Es war ein Hin und Her wie selten bei den Domkonzerten: Die Chöre wechselten, es wurde mit und ohne Orchester musiziert, die Solistenblieben auch alle nicht lange, selbst der Dirigent wurde getauscht. Und doch herrschte auch ganz viel Andacht im Passionskonzert. Im Zentrum stand dabei die Matthäus-Passion von Heinrich Schütz, die eigentlich gar keine Passion ist. Zumindest nicht im musikalischen Sinn. Denn bei Schütz heißt die Vertonung der Passionsgeschichte noch Historie – eine Erzählung der Leiden Christi. Und die hält sich, von Eingangs- und Schlusschor abgesehen, streng an den Text des Evangelisten. Arien und Choräle wird man hier also vergebens erwarten. Die Nähe zum Bibeltext führt dazu, dass große Teile vom Evangelisten und den anderen Solisten übernommen werden, der Chor mehr oder minder auf kurze Einwürfe beschränkt bleibt. Das sollte allerdings nicht zu so einer Hetze führen wie im Dom. Denn weder Mathias Breitschaft noch der eigentlich sehr solide Evangelist Daniel Käsmann nahmen sich im Gleichmaß der fortlaufenden Bewegung, des ununterbrochenen Berichtes Zeit für besondere Momente, für Augenblicke der Dramatik. Die sind aber auch bei Schütz durchaus vorhanden – man muss sich nur etwas mehr Mühe geben, sie freizulegen. Wie das geht, weiß Breitschaft ja durchaus. Das stellte er dann etwa im Schlusschor unter Beweis: Hier hatte er auf einmal Zeit für subtile Ausdeutung, die die Domkantorei auch – trotz der starken Besetzung – sehr deutlich und transparent, vor allem aber mit leichtem Klang mitmachte und mittrug.
Karsten Storck übernahm das Dirigat der anderen beiden Werke. Neben dem etwas blassen und unscheinbaren 13. Psalm für Frauenchor von Johannes Brahms, den der Mädchenchor sehr brav sang, war das vor allem Giovanni Pergolesis „Stabat Mater“. Dessen reine Melodien verherrlichen im Wohlklang sowohl der Chorsätze als auch der Arien und Duette mit den beiden schön aufeinander abgestimmten Solistinnen, Dorothee Laux und Patricia Roach, die süße Wollust der Schmerzen. Gerade der ständige Wechsel zwischen Chor und Soli gelang Storck dabei sehr schön. Denn die Chorsätze ließ er immer etwas stärker zelebrieren als unbedingt nötig. Zusammen mit der Intimität der Arien kam das „Stabat Mater“ so in seiner gesamten Länge zu einem wohlgerundeten Pulsieren, einer angenehmen Mischung aus zügigen Tempi und innigen Momenten der Empfindsamkeit. Und darum geht es schließlich: Das Mit-Gefühl zu wecken.
(geschrieben für die mainzer rhein-zeitung.)
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