Ein Flügel mit­ten im Roxy, zwis­chen den Sofas unter Lüstern – das ver­wan­delt den Club fast in einen großbürg­er­lichen Salon des 19. Jahrhun­derts. Nicht nur der Raum ver­weist auf diese längst unterge­gan­gene Form der gesel­lig-kul­turellen Unter­hal­tung. Auch die Musik, die der Pianist Kai Schu­mach­er sich aus­ge­sucht hat, passt in diese Tra­di­tion: Vor­wiegend kleinere, charak­ter­is­tis­che Stücke hat er aufs Pro­gramm geset­zt – keine schw­erver­dauliche klas­sis­che Kost, son­dern char­mante Musik, die auch Nicht-Experten goutieren kön­nen.

Auch das Pub­likum ver­hält sich automa­tisch viel lock­er­er als im „nor­malen“ Konz­ert: Zwan­g­los im Club verteilt, wo sich ger­ade ein Plätzchen zum Sitzen find­et. Viel geplaud­ert wird auch in diesem post­mod­er­nen Salon. Und dann doch ganz aufmerk­sam gelauscht. Denn das Ziel des Vere­ins der „Fre­unde Junger Musik­er“, die das Klavierkonz­ert im Roxy organ­isierten, war nicht, den Salon wieder zu beleben. Son­dern ein neues, jün­geres Pub­likum für die Klavier­musik zu erschließen und begeis­tern. Halb­wegs kön­nte das funk­tion­iert haben, immer­hin waren – neben dem üblichen Konz­ert­pub­likum — auch eine Menge junge Leute gekom­men. Ob das dauer­haft wirkt, wird man sehen müssen. Auf jeden Fall ist so ein deut­lich ver­jüngtes Pub­likum offen­sichtlich wesentlich begeis­terungs­fähiger, so offen­sive Beifalls­bekun­dun­gen sind son­st eher sel­ten.

Nicht ganz zu unrecht allerd­ings haben sie im Roxy ihren Platz. Kai Schu­mach­er hat nicht nur ein her­vor­ra­gen­des Pro­gramm entwick­elt, son­dern ist auch als Musik­er so viel­seit­ig, dass er beispiel­sweise prob­lem­los zwis­chen George Gersh­win und Felix Mendelssohn Bartholdy hin und her wech­seln kann: Er begann mit ein­er kleinen Auswahl der Mendelssohn­schen „Lieder ohne Worte“, durch­set­zt mit Songs und Pre­ludes von Gersh­win. Und streute in diese far­big gespielte Mis­chung dann auch noch ein paar pianis­tisch-vir­tu­ose Bear­beitun­gen von Rock­songs ein, die sein­er Vir­tu­osität viel Raum lassen. Und sein Faible für Rock blitzt immer wieder auf – bis zulet­zt: Als Zugaben spielt er Songs von den Foo Fight­ers und von Slay­er. Auch wenn man das fast gesagt bekom­men muss: Das ist ganz stark der Tra­di­tion der vir­tu­osen Klavier­bear­beitung des 19. Jahrhun­derts verpflichtet, so dass die Schu­mach­er­schen Adap­tio­nen sich naht­los ins klas­sis­che Rper­toire ein­fü­gen. Auch wenn er sehr kraftvoll don­nern kann, selb­st mit dem kleinen Flügel im Roxy. Und damit ist er auch schon wieder direkt bei Franz Liszt, der auch mehrmals im Pro­gramm auf­taucht – es hängt eben alles zusam­men.

Aber auch andere Pfade in die Gegen­wart steuert Schu­mach­er an. Zum Beispiel mit ein­er Min­i­mal-Music-Sec­tion, die – wieder ein­mal – bei Liszt anfängt, den eher unbekan­nten med­i­ta­tiv-repet­i­tiv­en „Nuages gris“, und über Erik Satie bis zu Philipp Glass führt, den Schu­mach­er mit ein­er sehr lebendig-sprühen­den Inter­pre­ta­tion des „Mad Rush“ vorstellt. Nicht nur hier, immer wieder merkt man: Nicht allein das Roxy hat seinen Spaß, auch Kai Schu­mach­er freut sich von Herzen an sein­er Musik. Und das ist immer ein gutes Zeichen.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)