immer wieder erstaunlich: die ernsthaftigkeit & hingabe des mainzer figuralchores – fast schon verbissen, wie sie sich den großen chorwerken nähern. ein bisschen mehr freude möchte man ihnen fast wünschen … aber dann auch wieder nicht: so kommt man nämlich in den genuss toller konzerte – auch wenn die mainzer das überhaupt nicht zu würdigen wissen und die kirchenbänke wieder einmal arg leer blieben.
Mit einem Familienkonzert der besonderen Art begann der Mainzer Figuralchor seine Jubiläumssaison. Der nun fast 30 Jahre alte Chor startet in die nächsten Monate mit einem Programm, dass ausschließlich Motetten der Musikerfamilie Bach versammelte. Vom Stammvater Johann Bach, dem ersten bekannten Komponisten der thüringischen Dynastie bis zu ihrem größten Vertreter, Johann Sebastian, reichte die Auswahl – alle Komponisten dieser Familie zu vereinen, würde jedes Konzert sprengen. Und in St. Bonifaz war auch so schon genug zu hören. Denn dem Dirigenten Stefan Weiler, der den Chor seit seiner Gründung leitet, ist mal wieder ein außerordentliches Programm geglückt – außerordentlich in der Gestaltung und außerordentlich in der Leistung des Chores.
Den Beginn machten fünf- bis sechstimmige Motetten der älteren Bachgenerationen aus dem Themenfeld Tod, Vergänglichkeit und Heilsgewissheit. Mit Johann Sebastian Bachs großer Motette „Jesu meine Freude“ war dann zugleich das Zentrum des Konzertes und auch der Drehpunkt erreicht: Nun ging es abschließend in der auch musikalische sehr raffinierten Steigerung zu doppelchörigen Motetten um die erwartungsvolle Freude, den Lobpreis Gottes – eine wirkungsvolle Dramaturgie. Vor allem, weil der Figuralchor wieder einmal sehr überzeugte. Vor allem durch seine extreme Konzentration auf die gesamte Musik, ihre große Form und ihr kleinstes Detail.
weich klingender Beginn mit Johann Bachs „Unser Leben sei ein Schatten“, geschickt aufgeteilt auf den Hauptchor und ein versteckt platziertes Solistenquartett – solche einfachen, aber wirkungsvolle ideen setzt weiler immer wieder geschickt ein.
Johann Sebastian Bachs Bearbeitung des Chorals „Jesu meine Freude“ verkörperte hier den Umschwung des bangen christlichen Herzens zur festen Überzeugung des erwarteten Heils der Ewigkeit. Mit prägnanter Kraft und behutsam gesetzten Momenten, mit der ganzen Vielfalt der musikalischen Rhetorik, die diesem Mitglied der Bach-Familie zur Verfügung steht, ist das dann doch deutlich größer und genialer als die Musik seiner Vorfahren. Typisch war schon der Beginn, die starke analytische Durchdringung des Chorsatzes durch Weiler und seine Sänger, die unbedingte Gleichberechtigung aller Stimmen gegenüber der Melodie – dieses kluge, wissende Musizieren macht den Figuralchor so anziehend. Auch wenn sie hin und wieder fast zu ernst, zu konzentriert erscheinen
Nach Johann Sebastian leitet der rasche Jubelgesangs von Johann Michael Bachs „Sei lieber Tag willkommen“ über zu den raffinierteren Freudengesänger – etwa der doppelchörige Motette „Herr, ich warte auf dein Heil“. Wieder hat Weiler einen Chor durch Solistenquartett ersetzt – dass er das kann, ist auch ein Zeugnis der hohen Qualität des Chores. Und es ist hier ein wahrer Genuss, wie der sanft tönende Chor die Solisten, die das Motto wiederholen, umschlingt und in sich aufnimmt. Kein Wunder, dass es dafür großen Beifall gab – auch wenn in St. Bonifaz viele Plätze frei geblieben waren.
(geschrieben für die Mainzer Rhein-Zeitung)
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