Fast das ganze 19. Jahrhundert hat er durchlebt, von der Beethoven- und Schubert-Zeit bis zum Wagner-Wahn. Aber nicht nur biographisch ist Franz Lachner fest in diesem Zentenarium verankert. Auch seine Musik ist unbedingt, mit jeder Faser ihres Wesens, ihm verbunden. Dazu gehört auch die Verpflanzung der Kirchenmusik in den Konzertsaals: Sein Requiem f‑Moll op. 146 hat er ausschließlich außerhalb des Gotteshauses aufgeführt. Es ist auch unbedingt ein sinfonische gedachtes und grundiertes Werk – zugleich aber auch (noch) eine nachdenkliche, leise Totenfeier. Gerade diese Verbindung macht den Reiz des Requiems aus, das jetzt in einer Weltersteinspielung mit Chor und Orchester der Kammersolisten Augsburg unter Hermann Meyer vorliegt.
Die Musiker kehren allerdings die sachlichen, nüchternen Aspekte vielleicht etwas zu sehr hervor: Gerade Abschnitten wie dem grandios-mitreißenden „Dies irae“ fehlt es doch an Pathos und großer Geste. Dafür gibt es aber reichlich Entschädigung: Die Totenmesse hat in dieser Aufnahme viel Drive und schwungvolle Frische – jedes bisschen Schwulst wird mit dem Pathos eben auch radikal ausgemerzt. Chor und Solisten sind allesamt ausgesprochen solide Musiker. Nur scheint die Angst, sich dem Gefühl hinzugeben, eben manchmal überhand zu nehmen. Denn Lachners Requiem hat unendlich viele wunderschöne Stellen, die genau das erfordern: Viel Gefühl. Trotzdem hat auch diese Aufnahme wunderbare Seiten. Etwa das herrliche Lacrimosa mit den Figurationen der Solo-Viola: ein echtes Schmuckstück, ein reines Vergnügen. Oder das weit ausholende, himmlische ruhe verströmende Sanctus. Auch das ist hier, auf dieser CD, einfach herrlich anzuhören.
Franz Lachner: Requiem in f‑Moll op. 146. Kammersolisten Augsburg, Hermann Meyer. Carus 83.178 (CD/SACD)
(geschrieben für die Neue Chorzeit, Januar 2008)
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