Eine Schande, dass ich das erst jetzt lese — irgendwie hat sich das immer wieder in meinem Stapel ungelesener Bücher versteckt. Dabei bin ich ein großer Bewunderer und Schätzer der Stolterfoht’schen Dichtkunst, seine “fachsprachen”-zyklen habe ich mit großer Begeisterung gelesen. holzrauch über heslach ist denen ganz ähnlich, und doch ganz anders: In strengen, metrisch klaren sechs-versigen Strophen, aufgeteilt in neun Teile zu 36 Strophen (und einen kurzen Prolog), schreibt Stolterfoht ein Porträt des Örtchens Heslach. Oder lässt schreiben, denn wie gewohnt nutzt er eine Mischung aus ecriture automatique, massivster Intertextualität, Zitaten und Allusionen, gepaart mit einer unbändigen deskriptiven Phantasie — das ist sehr eindrücklich und faszinierend. Und wer einen Text unter ein Motto aus Klaus Hoffers Bei den Bieresch-Romanen stellt, der hat bei mir sowieso fast schon gewonnen. Zu Recht ist das von der Kritik ein “ethnologisches” Gedicht genannt worden. Denn genau das macht Stolterfoht: Er nimmt den ethnologischen Standpunkt ein und findet dafür, für seine Beschreibung der Wirklichkeit (s)einer Jugend in Heslach in den 1970er Jahren, eben eine eigene poetische Sprache, so dass Inhalt und Form zu einer faszinierenden Deckung kommen. Wenn schon autobiographisches Schreiben, dann bitte doch so.
Nun ja, auch wenn (fast) alle begeistert sind: Ich fand das nur mäßig — mäßig überraschend, mäßig originell, mäßig lustig. Natürlich ist die Idee ganz nett und erstmal auch witzig, Hitler im Herbst 2011 aus einer Art Schlaf nach dem missglückten Selbstmordversuch mit Kopfschmerzen aufwachen zu lassen, ihn auf die veränderte Gegenwart mit ihren neuen Medien und Gewohnheiten treffen zu lassen. Aber da wird es schon schwierig: Dieses Aufeinandertreffen ist schon nicht so spannend und komisch (oder wenigstens tragisch), wie es hätte sein können und eigentlich müssen. Dass Hitler dann als scheinbar perfekter Komödiant gleich beim Fernsehen landet, ist auch eine nette Idee. Aber die Leute und das Geschehen beim Fernsehen ist schon wieder so oberflächlich und banal geschildert, dass es nicht einmal die Oberflächlichkeit und Banalität des Fernsehens abbilden kann. Und so geht das halt dann weiter — zum “literarischen Kabinettstück erster Güte”, dass der Umschlag verheißt, ist da noch ein gutes Stück Weg …
Das ist auch so ein seltsames Büchlein. Stadler, der ja als Romancier sogar den Georg-Büchner-Preis bekam (auch wenn ich nie so recht verstand, warum), schickt seiner Auseinandersetzung mit Adalbert Stifter vorsichtshalber eine “Notiz” voran. Da heißt es:
Dies ist kein Sachbuch, sondern eine — vielleicht sonderbare — Liebeserklärung. […] Es ist ein Vergegenwärtigunsversuch von einem, der selbst schreibt, Romane und so weiter. Der Versuch einer Liebeserklärung, ein Essay.
Und das ist es auch, da hat er schon recht. Dabei ist es aber nicht nur vielleicht, sondern wirklich sonderbar und seltsam. Er berichtet von seiner Lektüre und vom Leben Stifters — aber immer ungeheur sprunghaft und wie unkonzentriert wirkend. Kluge Beobachtungen, vor allem zu Stifters
Ames ist ein Genie — ein Genie, das sich (so ist mein Eindruck bisher) nicht immer ganz im Griff hat: Vieles ist einfach großartig, auch hier, in sTiL., manches aber auch manieristisch und aufgesetz und nervig. Aber, davon bin ich ja felsenfest überzeugt, das Scheitern gehört zum Gelingen immer dazu: Nur wer den Untergang wagt, kann den Gipfel erreichen. Jedenfalls: Mir macht solche Poesie großen Spaß — mehr dazu im passenden Blogeintrag.
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