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Chormusik aus und für Mainz: Das “Mainzer Chorbuch”

mainzer chorbuchEin ganz schön­er Brock­en ist es, das “Mainz­er Chor­buch” — fast so wuchtig wie der Hohe Dom zu Mainz. Da ist es auch ent­standen. Denn sozusagen als Summe sein­er fast dreißig Jahre als Domkapellmeis­ter hat Math­ias Bre­itschaft aus dem Ruh­e­s­tand nun ein fast 350 Seit­en starkes Kom­pendi­um katholis­ch­er Chor­musik vorgelegt. Das muss man freilich gle­ich wieder ein­schränken: Ver­sam­melt ist hier in erster Lin­ie litur­gisch nutzbare und nüt­zliche Musik — also eher kleine For­men und kurze Sätze, was eine konz­er­tante Auf­führung natür­lich über­haupt nicht auss­chließt. Der Bezug zu Mainz liegt nicht nur in der Wirkungsstätte des Her­aus­ge­bers: Das “Mainz­er Dom­buch” macht ein­er­seits einen Teil der Musik des Chor­reper­toires am Mar­tins­dom leicht zugänglich, veröf­fentlicht zum anderen aber auch Musik aus dem Bis­tum Mainz oder von Kom­pon­is­ten wie etwa Peter Cor­nelius, die eine enge Beziehung zur Stadt am Rhein haben.

Das ist selb­stver­ständlich eine prak­tis­che Aus­gabe. Das bet­rifft natür­lich vor allem die hier sehr reich­haltig ver­sam­melte Alte Musik des 16. und frühen 17. Jahrhun­derts, die nicht immer so leicht zugänglich ist wie mit dem “Mainz­er Chor­buch”. Dem Kirchen­jahr fol­gend, mit zusät­zlichen Abschnit­ten zu unter anderem Trau­ung, Tod, Frieden und den Heili­gen, bietet Bre­itschaft eine bre­ite Palette der Chorge­brauchsmusik: Motet­ten, Kirchen­lied­sätze — oft von ihm oder jün­geren Kol­le­gen aus dem Umfeld geset­zt — und litur­gis­che Sätze sind das haupt­säch­liche Mate­r­i­al. Die stilis­tis­che Vielfalt des Reper­toires ist dabei ähn­lich groß wie die Anlässe, für die das “Mainz­er Chor­buch” Musik bietet: Neben ein­er adventlichen Motette von Palest­ri­na oder einem Kar­fre­itags-Antiphon aus der Fed­er von Clemens non Papa ste­ht beispiel­sweise das Glo­ria aus der “Deutschen Kin­der­messe” von Joseph Haas oder ein inter­es­santes “Ave verum cor­pus” von dem Seli­gen­städter Region­alka­n­tor Thomas Gabriel.

Die im Unter­ti­tel ver­heiße­nen sieben Jahrhun­dert kön­nen allerd­ings etwas in die Irre führen: Die Inhalte sind sehr ungle­ich über die Zeit verteilt, das 19. Jahrhun­dert ist zum Beispiel doch nur sehr schwach vertreten. Und avant­gardis­tis­che, neutöner­ische Musik des let­zten Jahrhun­derts find­et man hier über­haupt nicht, auch wenn die Geburts­dat­en einiger Kom­pon­is­ten — es sind auss­chließlich Män­ner — das erwarten lassen kön­nten.

Dafür kann das “Mainz­er Chor­buch” dabei helfen, so einiges Unbekan­ntes zu ent­deck­en oder weniger Bekan­ntes wieder ins Bewusst­sein rufen. Die Ori­en­tierung an der Prax­is — mod­erne Schlüs­sel, zeit­gemäßer Noten­satz, Über­set­zung der lateinis­chen Texte — lässt das “Mainz­er Chor­buch” jeden­falls zu einem sehr gut ein­set­zbaren Arbeitsmit­tel wer­den — naturgemäß in erster Lin­ie für katholis­che Kirchen­musik­er und Chöre, obwohl auch die Protes­tanten einiges an Mate­r­i­al find­en wer­den.

Math­ias Bre­itschaft (Hrsg.): Mainz­er Chor­buch. Geistliche Chor­musik durch das Kirchen­jahr aus 7 Jahrhun­derten. Mainz: Schott 2014. 352 Seit­en. ISBN 978–3‑7957–5926‑1. 24,99 Euro.

— Zuerst erschienen in Chorzeit — Das Vokalmagazin, Aus­gabe Mai 2014.

Alle Jahre wieder: Das Weihnachtsoratorium

Schon die schiere Größe ist beein­druck­end, die Chor­massen auf den Altarstufen, die Länge des Werkes und das Durch­hal­tev­er­mö­gen der Musik­er und des Pub­likums. Das ist aber eher seine portliche Leis­tung. Domkapellmeis­ter Math­ias Bre­itschaft gelingt es allerd­ings, daraus auch dur­chaus beein­druck­ende Musik zu machen. Dabei ist das für ihn schon fast Rou­tine: Regelmäßig ste­ht in der Wei­h­nacht­szeit auch im Dom das kom­plette Bach­sche Wei­h­nacht­so­ra­to­ri­um auf den Plan. Dieses Jahr war es wieder so weit.

Und ganz schnell, näm­lich schon beim „Jauchzet, frohlock­et“ des Ein­gangschores, wird klar: Dieses Mal wird das Wei­h­nacht­so­ra­to­ri­um noch lebendi­ger und kraftvoller klin­gen. Der Dom­chor und das Mainz­er Kam­merorch­ester leg­en sich gle­ich ins Zeug, als hät­ten sie nicht noch über zwei Stun­den Musik vor sich. Und doch bleibt Bre­itschaft sein­er Inter­pre­ta­tion­slin­ie treu: Das wirk­liche Erstaunen ob des Wun­ders der Geburt Jesu Christ ste­ht im Mit­telpunkt. Und die unbändi­ge Freude darüber, immer wieder jauchzt, frohlockt und jubelt der Chor, die Instru­men­tal­is­ten und auch die Solis­ten.

Die zügi­gen Tem­pi dieser hochges­timmten Musik sind dabei dur­chaus irdisch, wirk­lich entrückt wirkt das fast nur im Choral „Ich steh an dein­er Krip­pen hier“ im sech­sten Teil. Das gilt vor allem in der ersten Hälfte, den ersten drei Kan­tat­en für die eigentlichen Wei­h­nachts­feiertage. Hier wird die eigentliche Wei­h­nachts­geschichte, der Kern des Wun­ders, erzählt. Und hier singt der Mainz­er Dom­chor. Denn nach der Pause erset­zt Bre­itschaft die jun­gen Stim­men des Dom­chors mit den etwas reifer­en der Domkan­tor­ei St. Mar­tin. Und diesen Unter­schied hört man deut­lich: Die Kan­tor­ei klingt erwach­sen­er, fül­liger und singt mit mehr Druck, aber nicht ganz so beweglich wie der Dom­chor. Die immer etwas ungläu­big-naive Begeis­terung des Beginns wan­delt sich in ehrfürchtiges Staunen.

Auf der Suche nach dem Charak­ter­is­tis­chen jedes einzel­nen Satzes kommt Bre­itschaft so sehr weit. Die Verve, mit der er sich und die Chöre etwa in jeden einzel­nen der sechs Ein­gangschöre stürzt, ist jedes­Mal beein­druck­end. Und sie überträgt sich recht prob­lem­los auf den Rest des Ora­to­ri­ums, auch auf Arien und Rez­i­ta­tive der Solis­ten. Die wur­den in der Pause nicht aus­gewech­selt, was aber nicht von Nachteil war. Denn auf einen Evan­ge­lis­ten wie Christoph Pré­gar­di­en, dem man in jedem Satz seine lange Erfahrung und seine Detail­freudigkeit anhört, möchte man keines­falls verzicht­en – auch wenn die Höhe in den Spitzen­tö­nen in der let­zten Arie etwas mürbe wird. Inten­sive Kläng steuern auch die Altistin Alexan­dra Rawohl und der Mainz­er Bass Patrick Pobeschin bei, während die Sopranistin Clau­dia von Tilz­er oft etwas über­drama­tisch agiert. Aber selb­st die plaka­tiv­en Momente find­en ihren Platz: Manch­mal muss man eben etwas dick­er auf­tra­gen. Son­st wür­den da ja auch nicht fast 100 Cho­ris­ten sin­gen.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

Der Sommer ist Musik

Wenn schon das Wet­ter nicht mit­spielt, dann wenig­stens die Kun­st: Der Mainz­er Musik­som­mer ist wieder eröffnet:

Keine leichte Sache wird das: Von 16. bis zum 20. Jahrhun­dert reicht die Spanne, von franko-flämis­ch­er Vokalpoly­phonie bis zu spätro­man­tis­chen Chor­liedern. Das Eröff­nungskonz­ert des Mainz­er Musik­som­mers im Dom ist damit fast ein kleines Fes­ti­val in sich.

Ein­fach ist das nicht, so eine große Vielfalt in einem Konz­ertabend zusam­men­zubrin­gen und jedem einzel­nen Werk auch gerecht zu wer­den. Doch Domkapellmeis­ter Math­ias Bre­itschft gelingt das mit dem Domkam­mer­chor richtig gut. Sich­er, die Spezial­is­ten wür­den die Chor­musik der Mainz­er Hofkapellmeis­ter wie Gabriel Plautz, Philipp Friedrich Buch­n­er oder Johann Zach schon anders sin­gen. Aber auch Bre­itschaft find­et einen guten Weg. Einen san­ften vor allem:

Immer wieder fällt in diesen litur­gis­chen Chorsätzen aus dem Renais­sance- und Barock-Mainz der weiche Chork­lang auf, den Bre­itschaft formt. Der Domkam­mer­chor und seine Solis­ten lassen den Klang förm­lich in die Domhalle fließen, ohne die Kon­trolle über die Kon­turen zu ver­lieren – und mit der Fähigkeit, immer wieder klare Akzente zu set­zen und Höhep­unk­te zu for­men.
Der Sprung in die Roman­tik ist dann freilich doch genau das: Ein Sprung. Und ein recht großer noch dazu. Zumal Franz Liszts „Präludi­um und Fuge über B‑A-C‑H“ für Orgel ja auch nicht zurück­hält mit großen Gesten, har­monis­chen Kühn­heit­en und klan­glichen Effek­ten.

Domor­gan­ist Daniel Beck­mann, der in der ersten Hälfte den Chor auch schon mit Cel­listin Traudl Eutebach im Gen­er­al­bass unter­stützt hat, übern­immt die Auf­gabe, diesen Sprung auszuführen – und tut das gewandt, ohne die Boden­haf­tung zu ver­lieren. Wo andere Organ­is­ten sich gerne aus­to­ben, bevorzugt er eher gemäßigte Tem­pi und nimmt sich auch Zeit für Ruhep­unk­te – so bleibt auch in der Domakustik noch vieles erkennbar. Vor allem aber ist es seine sehr fan­tasievolle, abwech­slungsre­iche und ein­fühlsame Reg­istrie­ung, die nicht nur das Poten­zial der Orgel auskostet, son­dern auch dem Werk zur vollen Gel­tung ver­hil­ft.

Der Domkam­mer­chor nimmt das dann direkt auf: Mit drei Motet­ten von Liszt zeigt er sich in der zweit­en Konz­erthälfte deut­lich far­biger als zuvor in der Abteilung „Alte Musik“, deut­lich vielfältiger auch in Dynamik und Artiku­la­tion. Vor allem zum Schluss hin steigern sich die nach­den­klichen Innigkeit­en: Sorgsam und faszinierend detail­re­ich ent­fal­tet Bre­itschaft schon Hugo Wolfs „Geistliche Lieder“, behut­sam und bedacht lässt er ihre res­ig­na­tiv-erlöste Endzeit­stim­mung genau aus­for­men. Und mit der Motette „Schaffe in mir Gott“ von Johannes Brahms, die zumin­d­est for­mal noch ein­mal den Bogen zum Anfang des Konz­ertes schlägt, kann er das sog­ar noch ein biss­chen über­bi­eten: Mit geziel­tem Kraftein­satz, mit präzis geset­zten Höhep­unk­te und trotz aller klan­glichen Delikatesse vor allem mit viel begeis­tertem Schwung.

(geschrieben für die Mainz­er Rheinzeitung.)

Reinraummusik: Die King’s Singers in St. Stephan

So richtig begeis­tern kon­nte ich mich beim Auftritt der King’s Singers in Mainz nicht: Per­fekt intoniert, ohne Frage — aber alles auch per­fekt rou­tiniert, vom Auf-die-Bühne-Schre­it­en bis zur Hand­hal­tung alles minu­tiös ein­studiert: Raum für Spon­taneität, für Begeis­terung (der Musik­er selb­st) gibt es hier nicht. Deswe­gen wird’s auch mal lang­weilig. Denn auch ein wahnsin­nig pro­fes­sioneller, nahezu per­fek­ter Ensem­bleklang ist alleine auf Dauer nur mäßig befriedi­gend. Aber trotz­dem schön anzuhören ;-)

Wenn es so etwas wie königliche Rein­heit gäbe – hier wäre es zu hören. Denn wenn die King’s Singers etwas beherrschen, dann ist es die müh­elose Per­fek­tion der reinen Into­na­tion. Eine naht­lose, unzer­brech­liche Ein­heit bilden diese sechs Sänger, vom ersten Einat­men bis zum let­zten­Verklin­gen. Und selb­st die Hand­hal­tung und das pro­fes­sionelle Lächeln sind bei allen gle­ich – Unter­schiede gibt es nur in der Haar­tra­cht.

Mit unwider­stehlich­er Rou­tine pro­duzieren die King’s Singers einen Ver­schmelzungsklang, der wahnsin­nig machen kann. Zusam­men bilden sie etwas ganz Einzi­gar­tiges, bei dem es fast egal ist, was sie sin­gen. In St. Stephan, wo sie im Rah­men des Rhein­gau Musik­fest­vals gastierten, war das zunächst ein Grün­don­ner­stags-Pro­gramm rund um den gre­go­ri­an­is­chen Choral „Pange lin­gua“. Da macht es auch nichts, das die Kar­woche schon einige Zeit zurück liegt: Hier geht es nur um die Musik, und da vor allem um den puren Klang – die Texte und Inhalte spie­len nur eine unter­ge­ord­nete Rolle. In St. Stephan waren die Worte nur aus­nahm­sweise zu erah­nen, ver­ste­hen kon­nte man die Text schon gar nicht.

Schön ist diese Musik trotz­dem. Und das ist die Haupt­sache, egal ob es um Motet­ten von Car­lo Gesu­al­do oder von Anton Bruck­n­er geht, ob Mau­rice Duru­flés „Tan­tum ergo“ oder Tomas Luis de Vic­to­rias „Pop­ule meus“ erklingt. Die Dif­ferenz zwis­chen 16. und 20. Jahrhun­dert wird müh­e­los über­brückt, die Unter­schiede ver­schwim­men: Das sind ein­fach die King’s Sin­grs – fer­tig. Und das heißt: Wohlk­lang pur, immer wieder, egal, welche Noten ger­ade auf dem Pult liegen. Schon das langsame Ausklin­gen der Schlus­sakko­rde allein ist dabei jedes Mal wieder beza­ubernd, wie sie immer weich­er wer­den und sich im Raum auflösen – solche Fein­heit­en bietet kaum ein anderes Ensem­ble so überzeu­gend. Aber beson­ders span­nend ist das nicht, weil außer dem extrem gle­ich­mäßig, unge­mein rein aus­ge­formten Wohlk­lang für die sechs Englän­der wenig anderes zählt. Ein kleines Crescen­do ist da schon fast eine Sen­sa­tion. Denn die zarte Zer­brech­lichkeit des per­fek­ten Vokalk­langs ist eben immer in Gefahr – da würde über­mäßige Expres­siv­ität nur schaden. Und schade wäre es wirk­lich, würde dieser Wohllaut zer­stört. Doch das passiert den King’s Singers nie, ihr einzi­gar­tiger a‑cap­pel­la-Klang bleibt auch an diesem Abend unge­brochen.

eine ernste sache: motetten der bach-familie

immer wieder erstaunlich: die ern­sthaftigkeit & hingabe des mainz­er fig­u­ral­chores — fast schon ver­bis­sen, wie sie sich den großen chor­w­erken näh­ern. ein biss­chen mehr freude möchte man ihnen fast wün­schen … aber dann auch wieder nicht: so kommt man näm­lich in den genuss toller konz­erte — auch wenn die mainz­er das über­haupt nicht zu würdi­gen wis­sen und die kirchen­bänke wieder ein­mal arg leer blieben.

Mit einem Fam­i­lienkonz­ert der beson­deren Art begann der Mainz­er Fig­u­ral­chor seine Jubiläums­sai­son. Der nun fast 30 Jahre alte Chor startet in die näch­sten Monate mit einem Pro­gramm, dass auss­chließlich Motet­ten der Musik­er­fam­i­lie Bach ver­sam­melte. Vom Stam­m­vater Johann Bach, dem ersten bekan­nten Kom­pon­is­ten der thüringis­chen Dynas­tie bis zu ihrem größten Vertreter, Johann Sebas­t­ian, reichte die Auswahl – alle Kom­pon­is­ten dieser Fam­i­lie zu vere­inen, würde jedes Konz­ert spren­gen. Und in St. Boni­faz war auch so schon genug zu hören. Denn dem Diri­gen­ten Ste­fan Weil­er, der den Chor seit sein­er Grün­dung leit­et, ist mal wieder ein außeror­dentlich­es Pro­gramm geglückt – außeror­dentlich in der Gestal­tung und außeror­dentlich in der Leis­tung des Chores.

Den Beginn macht­en fünf- bis sech­stim­mige Motet­ten der älteren Bach­gen­er­a­tio­nen aus dem The­men­feld Tod, Vergänglichkeit und Heils­gewis­sheit. Mit Johann Sebas­t­ian Bachs großer Motette „Jesu meine Freude“ war dann zugle­ich das Zen­trum des Konz­ertes und auch der Dreh­punkt erre­icht: Nun ging es abschließend in der auch musikalis­che sehr raf­finierten Steigerung zu dop­pelchöri­gen Motet­ten um die erwartungsvolle Freude, den Lobpreis Gottes – eine wirkungsvolle Dra­maturgie. Vor allem, weil der Fig­u­ral­chor wieder ein­mal sehr überzeugte. Vor allem durch seine extreme Konzen­tra­tion auf die gesamte Musik, ihre große Form und ihr kle­in­stes Detail.

weich klin­gen­der Beginn mit Johann Bachs „Unser Leben sei ein Schat­ten“, geschickt aufgeteilt auf den Hauptchor und ein ver­steckt platziertes Solis­ten­quar­tett – solche ein­fachen, aber wirkungsvolle ideen set­zt weil­er immer wieder geschickt ein.

Johann Sebas­t­ian Bachs Bear­beitung des Chorals „Jesu meine Freude“ verkör­perte hier den Umschwung des ban­gen christlichen Herzens zur fes­ten Überzeu­gung des erwarteten Heils der Ewigkeit. Mit präg­nan­ter Kraft und behut­sam geset­zten Momenten, mit der ganzen Vielfalt der musikalis­chen Rhetorik, die diesem Mit­glied der Bach-Fam­i­lie zur Ver­fü­gung ste­ht, ist das dann doch deut­lich größer und genialer als die Musik sein­er Vor­fahren. Typ­isch war schon der Beginn, die starke ana­lytis­che Durch­dringung des Chor­satzes durch Weil­er und seine Sänger, die unbe­d­ingte Gle­ich­berech­ti­gung aller Stim­men gegenüber der Melodie – dieses kluge, wis­sende Musizieren macht den Fig­u­ral­chor so anziehend. Auch wenn sie hin und wieder fast zu ernst, zu konzen­tri­ert erscheinen

Nach Johann Sebas­t­ian leit­et der rasche Jubelge­sangs von Johann Michael Bachs „Sei lieber Tag willkom­men“ über zu den raf­finiert­eren Freudengesänger – etwa der dop­pelchörige Motette „Herr, ich warte auf dein Heil“. Wieder hat Weil­er einen Chor durch Solis­ten­quar­tett erset­zt – dass er das kann, ist auch ein Zeug­nis der hohen Qual­ität des Chores. Und es ist hier ein wahrer Genuss, wie der san­ft tönende Chor die Solis­ten, die das Mot­to wieder­holen, umschlingt und in sich aufn­immt. Kein Wun­der, dass es dafür großen Beifall gab – auch wenn in St. Boni­faz viele Plätze frei geblieben waren.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung)

haydn, nichts als haydn: die eröffnung des mainzer musiksommers

Fes­tlich­er geht es kaum. Passender aber auch nicht: Denn die feier­liche Eröff­nung des Mainz­er Musik­som­mers – der dieses Jahr schon seinen zehn­ten Geburt­stag feiern kann – verbindet sich im ersten Konz­ert mit ein­er inten­siv­en Würdi­gung eines der diesjähri­gen Jubi­lare der Musikgeschichte. Domkapellmeis­ter Math­ias Bre­itschaft dirigierte zum Auf­takt der diesjähri­gen, gemein­sam von SWR und der Stadt Mainz ver­anstal­teten Konz­ertrei­he, näm­lich ein reines Haydn-Pro­gramm. Und obwohl er in „seinem“ Raum, dem Dom, naturgemäß vor­wiegend Kirchen­musik her­an­zog, ein gle­icher­maßen repräsen­ta­tives und abwech­slungsre­ich­es. Denn neben dem Zen­trum, der Großen Orgel-Solo-Messe und dem „Te Deum Lau­damus“ noch zwei Orgelkonz­erte aus dem reichen Fun­dus, den Haydn auch da hin­ter­lassen hat.

Der Lim­burg­er Organ­ist Markus Eichen­laub meis­terte dabei auch die vir­tu­osen Pas­sagen fast non­cha­lant, immer mit coolem under­state­ment und läs­siger Ele­ganz, die ihre Wirkung vor allem aus der leicht dahin fliegend, lock­er und entspan­nt wirk­enden tech­nis­chen Präzi­sion schöpfte. Das Kurpfälzis­che Kam­merorch­ester ließ Bre­itschaft etwas erdi­ger und stärk­er grundiert begleit­en. So bot er dem Solis­ten viel Raum, der sich – aus der Par­ti­tur spie­lend – aber lieber zurück­hielt und geschmei­dig in den Gesamtk­lang eingliederte.

Doch im Zen­trum des Eröff­nungskonz­ertes stand mit der großen und großar­ti­gen Messe eine fröh­lich-über­schwängliche Ver­to­nung des Ordi­nar­i­ums. Und Bre­itschaft ließ keinen Zweifel an sein­er Bere­itschaft, der Messe nicht nur Pow­er ohne Ende mitzugeben, son­dern auch stark kon­trastierende zarte und innige Momente. Und dann wieder war die Messver­to­nung spritzig-pulsierend bis zur Gren­ze des Wah­n­witzes. Aber es ging alles gut – der Domkam­mer­chor war bestens prä­pari­ert und ver­wöh­nte mit jugendlich-frischem und schlanken Klang. Und die ver­sierten Solis­ten, neben der gewohnt sou­verä­nen Jan­ice Creswell und der klaren Diana Schmid sowie dem zurück­hal­tenden Bass Clemens Bre­itschaft vor allem der charis­ma­tis­che und engagierte Tenor Daniel Jenz, ließen auch keine Wün­sche offen.

Ähn­lich forsch ging der Domkap­pellmeis­ter auch das C‑Dur-Te deum an. Das wurde dann so ras­ant und energieprotzend, dass es fast einen Tick ange­berisch wirk­te. Aber nur fast: Denn Bre­itschaft blieb immer ger­ade noch so kon­trol­liert und ziel­gerichtet, dass das Te deum zu ein­er unwider­stehlichen Ver­führung, ein­er san­ften, unmerk­lichen Überre­dung hin zu Glauben und Kirche, wurde. Dass so wun­der­schöne Musik ent­stand, war fast nur ein Neben­pro­dukt. Aber wenn das so gut gelingt, dann lässt man ihm die Absicht zur Ver­führung – die schließlich dur­chaus im Sinne Haydns ist – gerne durchge­hen. Und hofft, dass die restlichen Konz­erte des Musik­som­mers genau­so viele Ver­heißun­gen preis­geben wer­den.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

gottesdienst wie in alten zeiten

Ein nord­deutsch­er Gottes­di­enst zu Beginn des 17. Jahrhun­derts – wie der wohl gek­lun­gen hat? Und was dort zu hören und zu erleben, zu sehen und zu feiern war, wenn es ein wichtiger Feiertag war wie etwa die Michaelisves­per? Um das aufzus­püren, kön­nte man sich jet­zt einige Wochen in die Bib­lio­thek set­zen und alte Kirchenord­nun­gen, Musik­er­rech­nun­gen und Par­ti­turen studieren. Oder man set­zt sich entspan­nt in seinen Hörs­es­sel und legt die ger­ade erschiene SACD des Knaben­chor Han­nover in den Play­er. Dort ist näm­lich genau das aufgenom­men: Eine ver­suchte Rekon­struk­tion so ein­er Michaelisves­per, wie sie etwa in den 1620er-Jahren zum Beispiel in Wolfen­büt­tel hätte geschehen kön­nen. Jörg Brei­d­ing, der Diri­gent der Han­nover­an­er, hat mit fachkundi­ger Unter­stützung aus den Werken Michael Prae­to­rius, der genau dort Organ­ist und Hofkapellmeis­ter war, ein möglich­es Gesamtkunst­werk ein­er musikalis­chen Ves­per zu Michaelis zusam­mengestellt. Und das dann zu unserem Glück mit seinem Chor und ein­er Menge Instru­men­tal-Experten (dem Johann-Rosen­müller-Ensem­ble und Hille Perls „The Sir­ius Vio­ls“ sowie dem Bre­mer Laut­ten-Chor) auf eine Super-Audio-CD geban­nt. 80 Minuten faszinierende Musik sind das gewor­den, in denen man mit dem frem­den Blick des Nachge­bore­nen der unge­heueren Vielfalt der Musik Prae­to­rius’ lauschen darf, seinen Konz­ert­sätzen und seinen Psalmen etwa, aber auch dem großen Mag­ni­fi­cat, das in sich noch ein­mal mit seinem bre­it­en Spek­trum musikalis­ch­er Gestal­tungskraft fein dif­feren­ziert. Genau das macht auch Brei­d­ing mit seinen Sängern und Instru­men­tal­is­ten: Das ist, ger­ade in der Har­monie der Man­nig­faltigkeit und der weichen Fülle des Klangs eine sehr feine und feinsin­nige Auf­nahme gewor­den. Schade nur, dass die Gottes­di­en­ste heute solche musikalis­chen Hochleis­tun­gen nicht (mehr) bieten.

Michaelisves­per mit Werken von Michael Prae­to­rius. Viele Solis­ten …. Knaben­chor Han­nover, Jörg Brei­d­ing. Ron­deau Pro­duc­tion SACD ROP7007, 2009.

(geschrieben für die neue chorzeit)

passionsmusik aus siebenbürgen

Sieben­bür­gen ist nicht ger­ade ein Zen­trum deutsch­er Kirchen­musik. Genauer gesagt, ist es eher ein Zen­trum von gar nichts. Manch­mal sind aber die Rän­der dur­chaus inter­es­san­ter als die Mitte. Etwa, wenn dort bes­timmte Tra­di­tio­nen über­leben, wie zum Beispiel die über lange Zeit weit­ergegebe­nen lokalen Pas­sion­s­musiken. Das sollte man wis­sen, wenn man sich die „Sieben­bür­gis­che Pas­sion­s­musik“ für Chor, Solis­ten und Orgel von Hans Peter Türk anhört. Denn Türk ist ein sieben­bür­gis­ch­er Kom­pon­ist.

Eine neue Matthäus-Pas­sion also, als Fort­führung noch erhal­tener Bräuche – aber den­noch über­haupt nicht bloß bewahrend, son­dern eben weit­er­führend. Denn Türk ist zwar kein Avant­gardist, aber doch – trotz sein­er geo­graphis­chen Rand­lage – als Kom­po­si­tion­spro­fes­sor ein Ken­ner der Entwick­lun­gen und Tech­niken in der Musik. Und zwar nicht nur der Musik der let­zten Jahre. Denn seine „Sieben­bür­gis­che Pas­sion­s­musik“ bedi­ent sich bei For­men und Tech­niken aus eigentlich der ganzen abendländis­chen Musikgeschichte. Das führt zu eini­gen eige­nar­ti­gen und bemerkenswerten Ergeb­nis­sen, die die Ein­spielung mit der Meißn­er Kan­tor­ei 1961 unter Christ­fried Brödel und mit Ursu­la Philip­pi an der Orgel ein­drück­lich vor­führt.
Denn wie immer, wenn sich Bekan­ntes mit Frem­dem, Ver­trautes mit Exo­tis­chem mis­cht, ent­deckt man reilich Neues und Inter­es­santes – in Bei­dem. Der Text bleibt ganz auf ver­trautem Boden, in der Musik entwick­elt der 1940 geborene Sieben­bürge aber einen eige­nen Ton. Dabei ver­traut Türk auf die Worte – und zwar sehr stark. Daraus und damit entwick­elt er eine Musik, die sich dem Hör­er unmit­tel­bar unmit­teilt. Und sie zeigt deut­lich: Hier geht es nicht darum, um jeden Preis außergewöhn­liche Musik zu find­en. Türk strebt offen­bar viel mehr danach, der Pas­sion­serzäh­lung ein zeit­gemäßes musikalis­ches Gewand zu geben, sie aber zuallererst als Erzäh­lung zu ver­ste­hen. Und das kann dann eben auch heißen, sich als Kom­pon­ist extrem zurück­zunehmen. Auch in dieser konzen­tri­erten Form, mit weni­gen Ein­wür­fen, behut­sam unter­mal­en­den Tönen der Orgel etwa gelingt es ihm ohne Weit­eres, starke Kon­traste und nahege­hende Stim­mungen zu ver­mit­teln, span­nende Rez­i­ta­tive zu schreiben, die natür­lich und kun­stvoll zugle­ich wirken. Und vor allem hochgr­a­dig ein­fühlsame, inten­siv vib­ri­erende Choräle, die den wahren Kern dieser Pas­sion­s­musik bilden.

Das ist dann in der Summe eine dur­chaus mod­erne Musik, die ver­ständlich und unbe­d­ingt zugänglich auch für Nicht-Ken­ner der zeit­genös­sis­chen Musik ist. Und eigentlich sog­ar für deren Verächter zu ertra­gen. Gut funk­tion­ierende Kirchen­musik also.

Hans Peter Türk: Sieben­bür­gis­che Pas­sion­s­musik für den Kar­fre­itag nach dem Evan­ge­lis­ten Matthäus für Chor, Solis­ten und Orgel. Ursu­la Philip­pi, Orgel. Meißn­er Kan­tor­ei 1961, Christ­fried Brödel. Musikpro­duk­tion Dabring­haus und Grimm 2009. MDG 902 1554–6.

(geschrieben für die neue chorzeit)

einmal quer durch die musikgeschichte: schütz, pergolesi und brahms im passionskonzert

Es war ein Hin und Her wie sel­ten bei den Domkonz­erten: Die Chöre wech­sel­ten, es wurde mit und ohne Orch­ester musiziert, die Solis­ten­blieben auch alle nicht lange, selb­st der Diri­gent wurde getauscht. Und doch herrschte auch ganz viel Andacht im Pas­sion­skonz­ert. Im Zen­trum stand dabei die Matthäus-Pas­sion von Hein­rich Schütz, die eigentlich gar keine Pas­sion ist. Zumin­d­est nicht im musikalis­chen Sinn. Denn bei Schütz heißt die Ver­to­nung der Pas­sion­s­geschichte noch His­to­rie – eine Erzäh­lung der Lei­den Christi. Und die hält sich, von Ein­gangs- und Schluss­chor abge­se­hen, streng an den Text des Evan­ge­lis­ten. Arien und Choräle wird man hier also vergebens erwarten. Die Nähe zum Bibel­text führt dazu, dass große Teile vom Evan­ge­lis­ten und den anderen Solis­ten über­nom­men wer­den, der Chor mehr oder min­der auf kurze Ein­würfe beschränkt bleibt. Das sollte allerd­ings nicht zu so ein­er Het­ze führen wie im Dom. Denn wed­er Math­ias Bre­itschaft noch der eigentlich sehr solide Evan­ge­list Daniel Käs­mann nah­men sich im Gle­ich­maß der fort­laufend­en Bewe­gung, des unun­ter­broch­enen Bericht­es Zeit für beson­dere Momente, für Augen­blicke der Dra­matik. Die sind aber auch bei Schütz dur­chaus vorhan­den – man muss sich nur etwas mehr Mühe geben, sie freizule­gen. Wie das geht, weiß Bre­itschaft ja dur­chaus. Das stellte er dann etwa im Schluss­chor unter Beweis: Hier hat­te er auf ein­mal Zeit für sub­tile Aus­deu­tung, die die Domkan­tor­ei auch – trotz der starken Beset­zung – sehr deut­lich und trans­par­ent, vor allem aber mit leichtem Klang mit­machte und mit­trug.

Karsten Stor­ck über­nahm das Diri­gat der anderen bei­den Werke. Neben dem etwas blassen und unschein­baren 13. Psalm für Frauen­chor von Johannes Brahms, den der Mäd­chen­chor sehr brav sang, war das vor allem Gio­van­ni Per­gole­sis „Sta­bat Mater“. Dessen reine Melo­di­en ver­her­rlichen im Wohlk­lang sowohl der Chorsätze als auch der Arien und Duette mit den bei­den schön aufeinan­der abges­timmten Solistin­nen, Dorothee Laux und Patri­cia Roach, die süße Wol­lust der Schmerzen. Ger­ade der ständi­ge Wech­sel zwis­chen Chor und Soli gelang Stor­ck dabei sehr schön. Denn die Chorsätze ließ er immer etwas stärk­er zele­bri­eren als unbe­d­ingt nötig. Zusam­men mit der Intim­ität der Arien kam das „Sta­bat Mater“ so in sein­er gesamten Länge zu einem wohlgerun­de­ten Pulsieren, ein­er angenehmen Mis­chung aus zügi­gen Tem­pi und inni­gen Momenten der Empfind­samkeit. Und darum geht es schließlich: Das Mit-Gefühl zu weck­en.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

Der Maulbronner Kammerchor: Porträt eines erfolgreichen Chores

Die erste Tourneean­frage hat­te der Chor schon, da war er noch nicht ein­mal gegrün­det. Aus­gerech­net in New York, im Schat­ten der Wall Street, fand der erste Auftritt statt. Ein größer­er Gegen­satz zum beschaulichen Maulbronn ist kaum denkbar. Aber der Maulbron­ner Kam­mer­chor fiel natür­lich nicht ein­fach so vom Him­mel. Der Kirchen­musikdi­rek­tor Jür­gen Bud­day ging schon länger mit dem Gedanken schwanger, neben der Kan­tor­ei noch einen Extra­chor aufzubauen: Ein Ensem­ble, das sich auf hohem sän­gerischem und kün­st­lerischem Niveau vor allem der anspruchsvollen a‑cap­pel­la-Lit­er­atur wid­men sollte. Da hat­te es nur noch die richtige Frage gebraucht, das anzu­pack­en. Und eine Konz­er­tan­frage für die New York­er Trin­i­ty-Church war defin­i­tiv richtig. „Das war mir einen Ver­such wert, damit einzusteigen“, erin­nert sich Jür­gen Bud­day. „Wir haben das Pro­jekt dann erfol­gre­ich durchge­zo­gen und noch in den USA in der Gruppe ein­hel­lig beschlossen, dass wir das unbe­d­ingt fort­führen woll­ten.“
Diese erste Tournee absolvierte der flugs gegrün­dete Maulbron­ner Kam­mer­chor 1983 noch in ein­er kleineren Beset­zung. 25 Sänger waren es damals, die Bud­day um sich scharte: Aus sein­er Kan­tor­ei, aus dem Sem­i­nar, Bekan­nte und Fre­unde.

Einige von ihnen haben nach mit­tler­weile 25 Jahren immer noch nicht genug und sind weit­er­hin dabei. Inzwis­chen ist der Chor aber noch ein Stückchen gewach­sen: Gesun­gen wird in der Regel mit unge­fähr 40 Stim­men – für einen Kam­mer­chor also schon eine opu­lente Beset­zung. Da nicht jed­er der Hob­bysänger bei jedem Pro­gramm dabei sein kann, gibt es unge­fähr 60 Chor­mit­glieder.
Denn inzwis­chen nehmen viele Sänger weite Wege auf sich, um mitsin­gen zu dür­fen. Gut, aus Übersee kom­men sie nicht, aber doch aus ganz Deutsch­land. Daraus resul­tiert auch die beson­dere Proben­tech­nik: Vor dem ersten Chor­woch­enende erar­beit­en sich die Sänger das neue Reper­toire in soge­nan­nten Regio­proben, die sie selb­st organ­isieren und leit­en. Für den Leit­er ist das eine feine Sache: Wenn er sich das erste Mal mit dem Chor zum Proben­woch­enende im Maulbron­ner Sem­i­nar trifft, kann er sich gle­ich ganz der Musik wid­men. Und darum geht es ja schließlich.
Die Musik, das ist Bud­day wichtig, ist das, was hin­ter den Noten ste­ht. Und deshalb nutzt er die Erken­nt­nisse der his­torischen Auf­führung­sprax­is ganz selb­stver­ständlich: „Das ist ein­fach ein anderes Musizieren. Wenn man das ein­mal gemacht hat, will man nie wieder anders auf­führen. Der Klang wird viel klar­er, durch­sichtiger und beweglich­er.“ Und wer die Hän­del-Ora­to­rien der Maulbron­ner gehört hat, weiß was das heißen kann. Diese Serie der Ora­to­rien ist das bish­er let­zte große Kapi­tel in der beein­druck­enden Erfol­gs­geschichte des Kam­mer­chor und inzwis­chen auch auf der chor­eige­nen CD-Rei­he verewigt.

Auch die – meist geistlichen – a‑cap­pel­la-Pro­gramme sollte man sich nicht ent­ge­hen lassen. Denn zu Recht sind die Maulbron­ner stolz auf ihren Klang (und haben ihre opu­lente Festschrift auch ein­fach so über­schrieben: „Klang“). Ihr zarter Nunan­cen­re­ich­tum und der enorm fokussiert, flex­i­ble Sound begeis­tern immer wieder. Trotz des Übersee-Starts und der vielfälti­gen Konz­ertreisen der let­zten 25 Jahre sind sie ihrer Heimat dabei immer ganz beson­ders verpflichtet geblieben: Dem Maulbron­ner Kloster. Das hat ver­schiedene Gründe. Die Auf­gabe als Res­i­den­z­chor für die Klosterkonz­erte, deren Leitung Bud­day eben­falls inne hat, ist nur ein­er davon. Aber er treibt den Diri­gen­ten doch an: Adäquat muss die Musik sein, zum Raum und zur spür­baren örtlichen Tra­di­tion des Weltkurl­turerbes passen. Der zweite wichtige Grund ist das Maulbron­ner Evan­ge­lis­che Sem­i­nar. „Das Sin­gen gehört hier ganz selb­stver­ständlich zum täglichen All­t­ag, zum Vol­lzug des Lebens ein­fach dazu.“ Und aus der Riege des Sem­i­nar­chors kann Bud­day dann gezielt für den Kam­mer­chor rekru­tieren. Nach­wuch­sprob­leme hat der Chor so über­haupt nicht. Das erk­lärt auch die gesunde Altersstruk­tur, die von 17 bis 60 Jahren reicht. „Es ist ganz enorm wichtig, den Chor immer von untern her aufzufrischen. Das ist dem Klang beson­ders dien­lich. Und“, ergänzt der erfahrene Diri­gent, „es ist auch eine Her­aus­forderung für die etablierten Sänger, stimm­lich immer auf der Höhe zu bleiben.“

Um ihn selb­st geht es am wenig­sten, wenn man mit ihm über den Kam­mer­chor spricht. Er erzählt nur von zwei Din­gen: „Seinen“ Sängern und der Musik. Doch ohne ihn ist der Maulbron­ner Kam­mer­chor nicht zu denken. Nicht nur als Chor­päd­a­goge prägt er das Ensem­ble, auch die Konz­ert­pro­gramme tra­gen deut­lich seine Hand­schrift. „Inhaltlich strin­gente und klar struk­turi­erte Pro­gramme, die ein gewiss­es Spek­trum eines bes­timmten The­mas abe­deck­en und zugle­ich auch musikalisch-stilis­tis­che Entwick­lun­gen zeigen“, das hat er sich zum Ziel geset­zt. „Und mit­tler­weile hat der Chor diesen Anspruch voll über­nom­men. Die Sänger sind sehr bedacht auf zwin­gende Pro­gramme und machen auch eigene Vorschläge.“ Solche aus­gek­lügel­ten the­ma­tis­chen Konz­erte tru­gen in den let­zten Jahren Titel wie „Der Men­sch lebt und beste­het“, „Du ver­wan­dels meine Klage in einen Reigen“ oder „Von Mor­gens früh … und bis zur Nacht“.

2008 stand dage­gen ganz im Zeichen des 25-jähri­gen Beste­hens. Die großen Jubiläum­skonz­erte – wieder ein­mal quer durch Deutsch­land – hat der Chor im Mai schon absolviert. Am 11. Juli wird es auf der Maulbron­ner See­bühne aber noch eine Gesamtschau der Hän­del-Ora­to­rien zu hören geben. Und am 27. Sep­tem­ber wird das Jubiläum­s­jahr mit zwei Auf­führun­gen der Bach­schen h‑moll-Messe endgültig been­det. „Dann müssen wir uns auch erst ein­mal erholen. Schließlich machen die Sänger das alle neben ihren eigentlichen Berufen.“

(geschrieben für die neue chorzeit)

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