Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Kategorie: wissenschaft Seite 2 von 3

Universitäres Blutgeld

schön und auch gar nicht weit­er kom­men­tierungs­bedürftig, dieser Seit­en­hieb, den Diederich­sen (der die Uni­ver­sität ja inzwis­chen von innen ken­nt) in seinem Büch­lein zu den “Sopra­nos” da schnell noch in Rich­tung (privat-)spendenfinanierte Uni­ver­sitäten austeilt:

In dieser Episode ist nicht nur endlich ein­mal befriedi­gens beschrieben wor­den, wie Hochschulen sich dort finanzieren, wo dies der Staat nicht tut — indem sie durch geschulte Kräfte Druck auf die ide­ol­o­gisch unsicheren und legit­i­ma­tions­bedürfti­gen Teilde des pri­vatwirtschaftlich-mafiösen Kom­plex­es ausüben -, son­dern vor allem sehen wir zu, wie die Akteure der “Sopra­nos” sich ihren See­len­frieden zurechtkon­stru­ieren

Diedrich Diederich­sen: The Sopra­nos. Zürich: Diaphanes 2012, S. 84

Digitale Pausen

Hans Ulrich Gum­brecht betreibt ja schon seit ger­aumer Zeit eine Anti-Blog-Blog bei der FAZ: Digital/Pausen. Mareike König vom DHI Paris hat ihn dazu befragt — und abge­se­hen von dem etwas ver­wirren­den Sprachge­brauch Gum­brechts, der Blog­posts immer als “Blog” beze­ich­net, ist das dur­chaus inter­es­sant. Ger­ade weil Gum­brecht ja aus ein­er enorm priv­i­legierten Posi­ton spricht — er gibt ganz offen zu, bei der FAZ nur mit dem bloggen ange­fan­gen zu haben, weil er gut dafür bezahlt wird — und ger­ade weil Gum­brecht ja nicht im eigentlichen Sinne blog­gt, weist er doch auf einige wichtige Punk­te hin, aus denen ich auch das Bloggen von Wis­senschaftler fordere oder befür­worte: Weil das eine Möglichkeit der Kom­mu­nika­tion ist, die für die Wissenchaft enorm wichtig ist — und die enorme Band­bre­ite entwick­eln kann, zum Beispiel:

Man erschließt sich damit ein Pub­likum – nicht nur quan­ti­ta­tiv – was man über ein Buch nicht erre­ichen kann.

Und später:

Wenn ich etwas pro­duziere, was let­ztlich für Kom­mu­nika­tion pro­duziert ist – und das ist Wis­senschaft immer – dann muss ich schon sehen, dass ich einige Leute erre­iche.

Neben­bei weist er zum Schluss übri­gens auch noch auf einen in den let­zten Jahren wieder etwas in Vergessen­heit ger­ate­nen kat­e­go­ri­alen Unter­schied zwis­chen Natur- und Geis­teswis­senschaften hin: Dass Geis­teswis­senschaften im eigentlichen Sinne gar nicht forschen, keine neuen Regelmäßigkeit­en oder Geset­zmäßigkeit­en ent­deck­en (oder das zumin­d­est sel­tent tun). Und das ger­ade aus der spez­i­fis­chen Form der geis­teswis­senschaftlichen Übung — der “Kon­tem­pla­tion” — eigentlich ein Gebot der Offen­heit der Wis­senschaft resul­tiert, für das neue dig­i­tale Medi­en ein großer Segen sind. Oder sein kön­nten, wenn sie systembedingt/institutionell die entsprechende Würdi­gung erführen.

Das gesamte Inter­view kann man hier nach­hören: klick.

Suchbild #1

Finde den Fehler:

Akupunk­tur funk­tion­iert nicht nur beim Men­schen — auch bei Kühen und Käl­bern ist sie ein wirk­sames, scho­nen­des und wirtschaftlich­es Ver­fahren.

Gelobt sei die Kopie

Ger­ade erschienen und schon wegge­le­sen: Das “Lob der Kopie”, das Dirk von Gehlen unter dem Titel “Mashup” geschrieben hat.
Worum geht’s? Eigentlich sagen die bei­den Titel schon das wesentliche: von Gehlen geht es darum, der Kopie zu ihrem Recht zu ver­helfen. Er will zeigen, dass die Kopie nicht zwangsläu­fig etwas min­der­w­er­tiges, etwas weniger wertvolles sein muss/ist als das Orig­i­nal. Inspiri­ert ist das natür­lich wesentlich von der Erfahrung der Möglichkeit der Dig­i­tal­isierung, die die Kopie ja nicht nur iden­tisch macht, son­dern das “Orig­i­nal” auch unbeein­trächtigt lässt, ihm nichts “weg­n­immt” (weswe­gen es, abge­se­hen von den juris­tis­chen Aspek­ten, eine dig­i­tale “Raubkopie” ja nicht geben kann).

Das ist ein unge­heuer mate­ri­algesät­tigtes Büch­lein gewor­den: Dirk von Gehlen, im wahren Leben Leit­er der Jetzt.de-Redak­tion der Süd­deutschen, hat ganz fleißig recher­chiert und gele­sen — und er lässt den Leser an seinen Forschungs­frücht­en teil­haben. Wer also irgend welche Infor­ma­tio­nen zu irgend einem Aspekt der Kopie sucht, sollte hier ziem­lich sich­er einige Hin­weise find­en. Schade nur, dass Suhrkamp (oder von Gehlen?) auf ein lit­er­aturverze­ich­nis verzichtet haben — bei der Fülle der ver­wen­de­ten Quellen hätte ich das sehr hil­fre­ich gefun­den.

Der entschei­dende Punkt, warum Kopi­en zu loben sind, ist — trotz des Hin­ter­grund des dig­i­tal turns — ein alter: Kreativ­ität etc. ist nur mit der Ver­wen­dung anderen Mate­ri­als möglich. Das ist ein ganz alter Gedanke, der mehr oder weniger par­al­lel zur Etablierung der Orig­i­nal­ität in der Frühen Neuzeit auch schon gedacht und for­muliert wurde, von Gehlen weist auf einige Fund­stellen hin. Auch Goethe wird in diesem Zusam­men­hang mehrfach zitiert — genau wie diverse Pop­musik­er und viele andere “Kreative” aus vie­len Zeit­en. Dieses “Mashup”, das ver­ar­bei­t­ende Benutzen (frem­den) Mate­ri­als, ist natür­lich nicht nur auf Kun­st oder Denken beschränkt — auch im Fußball z.B. kann man das beobacht­en (das liefert den Ein­stieg in das Lob der Kopie: Das von Mes­si kopierte Maradona-Tor).

Von Gehlen selb­st beschreibt das Ziel dieses Buch­es so:

Über die beste­hende Strate­gie der tech­nis­chen und juris­tis­chen Erschwerung und Ver­hin­derung des Kopierens hin­aus will ich ein­er­seits die Chan­cen des tech­nol­o­gis­chen Fortschritts aufziegen und vor allem die Gefahren benen­nen, die die bish­erige Krim­i­nal­isierungsstrate­gie mit sich bringt. Wer die Kopie ein­seit­ig ver­dammt, greift damit die Grund­la­gen unser­er Kul­tur an. (15, Her­vorhe­bung von mir)

- das ist doch mal eine Ansage.

Er tut dies in eigentlich fünf Schrit­ten: Von der “Krise des Orig­i­nals” über das “Gesetz der vagabundieren­den Kopie” bis zum abschließen­den “Plä­doy­er für einen neuen Begriff des Orig­i­nals”.
Das wesentliche Moment dabei ist, ich habe es ja bere­its erwäh­nt, zunächst das Lob der Kopie:

Das hier anges­timmte Lob der Kopie ist als alles andere als ein Abge­sang auf das Urhe­ber­recht und auch kein Plä­doy­er für die vergü­tungs­freie Nutzung kul­tureller Erzeug­nisse. Mir geht es nur darum zu beto­nen, dass es frucht­bar sein kann, sich von einem über­steigerten Orig­i­nal­be­griff zu lösen, die sprach­lichen Prob­leme mit dme Konzept des geisti­gen Eigen­tums zu benen­nen und darauf hinzuweisen, dass nur ein Urhe­ber­recht, das sich als Imma­te­ri­al­güter­recht ver­ste­ht und die Veräd­nerun­gen der Read-write-Soci­ety und des kopieren­den Ver­brauch­ers berück­sichtigt, seine gesellschaftliche Legit­i­ma­tion wieder erlan­gen und somit auch seine eigentliche Inten­tion erfüllen kann: Kreativ­ität zu fördern.” (123)

Diese und andere Über­legun­gen (und Beobach­tun­gen) führen von Gehlen dann eben dazu, einen neuen Begriff des Orig­i­nals vorzuschla­gen, der durch drei Aspek­te gekennze­ich­net ist: Das Orig­i­nal

ist kein binär zu unter­schei­den­dens solitäres Werk (1), son­dern ein in Bezüge und Ref­eren­zen ver­strick­ter Prozess (2), und seine skalierte Orig­i­nal­ität beruht immer auf Zuschrei­bun­gen und Kon­struk­tio­nen (3), die man mit ihm verbinden will.” (174)

Das ist, diese Volte sei hier noch erlaubt, auch nicht wahnsin­nig bahn­brechend und orig­inell, im Kern steckt das alles schon in der post­mod­er­nen The­o­rie und anderen (sozial­philosophis­chen) Über­legun­gen der let­zten Jahrzehnte. Es muss aber wohl mal so dezi­diert gesagt wer­den. Vor allem, weil das nicht nur eine rein the­o­retis­che Gedanken­spiel­erei ist:

Ich halte diese verän­derte Herange­hensweise nicht nur as intellek­tuellen oder kün­st­lerischen Grün­den für notwendig, son­dern aus poli­tis­chen. Denn […] ich ver­ste­he das Mashup als poli­tis­ches Instru­ment, als Form von “ulti­ma­tiv­er Demokratie, offen für unbe­gren­zte Kri­tik, Neu-Inter­pre­ta­tion und Weit­er­en­twick­lung”. (174, er zitiert hier Matt Mason)

Schade fand ich allerd­ings, dass nach dem mate­r­i­al- und zita­tre­ichen Ritt der Text hier fast abbricht und ger­ade die gen­uin poli­tis­che Kom­po­nente, ihre (Spreng-)Kraft und ihre (utopis­chen?) Möglichkeit­en nicht noch näher aus­führt.

Abgerun­det wird das Buch, das man fast als eine Art Werk­stat­tbuch oder Gedanken­jour­nal lesen kann, durch einige kurze Inter­views mit ein­schlägig bekan­nten und aktiv­en Per­so­n­en, eine Auflis­tung musikalis­ch­er Mashups (die auch vorher schon auf­tauchen und die im Blog Dirk von Gehlens (als Kopie) zu bestaunen sind) und schließlich einem super aus­führlichen Glos­sar — für all die, die noch nicht wis­sen, was A2K meint, was Retweet­en ist oder was die Cre­ative Com­mons vom Copy­left unter­schei­det (und noch vieles, vieles mehr).

Dirk von Gehlen: Mashup. Lob der Kopie. Berlin: Suhrkamp 2011. 233 Seit­en. ISBN 78–3‑518–12621‑9. 15,50 Euro.

Hochverdünnung

Prinzip der Hochverdün­nung:

Je dün­ner die Beweise für die Wirk­samkeit [der Homöopathie], desto pop­ulär­er wird sie.

und:

Homöopathie ist also so ähn­lich, wie wenn ich in Frank­furt einen Autoschlüs­sel in den Main werfe – und dann in Würzburg ver­suche, mit dem Main­wass­er das Fahrzeug zu starten.

Vince Ebert in amüsan­ten (wenn’s nicht so tragisch wäre) Minuten über die Geißel unser­er Zeit, die Homöopahie: klick.
[pro-play­er width=‘220’ type=‘video’]http://www.youtube.com/watch?v=UdwJQGZHupg[/pro-player]

via GWUP

Langeweile

“Nicht ger­ingzuschätzen ist der Rat, lang­weilig zu schreiben. Je gelang­weil­ter die Leser beim Leser sind, desto weniger wer­den sie Zeit auf die nähere Befas­sung mit dem Text aufwen­den. Allerd­ings ist das Lang­weiligschreiben eine Kun­st oder wenig­stens ein Kun­sthandw­erk oder aller­wenig­stens ein Handw­erk. Die meis­ten Men­schen müssen jahre­lang studiert haben, um das zu kön­nen.” (Roland Schim­mel, Von der hohen Kun­st ein Pla­giat zu fer­ti­gen, 57)

Liszt zum Zweihundertsten

2011 als Jubiläum­s­jahr — sein Geburt­stag jährt sich zum 200. Mal — war der offen­sichtliche Anlass für diese Buch: Wolf­gang Döm­lings kleine Biogra­phie “Franz Liszt”. Erschienen ist das in der von mir grund­sät­zlich sehr geschätzen Rei­he “Wis­sen” des Beck-Ver­lags. Aber da passt dieses Buch kaum rein — im Gegen­satz zu anderen dort erschienen Bänd­chen hat es mich sehr ent­täuscht, obwohl es in der Taschen­buchkolumne der Süd­deutschen Zeitung sehr direkt emp­fohlen wurde. Und zwar war ich sowohl inhaltlich als auch for­mal und sprach­lich ziem­lich ent­täuscht.

Fan­gen wir mit dem pin­gelig­sten an, den For­malal­itäten: Ent­ge­gen der Rei­hen-Gepflo­gen­heit­en gibt es hier über­haupt keine vernün­fti­gen Lit­er­aturhin­weise: Döm­ling erwäh­nt den MGG-Artikel — und genau ein Buch.1 Das war’s auch schon — sehr ent­täuschend. Und auch wenig hil­fre­ich. Es gibt doch bes­timmt auch gute musik­wis­senschaftliche, werk­an­a­lytis­che Lit­er­atur zu Liszt, die dem Leser etwas weit­er­helfen kön­nte.2 Damit hängt vielle­icht auch das inhaltliche Prob­lem zusam­men … — aber dazu später noch etwas.

Sprach­lich fall­en sofort die Satz-Ungetüme oder ‑Unge­heuer auf: Döm­ling häuft näm­lich gerne in einem Satz alles an, was ihm so an Infor­ma­tion über den Weg läuft — mit unzäh­li­gen Ein­schüben, Appo­si­tio­nen, Rel­a­tivsätzen und so weit­er. Und irgend­wann, das ist bei ihm gar nicht sel­ten, ist der ursprüngliche Satz gar nicht mehr zu erken­nen. Ob der trock­ene, spröde Stil (der nur auf den let­zten Seit­en, wo es um Liszts Spätwerk geht, einige Funken schlägt) als Plus- oder Minus­punkt zu werten ist, bleibt sich­er Geschmack­sache. Ich fand es oft arg dürr.

Und inhaltlich? Das hängt dur­chaus wieder mit der sprach­lichen Gestal­tung zusam­men. Döm­ling gibt sich gerne etwas besser­wis­serisch, etwas pater­nal­is­tisch belehrend erzählt er den Lebensweg in groben (oft nur sehr bruch­stück­haften) Umris­sen, greift gerne mal auf das “wie bekan­nt” zurück. Dabei hat er offen­bar dur­chaus den Laien im Blick, vieles musik­fach­lich­es wird von ihm näm­lich gut und knapp erk­lärt, die fach­lichen Voraus­set­zun­gen hält er aus­ge­sprochen niedrig: Selb­st eigentlich banale Dinge wie das Transponieren oder vom-Blatt-Spie­len erk­lärt er mehrfach (aber wer eine Vir­tu­osen- & Kom­pon­is­ten­bi­ogra­phie liest, wird solch ele­mentare Sachver­hal­ten doch wohl unge­fähr parat haben …). Das sieht dann z.B. mal so aus:

 

1834 begeg­nete Liszt der Schrift­stel­lerin George Sand (nom de plume für Aurore Dude­vant), ein­er Frau, deren Klis­chee­bild in der Nach­welt, beson­ders der deutschen, recht unfre­undlich ist: als hosen­tra­gende, zigar­ren- und män­nerver­schlín­gende Emanze, die viele schlechte Romane geschrieben hat und nur als Pflegerin-Muse des unglück­lichen Chopin in Erin­nerung bleibt. (Eine der mit steter Regelmäßigkeit auf­tauchen­den Kul­turver­anstal­tun­gen in deutschen Städten heißt “Ein Win­ter auf Mal­lor­ca”, mul­ti­me­di­al gestal­tet mit ein­er Lesung aus Sands gle­ich­namigem Buch, mit Licht­bildern und mit Chopins Musik — darunter natür­lich das “Regen­tropfen-Prélude”, das freilich als solch­es nur in der pop­ulären Über­liefer­ung iden­tifizier­bar scheint …) Sand und Chopin lern­ten sich übri­gens bei Liszt ken­nen. Der Win­ter auf Mal­lor­ca 1838/1859, worunter man sich heute vielle­icht etwas “Ror­nan­tis­ches” vorstellt, war voller mehr oder weniger schreck­lich­er Erleb­nisse. (Welch selt­same Idee ja auch, mit zwei Kindern und einem Pianis­ten und Kom­pon­is­ten, Großs­tadt­men­sch und krank dazu, sich im Win­ter auf eine unwirtliche und ungastliche Insel zurück­zuziehen!) 3

 

Gut gelingt Döm­ling aber auch manch­es, vor allem die (musik-)historische Situ­ierung und Einord­nung Liszts, sein­er Konz­ert­prax­is und sein­er Kom­po­si­tio­nen. Das nimmt zar nur sehr wenig Raum ein, aber immer­hin nimmt er sich die Zeit und den Platz — gerne auch mit entsprechen­den Rück­blick­en, zu klar soll es ja nicht wer­den — zu schildern, was an Listzs Treiben Beson­der­heit oder Nor­mal­ität im 19. Jahrhun­dert war — das ist ein sehr guter Zug.

Im ganzen wirkt das aber auf mich noch arg unfer­tig, wie eine Vorstudie für ein “richtiges” Buch: Döm­ling springt fleißig hin und her, ohne das immer aus­re­ichend deut­lich zu machen, begin­nt irgend­wie immer wieder neu. Deut­lich wird das vor allem in sein­er Darstel­lung der 1830er: Liszts Konz­ertkar­riere darf hier unzäh­lige Male neu begin­nen — aber über das wie, das was und vor allem das warum erfährt man dann doch her­zlich wenig. Über­haupt, der Konz­ertkün­stler Liszt ist hier total unter­be­lichtet, ger­ade was die zeit­genös­sis­che Rezep­tion ange­ht, aber auch, was seine eigentlichen Unternehmungen bet­rifft.
Dazwis­chen, in dieser Mate­ri­al­samm­lung oder diesem Stein­bruch, ste­hen dann doch immer wieder kluge Sätze, die Ein­sicht und Ein­füh­lungsver­mö­gen ver­rat­en und den Leser wieder ver­söh­nen.4 Schade nur, dass es so wenige bleiben und dass sie so ver­streut sind. Seine Andeu­tun­gen haben aber irgend­wie Meth­ode: Das geschieht immer auf ähn­liche Weise, wie z.B. Liszts Beziehung zu Wag­n­er:

Cosi­mas detail­lierte Tage­buch­no­tate sagen dazu mehr als genug.5

Toll, dass Döm­ling das weiß. Ich hätte es auch gerne erfahren …

Mein Haupt-“Problem” bei der Lek­türe des biographis­chen Abriss­es aber: Mir scheint, er hat keine wirk­liche Deu­tung des Lebens, keine Inter­pre­ta­tion des Lebensweges — deswe­gen wirkt das so akademisch, weil er über große Teile des Textes nur die äußeren Sta­tio­nen abhan­delt, die Psy­cholo­gie des Kom­pon­is­ten aber keine (bzw. nur eine kleine) Rolle spielt. Dazu kommt dann noch eine eher ver­wun­der­liche Zurück­hal­tung, was die Beschrei­bung und/oder Analyse der Musik Liszts ange­ht — das ist oft erschreck­end und ärg­er­lich kurz, ober­fläch­lich und nichtssagend. Von einem Musik­wis­senschaftler, der sich schon länger mit Liszt beschäftigt, hätte ich ger­ade in diesem Punkt deut­lich mehr erwartet.

Also, in meinen Augen keine empfehlenswerte Biogra­phie, auch im Jubiläum­s­jahr nicht: Wer noch keine Ken­nt­nisse der Biogra­phie Liszts hat, wird sich hier­mit wohl schw­er­tun. Und warum die Süd­deutsche das empfehlenswert fand, erschloss sich mir über­haupt nicht.

Wolf­gang Döm­ling: Franz Liszt. München: Beck 2011 (Wis­sen). ISBN 978–3‑406–61195‑7. 112 Seit­en.

Show 5 foot­notes

  1. Der MGG-Artikel von Detlef Altenburg ist dur­chaus zu recht erwäh­nt, der ist schon sehr gut. Und dass Döm­ling sich bei Burg­ers Bild- und Doku­ment­band fleißig bedi­ent hat (natür­lich nur, was die Texte ange­ht, Bilder gibt es in dieser Rei­he ja nicht), merkt man im Text deut­lich.
  2. Ich kenne mich da nicht wirk­lich aus — aber Döm­ling ist ja mit Werk­analy­sen oder wenig­stens ‑beschrei­bun­gen auch ärg­er­lich extrem zurück­hal­tend.
  3. S. 34f. — so ste­ht das wirk­lich mit­ten in ein­er Liszt-Biogra­phie. Und das ist nicht die einzige der­ar­tige Stelle, solche und ähn­liche Seit­en­hiebe gibt es unzäh­lige …
  4. Zum Beispiel die weni­gen, knap­pen, aber m. E. sehr genau tre­f­fend­en Sätze zur Heimat-Idee Liszts, zu sein­er Beziehung zu Ungarn — das hätte dur­chaus Poten­zial zur Ausar­beitung gehabt …
  5. Und damit ist Döm­ling auch fast am Ende sein­er knappe Schilderung der Begeg­nung Wag­n­er-Liszt im Win­ter 1882/83, S. 100.

Redlichkeit und so weiter

Dass es der liebe Herr zu Gut­ten­berg manch­mal nicht allzu genau nimmt, merkt man sein­er Poli­tik ja dur­chaus an. Dass er damit aber schon vorher ange­fan­gen hat, ist dann doch neu. Und beschäftigt heute viele: Meine Blogroll ist voll von kurzen und weniger kurzen, detail­lierten und grund­sät­zlichen, bösen und abwä­gen­den Über­legun­gen und Kom­mentaren zum Pla­giats­dok­tor und sein­er Dis­ser­ta­tion.

Doku­men­ta­tio­nen der geheimen Abschreiberei:

da müsste man eigentlich gar nichts mehr sagen müssen …

korrelation oder kausalität

für alle, die den unter­schied noch nie ver­standen haben (und das sind mein­er erfahrung nach erstaunlich viele …):

korrelation oder kausalität

kor­re­la­tion oder kausal­ität

ich helfe wissenschaftlern ja gerne …

… aber wenn ich dann so einen frage­bo­gen wie den der gram­matik­be­nutzer­forschung (immer­hin in zusam­me­nar­beit mit dem duden-ver­lag) vor mir habe, zwei­fle ich doch manch­mal, ob man sich nicht kon­se­quent ver­weigern sollte. wofür braucht man z.b. bei einem frage­bo­gen im netz (schon die nomen­klatur zeigt ja an, dass hier jemand was nicht ver­standen hat …) eine druck­vorschau? und wieso kann man nicht prim­i­tivste progam­mierungsken­nt­nisse ein­beziehen und die möglichkeit­en nutzen, fra­gen entsprechend den bere­its gegebe­nen antworten zu selek­tieren anstatt das auch noch den beant­wortern aufzubür­den? so schafft man sich doch nur mas­sig fehler­hafte daten­sätze …

und es kommt noch bess­er: klickt man nach dem aus­füllen auf “senden”, so erscheint — ein leere seite. klasse.

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