Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: romantik Seite 1 von 2

Jenseits

Er wur­de, sonst ein gar lebens­kräf­ti­ger jovia­ler mann, sehr nach­denk­lich, und wie ich es gar nicht erwar­tet hat­te, sprach er: „In alter Zeit hat­ten wir einen from­men schlich­ten Glau­ben, wir erkann­ten das Jen­seits, aber auch die Blö­dig­keit unse­rer Sin­ne, dann kam die Auf­klä­rung, die alles so klar mach­te, dass man vor lau­ter Klar­heit nichts sah, un sich am nächs­ten Bau­me im Wal­de die Nase stieß, jetzt soll das Jen­seits erfasst wer­den mit hin­über­ge­streck­ten Armen von Fleisch und Bein.“

— E. T. A. Hoff­mann, Ein Frag­ment aus dem Leben drei­er Freun­de, zitiert nach Harald Neu­mey­er (Hrsg.), Gespens­ter. Ber­lin: Seces­si­on 2019 (Hand­li­che Biblio­thek der Roman­tik, 1), S 97f.

Blütenstaub

Wir sind auf einer Mis­si­on: zur Bil­dung der Erde sind wir beru­fen.

— Nova­lis, aus der Samm­lung Blü­ten­staub

(Nova­lis ist heu­te vor 242 Jah­ren gebo­ren wor­den.)

Taglied 29.3.2012

„The Art Song Pro­ject“ ist eine wun­der­ba­re Idee, die ich jedem (Kunst-)Lied-Liebhaber nur ans Herz legen kann. Dort fin­det man wirk­li­che Rari­tä­ten und Kost­bar­kei­ten – es macht immer wie­der Freu­de, dort zu stö­bern und zum Bei­spiel so etwas zu fin­den wie Anton Rubin­steins „Du bist wie eine Blu­me“ oder Lars Erik Lars­sons „För vils­na föt­ter sjun­ger grä­set“ (die sich hier lei­der nicht ver­nünf­tig ein­bin­den las­sen und des­halb „nur“ ver­linkt sind).

Romantik en masse

Von Fer­ne tönen sie schon vor dem Beginn, die Hör­ner. Sie sol­le heu­te, im 7. Meis­ter­kon­zert, eine beson­de­re Rol­le spie­len. „Die Roman­ti­ker“ ist das Kon­zert mit der Deut­schen Staats­phil­har­mo­nie Rhein­land-Pfalz unter Karl-Heinz Stef­fens beti­telt. Und da gehö­ren Hör­ner unbe­dingt dazu – schließ­lich ist das Horn neben der Har­fe wohl eines der roman­ti­schen Instru­men­te über­haupt. Sie sind das, auch wenn das zwei­te Horn­kon­zert von Richard Strauss natür­lich m enge­ren Sin­ne nicht mehr zur eigent­li­chen Roman­tik gehört: Die Urauf­füh­rung des druck­fri­schen Wer­kes fand 1943 statt und sei „ganz nett aus­ge­fal­len“, wie der Kom­po­nist anmerk­te.

Nun ist „nett“ meis­tens kein beson­ders wohl­wol­len­des ästhe­ti­sches Urteil. Aber es trifft doch sehr gut, was Strauss hier geschrie­ben hat. Und der Hor­nist Ste­fan Dohr steigt gleich mit den ers­ten Tönen voll ein. Mit viel Ein­satz lässt er alle Sei­ten der Musik leben­dig wer­den: Das kraft­vol­le Schmet­tern eben­so wie die wei­chen Melo­die­li­ni­en. Gera­de die sanf­ten Kan­ti­le­nen gelin­gen ihm her­vor­ra­gend, aber auch sei­ne wun­der­ba­re Über­gän­ge zum for­schen, kraft­vol­len Spiel, mit dem er das Orches­ter mühe­los domi­niert, zei­gen Dohr als über­leg­ten Solis­ten. Zumal Steff­fens sich und das Ensem­ble sehr zurück­hält und sich vor­wie­gend auf das Beglei­ten kon­zen­triert. Zusam­men ergibt das eine sehr vita­le, leben­dig strö­men­de Musik – vor allem dank des ener­gi­schen Zugriffs Dohrs, der aus der manch­mal etwas tro­cke­nen Par­ti­tur alles her­aus­holt, was sie an begeis­tern­dem Witz und Esprit über­haupt her­gibt.

Unzwei­fel­haf­te zur Roman­tik gehört Bruck­ners vier­te Sym­pho­nie – die trägt das ja schon im Bei­na­men. Und Stef­fens sucht genau das auch gezielt zu ver­wirk­li­chen. Mit einem aus­ge­spro­chen geheim­nis­um­wit­ter­ter­ten Beginn fängt er an. Und die dunk­len, etwas ver­schat­te­ten Sei­ten der Musik blei­ben das Bes­te in Stef­fens Inter­pre­ta­ti­on. Auch sonst setzt der Diri­gent wei­ter­hin vor allem auf Stim­mun­gen statt Struk­tu­ren und ist nicht so sehr auf die Sub­ti­li­tä­ten des Klang­ge­sche­hens aus, son­dern vor allem auf sei­ne Wir­kung. Und dafür hat er ein geschick­tes Händ­chen: Er ver­liert sich nicht in Details, er lässt die monu­men­ta­le Sin­fo­nik Bruck­ners nicht erstar­ren, son­dern hält sie als Diri­gent, der immer auf den jewei­li­gen Moment bedacht ist, in unab­läs­si­ger Bewe­gung. Gera­de des­halb bleibt das hier aber auch sehr irdisch. Und manch­mal, vor allem zum Ende hin, neh­men die gro­ße Ges­ten etwas über­hand. Dabei lässt Stef­fens auch eini­ge lose Fäden hän­gen und Über­gän­ge uner­le­digt. Immer­hin, die Staats­phil­har­mo­nie hält durch und bleibt bis zum Schluss sehr klang­ge­wal­tig und durch­set­zungs­stark. Und damit ist bei Bruck­ner schon das meis­te getan – und der Roman­tik auch zu ihrem Recht ver­hol­fen.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)

schleichende begeisterung

ich höre ja, das ist eine art geständ­nis, ele­ment of crime recht ger­ne. ins­be­son­de­re seit „roman­tik“ haben sie es mir immer ange­tan. ein etwas sün­di­ges begeh­ren ist das, weil ich sonst eigent­lich eher etwas kom­ple­xe­re, avan­cier­te ästhe­ti­sche pro­gram­me und kon­zep­te schät­ze. aber manch­mal ist so ein biss­chen seich­ter pop auch nicht schlecht ;-). denn auch wenn gera­de die tex­te immer wie­der sehr geprie­sen wer­den – im grun­de bleibt es alles sehr harm­los hier.

das neu­es­te album, „immer da wo du bist bin ich nie“, schien mir dann aber zunächst, beim ers­ten und zwei­ten hören, doch arg platt gera­ten. aber, das ist das gemei­ne bei ele­ment of crime der letz­ten jah­re, sie schlei­chen sich doch in die gunst der hörer ein. inzwi­schen hat mich auch die neue cd ziem­lich gepackt. die musik ist ja im gro­ßen und gan­zen immer noch die­sel­be – ein biss­chen mehr tex-mex-anklän­ge, aber sonst bleibt es beim bewähr­ten sound. aber eben ziem­lich gut gemacht: ein­gän­gi­ge, sehr ein­gän­gi­ge melo­dien, nett har­mo­ni­siert, tight gespielt, ohne irgend jemand zum wider­spruch auf­zu­re­gen – deut­sche kon­sens­mu­sik at it’s best … die tex­te, zunächst, hat­te mich ziem­lich genervt: die­ses bemü­hen um kunst­vol­le nai­vi­tät, die­se wol­len um jeden preis, das aus fast jeder zei­le spricht – ner­vig.

the­ma­tisch ist das natür­lich extrem ein­fallslsos – der plat­ten­ti­tel [ein fast-zitat übri­gens des ers­ten ver­ses von del­men­horst vom mit­tel­punkt der welt], zugleich lied­ti­tel #6 (auch da ohne kom­ma), ver­rät eigent­lich alles. aber das ele­ment of crime vor­zu­wer­fen ist unge­fähr so sinn­voll wie den metz­ger dafür anzu­kla­gen, dass er kei­nen käse ver­kauft. da sind es halt doch dann doch die „net­ten“ for­mu­lie­run­gen, die es wie­der raus­rei­ßen, die ins bewusst­sein ein­si­ckern und zuneh­mend zustim­mung und freu­de her­vor­ru­fen … aber genau auf das ein­si­ckern kommt es offen­bar an: beim ers­ten hören ist das nicht unbe­dingt auf­fäl­lig, vie­les geht glatt vor­über (und je nach stim­mung ist man, d.h. bin ich, gelang­weilt oder genervt). an vie­len fein­hei­ten erfreut man sich erst beim x‑ten hören. und das ist wie­der­um ein gro­ßer vor­zug der ele­ment-of-crime-musik: sie ver­trägt das ofte hören erstaun­lich gut. weil sie, trotz ihre beschei­de­nen ästhe­tik und schein­ba­ren strom­li­ni­en­för­mig­keit, genü­gend details dafür bie­tet.

inzwi­schen bin ich schon fast begeis­tert … es gibt auf jeden fall schlim­me­res, als das zu mögen.

romantische englische kammermusik – ja, das gibt es

der beweis dazu: das ers­te kon­zert der main­zer rat­haus­kon­zer­te in die­ser spiel­zeit am 11. sep­tem­ber. hier mei­ne aus­füh­run­gen für die main­zer rhein-zei­tung:

Es war eine ein­ma­li­ge Gele­gen­heit, den Musi­kern ein­mal so rich­tig nahe zu kom­men. Denn bei den Main­zer Rat­haus­kon­zer­ten gibt es weder Büh­ne noch Orches­ter­gra­ben. Im Gegen­teil, das Ensem­ble sitzt ganz unten – in der run­den Mit­te des Rats­saa­les näm­lich. Und wäh­rend es sich das Publi­kum hin­ter den Tischen und Mikro­fo­nen in den Dreh­stüh­len bequem mach­te, muss­te das Eng­lish Pia­no Trio sich umrun­det von neu­gie­ri­gen Ohren und Augen der Musik hin­ge­ben. Wer woll­te, konn­te so den Instru­men­ta­lis­ten also über die wort­wört­li­che Schul­ter schau­en und gleich noch die Noten kon­trol­lie­ren. Nicht, dass das not­wen­dig gewe­sen wäre. Denn das Eng­lish Pia­no Trio, aus der Main­zer Part­ner­stadt Wat­ford kom­mend, besteht aus ech­ten Voll­blut­mu­si­kern. Und sie sind schon so lan­ge zusam­men – über zwan­zig Jah­re musi­zie­ren sie inzwi­schen gemein­sam – dass sie sich offen­bar blind ver­ste­hen: Da muss nie­mand Hin­wei­se geben, da muss kei­ner sich sei­ner Mit­strei­ter ver­ge­wis­sern, schnell noch einen Blick auf die Gei­ge­rin wer­fen oder den Pia­nis­ten bestä­ti­gend anvi­sie­ren. Nein, die­se drei fin­den auch ohne all das zu einer har­mo­ni­schen, aus­ge­gli­che­nen Balan­ce.

Für das ers­te dies­jäh­ri­ge Rat­haus­kon­zert haben sie ein Pro­gramm zusam­men­ge­stellt, dass vor­wie­gend eng­li­sche, mehr oder weni­ger bekann­te Kam­mer­mu­sik ent­hielt. Kon­ti­nen­tal war eigent­lich nur die Eröff­nung mit Haydns spä­tem C‑Dur-Kla­vier­trio Nr. 35. Das absol­vier­ten sie sehr gelas­sen, mit dem not­wen­di­gen Mut zur empha­ti­schen Grö­ße und zau­bert so eine ent­spann­te, sanft und leicht flie­ßen­de fei­ne Trio­mu­sik.

Immer, wenn sie ganz auf sich selbst gestellt waren, bevor­zug­ten sie die­ses Vor­ge­hen: Etwa auch bei Fran­cis Edward Baches Kla­vier­trio, einem genia­len Wurf eines roman­ti­schen Jüng­lings. Fast noch zurück­hal­ten­der und beschei­de­ner trat das Eng­lish Pia­no Trio aber immer dann auf, wenn die Sopra­nis­tin Yvonne Howard das Ensem­ble ergänz­te. Sie sang, mit deut­lich opern­haf­ten Ges­tus und Stim­me, eini­ge Lie­der von Edward Elgar – natür­lich.

Aber dane­ben auch eini­ge, fast über­ra­schend klar arti­ku­lier­te deut­sche Ver­to­nun­gen von Bache, der zwar nicht ganz an Schu­manns Grö­ße heran­langt, bei glei­chen Tex­ten aber den­noch zu anmu­ti­gen, anspre­chen­den Ver­to­nun­gen kam. Und Howard macht das mit Timo­thy Raven­scroft am Kla­vier mit inni­ge Hin­ga­be deut­lich.

Über­zeu­gen­der noch gelan­gen aller­dings die „Paläs­te des Win­des“, wie ein dem Trio gewid­me­tes Werk des Eng­län­ders Joseph Phibbs heißt, das hier in Mainz sei­ne deut­sche Erst­auf­füh­rung erfuhr. Der Text ist zwar nur ein eph­eme­res Lie­bes­ge­dicht, aber in Kom­bi­na­ti­on mit der atmo­sphä­risch dich­ten, nur sehr ver­hal­ten modern anmu­ten­den Musik immer­hin nahe­ge­hend und durch­aus bewe­gend. Das pass­te wun­der­bar in den den schö­nen, trotz der eigent­lich unvor­teil­haft direk­ten Akus­tik des Rats­saa­les sogar aus­ge­spro­chen inti­mer Kam­mer­mu­sik­abend, mit dem die „neu­en“ Rat­haus­kon­zer­te eröff­net wur­den.

(geschrie­ben für die main­zer rhein-zei­tung)

„Der Lauf der Dinge …

… ist ein hoff­nungs­lo­ser Roman­ti­ker und eng befreun­det mit der Bit­ter­keit.“ (Ben­ja­min Maack, Die Welt ist ein Park­platz und endet vor Dis­ney­land, 37)

„Das Gedächtnis ..

… ist ein hoff­nungs­lo­ser Roman­ti­ker und eng befreun­det mit dem Kli­schee.“ (Ben­ja­min Maack, Die Welt ist ein Park­platz und endet vor Dis­ney­land, 32)

wieder neu: brahms sinfonien und chorwerke

Es ist schon eine küh­ne Idee und fast eine Steil­vor­la­ge für den Kri­ti­ker: John Eli­ot Gar­di­ner will Brahms noch ein­mal „neu“ ent­de­cken – und dies­mal rich­tig. Viel­leicht muss man so selbst­be­wusst wie Gar­di­ner sein, um die­ser Musik gerecht zu wer­den. Denn das wird er in fast beängs­ti­gen­der Wei­se. Da bleibt ein­f­ch nichts mehr zu kri­ti­sie­ren.

Alle vier Sin­fo­nien hat er sich vor­ge­nom­men. Und er ergänzt sie mit gro­ßen Chor­wer­ken von Brahms selbst oder aus sei­nem Umfeld. Das heißt für die ers­ten bei­den, bereits erschie­nen CDs (die rest­li­chen zwei fol­gen im Lau­fe des nächs­ten Jah­res): Das Schick­sals­lied, der Begräb­nis­ge­sang, die Alt-Rhap­so­die umrah­men die Sin­fo­nien 1 und 2, dazu kommt noch Men­dels­sohn Bar­thol­dys „Mit­ten wir im Leben sind“ und Schu­berts „Gesang der Geis­ter über den Was­sern“ sowie zwei von Brahms für Chor und Orches­ter arran­gier­te Schu­bert-Lie­der. Die Inter­pre­ten sind alte Ver­trau­te Gar­di­ners: Das Orchest­re Révo­lu­ti­on­n­aire et Roman­tique sorgt mit sei­ner hohen inter­pre­ta­to­ri­schen und tech­ni­schen Kom­pe­tenz im Umgang mit his­to­ri­schen Instru­men­ten für den fas­zi­nie­rend durch­sich­ti­gen und far­ben­rei­chen Orches­ter­klang, der Mon­te­ver­di-Choir für die voka­le Prä­zi­si­on und klang­li­che Wucht, die Gar­di­ner zu bevor­zu­gen scheint.

Denn Gar­di­ner ist nicht nur ein Musi­ker, der sein Tun sehr genau bedenkt. Son­dern auch ein groß­ar­ti­ger Dra­ma­ti­ker – auch wenn er das meist im schlan­ken und fle­xi­blen Ges­tus sei­ner Inter­pre­ta­tio­nen ver­steckt. Nach der Halb­zeit ist klar, was man von die­sem Pro­jekt erwar­ten darf: Vie­les. Viel­leicht sogar alles. Die Sin­fo­nien: Präch­tig, leben­dig, unge­heu­er vital auf der einen Sei­te, aber auch ver­flixt ernst, bewusst und genau – als wüss­te die Musik selbst um ihren Stel­len­wert in der Musik­ge­schich­te.

Und die Chor­mu­sik: Durch­weg auf höchs­tem Niveau. Gut, der Mon­te­ver­di-Choir lässt ab und an einen leich­ten eng­li­schen Akzent auf­blit­zen. Das ist aber auch schon der ein­zi­ge Vor­wurf, den man ihm machen kann. Die oft im bes­ten Sin­ne thea­tra­li­sche Dra­ma­tik, die Wei­te des Spek­trums, die ihm in klang­li­chem Aus­druck und Dyna­mik zur Ver­fü­gung steht, die Beweg­lich­keit des Cho­res auch im gro­ßen Klang­vo­lu­men – das alles formt sich unter Gar­di­ners Hand zu fan­tas­ti­schen, unmit­tel­bar mit­rei­ßen­den und nach­hal­tig beein­dru­cken­den Musik.

Ob das die Brahms-Sicht wirk­lich ändert? Auf jeden Fall bringt es die Betei­lig­ten dazu, die­se Wer­ke noch ein­mal so „neu“ auf­zu­füh­ren, als wäre die Tin­te in der Par­ti­tur erst ges­tern tro­cken gewor­den.

(geschrie­ben für die neue chor­zeit)

an die sterne. schumanns weltliche chormusik

An die Ster­ne“ ist die ers­te CD mit Robert Schu­manns welt­li­cher Chor­mu­sik beti­telt, die das Orpheus Vokal­ensem­ble unter Cary Gra­den bei Carus vor­ge­legt hat. Ganz rei­chen die Sän­ger aber nicht ans Fir­ma­ment. Das 2005 gegrün­de­te Orpheus-Vokal­ensem­ble, des­sen ers­te Auf­nah­me die­se CD ist, über­zeugt näm­lich nur bedingt. Stö­rend wir­ken sich nicht nur das fast per­ma­nen­tes Über­ge­wicht der Frau­en­stim­men und die teil­wei­se auf­fal­lend mit­tel­mä­ßi­ge tech­ni­sche Prä­zi­si­on aus, irri­tie­ren­der sind vor allem an der Man­gel an Klang­dif­fe­ren­zie­rung und Cha­ris­ma. Dabei ist es ja wirk­lich nicht so, dass Schu­manns Chö­re fade Kost sind. Die „Fünf Lie­der“ op. 55 (auf Gedich­te von Robert Burns) sind zum Bei­spiel ganz aus­ge­zeich­ne­te klei­ne Kost­bar­kei­ten. Und hier zeigt dass Orpheus-Vokal­ensem­ble auch, dass es durch­aus fähig ist: Die­se fünf Lie­der sind wirk­li­che klei­ne glit­zern­de Ster­ne.

Und musi­ka­li­sches Ein­füh­lungs­ver­mö­gen beweist der Chor unter Gary Gra­den (und auch der beglei­ten­de Pia­nist, Kon­rad Elser) immer wie­der in über­ra­schen­dem Maße – das macht vie­les wett. Es ist aber schon auf­fal­lend, dass gera­de die getra­ge­nen, lang­sa­men Lie­der (fast) immer bes­ser sind als die beweg­ten, mehr Gespür für Atmo­sphä­re und Klang­sinn verr­ra­ten. Und je kom­ple­xer die Kom­po­si­tio­nen wer­den, des­to bes­ser wird auch der Chor – wie die beson­ders plas­ti­sche Inter­pre­ta­ti­on der „Vier dop­pel­chö­ri­gen Gesän­ge“ op. 141 sehr deut­lich zeigt. Gera­de der Wech­sel zwi­schen aus­ge­spro­chen kunst­vol­len Chor­sät­zen und volks­lied­haft ein­fa­chen Chor­lie­dern, der die gan­ze Band­brei­te des cho­ri­schen Wer­kes Schu­manns auf­zeigt, macht aber den beson­de­ren Reiz die­ser Samm­lung aus.

Robert Schu­mann: An die Ster­ne. Welt­li­che Chor­mu­sik I. Orpheus-Vokal­ensem­ble. Kon­rad Elser, Kla­vier. Lei­tung. Gary Gra­den. Carus 83.173.

(geschrie­ben für die Neue Chor­zeit, janu­ar 2008)

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