Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: lyrik Seite 11 von 14

Ins Netz gegangen (19.6.)

Ins Netz gegan­gen (17.6.–19.6.):

  • Die Jour­na­lis­mus-Kata­stro­phe | Dr. Mut­ti – Die Jour­na­lis­mus-Kata­stro­phe (via Published artic­les)
  • Mus­ter­er­ken­nung: Für Algo­rith­men ist jeder ver­däch­tig | ZEIT ONLINE – Kai Bier­mann ord­net das Pro­blem von Über­wa­chungs­me­cha­nis­men wie Prism in der „Zeit“ rich­tig ein:

    Wer nichts zu ver­ber­gen hat, hat nichts zu befürch­ten? Nein, das ist eine Lüge. Denn weil die zugrun­de lie­gen­den Hand­lun­gen so all­täg­lich und die dar­aus gewo­be­nen Mus­ter so kom­plex sind, kann sich nie­mand die­ser Ras­te­rung ent­zie­hen. Es ist unmög­lich, bewusst fried­lich zu leben, um dem Staat und sei­ner Neu­gier aus dem Weg zu gehen. An sich harm­lo­se Ver­hal­tens­wei­sen kön­nen genü­gen, um über­wacht und ver­folgt zu wer­den. Es reicht, ähn­li­che Din­ge getan zu haben, wie ein Ver­bre­cher.

  • Jour­na­lis­ten in Ber­lin – Du kommst hier nicht rein – Süddeutsche.de – Ein selt­sa­mer Text von Ruth Schnee­ber­ger – irgend­wie beschwert sie sich, dass die Pro­mis auf Par­tys nicht mit den Jour­na­lis­ten reden wol­len – und scheint das schlimm zu fin­den, weil das doch irgend­wie das Recht der Jour­na­lis­ten ist … Aber die „schö­nen“ Bil­der nut­zen die Medi­en dann doch ger­ne …

    Der Trend in der Ber­li­ner Blitz­licht­sze­ne geht zur VIP-VIP-Par­ty. Gast­ge­ber laden zu illus­tren Ver­an­stal­tun­gen, doch die wirk­lich wich­ti­gen Gäs­te wer­den irgend­wann sepa­riert.

  • Adress­comp­toir: FWF-E-Book-Libra­ry: Ein exqui­si­tes Ange­bot im Ver­bor­ge­nen – FWF-E-Book-Libra­ry: Ein exqui­si­tes Ange­bot im Ver­bor­ge­nen (via Published artic­les)
  • Wochen­ge­dicht #62: Elke Erb | Tages­Wo­che  – Rudolf Buss­mann kom­men­tiert das Wochen­ge­dicht in der Tages­wo­che, „Fol­gen“ von Elke Erb:

    Die Schluss­zei­le wäre dann als die leicht iro­ni­sche Erkennt­nis zu lesen, dass sich die Angst ver­selb­stän­digt hat und ohne kla­re Moti­ve ein­fach hin­ten­nach trot­tet – Spät­fol­ge weit zurück­lie­gen­der, im Dun­kel blei­ben­der Ursa­chen.

  • Für die­sen Text bin ich aus der SPD aus­ge­tre­ten « Mich­a­lis Pan­te­lou­ris – Für die­sen Text bin ich aus der SPD aus­ge­tre­ten (via Published artic­les)

Ins Netz gegangen (17.6.)

Ins Netz gegan­gen (15.6.–17.6.):

  • Kom­men­tar: Absur­der Rol­len­tausch in der Atom­po­li­tik – FAZ – Absurd. In der Tat. Aber das ist eben die hes­si­sche CDU-Regie­rung. Da gel­ten ein­fach ande­re Maß­stä­be …

    Als die Züge noch regel­mä­ßig den lan­gen Weg nach Gor­le­ben zurück­leg­ten, warn­te nie­mand in Hes­sen vor den damit ver­bun­de­nen Gefah­ren; viel­mehr stell­te die Regie­rung zum Schutz der Trans­por­te Poli­zis­ten, die nach der jetzt gül­ti­gen Logik aku­ter Lebens­ge­fahr aus­ge­setzt wur­den.

  • Wiki­Pe­da­lia – Wiki­pe­da­lia ist ein Pro­jekt zum Auf­bau einer fahr­rad­be­zo­ge­nen Enzy­klo­pä­die aus frei­en Inhal­ten.
  • BBC News – Why Fin­nish babies sleep in card­board boxes – Das sind die klei­nen Unter­schie­de: In Finn­land bekommt jede wer­de Mut­ter (wenn sie es möch­te) ein Box mit der Baby­erst­aus­stat­tung. In Deutsch­land bie­tet ein pri­va­tes Wirt­schafts­un­ter­neh­men – dm – ein paar Pro­zen­te Rabatt …

    And in addi­ti­on to all this, Pul­ma says, the box is a sym­bol. A sym­bol of the idea of equa­li­ty, and of the importance of child­ren.

  • „Ich heu­le ja beim Schrei­ben“ – Lite­ra­tur – DIE WELT – Frie­de­ri­ke May­rö­cker, die Gran­dio­se, im Inter­view mit Paul Jandl über ihr dem­nächst erschei­nen­des neu­es Buch: „Es geht um den Wahn­witz der Spra­che, der Leser kann einem jetzt schon leid­tun.“
  • loa­ding: Das IOC-Buch | Digi­ta­le Noti­zen – Jens Wein­reich erk­lä­te Dirk von Geh­len, war­um er sei­ne Recher­che zu den IOC-Wah­len per crowd­sour­cing finan­zie­ren möch­te. Das ist eine gute und wich­ti­ge Sache, die unbe­dingt Unter­stüt­zung erfor­dert – und für das Geld, das man dem sehr inte­gren Wein­reich vor­schießt, bekommt man ja auch etwas …

Aus-Lese #4

Ulf Stol­ter­foht: holz­rauch über hes­lach. Basel, Weil am Rhein: Urs Enge­ler Edi­tor 2008. 122 Sei­ten.

Eine Schan­de, dass ich das erst jetzt lese – irgend­wie hat sich das immer wie­der in mei­nem Sta­pel unge­le­se­ner Bücher ver­steckt. Dabei bin ich ein gro­ßer Bewun­de­rer und Schät­zer der Stolterfoht’schen Dicht­kunst, sei­ne „fachsprachen“-zyklen habe ich mit gro­ßer Begeis­te­rung gele­sen. holz­rauch über hes­lach ist denen ganz ähn­lich, und doch ganz anders: In stren­gen, metrisch kla­ren sechs-ver­si­gen Stro­phen, auf­ge­teilt in neun Tei­le zu 36 Stro­phen (und einen kur­zen Pro­log), schreibt Stol­ter­foht ein Por­trät des Ört­chens Hes­lach. Oder lässt schrei­ben, denn wie gewohnt nutzt er eine Mischung aus ecri­tu­re auto­ma­tique, mas­sivs­ter Inter­tex­tua­li­tät, Zita­ten und Allu­sio­nen, gepaart mit einer unbän­di­gen deskrip­ti­ven Phan­ta­sie – das ist sehr ein­drück­lich und fas­zi­nie­rend. Und wer einen Text unter ein Mot­to aus Klaus Hof­fers Bei den Bie­resch-Roma­nen stellt, der hat bei mir sowie­so fast schon gewon­nen. Zu Recht ist das von der Kri­tik ein „eth­no­lo­gi­sches“ Gedicht genannt wor­den. Denn genau das macht Stol­ter­foht: Er nimmt den eth­no­lo­gi­schen Stand­punkt ein und fin­det dafür, für sei­ne Beschrei­bung der Wirk­lich­keit (s)einer Jugend in Hes­lach in den 1970er Jah­ren, eben eine eige­ne poe­ti­sche Spra­che, so dass Inhalt und Form zu einer fas­zi­nie­ren­den Deckung kom­men. Wenn schon auto­bio­gra­phi­sches Schrei­ben, dann bit­te doch so.

Timur Ver­mes: Er ist wie­der da. Der Roman. Köln: Eich­born 2012. 396 Sei­ten.

Nun ja, auch wenn (fast) alle begeis­tert sind: Ich fand das nur mäßig – mäßig über­ra­schend, mäßig ori­gi­nell, mäßig lus­tig. Natür­lich ist die Idee ganz nett und erst­mal auch wit­zig, Hit­ler im Herbst 2011 aus einer Art Schlaf nach dem miss­glück­ten Selbst­mord­ver­such mit Kopf­schmer­zen auf­wa­chen zu las­sen, ihn auf die ver­än­der­te Gegen­wart mit ihren neu­en Medi­en und Gewohn­hei­ten tref­fen zu las­sen. Aber da wird es schon schwie­rig: Die­ses Auf­ein­an­der­tref­fen ist schon nicht so span­nend und komisch (oder wenigs­tens tra­gisch), wie es hät­te sein kön­nen und eigent­lich müs­sen. Dass Hit­ler dann als schein­bar per­fek­ter Komö­di­ant gleich beim Fern­se­hen lan­det, ist auch eine net­te Idee. Aber die Leu­te und das Gesche­hen beim Fern­se­hen ist schon wie­der so ober­fläch­lich und banal geschil­dert, dass es nicht ein­mal die Ober­fläch­lich­keit und Bana­li­tät des Fern­se­hens abbil­den kann. Und so geht das halt dann wei­ter – zum „lite­ra­ri­schen Kabi­nett­stück ers­ter Güte“, dass der Umschlag ver­heißt, ist da noch ein gutes Stück Weg …

Arnold Stad­ler: Mein Stif­ter. Por­trait eines Selbst­mör­ders in spe und fünf Pho­to­gra­phien. Mün­chen: btb 2009. 196 Sei­ten.

Das ist auch so ein selt­sa­mes Büch­lein. Stad­ler, der ja als Roman­cier sogar den Georg-Büch­ner-Preis bekam (auch wenn ich nie so recht ver­stand, war­um), schickt sei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit Adal­bert Stif­ter vor­sichts­hal­ber eine „Notiz“ vor­an. Da heißt es:

Dies ist kein Sach­buch, son­dern eine – viel­leicht son­der­ba­re – Lie­bes­er­klä­rung. […] Es ist ein Ver­ge­gen­wär­ti­guns­ver­such von einem, der selbst schreibt, Roma­ne und so wei­ter. Der Ver­such einer Lie­bes­er­klä­rung, ein Essay.

Und das ist es auch, da hat er schon recht. Dabei ist es aber nicht nur viel­leicht, son­dern wirk­lich son­der­bar und selt­sam. Er berich­tet von sei­ner Lek­tü­re und vom Leben Stif­ters – aber immer unge­heur sprung­haft und wie unkon­zen­triert wir­kend. Klu­ge Beob­ach­tun­gen, vor allem zu Stif­ters rei­hen sich mit Bana­li­tä­ten, Ein­sich­ten ver­ste­cken sich im Geschwa­fel. Das mag etwas hart klin­gen, aber Stad­ler nutzt die Frei­heit der Form „Essay“ ziem­lich aus – für mäan­dern­den und repe­ti­ti­ve Bruch­stü­cke, die in der Sum­me mehr über Stad­ler als über Stif­ter erzäh­len. Wie immer geht das natür­lich nicht ab ohne den Ver­weis auf sei­ne Her­kunft und sein Koket­tie­ren mit der Reli­gi­on bzw. der katho­li­schen Kir­che – für mich blieb das eher uner­gie­big und auch ein wenig freud­los: Von Lie­be (zu Stif­ter) ist nur hin und wie­der etwas zu spü­ren.

Kon­stan­tin Ames: sTiL.e(ins) Art und Welt­wa­isen. Ber­lin und Solo­thurn: rough­books 2012 (rough­book 024). 112 Sei­ten mit CD.

Ames ist ein Genie – ein Genie, das sich (so ist mein Ein­druck bis­her) nicht immer ganz im Griff hat: Vie­les ist ein­fach groß­ar­tig, auch hier, in sTiL., man­ches aber auch manie­ris­tisch und auf­ge­setz und ner­vig. Aber, davon bin ich ja fel­sen­fest über­zeugt, das Schei­tern gehört zum Gelin­gen immer dazu: Nur wer den Unter­gang wagt, kann den Gip­fel errei­chen. Jeden­falls: Mir macht sol­che Poe­sie gro­ßen Spaß – mehr dazu im pas­sen­den Blog­ein­trag.

sTiL. und Spiel

Es ist immer ein schö­ner Tag, wenn die Post so einen unschein­ba­ren grau­en Umschlag aus Solo­thurn bringt. Denn dar­in ver­steckt sich immer ein gro­ßes Lese­er­leb­nis (wirk­lich, bis jetzt war das immer so!). Und die­ses Mal ist beim neu­en Lyrik­band sTiL.e(ins) Art und Welt­wa­isen von Kon­stan­tin Ames sogar noch eine CD dabei – das ist also ein mul­ti­me­dia­les Erleb­nis …

Die Vor­freu­de ist also gleich mehr­fach hoch: Die rough­books sind eigent­lich (fast) immer eine span­nen­de Lek­tü­re. Und gele­se­ne Lyrik ist eben­falls ein Fas­zi­no­sum. Und schließ­lich ist Kon­stan­tin Ames ein Dich­ter, der viel ver­heißt.

Als Leser bleibt er aber sprö­de, fin­de ich: Mir sind sei­ne Tex­te näher, wenn ich sie vor mir sehe – vor allem, weil ich dann halt mein Tem­po selbst bestim­men kann. Und das ist oft wesent­lich lang­sa­mer als die Lese­ge­schwin­dig­keit von Ames.

Denn sei­ne Gedich­te brau­en Zeit. Ames ist ein Sprach­jon­gleur, der sei­ne Art des Sprach­spiels, manch­mal auch der Spie­le­rei­en immer mehr per­fek­tio­niert. Vor­aus­set­zung ist zunächst ein­mal ein bewuss­tes Mei­den der Nor­ma­li­tät. Oder zumin­dest unter­nimmt er kei­ne Anstren­gung, in kon­ven­tio­nel­le Ras­ter ein­zu­pas­sen – höchs­tens eben im Spiel, etwa mit den manch­mal auf­tau­chend­ne Bin­nen- oder End-Rei­men.

Ames also als Sprach­spie­ler vor dem Her­ren: Er klopft die Spra­che ab, bohrt und quetscht, sucht die Dop­pel­deu­tig­kei­ten (und ist sich auch für Kalau­er nicht zu scha­de), häm­mertt an die ver­steck­ten Türen, kriecht in die Fal­ten, taucht in die Tun­nel … Und immer geht es dar­um: Was steckt eigent­lich in der – unse­rer – Spra­che? Und was dahin­ter? Viel­leicht ist das wirk­lich dekon­stru­ie­ren­de Dich­tung (gibt es so etwas eigent­lich über­haupt?): Ames nimmt aus­ein­an­der, trennt und ana­ly­siert, split­tet und reißt an den Wor­ten, den Fügun­gen, den Sät­zen. Nicht immer kommt dann dabei „etwas“ her­aus, nicht immer ensteht dabei etwas Neu­es. Das muss es aber ja auch gar nicht: Es geht ja zunächst ein­mal dar­um, Bewusst­sein zu schaf­fen, Auf­merk­sam­keit auf das Ver­bor­ge­ne zu len­ken.

Dazu gehört vor allem, die Viel­schich­tig­keit der Spra­che zu offen­ba­ren. Viel­leicht des­halb sind die­se Gedich­te immer in Bewe­gung, ken­nen kei­ne Ein­kehr oder Kon­tem­pla­ti­on, son­dern nur ein „fort“, ein „vor­wärts“ und ein „zurück“ – die Rich­tung scheint bei­na­he egal, so lan­ge die Bewe­gung nicht ins Sto­cken gerät. Und das ver­langt auch, nicht nur mit Asso­zia­tio­nen und Destruk­ti­on sowie Dekon­struk­ti­on von Wör­tern und Sät­zen zu spie­len, son­dern auch abzu­tau­chen in die Sozio­lek­te und Dia­lek­te von heu­te und von frü­her – genau­so grö­ßen­wahn­sinng wie sich das hier als Pro­gramm liest ist es auch manch­mal. Aber ohne Grö­ßen­wahn­sinn ja auch kei­ne gro­ße Kunst … Die Kunst zumin­dest man­cher die­ser Gedicht, könn­te man viel­leicht auch sagen, besteht dann aber dar­in, die­ses auf­de­cken­de (oder zer­stö­ren­de) Spiel in Sze­nen, Abläu­fen, Erzäh­lun­gen, Geschich­ten zu ermög­li­chen. Oder ermög­li­chen erst die­se Ver­läu­fe das Spiel? Ich weiß nicht mehr, wo vorn oder hin­ten ist, was Anfang oder was Ende, was Grund und was Fol­ge … – herr­lich!

Kon­stan­tin Ames: sTiL.e(ins) Art und Welt­wa­isen. Ber­lin und Solo­thurn: rough­books 2012 (rough­book 024). 112 Sei­ten mit CD.

Aus-Lese #3

Tho­mas Bern­hard: Argu­men­te eines Win­ter­spa­zier­gän­gers. Und ein Frag­ment zu „Frost“: Leicht­le­big. Her­aus­ge­ge­ben von Rai­mund Fellin­ger und Mar­tin Huber. Ber­lin: Suhr­kamp 2013. 147 Sei­ten.

Ich glau­be, das ist nur etwas für aus­ge­spro­che­ne Bern­hard-Fans. Auf jeden Fall ist es inter­es­sant, sol­che Über­res­te aus der Werk­statt des Schrift­stel­lers zur Kennt­nis neh­men zu kön­nen. Als ers­tes auf­ge­fal­len ist mir aller­dings das fei­ne Papier, das sich Suhr­kamp hier geleis­tet hat ;-). Und sehr schön auch, dass die fast 30 Sei­ten Typo­skript von „Leicht­le­big“ als Fak­si­mi­le hin­zu­ge­fügt wur­den – auch wenn sie so ver­klei­nert sind, dass sie wirk­lich gera­de noch so zu lesen sind. Wäh­rend „Argu­men­te eines Win­ter­spa­zier­gän­gers“ mir noch recht unfer­tig vor­kommt, wie eine frühe/​erste Ver­si­on erscheint, ist „Leicht­le­big“ schon recht weit aus­ge­ar­bei­tet – und in gewis­ser Wei­se schon ein typi­scher Bern­hard-Text.

Wil­li Jas­per: Zau­ber­berg Riva. Ber­lin: Matthes & Seitz 2011. 271 Sei­ten.

Wil­li Jas­per schrieb hier eine Lite­ra­tur­ge­schich­te der eige­nen Art: Die Geschich­te der Lite­ra­tur und der Lite­ra­ten eines Ortes – eines rea­len (Riva am Gar­da­see) und eines imaginären/​symbolischen (das Sana­to­ri­um). Das ist stel­len­wei­se eine fas­zi­nie­ren­de Mischung aus Lite­ra­tur- und all­ge­mei­ner Kul­tur­ge­schich­te der ers­ten bei­den Jahr­zehn­te des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts, weil es Strän­ge der Geschich­te zusam­men­führt, die sonst eher fern von­ein­an­der blei­ben: Zum Bei­spiel ver­eint die­ser Ort Zau­ber­berg Riva neben Tho­mas und Hein­rich Mann auch Franz Kaf­ka, Sig­mund Freud, Her­mann Suder­mann, Chris­ti­an Mor­gen­stern und ande­re. Manch­mal hängt Jas­per aber auch ein­fach in einer Beschrei­bung (über­haupt ist das eher deskrip­tiv als ana­ly­sie­rend) bestimm­ter Lebens­ab­schnit­te bestimm­ter Autoren fest – z.B. Hein­rich Mann, mit dem er sich sehr gut aus­kennt.
Natür­lich spielt auch die Neur­asthe­nie eine ent­spre­chend gro­ße Rol­le – dafür, für die­se „Mode“-Krankheit des frü­hen zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts, der nerv­li­chen Erschöp­fung ange­sichts der rasen­den Zeit und der rasen­den Umstän­de der Moder­ne, waren die Sana­to­ri­en unter ande­rem ja gera­de „zustän­dig“ – als eine Art Erho­lungs­heim, eine Auf­he­bung des gewöhn­li­chen Lebens mit sei­nen mora­li­schen und gesell­schafl­ti­chen Pflich­ten und Zwän­gen, eine Zeit der (tem­po­rä­ren) Befrei­ung und Auf­he­bung. Scha­de nur, dass er gera­de dies, den eigent­li­chen Ort, immer wie­der über län­ge­re Stre­cken etwas aus den Augen ver­liert und dann nur noch „nor­ma­le“ Lite­ra­tur­ge­schich­te ist. Ein beein­dru­cken­des Pan­ora­ma, das eben über die eigent­li­che Lite­ra­tur hin­aus­geht, aber doch nicht nur blo­ße Kul­tur­ge­schich­te ist, ist Zau­ber­berg Riva den­noch – und gera­de dar­in, in sei­nem eige­nen Blick, aus­ge­spro­chen anre­gend.

Paul Bogaert: Der Soft-Sla­lom. Her­aus­ge­ge­ben und über­setzt von Chris­ti­an Filips. Leu­ven u.a., rough­books 2013 (=rough­book 027). 65 Sei­ten.

Cra­zy, was der Bel­gi­er Bogaert da geschaf­fen hat – das liegt ja nahe, wenn man den Über­set­zer als Lyri­ker schon kennt …
Der Soft-Sla­lom ist eine Art erzäh­len­der Gedicht­zy­klus in num­me­rier­ten Kapi­teln und Ein­zel­ge­dich­ten, die sehr nahe an der Pro­sa sind/​bleiben (zumin­dest in der deut­schen Ver­si­on, die flä­mi­sche kann ich nun lei­der nicht beur­tei­len, auch wenn das rough­book bei­de Spra­chen bie­tet), in sprach­li­cher Hin­sicht spie­le­risch und ver­spielt. Inhalt­lich bleibt mir das meis­te kryp­tisch – was viel­leicht nur teil­wei­se an den Tex­ten selbst liegt:

Heu­te müs­sen Namen erdacht wer­den,
damit wir spä­ter einen übrig haben.
[…] Spä­ter erst, viel spä­ter, als all das neu­tra­li­siert ist,
der Soft-Sla­lom, na, ist das was,
da umfasst mich, tau­ber inzwi­schen
und blin­der, super­sacht
eine Umar­mung von hin­ten

„Hast du die­sen Satz ver­stan­den?“, heißt es ein­mal, und: „Kommt das gut? Ergreift es dich?“ Das ist tat­säch­lich die Fra­ge, die sich mir bei der Lek­tü­re die­ser Gedich­te beson­ders deut­lich stellt: Habe ich das ver­stan­den? Bedeu­tet (mir) das etwas? Doch mit­ten­drin ver­ste­cken sich auch ein­fach schö­ne Momen­te hier drin (zumin­dest ver­ste­cken sie sich für mich oder vor mir .…):

Es herrscht Tru­bel
und mit­ten­drin bemerkst du
eine Mani­fes­ta­ti­on. Fühlst du, wie
die Situa­ti­on
sich zu bewe­gen beginnt?

Rai­ner Stoll­mann: Die Ent­ste­hung des Schön­heits­sinns aus dem Eis. Gesprä­che über Geschich­ten mit Alex­an­der Klu­ge. Ber­lin: Kad­mos Kul­tur­ver­lag 2005. 154 Sei­ten.

Alex­an­der Klu­ge erklärt im Gespräch mit Rai­ner Stoll­mann die Geschich­ten aus sei­nem Band „Die Lücke, die der Teu­fel läßt“ (2003) – und zugleich sich selbst und vor allem die gan­ze Welt. Wie immer bei Klu­ge-Gesprä­che ist das klug und meist ein­leuch­tend, nicht sel­ten über­ra­schend, weil Klu­ge Fak­ten aus allen Wis­sens­ge­bie­ten auf unge­wohn­te Ver­bin­dun­gen abklopft und auch noch Ver­bin­dun­gen sieht oder zieht, wo ich beim bes­ten Wil­len kei­ne (mehr) sehen kann. Manch­mal ist das in dem etwas bes­ser­wis­se­ri­schen Ges­tus des Alles-Durch­schau­ers aber durch­aus auch etwas ner­vend. Doch das Gefühl habe ich bei Klu­ge öfters …

Ins Netz gegangen (1.6.)

Ins Netz gegan­gen (29.5.–1.6.):

  • Mau­ert Luther nicht ein! – DIE WELT – Der His­to­rik Heinz Schil­ling ist mit den bis­he­ri­gen Vor­be­rei­tun­gen des Refor­ma­ti­ons-Jubi­lä­ums 2017 nicht so ganz zufrie­den …

    Die Kluft zwi­schen gegen­warts­ori­en­tier­tem Ver­kün­di­gungs­be­geh­ren und Ver­lan­gen nach his­to­ri­scher wie bio­gra­fi­scher Tie­fen­boh­rung ist zu über­brü­cken, will das Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­um nicht unter das hohe Niveau der auf das 20. Jahr­hun­dert bezo­ge­nen Gedenk­kul­tur unse­res Lan­des zurück­fal­len. Es geht um die eben­so simp­le wie fol­gen­rei­che Fra­ge, wie viel Wis­sen­schaft das Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­um braucht und wie viel Wis­sen­schaft es ver­trägt. Denn nur auf einer soli­den his­to­ri­schen Basis ist eine nach­hal­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zung mit dem „pro­tes­tan­ti­schen Erbe“ in der euro­päi­schen Neu­zeit und glo­ba­len Moder­ne mög­lich.

  • „Es muss ja nicht alles von mir sein“ – DIE WELT – Lite­ra­tur – Frank Kas­par besucht Moni­ka Rinck und lässt sich von ihr erklä­ren und zei­gen, wie man heu­te Gedich­te schreibt, ohne pein­lich und ner­vend zu sein (was ihn anschei­nend ziem­lich über­rascht, dass das geht …):

    Wer in Moni­ka Rincks Tex­te ein­taucht, dem schwirrt bald der Kopf vor lau­ter Stim­men und Spra­chen, die dort frei zusam­men­schie­ßen. Deutsch, Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch und Pfäl­zisch, inne­re tref­fen auf äuße­re Stim­men, rhyth­misch Aus­ge­feil­tes auf bewusst gesetz­te Brü­che, Sprün­ge, Aus­ru­fe: Ha! Ach so! Hoho­ho! Die „Gischt der wirk­li­chen gespro­che­nen Spra­che“, die Wal­ter Ben­ja­min an Alfred Döb­lins Mon­ta­ge-Roman „Ber­lin Alex­an­der­platz“ so begeis­tert hat, gur­gelt zwi­schen den Zei­len und macht das Gewe­be leben­dig und beweg­lich.

  • Emme­rich Joseph von Breid­bach zu Bür­res­heim: Vor­kämp­fer der katho­li­schen Auf­klä­rung – FAZ -

    Emme­rich Joseph von Breid­bach zu Bür­res­heim, auch bekannt unter dem Spitz­na­men „Breit­fass von Schüt­tes­heim“ – angeb­lich trank er zu jeder Mahl­zeit sechs Maß Rhein­wein. Emme­rich galt als offen­her­zig und volks­nah, obwohl sei­ne Ansich­ten so gar nicht in Ein­klang mit dem wun­der­gläu­bi­gen Barock-Katho­li­zis­mus der kon­ser­va­ti­ven Land­be­völ­ke­rung stan­den. Er las Vol­taire und Dide­rot, wur­de schließ­lich zum bedeu­tends­ten Herr­scher der katho­li­schen Auf­klä­rung. Beson­ders sei­ne Schul­re­form wirk­te nach­hal­tig. Letzt­lich schuf die Ratio­na­li­sie­rung des Kur­main­zer Aus­bil­dungs­sys­tems die Grund­la­ge für die Revo­lu­ti­on in der Dom­stadt.

    Dass die Main­zer den Wein lie­ben, ist also nichts Neu­es …

  • Lebens­mit­tel­spe­ku­la­ti­on in der Frü­hen Neu­zeit – Wie Wet­ter, Grund­herr­schaft und Getrei­de­prei­se zusam­men­hin­gen | Die Welt der Habs­bur­ger – Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on ist kei­ne Erfin­dung und auch nicht nur ein Pro­blem des 21. Jahr­hun­derts – wer hät­te es gedacht .…:

    Die Preis­stei­ge­run­gen waren jedoch nicht nur auf Wet­ter­ka­prio­len zurück­zu­füh­ren, auch das Ver­hal­ten der welt­li­chen und kirch­li­chen Grund­her­ren trug maß­geb­lich zum Anstieg der Getrei­de­prei­se bei.

  • »Wie ein Rausch« | Jüdi­sche All­ge­mei­ne – Ein Inter­view mit dem Kla­vier­duo Tal & Groe­thuy­sen über Wag­ner, Alfred Pringsheim und Isra­el:

    Dar­in liegt auch die Leis­tung des Bear­bei­ters. Er steht ja stän­dig vor gro­ßen Fra­gen: Wie tei­le ich das auf? Wie kann ich mög­lichst viel vom Ori­gi­nal unter­brin­gen, sodass es plas­tisch ist, aber nicht über­la­den? Aber auch pia­nis­tisch rea­li­sier­bar? Und es hat sich her­aus­ge­stellt, dass Alfred Pringsheim, der eigent­lich Auto­di­dakt war, mit die inter­es­san­tes­ten und auch pia­nis­tischs­ten Lösun­gen gefun­den hat.

    Schön auch der Schluss­satz: „Und was Wag­ner angeht, sind wir jetzt wie­der für eine Wei­le bedient.“ – ich glau­be, das gilt nach die­sem Jahr für alle …

  • Adress­comp­toir: Auf der Suche nach Grill­par­zer – Hein­rich Lau­be irrt durch Wien:

    Grill­par­zer, wo bin ich über­all hin­ge­ra­then, um Dich zu finden!—erster Hof, zwei­te Stie­ge, drit­ter Stock, vier­te Thür! Es wir­beln mir noch die Beschrei­bun­gen im Kop­fe. Nach einer vor­mit­täg­li­chen Such­jagd stand ich end­lich in einer schma­len, öden Gas­se vor einem gro­ßen schweig­sa­men Hau­se

    Grill­par­zers über­ra­schend beschei­de­ne Woh­nung kann man übri­gens im städ­ti­schen Wien-Muse­um besich­ti­gen.

Lob des Internets

… ach, wie gut, dass es das Inter­net gibt! Ohne die Lyrik­zei­tung und ohne Fix­poet­ry zum Bei­spiel (neben eini­gen ande­ren, die ich mal alle auf­lis­ten müss­te …) wür­de ich bestimmt höchs­tens halb so viel Gedich­te lesen (die dann übri­gens noch ganz alt­mo­disch off­line und auf Papier zu mir kom­men) – in den Feuil­le­tons gibt es ja fast kei­ne Bespre­chun­gen von Lyrik­bän­den (mehr) … Vor allem die Lyrik­zei­tung („Lyrik­zei­tung & Poet­ry News – News that stay news: spread ‚em!“) ist ja gera­de­zu unheim­lich in ihrem Fleiß, mit dem sie bemer­kens­wer­te und ver­streu­te Lyrik-Sich­tun­gen und ‑Bespre­chun­gen im Inter­net sam­melt und ver­brei­tet. Und wie viel wür­de mir ohne das alles feh­len!

Aus-Lese #2

Wolf­gang Matz: Adal­bert Stif­ter oder Die­se fürch­ter­li­che Wen­dung der Din­ge. Mün­chen: Han­ser 1995, 406 Sei­ten.

Eine der schlech­tes­ten (Dichter-)Biographien über­haupt, die ich je gele­sen habe (okay, das ist nicht unbe­dingt mei­ne Sache). Matz nimmt die Bio­gra­phie eigent­lich nur zum Anlass, mög­lichst aus­führ­lich und aus­schwei­fend über die Erzäh­lun­gen Stif­ters zu schrei­ben – und die voll­ends bio­gra­phisch erklä­ren zu wol­len. Das klappt natür­lich alles vor­ne und hin­ten nicht, des­we­gen wird mun­ter und wild drauf los spe­ku­liert. Eine sehr unan­ge­neh­me Sache, das – Bio­gra­phis­mus ist ja sowie­so schon eine – mei­nes Erach­tens – gefähr­li­che Sache vol­ler Fall­stri­cke, hier ist sie jeden­falls voll­ends miss­glückt: Weder das Leben noch das Werk wird so ver­ständ­lich oder erklärt. – Eine Bio­gra­phie, die das Bio­gra­phi­sche mei­det, weil sie lie­ber im Werk sich tum­melt – ohne das aber wesent­lich auf­hel­len zu kön­nen, weil sie es wie­der nur aus dem Bio­gra­phi­schen (bzw. ein bis zwei Moti­ven, die sich dar­aus erge­ben) zu ver­ste­hen ver­sucht, und zwang­haft wil­de Fol­ge­run­gen anstellt …

Carl Schmitt: Römi­scher Katho­li­zis­mus und poli­ti­sche Form. 5. Auf­la­ge. Stutt­gart: Klett-Cot­ta 2008 [1923]. 65 Sei­ten.

Semi­nar­lek­tü­re ;-). Aber nicht unspan­nend: Schmitts Pan­ora­ma der euro­päi­schen Gei­ste­ge­schich­te (ab dem Mit­tel­al­ter) und der katho­li­schen Kir­che als com­ple­xio oppo­si­torum. Typisch Schmitt, setzt das mit einem Pau­ken­schlag ein: „Es gibt einen anti-römi­schen Affekt.“ (5) Dar­aus speist und dazu führt dann der gan­ze fol­gen­de Text: Zu zei­gen, dass es der römi­schen Kir­che als com­ple­xio oppo­si­torum gelingt, gegen­über den welt­li­chen Dif­fe­ren­zen der Ideo­lo­gien und Unter­schie­den und Ver­än­de­run­gen durch die Jahr­hun­der­te gewis­ser­ma­ßen gelas­sen oder absor­bie­rend zu blei­ben (Schmitt nennt das die „Elas­ti­zi­tät“ der Kir­che), wor­aus sich – mit ihrer unge­heu­re­ren hier­ar­chi­schen Struk­tur – die „unfass­ba­re poli­ti­sche Macht“ (6) der katho­li­schen Kir­che sich speist. Sehr inter­es­sant sind dann gegen Ende auch sei­ne Über­le­gun­gen zur Reprä­sen­ta­ti­on und deren Feh­len in der moder­nen Gesell­schaft und im moder­nen Staat (auch wenn ich die Fol­ge­run­gen Schmitts nicht unbe­dingt tei­le).

Johann Chris­ti­an Gün­ther: Wer­ke. Her­aus­ge­ge­ben von Rei­ner Böhl­hoff. Frank­furt am Main: Deut­scher Klas­si­ker Ver­lag 1998 (Biblio­thek der Frü­hen Neu­zeit, Band 10) 1596 Sei­ten.

Kreuz-und-quer-Lek­tü­re eini­ger Gedich­te. Die komemn – das scheint mir im Moment typisch für Gün­ther – in der Regel eher „tra­di­tio­nell“ oder tra­di­ti­ons-kon­form daher, ver­ste­cken in einer geschick­ten Dop­pel­bö­dig­keit aber oft genug gera­de ein Spiel mit den tra­di­tio­nel­len For­men und Topoi, oft in einer kri­ti­schen oder sati­ri­schen Hal­tung. Sehr span­nend das, auch weil die Gedich­te aus dem Kanon wei­tes­ge­hend ver­schwun­den sind oder sich höchs­tens als ein­zel­ne Exem­pla­re, aber nicht als inte­gra­les Werk eines Autors dort noch zei­gen (Gün­ther ist auch als Mensch offen­bar – so weit wir das bei der eher mäßi­gen Quel­len­la­ge heu­te noch sagen kön­nen – eine sehr inter­es­san­te Gestalt gewe­sen …).

außer­dem noch ein biss­chen Stif­ter und Schnitz­ler …

Ins Netz gegangen (25.5.)

Ins Netz gegan­gen (22.5. – 25.5.):

  • Giro d’I­ta­lia 1988: Als star­ke Män­ner wein­ten – Über­sicht Nach­rich­ten – NZZ.ch – Die NZZ erin­nert an eine Etap­pe des Giro vor 25 Jah­ren, in der die Sport­ler (bei­na­he) im Schnee ste­cken blie­ben und hat dazu eini­ge Stim­men der Rad­fah­rer gesam­melt – zum Bei­spiel Andy Hamps­ten:

    Spä­ter im Auf­stieg war’s so weit: Ich hör­te auf, Gott um Hil­fe anzu­fle­hen, statt­des­sen über­leg­te ich mir, ob ich mich auf einen Deal mit dem Teu­fel ein­las­sen soll­te, falls er hier und jetzt auf­tauch­te. Eine hal­be Mei­le vor dem Pass erhielt ich mei­nen Sack, der Wind blies so stark, dass ich das Velo kaum in der Spur hal­ten konn­te. Aber hät­te ich da ange­hal­ten, ich wäre wohl nie mehr wie­der los­ge­fah­ren. (…) In der Abfahrt muss­te ich erst die Brem­sen von Hand ent­ei­sen. Zum Glück war es in der Höhe eine Schot­ter­stras­se, auf der der Schnee nicht so schnell gefror wie auf Asphalt. Zuschau­er und Mecha­ni­ker rann­ten hin und her, im Unwis­sen, ob das Ren­nen über­haupt noch im Gang war. Ein Car­rera-Mecha­ni­ker trug die­sen tol­len Gore­tex-Ganz­kör­per­an­zug – was hät­te ich dafür gege­ben! Ich schau­te auf mei­ne Bei­ne, durch eine Schicht von Eis und Mas­sa­ge­öl leuch­te­ten sie knall­rot. Ich ent­schied, nicht wie­der hin­zu­gu­cken.

  • Grund­ge­setz für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land [Doc­Patch] – Die­se Web­sei­te ermög­licht das Nach­voll­zie­hen aller Ver­än­de­run­gen am Grund­ge­setz für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land seit sei­nem Inkraft­tre­ten im Jahr 1949. Es ent­hält den voll­stän­di­gen Geset­zes­text zuzüg­lich vie­ler Infor­ma­tio­nen, die damit in Ver­bin­dung ste­hen. Somit steht ein umfas­sen­des Werk zur Ver­fü­gung, die Ent­wick­lung der deut­schen Ver­fas­sung trans­pa­ren­ter zu machen.
  • Nach­ruf Sarah Kirsch: „Du bist nicht auf Erden“ | Kul­tur | ZEIT ONLINE – Sarah Kirsch war eine der bedeu­tends­ten deut­schen Lyri­ke­rin­nen. Ihr Rhyth­mus und ihr Stre­ben nach Auto­no­mie wer­den feh­len, schreibt der Schrift­stel­ler Jan Kuhl­brodt.
  • Guten­berg ePub Gene­ra­tor von Furtmeier.IT – Gene­ra­tor – Die­ser Gene­ra­tor erzeugt aus den Spie­gel Guten­berg-Büchern Datei­en im ePub-For­mat, die Sie mit den meis­ten eBook-Rea­dern pro­blem­los lesen kön­nen.

Aus-Lese #1

Elke Erb: Das Hünd­le kam wei­ter auf drein. Ber­lin, Wuisch­ke und Solo­thurn: rough­books 2013 (rough­book 028). 62 Sei­ten.

Ich bin ja ein gro­ßer Bewun­de­rer Elke Erbs. Und ich genie­ße ihre etwas ver-rück­te, manch­mal absei­ti­ge Poe­sie sehr – weil sie genau das kann, was ich an Kunst so mag: Mich berüh­ren und ver­än­dern, neue Wahr­neh­mun­gen und Kon­struk­tio­nen der Welt ermög­li­chen (ohne sie zu erzwin­gen, nur durch das Anbie­ten). Der für sei­ne lyri­sche Über­zeu­guns­ar­beit auch kaum genug zu loben­de Urs Enge­ler (den das deut­sche Feuil­le­ton ja inzwi­schen weit­ge­hend ver­ges­sen zu haben scheint, wenn mich mein Ein­druck nicht sehr täuscht …) hat genau die­ser Elke Erb anläss­lich der Ver­lei­hung des Ernst-Jandl-Prei­ses für Lyrik die­ses schma­le Bänd­chen her­aus­ge­ge­ben und den Abon­nen­ten sei­ner tol­len Buch­rei­he „rough­book“ als Geschenk gesandt. Man­ches auf die­sen 62 Sei­ten ist sehr, sehr knapp, ande­res dafür fast zum Aus­gleich rich­tig lang. Manch­mal schei­nen die weni­gen Ver­se eines Text­leins „nur“ Nota­te zu sein, manch­mal zei­gen sie ihre Er-Arbeit-ung. Jeden­falls scheint hier eine per­sön­li­che­re Dich­te­rin durch, als ich sie aus ihren anderen/​letzten Bän­den wahr­ge­nom­men habe, eine Dich­te­rin, die sich stär­ker selbst als Per­son und Indi­vi­du­um in ihre Tex­te (und deren Zen­trum) ein­bringt und dabei auch/​gerade ihr poet(olog)isches Selbst­ver­ständ­nis erkun­det und erschreibt. Jeden­falls sind hier wie­der eini­ge wun­der­bar gelun­ge­ne Bei­spie­le der Erb’schen Sprach­macht und Sprach­phan­ta­sie zu fin­den – und mehr braucht es auch gar nicht, um mich glück­lich zu machen (zumin­dest für die Lese­zeit und etwas dar­über hin­aus …)1

Peter Fisch­li, David Weiss: Fin­det mich das Glück? Köln: Ver­lag der Buch­hand­lung Walt­her König 2003. [unpa­gi­niert]

Die­se (Kunst-)Büchlein, das (m)ich nur zufäl­lig gefun­den habe – was an sich schon eine gro­ße Schan­de ist – ist ohne Zwei­fel eines der wei­ses­ten Bücher unse­rer Zeit. Oder viel­leicht gera­de mit Zwei­fel. Denn Fisch­li & Weiss fra­gen ein­fach nur.2 Das Buch besteht aus irrs­sin­nig vie­len Kar­ten – je zwei pro Sei­te – die mit wei­ßer Hand­schrift auf tief­schwar­zem Hin­ter­grund fra­gen stel­len: Phi­lo­so­phi­sche (v.a. onto­lo­gi­sche und phä­no­me­no­lo­gi­sche), auch bana­le und wit­zi­ge, tief- und flach­grün­di­ge. Vor allem unheim­lich vie­le, unheim­lich span­nen­de und berüh­ren­de (Und dazwi­schen gibt es noch ein paar (weni­ge) klit­ze­klei­ne lus­ti­ge Zeich­nun­gen …). Natür­lich füh­ren sich die Fra­gen alle letzt­lich gera­de durch ihre Kom­bi­na­ti­on und Kon­stel­la­ti­on in der qua­si-unend­li­chen Abfol­ge voll­kom­men ad absur­dum. Aber das ist eben eine schö­ne Idee, schön gemacht .…

Chris­toph Schlin­gen­sief: AC: Church Of Fear (Aus­stel­lungs­ka­ta­log Muse­um Lud­wig, Köln). Köln: Ver­lag der Buch­hand­lung Walt­her König 2005. 48 Sei­ten.

Chris­toph Schlin­gen­sief erklärt das Kon­zept, die Idee und die Rea­li­sie­rungs­ge­schich­te der „Church of Fear“ in zwei aus­führ­li­chen Inter­views. Mit eini­gen „Ori­gi­nal­do­ku­men­ten“ der „Church of Fear“ und Bil­dern des für die CoF gebau­ten Kir­chen­ge­bäu­des, die min­des­tens genau­so inter­es­sant sind …

Wiglaf Dros­te: Sprichst du noch oder kom­mu­ni­zierst du schon? Neue Sprachglos­sen. Ber­lin: Edi­ti­on Tiamat 2012 (Cri­ti­ca Dia­bo­lis 196). 192 Sei­ten.

Wiglaf Dros­te beob­ach­tet Spra­che und Spre­cher mit­samt ihren Erzeu­gern, den Spre­che­rin­nen und Schrei­be­rin­nen, sehr genau. Und er legt ger­ne den gesal­ze­nen Fin­ger auf die offe­ne Wun­de. Dass er selbst sehr bis­sig, genau und tref­fend for­mu­lie­ren kann, macht das Meckern am schlech­ten Sprach­ge­brauch der ande­ren umso inter­es­san­ter. Zumal Dros­te sich auch die eine oder ande­re Abwei­chung von der rei­nen Sprach­krik­tik – die er aber sowie­so immer als Teil der not­wen­di­gen Gesell­schaft­kri­tik und nicht als blo­ße Beck­mes­se­rei auf dem Gebiet der Spra­che emp­fin­det – erlaubt – ein ech­tes Bil­dungs­ver­gnü­gen (wie übri­gens auch David Hugen­dick in der „Zeit“ fand)!

Show 2 foot­no­tes

  1. Der Titel – Das Hünd­le kam auf drein – hat mich übri­gens erst ein­mal gründ­lich ver­wirrt – bis ich im Zusam­men­hang – er ist ein Zitat aus dem Gedicht „Iss mit Ver­stand“, wo er sei­nen Sinn von ganz allei­ne erfährt.
  2. Damit ist das übri­gens ein Buch, dass den Plan Vivi­ans aus Tho­mas Meine­ckes Tom­boy rea­li­siert: Ein Werk nur in Fra­gen abzu­fas­sen.

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