fee­ling“, bekannt vor allem als Film­mu­sik aus „Flash­dance“, noch Phil Coll­ins‘ „Easy Lover“ und „Fix You“ von Cold­play. Drei eher gefüh­li­ge Songs also – eigent­lich alles Moder­ne Ever­greens – für die Pop.Voxx-Reihe im Helb­ling-Ver­lag.

Sei­ler weiß, was er macht, wenn er so bekann­te Vor­la­gen arran­giert. Denn sei­ne Sät­ze beru­hen auf sei­ner Arbeit für und mit „Greg is back“, sei­nem eige­nen A‑Cap­pel­la-Pop­chor. Das zeigt sich sofort, wenn man die Par­ti­tu­ren auf­schlägt: Die sind näm­lich für SMATB mit zusätz­li­cher Solo­stim­me (für die Melo­die) bzw. im Fal­le von Phil Coll­ins „Easy Lover“ sogar für SSMATB gesetzt, wozu immer noch eine (optio­na­le), aber emp­feh­lens­wer­te Beat­box kommt. Das heißt aber nicht, dass die alle durch­ge­hend sechs- bis sie­ben­stim­mig klin­gen. Aber ande­rer­seits wer­den ein­zel­ne Stim­men auch ab und an noch bis zu drei­fach auf­ge­teilt. Also: Für Anfän­ger oder popun­ge­üb­te Chö­re ist das nicht die ers­te Wahl, die ein­zel­nen Stim­men müs­sen in sich sta­bil und rhyth­misch ver­siert sein, sind aber – man merkt die Pra­xis­er­fah­rung – immer gut sing­bar.

Bei Sei­ler heißt das aber auch: Alle Stim­men wer­den wirk­lich gefor­dert, auch die Begleit­stim­men haben’s näm­lich nicht immer ein­fach. Dabei, das gilt für alle Sät­ze drei glei­cher­ma­ßen, bekom­men sie sehr ein­falls- und ideen­rei­che Kost: Lee­re Flos­keln fin­det man hier nicht. Das hängt viel­leicht auch damit zusam­men, dass Sei­ler sei­ne Arran­ge­ments dra­ma­tur­gisch sehr geschickt auf­baut. Gera­de „What a fee­ling“ und „Fix You“ pro­fi­tie­ren sehr von der gro­ßen Brei­te an Aus­drucks­mit­teln, die er ein­setzt. Ener­gie und Empa­thie wer­den den Chö­ren nicht über­las­sen, son­dern sind in den Noten­text ein­ge­baut. Der ist dann auch ent­spre­chend detail­liert aus­ge­ar­bei­tet und bis in Klei­nig­kei­ten aus­ge­feilt – für „Easy Lover“ braucht Sei­ler des­halb gan­ze 20 Sei­ten, weil er sel­ten ein­fach etwas wie­der­holt, son­dern immer wie­der vari­iert und neue Begleit­mus­ter ein­führt.

Obwohl alle Songs sofort als Cover­ver­sio­nen gro­ßer Hits erkenn­bar sind, begnügt sich Sei­ler nicht mit einer rei­nen voka­len Kopie. Klar, wesent­li­che Momen­te – wie etwa das instru­men­ta­le Zwi­schen­spiel bei „Fix You“ – tau­chen natür­lich hier auch auf, sehr geschickt und mit viel Gespür für effekt­vol­le Klän­ge für „sei­ne“ Beset­zung adap­tiert. Aber sie haben, vor allem durch die viel­schich­ti­ge Beglei­tung, auch einen eige­nen Klang. Und damit bekom­men die­se Arran­ge­ments sozu­sa­gen ein dop­pel­tes Hit­po­ten­zi­al.

Mar­tin Sei­ler (Arran­ge­ment): Flashdance…What a Fee­ling (SMATB), ISBN 978−3−99035−374−5 – Easy Lover (SSMATB), ISBN 978−3−99035−373−8 – Fix You (SMATB), ISBN 978−3−99035−372−1. Alle im Helb­ling-Ver­lag, Rei­he Pop.Voxx, 2015.

(Zuerst erschie­nen in „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“)

Dass das ewige Licht scheine: Rihms „Et Lux“

wolfgang rihm, et luxMit zuneh­men­dem Alter wird so man­cher (wie­der) reli­gi­ös – oder beschäf­tigt sich zumin­dest mit dem Tod. Bei Wolf­gang Rihm lässt sich das schon seit eini­ger Zeit beob­ach­ten, die Hin­wen­dung zu reli­giö­sen The­men und Musi­ken, wie in den „Vigi­lia“, dem Requim der Ver­söh­nung oder der Lukas­pas­si­on („Deus pas­sus“). Das 2009 urauf­ge­führ­te „Et Lux“ passt genau in die Rei­he. Nicht nur the­ma­tisch, son­dern auch in der Art, wie sich Rihm den reli­gi­ös-phi­lo­so­phi­schen Fra­gen nähert. Wie­der ist das kein „ech­tes“ Requi­em, son­dern eine sub­jek­ti­ve, vor­sich­ti­ge Annä­he­rung an den Text des latei­ni­schen Requi­ems. Der wird hier vier­stim­mig gesun­gen – oder auch nicht. Denn Rihm nimmt nur frag­men­tier­te Tei­le – Wör­ter, Sät­ze, Begrif­fe – in die Par­ti­tur auf, die ihn offen­bar beson­ders anreg­ten. Die Licht­me­ta­pher – der Titel ver­rät es ja schon – ist wesent­li­cher Teil, neben Libe­ra me und Lacri­mo­sa eines der Zen­tren die­ser Musik, die man sich scheut, ein Requi­em zu nen­nen.

Das ewi­ge Licht also, als Ver­hei­ßung und Dro­hung in Klang gesetzt. Ein gro­ßes, über­gro­ßes Ton­ge­mäl­de hat Rihm dazu ent­wor­fen. Fast 62 Minu­ten nicht unter­teil­te Musik, in denen die vier gemisch­ten Stim­men nur von einem Streich­quar­tett beglei­tet wer­den. Das ist aber kein His­to­ri­en­schin­ken und auch kein reprä­sen­ta­ti­ves Ölge­mäl­de, son­dern trotz ihrer enor­men Dimen­si­on eine zar­te Zeich­nung auf gro­ßem Raum. An man­chen Stel­len wuchert der dunk­le Schat­ten über die fra­gi­len Lini­en, an ande­ren lässt sich eine fei­ne Pas­tell­tö­nung erken­nen, wie­der woan­ders leuch­tend inten­si­ve Far­ben. Und immer wie­der das dar­aus auf­tau­chen­de beschwo­re­ne Licht – in Wort und Klang.

Dabei ist „Et Lux“ eine zutiefst nach­denk­li­che, suchen­de und fra­gen­de Musik, ein Werk der boh­ren­den Sehn­sucht: Wolf­gang Rihm gibt kei­ne Ant­wor­ten (auch ein Grund, war­um er nicht ein­fach ein „nor­ma­les“ Requi­em kom­po­nier­te), er hilft den Hörern viel­mehr beim Fra­gen. Und manch­mal geht er auch ein paar Schrit­te vor­an ins Unge­wis­se.
Das acht­stim­mig besetz­te Huel­gas-Ensem­ble und Lei­tung Paul van Nevels und das famo­se, Rihm-erfah­re­ne Min­guet-Quar­tett unter­stüt­zen das mit weit­ge­hend zurück­hal­ten­der Klang­lich­keit, die statt Opu­lenz lie­ber Klar­heit und Fra­gi­li­tät bevor­zugt und damit einen wesent­li­chen Zug von „Et Lux“ sehr genau trifft. Ganz kon­trol­liert und über­legt gestal­ten sie die die lan­gen, lang­sam ent­wi­ckel­ten Lini­en, die für die­ses Werk so wich­tig sind, aus denen manch­mal und ganz all­mäh­lich Kon­tu­ren und eini­ge weni­ge klang­li­che Erup­tio­nen und inten­si­ve Gefühls­auf­wal­lun­gen ent­ste­hen, die aber auch ins Lee­re ver­lau­fen kön­nen.

Mit Prä­zi­si­on, kal­ku­lier­ter Emo­ti­on und feins­ten Klang­fa­cet­ten brin­gen sie Rih­ms poly­pho­ne Tex­tur damit immer wie­der zum Strah­len. Ein biss­chen scha­de ist aller­dings, dass das Min­guet-Quar­tett auf der Auf­nah­me trotz der gegen­über der Par­ti­tur ver­dop­pel­ten Stim­men des Huel­gas-Ensem­ble sehr prä­sent ist, so dass man den Text manch­mal nur noch erah­nen kann.

Wolf­gang Rihm: Et Lux. Huel­gas Ensem­ble, Min­guet Quar­tet, Paul van Nevel. ECM 2015.

(Zuerst erschie­nen in der Sep­tem­ber-Aus­ga­be der „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“)

Immer noch kein schöner Land

wilfried fischer, kein schöner landVon Loth­rin­gen bis nach Ost­preu­ßen, vom Shan­ty im nie­der­deut­schen Platt bis zum mozärt­li­chen Wien der Zau­ber­flö­te reicht das Ein­zugs­ge­biet von „Kein schö­ner Land“. Noch eine Volks­lied-Samm­lung für Chö­re also? Gibt es davon nicht längst genug? Sicher, aber nicht so eine. Denn die übli­chen Edi­tio­nen set­zen immer noch einen klas­si­schen vier­stim­mi­gen Chor vor­aus – und sind des­halb für Ensem­bles mit knap­per Män­ner­be­set­zung oft kaum geeig­net.

Wil­fried Fischer ist nun schon seit eini­ger Zeit unter dem Titel „Chor zu dritt“ dabei, ein Reper­toire für drei­stim­mi­gen Chor auf­zu­bau­en, genau­er: für Chö­re mit eben nur einer Män­ner­stim­me. Auch der vier­te Band setzt sich die­ses Ziel, bleibt dafür aber nicht bei purer Drei­stim­mig­keit ste­hen: Stimm­tei­lun­gen, haupt­säch­lich im Sopran, gehö­ren auch hier natür­lich zum Hand­werks­zeug der Arran­geu­re. Aber für Män­ner wird eben nie mehr als eine Stim­me gesetzt – die aller­dings hin und wie­der für Bäs­se recht hoch liegt.
Die Idee des Volks­lie­des hat Fischer dabei recht breit gefasst: Unter den hier vesam­mel­ten 93 Sät­zen sind nicht weni­ge geist­li­che Lie­der und Cho­rä­le. Über­haupt ist die Aus­wahl nicht immer ganz nach­voll­zieh­bar: Eini­ges sehr bekann­tes fehlt, dafür ist ande­res nicht so weit ver­brei­te­tes ent­hal­ten – aber bei knapp 100 Lie­dern bleibt das nicht aus. Mate­ri­al bie­tet der Band auf sei­nen gut 200 Sei­ten aber mehr als genug. Ger­ne greift Fischer dabei auch auf vor­han­de­ne Sät­ze nam­haf­ter Kom­po­nis­ten zurück, die den neu­en Anfor­de­run­gen behut­sam ange­passt wer­den: Von Hein­rich Isaac bis Ernst Pep­ping, von Felix Men­dels­sohn Bar­thol­dy und Johan­nes Brahms bis Her­mann Schroe­der reicht der Griff ins Archiv.

Neben Fischer selbst, der ein Groß­teil der Arran­ge­ments und Bear­bei­tun­gen bei­steu­ert, sind u.a. Pas­cal Mar­ti­né, Cars­ten Ger­litz und Burk­hard Kinz­ler mit diver­sen neu­en Sät­zen ver­tre­ten. Die Arran­ge­ments selbst sind immer min­des­tens soli­de, aber oft für drei­stim­mi­ge Sät­ze auhc über­ra­schend klang­voll und wir­kungs­voll. Den meis­ten merkt man posi­tiv an, dass die Drei­stim­mig­keit hier nicht nur als Man­gel gedacht wird, son­dern als Her­aus­for­de­rung und Chan­ce. Aus der genaue­ren Beschäf­ti­gung mit den Mög­lich­kei­ten der Beset­zung ent­wi­ckeln die Arran­geu­re dabei immer wie­der sehr kla­re und fili­gra­ne, sehr leben­di­ge und beweg­te Sät­ze, die im vier­stim­mi­gen Chor so kaum funk­tio­nier­ten.
Dabei sind die Sät­ze dem Sujet ent­spre­chend ins­ge­samt – selbst noch in den aus­ge­feil­te­ren Bear­bei­tun­gen – eher zurück­hal­tend und schlicht in dem Sin­ne, dass Sät­ze ger­ne hin­ter Melo­die und Text zurück­ste­hen. Stil­si­cher und ver­nünf­tig spricht aus den Arran­ge­ments weni­ger Expe­ri­men­tier­freu­de, dafür viel Erfah­rung und Ein­füh­lungs­ver­mö­gen – und nicht zuletzt der Ver­such, ein mög­lichst brei­tes Publi­kum – sin­gend und hörend – zu errei­chen.

Wil­fried Fischer (Hrsg.): Kein schö­ner Land. Deut­sche Volks­lie­der aus 4 Jahr­hun­der­ten (Chor zu dritt, Band 4). Mainz: Schott 2015. 214 Sei­ten. 19,50 Euro.

— Zuerst erschie­nen in Chor­zeit—Das Vokal­ma­ga­zin, Aus­gabe #18, Juli/​August 2015.

Wunschzettel zum Singen

gies, wunschzettelWenn Oli­ver Gies sei­nen Wunsch­zet­tel selbst abar­bei­tet, dann dür­fen sich die Chö­re und ihre Chor­lei­te­rin­nen freu­en: Denn dann gibt es fei­ne neue Musik. Das gilt natür­lich auch für das Chor­heft „Wunsch­zet­tel. Neue Weih­nachts­lie­der für gemisch­ten Chor“, in dem Gies das auf­ge­schrie­ben hat, was er an Weinhan­ch­ten selbst ger­ne hören (und sin­gen) wür­de. Trotz des Unter­ti­tels haben sich dann doch drei tra­di­tio­nel­le Weih­nachts­lie­der in das neun Songs star­ke Heft ein­ge­schli­chen. Die sind aller­dings von Oli­ver Gies einer Gene­ral­über­ho­lung unter­zo­gen wor­den, so dass sie durch­aus wie­der (oder noch) als neu durch­ge­hen kön­nen: „Es kommt ein Schiff gela­den“, „Hört der Engel hel­le Lie­der“ und „Josef, lie­ber Josef mein“, das neben dem vier­stim­mi­gen Chor auch noch zwei Solis­ten benö­tigt, muss­ten ihren Staub und zumin­dest teil­wei­se auch ihre Tra­di­ti­on auf­ge­ben und sich ein neu­es Klang­ge­wand über­stül­pen las­sen. Eine Frisch­zel­len­kur nennt der Arran­geur das – und frisch klin­gen sie tat­säch­lich, die alten Lie­der. Am deut­lichs­ten wird das bei „Es kommt ein Schiff gela­den“, das viel von sei­ner alter­tüm­li­chen Fremd­heit ver­lo­ren hat: Die Melo­die wur­de rhyth­misch über­holt und die Har­mo­nik radi­kal moder­ni­siert. Vor allem aber hat Gies in sei­nem Arran­ge­ment mit etwas Klang­ma­le­rei jeder Stro­phe und den kur­zen Zwi­schen­stü­cken einen jeweils eige­nen Cha­rak­ter ver­passt, der dem Text – den wogen­den Wel­len, dem siche­ren Hafen und dem Erlö­ser (der natür­lich im rei­nen Dur erscheint) – ganz treu ent­spricht.

Frisch klin­gen aber auch die neu­en Lie­der von Oli­ver Gies eigent­lich durch­weg. Am wenigs­ten viel­leicht „Der alte Mann“, in dem Gies recht aus­führ­lich Glo­cken­klän­ge ver­ar­bei­tet und den alten Mann und die Zuhö­rer eine har­mo­nisch Fest­mes­se erle­ben lässt. Schick ist auch die „Wei­se aus dem Mor­gen­land“, deren Titel nicht ganz unab­sicht­lich dop­pel­deu­tig zu lesen ist, denn hier geht es um die Hei­li­gen Drei Köni­ge. Die prä­sen­tie­ren sich hier nicht nur mit einer ori­en­ta­lisch klin­gen­den Melo­die, son­dern vor allem als aus­ge­spro­chen rei­se­mü­de Köni­ge, mür­risch und gereizt – und müs­sen ohne ein Hap­py End aus­kom­men. Das ist in die­sem Heft aber sel­ten, denn Freu­de und Fröh­lich­keit herr­schen natür­lich auch dann vor, wenn Aus­wüch­se des Weih­nachts­fests the­ma­ti­siert wer­den wie die Hek­tik des Geschen­ke­kau­fens in „Weih­nachts­lie­der sin­gen“ oder die kuli­na­ri­sche Völ­le­rei bei „Hap­py Meal“. Das ist trotz sei­nes Titels ein gut-deut­sche Ange­le­gen­heit, mit Wild­schwein­bra­ten, Schnit­zel und natür­lich der unver­meid­li­chen Weih­nachts­gans – kein Wun­der, dass der gan­ze Chor da stöhnt: „heu­te gibt es alles und von allem zu viel“. Für den „Wunsch­zet­tel“ gilt das frei­lich nicht: Zu viel gibt es hier bestimmt nicht. Im Gegen­teil, das Kon­zept schreit gera­de­zu nach einer Fort­set­zung. Denn die Kom­po­si­tio­nen und Arran­ge­ments von Oli­ver Gies bie­ten nicht nur dem Publi­kum Unter­hal­tung, son­dern auch Abwechs­lung für alle vier Stim­men – die sich übri­gens, da war der Arran­geur prag­ma­tisch, mit gerin­gen (jeweils ver­merk­ten) Ände­run­gen auch auf SSAB ver­tei­len dür­fen. Das Rad wird dafür nicht neu erfun­den, aber auch mit blo­ßer akus­ti­schen Haus­manns­kost gibt sich Gies auch nicht zufrie­den: Alle Sät­ze zeich­nen sich durch ihr Ein­füh­lungs­ver­mö­gen in die jeweils eige­ne klang­li­che Gestalt aus, sind aber nie über­frach­tet mit „Ein­fäl­len“. Zumal den „Wunsch­zet­tel“ zwar sicher nicht jeder Chor vom Blatt sin­gen kön­nen wird, die tech­ni­schen Her­aus­for­de­run­gen im Gegen­teil zum klang­li­chen Ergeb­nis aber trotz­dem mäßig sind.

Oli­ver Gies: Wunsch­zet­tel. Neue Weih­nachts­lie­der für gemisch­ten Chor. Bos­se 2014. BE 495.
(zuerst erschie­nen in „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“, Aus­ga­be 11/​2014)

Stille beim Rundfunkchor Berlin

nein, das ist kei­ne beson­de­re per­for­mance (ich sage nur: cage …), son­dern bit­te­rer ernst: zum ers­ten mal in der geschich­te des ensem­bles – also seit 89 jah­ren – sahen sich die sän­ge­rin­nen und sän­ger des rund­funk­chors ber­lin heu­te gezwun­gen, in den streik zu tre­ten. das ers­te opfer: ein auf­nah­me des brahms-requi­ems – davon gibt’s frei­lich auch schon mehr als genug ;-). aber scherz bei­sei­te: die geschich­te ist eigent­lich ziem­lich unglaub­lich für ein rei­ches und kul­tur-tra­di­ti­ons-rei­ches land wie die bun­des­re­pu­blik: seit 21 jah­ren (!) arbei­tet der chor ohne gül­ti­gen tarif­ver­trag, seit zehn jah­ren gab es kei­ne gehalts­er­hö­hung mehr. und chor­sän­ger zäh­len sowie­so nicht zu den groß­ver­die­nern im musik­ge­schäft. und seit zwei jah­ren wur­de nun ver­han­delt, ein unter­schrifts­rei­fer ver­trag lag vor – aber die roc gmbh (die ber­li­ner kon­struk­ti­on, in der der rund­funk­chor, der rias-kam­mer­chor, das deut­sche sym­pho­nie­or­ches­ter und das rso ber­lin ver­ei­nigt sind) hat sich gewei­gert, den ver­trag zu unter­zeich­nen, wie der chor­vor­stand mit­teilt. bla­ma­bel.

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