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Schlagwort: felix mendelssohn bartholdy

Taglied 20.3.2013

Ronald Brautigam spielt Mendelssohn Bartholdys “Lieder ohne Worte” — eine wun­der­bare Klan­greise. Zum Beispiel nach Venedig …

Mendelssohn Bartholdy: Lied ohne Worte op. 30/6 — Vene­tian­is­ches Gondel­lied

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Schmerz und Glaube in Musik

Das erste Solokonz­ert in strenger zwölftöniger Manier: Da kann man leicht ein sprödes Kunst­werk erwarten, sper­rig und unzugänglich – Papier­musik eben. Aber Alban Bergs Vio­linkonz­ert ist das über­haupt nicht. Nicht ohne Grund trägt es auch den Unter­ti­tel „Dem Andenken eines Engels“ und kann fast als Pro­gram­m­musik gel­ten. Aber eben nur fast, die biographis­che Bezüge lassen sich erah­nen, wer­den aber nicht sehr expliz­it: Der Tod der 19jährigen Manon Gropius gab schöpferischen Impuls – und fiel mit dem Auf­trag zusam­men, für den amerikanis­chen Geiger Louis Kras­ner ein Konz­ert kom­ponieren. Es sollte Bergs let­ztes Werk wer­den, und eines sein­er bekan­ntesten. Die Rheinis­che Orch­ester­akademie Mainz (ROAM) hat das jet­zt in ihrem 16. Pro­jekt mit der jun­gen Geigerin Mar­ti­na Trumpp aufge­führt. Das ist ein echt­es Fest der sub­tilen Deut­lichkeit gewor­den: Diri­gent Ger­not Sahler dirigiert den Klas­sik­er der Mod­ern mit viel Empathie, aber auch mit viel Klarheit – eine wohltuende Mis­chung. Klar ist die Kon­struk­tion der Musik hör­bar, und genau­so deut­lich ihr emoti­naler Gehalt. Das liegt nicht nur am Orch­ester, son­dern auch an der Solistin. Denn Mar­ti­na Trumpp spielt mit starkem, strahlend-leuch­t­en­den Ton, der ein leicht­es unter­gründi­ges Glühen trans­portiert und jede Sprödigkeit ver­mei­det: Ein in die Kun­st tran­szendiertes Lei­den, das in sein­er Präzi­sion und Konzen­tra­tion fes­selt und begeis­tert.

Die ROAM kom­biniert das geschickt und sin­n­fäl­lig mit zwei anderen Ver­suchen, in und mit der Musik let­zte Dinge zu behan­deln, den Tod zu umkreisen und den Glauben auszu­drück­en: Arvo Pärts „Fratres“ und Felix Mendelssohn Bartholdys Refor­ma­tion­ss­in­fonie. Hier, in dieser als Fest­musik für die Jubiläums­feier des Aus­g­burg­er Beken­nt­niss­es geplanten Sin­fonie, gibt es ein aus­drück­lich­es Pro­gramm: Das, was man kurz als das Lob der Ref­or­ma­tion zusam­men­fassen kön­nte, quillt aus jedem Motiv und jedem Akko­rd. Im Kon­trast zu Bergs Konz­ert wirkt das manch­mal ziem­lich plump und auf­dringlich – obwohl es Ger­not Sahler gelingt, den mas­siv­en Orch­esterk­lang schnell zu beschle­u­ni­gen und dynamisch-forsch anzutreiben und damit die instru­men­ta­torische Meis­ter­schaft Mendelssohn Bartholdys deut­lich wer­den zu lassen. Manch­es gelingt auch dur­chaus fein, einiges bleibt etwas hol­prig und vor allem der Final­satz wird im per­ma­nen­ten Ges­tus des Auftrumpfens doch ein biss­chen arg lär­mend – ein größer­er Gegen­satz zum vor­sichti­gen Tas­ten der Stre­icherk­län­gen in den „Fratres“ von Pärt lässt sich kaum vorstellen.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Taglied 6.5.2012

Felix Mendelssohn Bartholdy, Ein Som­mer­nacht­straum — fein gespielt vom Lon­don Sym­pho­ny Orches­tra unter Clau­dio Abba­do

Mendelssohn — A Mid­sum­mer Night’s Dream: Over­ture (Abba­do)

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Stimmung und Kontrapunkt

„Willkom­men in unser­er Sauna“ wer­den die Besuch­er des Mainz­er Musik­som­mers in der Vil­la Musi­ca begrüßt: Im Som­mer heizt sich deren klein­er Konz­ert­saal kräftig auf. Aber so heiß wurde es dann gar nicht. Auch nicht musikalisch – das Duo Arp/Frantz blieb gelassen und ließ sich von den hohen Tem­per­a­turen nicht über­wälti­gen.

Ein inter­es­santes Pro­gramm haben die bei­den jun­gen Musik­er mit­ge­bracht: Sie kon­trastieren Werke für Cel­lo und Klavier von Johann Sebas­t­ian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy. Das passt — immer­hin war Mendelssohn Bartholdy ein großer Verehrer Bachs. Davon kann man aber an diesem Abend nur wenig hören. Denn den bei­den Musik­ern geht es nicht darum, zu zeigen, wie geschickt der Roman­tik­er kon­tra­punk­tisch arbeit­et oder Rev­eren­zen an die Musikgeschichte in seine Kam­mer­musik ein­baut. Sie wollen vor allem die Stim­mung her­bei­holen.

Das macht sich schon gle­ich zu Beginn, in den „Vari­a­tions Con­cer­tantes“, einem knap­pen Jugendw­erk des fast zwanzigjähri­gen Kom­pon­is­ten, bemerk­bar. Julian Arp und Cas­par Frantz spie­len das als vergnügliche, kun­stvoll gear­beit­ete Unter­hal­tung im kleinen Rah­men: Weich per­lend ver­strö­men die Vari­a­tio­nen gute Laune und zeigen sich dabei als Musik, die nicht viel will – oder zu wollen scheint. Wesentlich deut­lich­er — und vielschichtiger — wird es aber in Mendelssohn Bartholdys zweit­er Sonate für Vio­lon­cel­lo und Klavier, in der das Duo die ganze Band­bre­ite der Gefüh­le auss­chöpft.

Stim­mungsvoll spielt das Duo auch zwei Sonat­en von Bach. Was anderes bleibt ja auch kaum übrig, bei der dop­pel­ten Fehlbe­set­zung: Bach hat diese Sonat­en der Gambe und dem Cem­ba­lo zugedacht, nicht dem Cel­lo und Klavier. Dass es jet­zt so ganz anders klingt, macht aber wenig. Vor allem bei der zweit­en Sonate hat das die neue Klang­pracht dur­chaus Vorteile. Vom zarten, vor­sicht­en Beginn bis zum kraftvollen Ende entste­ht dabei eine kleine Geschichte der Bewe­gung. Am Anfang noch ganz zurück­hal­tend, vor­sichtig tas­tend die Füh­ler ausstreck­end — ein Auf­bruch ins Ungewisse. Das Duo bekommt aber bald Boden unter den Füßen, mit dem zweit­en Satz wird der Schritt fest und zuver­sichtlich. Der drit­ter Satz erscheint dann als verträumtes Spazieren, fast ein Schlafwan­deln, ein Schlen­dern ohne Ziel und Not. Der Schluss wiederum ist die höch­ste Form der Bewe­gung, ganz vom Nutzen befre­it: Das Tanzen, neck­isch, mit sich­er geset­zten Pointen. Dabei sind Arp und Frantz nie effek­thascherisch. Denn die Klangverbindung zwis­chen Cel­lo und Klavier ist eng, fast sym­bi­o­tisch. Man hört in beina­he jedem Moment, dass sie sich aus gutem Grund „Duo“ nen­nen: Sie müssen sich nicht ein­mal mehr anse­hen, so gut wis­sen sie um die Reak­tion des Part­ners. Und das hört man nicht nur in der tech­nis­chen Sou­veränität, son­dern auch im Gle­ichk­lang der Far­ben und Schat­tierun­gen.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Ein feines Streichquartett. Und ein Klavierquintett

So etwas nen­nt man wohl „Roman­tik pur”: Die Vil­la Musi­ca wählt nicht nur bei den Spielorten roman­tis­che Erleb­nisse, son­dern auch beim Konz­ert­pro­gramm. Zumin­d­est für die Eröff­nung der „Musik in Bur­gen und Schlössern”. Das Eisler-Quar­tett set­zte den Auf­takt für die zwanzig­ste Spielzeit näm­lich mit zwei wesentlichen Werken den Roman­tik: Dem e‑Moll-Stre­ichquar­tett aus Opus 44 von Felix Mendelssohn Bartholdy und Antonín Dvořáks Klavierquin­tett in A‑Dur.

Mendelssohns Stre­ichquar­tett ist schon deshalb eine gute Wahl, weil es fast in Mainz ent­stand – auf der Hochzeit­sreise des jun­gen Musik­ers, inspiri­ert von den roman­tis­chen Land­schaften des Rheins und sein­er Städte. Die hier­bei aus­gedachte Musik gibt sich oft sehr zauber­haft, auch in ihren undurch­dringlich scheinen­den, ver­schleierten For­men. Dazu passt die beina­he undurch­schaubare Entste­hungs­geschichte, weil der Kom­pon­ist immer und immer wieder geän­dert und verbessert hat.

Davon, von diesen Ver­wirrspie­len, hört man in der Vil­la Musia vom Eisler-Quar­tett naturgemäß nichts. Was man aber hört, ist die Inspi­ra­tion und die Lebens­freude ihres Sch­pfers. Das Berlin­er Quar­tett ver­liert sich allerd­ings nicht im roman­tis­chen Gefühlsreigen, son­dern strebt hör­bar nach Klarheit. Deshalb spie­len sie die Mendelssohn­sche Schöp­fung auch mit dichtem Klang, ganz eng ver­webt und mit sehr genau aus­gear­beit­eten Übergän­gen. Dabei klin­gen sie zugle­ich forsch, fast unbeküm­mert – aber auch das scheint nur so und ver­rät eher große Kun­st als Nach­läs­sigkeit.

Dvořáks Klavierquin­tett hat eben­falls eine kuriose Entste­hungs­geschichte: Entwed­er wollte er ein Jugendw­erk verbessern oder kon­nte die alten Noten nicht find­en – jeden­falls schrieb Dvořák kurz­er­hand in weni­gen Tagen ein neues Quin­tett. Egal warum, das ist auf jeden Fall ein Glück für uns, weil sich das Eisler-Quar­tett nun mit Kallle Ran­dalu am Klavier daran erfreuen kann. Und nicht nur bei den Musik­ern ist die Freude über das eigene Tun groß, auch beim Pub­likum.

Grund dafür gibt es mehr als genug: Wuchtig, aber nie schw­er­fäl­lig, mit lebendi­ger Konzen­tra­tion auf das Wesentliche demon­stri­eren sie kraftvoll, wie vielfältig Dvořáks Musik sein kann.

Trau­rig und heit­er, lock­er und schwärmerisch, nach­den­klich und aus­ge­lassen – sie reizen die Palette der kom­ponierten Emo­tio­nen weit aus. Und ihnen gelingt dabei ein kleines Kun­st­stück, das gar nicht so klein ist: Sie schaf­fen es näm­lich, ihr genau über­legtes Musizieren so klin­gen zu lassen, als ob sie die Par­ti­tur ger­ade vol­lkom­men neu ent­deck­en wür­den. Hier herrscht vom ersten Ton bis zum Schlus­sakko­rd eine unver­stellte Lebendigkeit und freudi­ge Bewe­gung vor. Genau von dieser inspiri­eren­den Wirkung müssen auch die Roman­tik­er geträumt haben.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

brahms mal anders. aber ganz anders.

Ein ganz nor­males Orch­esterkonz­ert im Staat­sthe­ater: Etwas von Carl Maria von Weber, dann das Vio­linkonz­ert von Felix Mendelssohn Bartholdy und am Schluss noch die erste Sin­fonie von Brahms. Aber irgend etwas ist anders heute – die Musik­er sind alle so jung, den Solis­ten eingeschlossen. Ach so, das ist das Abschlusskonz­ert der Musikhochschule – das erk­lärt natür­lich die radikale Ver­jün­gung. Nicht aber die pro­fes­sionelle Sou­veränität, mit der das Orch­ester hier im Kleinen Haus spielt. Denn das Pro­gramm und das Diri­gat Wol­fram Koloseus’ waren alles andere als ein Schon­pro­gramm.

Am Beginn stand also Musik von Carl Maria von Weber: Die Ouvertüre und zwei Szenen aus dem Freis­chütz genau gesagt. Das war eine etwas selt­same Erfahrung. Mys­ter­iös gespen­stig ent­fal­tete Schauer­ro­man­tik im Orch­ester und szenis­che Andeu­tun­gen der jun­gen Sänger. Klan­glich fein abgeschmeckt und auch auf authen­tis­che Wirkung aus­gerichtet mit den Natur-Blech­blasin­stru­menten und dem vib­ri­eren­den Grun­drhyth­mus. Aber dann brechen die elek­tro­n­isch ver­stärk­ten und auch ver­fremde­ten Singstim­men in die feinsin­nige Klang­welt ein – das muss man wohl nicht ver­ste­hen. Doch sehr drama­tisch ist das alles, vor allem die Wolf­ss­chlucht-Szene mit Dani­lo Tep­sa, Calin Coz­ma und Flo­ri­an Küp­pers.

Mit sehr viel Freude am vir­tu­osen Spiel stürzt sich Igor Tsin­man dann in Mendelssohn Bartholdys Vio­linkonz­ert in e‑Moll. Er kann sich das aber auch leis­ten, sicher­er Tech­niker er er ist.

Klar und dicht, in den meis­ten Teilen sehr unsen­ti­men­tal spielt er – das ist ein­fach Musik pur, mal wild, mal gedanken­ver­loren träu­mend. Aber immer jugendlich unbeküm­mert. Schade nur, dass die robuste Präg­nanz des Solis­ten das fließend beglei­t­ende Orch­ester ganz unver­di­ent in den Hin­ter­grund drängt.

Das kan dafür noch mit der abschließen­den ersten Sin­fonie von Johannes Brahms ganz alleine bril­lieren. Das erregte Pulsieren des Anfang set­zt sich hier unen­twegt fort, im nervösen Hin und Her, in der Unruhe der ständi­gen Bewe­gung und der per­ma­nen­ten Unsicher­heit der unaus­ge­set­zten Hin­ter­fra­gung aller Posi­tio­nen und Werte. So, wie Wol­fram Koloseus das hier entwick­elt, klingt das viel mod­ern­er und gegen­wär­tiger, richtigge­hend dekon­struk­tivis­tisch eigentlich, als gewöhn­lich bei Brahms. Diese Hal­tung set­zt sich dann durch die ganze Sin­fonie hin­durch fort. So richtig auf­blühen kann sie dadurch nie. Auch wenn sich das Orch­ester redliche Mühe gibt und mit erstaunlich­er Klangkul­tur und großem Engage­ment dur­chaus einige Teil­er­folge erlan­gen kann, bleibt es befremdlich. Das Tem­po dieser fiebri­gen Hast ist immer sehr bemüht und wirkt mehr kon­stru­iert als emp­fun­den. Ins­ge­samt gibt das dann eine oft dämonis­che, bis zum Wahnsinn aufgetürmt rasende und zer­fet­zte Sin­fonie – eine echte Über­raschung.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

kammermusikalische europareise

so richtig habe ich den zusam­men­hang des pro­gramms ja nicht ver­standen: haydn — hin­demith — mendelssohn bartholdy: viel gemein­samkeit­en gibt es da nicht … ganz nett war’s aber trotz­dem, das war ja zu erwarten in der vil­la musi­ca ;-). also, los gehts:

San­ft weht die zarte Cel­lomelodie durch den Salon im ersten Stock, flutet durch das Trep­pen­haus und das ganze Anwe­sen, mit­füh­lend ver­fol­gt von der Vio­line und zart unter­malt von der Klavier­stimme: Die Vil­la Musi­ca ist aus dem Som­mer­schlaf erwacht.

Ganz angemessen geschieht das mit einem Konz­ert des hau­seige­nen Ensem­bles Ville Musi­ca, also den rou­tinierten Meis­tern der Kam­mer­musik, die hier nicht nur ihre Erfahrung und ihr Wis­sen an junge Kün­stler weit­ergeben, son­dern auch das Pub­likum an ihrem Kön­nen teil­haben lassen.

Das lässt sich gefall­en. Denn aus der Som­mer­pause kommt das Ensem­ble, das ja nur lose gefügt ist und in ver­schiede­nen Beset­zun­gen arbeit­et, mit frischem Elan zurück. Flott, fast unbeküm­mert, mit knack­iger Frische und der ensem­ble­typ­is­chen Mis­chung aus Genauigkeit und Läs­sigkeit, aus Gemein­samkeit und indi­vidu­eller Überzeu­gungskraft an jedem Instru­ment lassen sie Haydns Klavier­trio Nr. 42 in C‑Dur, eines der späten Meis­ter­w­erke nach sein­er zweit­en Eng­lan­dreise, sehr, sehr lebendig wer­den. Gewiss, eine Min­dest­dis­tanz bleibt immer spür­bar, das kann man vor allem im Andante sehr gut merken, so ganz haben sie sich dieses Trio nicht zu eigen gemacht. Aber dann blitzt doch wieder der Schalk zwis­chen den Sait­en her­vor – zumin­d­est einen kleinen, aber häu­fi­gen Erschei­n­un­gen.

Dieses frische Musizieren, die unver­brauchte Inter­pre­ta­tion kann man auch in Paul Hin­demiths Klar­inet­ten­quar­tett deut­lich spüren. Forsch und taten­durstig stoßen die Vier hier ein ums andere Fen­ster in andere Wel­ten auf, lassen Ein­blicke in Traum und Imag­i­na­tion zu, ermöglichen das unbeschw­erte Schweifen im Reich der Vorstel­lung. Mit immer neuen, ener­gis­chen Schüben sor­gen sie dafür, dass jed­er die Gele­gen­heit bekommt, diese Gren­ze zu über­schre­it­en und hinüber zu schauen in die Welt der Kun­st. Dazu mis­chen sie den pfif­fi­gen Witz Hin­demiths, seine weit­en Melo­di­en und schrof­fen Klang­bal­lun­gen mit großer Aus­dauer und feinem Gespür für die wohlge­formte Dra­maturgie. Und genau das macht Felix Mendelssohn Bartholdys erstes Klavier­trio am Schluss des Konz­ertes zum Hit des Abends. Denn das Konz­ert­fi­nale gelingt dem Ensem­ble ein­deutig am besten, am lebendig­sten und inten­sivsten. Patrick Demen­ga lässt sein Cel­lo hier noch ein­mal beson­ders weich und bes­timmt brum­men, Muriel Can­toreg­gi geigt auf- und her­aus­fordernd, drängt spielerisch immer wieder voran. Und Yuka Imamine am Klavier gibt ihre feine Zurück­hal­tung wenig­stens teil­weise auf. Die Mit­tel­sätze erzählen so zart und quirlig feinge­sponnene Elfengeschicht­en – typ­isch Mendelssohn Bartholdy eben. Und die Rah­men­sätze binden das in großer Offen­heit, vom Ensem­ble Vil­la Musi­ca mit Gespür für die richtige Dosis Größe und Majestät, klan­gliche Abrun­dung und lebendi­ge Nuancierung real­isiert, prächtig und klangvoll zusam­men.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

schönheit in groß: mendelssohn bartholdys elias

Die große Bühne der Phönix­halle ist voll gefüllt. Dicht an dicht ste­hen und sitzen die Stu­den­ten in Chor und Orch­ester des Col­legium Musicums der Uni­ver­sität. Denn Felix Mendelssohn Bartholdy ver­langt vollen Ein­satz und große Massen für sein Ora­to­ri­um „Elias“. Und obwohl die Zahl der Mitwirk­enden hier noch lange nicht an die der Urauf­führung her­an­re­icht, kommt der „Elias“ in diesem Semes­ter-Abschlusskonz­ert ziem­lich großar­tig und mächtig daher. Das hin­dert den Diri­gen­ten Joshard Daus aber über­haupt nicht daran, auch den Details aus­re­ichend Aufmerk­samkeit zu schenken.
Dieser „Elias“ ist also schön, über weite Streck­en sog­ar wun­der­schön. Aber er ist ein­fach nur schön. Das ist zwar eigentlich großar­tig. Und auch über­haupt keine ein­fache Leis­tung. Dass aber den­noch etwas fehlt, merkt man an eini­gen Stellen. Etwa an den Soli von Ulf Bästlein, der geschmei­dig und volltö­nend einen wun­der­bar emo­tionalen Elias gibt, der dur­chaus auch mal am fehlen­den Glauben seines Volkes verzweifeln kann. Oder auch an der ele­gan­ten Leichtigkeit der Engelsmusik von Fion­nu­ala McCarthy. Das ist näm­lich genau die Tren­nungslin­ie zwis­chen den Solis­ten (außer­dem noch die solide Altistin Clau­dia Rügge­berg und der etwas ver­waschen klin­gende Tenor Julio Fer­nán­dez) und den Ensem­bles, vor allem dem Chor: Daus küm­mert sich nicht beson­ders um die religiösen Inhalte. Ihm scheint es im Gegen­satz zu seinen Solis­ten vor allem um die reine Musik zu gehen, ihre klan­gliche Gestalt führt er immer wieder auf Hochglanz poliert vor.
Das kann Daus aus­geze­ich­net. Und auch delikate Stim­mungen evozieren. Aber was ihm weniger gelingt, das ist die weit­er umfassende Span­nung, die Dra­maturgie des gesamten Ora­to­ri­ums. Zwar bemüht er sich um zügig-fließende Tem­pi und dichte Anschlüsse der einzel­nen Sätze und Num­mern, ver­passt dabei aber immer wieder eigentliche Höhep­unk­te. Dort, wo die Musik klein und leicht, detail­re­ich und schwebend sein kann und soll, dort hat er seine größten Stärken. Er lässt seine Musik­er zwar immer wieder Anlauf nehmen für den näch­sten Span­nungs­gipfel – aber die let­zten Meter ver­weigert er ihnen dann gerne.
Keinen Abbruch tut das dem Engage­ment und der Leis­tung der Stu­den­ten. Vor allem der Chor zeigt sich wieder ein­mal als Wachs in den Hän­den Daus’. Weich und geschmei­dig, kom­pakt und erstaunlich beweglich fol­gt er ihm sehr bere­itwillig für zwei Stun­den große und reine Musik
(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

stark im glauben und in der musik: paulus im dom

Paulus-Jahr, Kom­pon­is­ten-Jubiläum, Wei­h­nacht­en – Anlässe gibt es mehr als genug, Felix Mendels­son-Bartholdy Ora­to­ri­um „Paulus“ jet­zt aufzuführen. Aber eigentlich ist der beste Grund ja schon, dieses große Werk über­haupt zum Klin­gen zu brin­gen. Vor allem, wenn man sich darauf so aus­geze­ich­net ver­ste­ht wie Domkapellmeis­ter Math­ias Bre­itschaft – dann braucht man wirk­lich keinen äußeren Anlass mehr. Die Erwartun­gen der vie­len Mainz­er – selb­st Steh­plätze waren schon knapp – wur­den im Dom also bes­timmt nicht ent­täuscht.
Von Anfang bis Ende, von der Steini­gung des Stephanus über die Wand­lung des Saulus zum Paulus bis zum Abschied des Mär­tyr­ers von sein­er Gemeinde zeich­nete Bre­itschaft mit den Dom­chören und dem Mainz­er Kam­merorch­ester eine inten­sive Klanggeschichte des sicheren Beste­hens im Glauben. Der Haup­tak­teur dabei war – wenig über­raschend an diesem Ort – die Chöre, also vor allem die Domkan­tor­ei mit den ver­stärk­enden Män­ner­stim­men des Dom­chores. Die gaben näm­lich den entschei­den­den Kick, bere­it­eten mit ihrer nach­drück­lichen Präsenz ein aus­geze­ich­netes Klang­fun­da­ment.
Bre­itschaft führte seine Musik­er in drama­tis­ch­er Aufladung genau und diszi­plin­iert, mit klar geze­ich­neten Struk­turen und deut­lichen Höhep­unk­ten in den weit­en Bögen – so macht das richtig viel Freude. Und außer­dem gelang ihm noch etwas Beson­deres: Zwei Chöre schienen sich in den Kehlen der Sänger zu ver­steck­en. So völ­lig ver­schiede­nen klang das in den Chörsätzen ein­er­seits und den Chorälen ander­er­seits. Indem Bre­itschaft diesen Unter­schied aber so deut­lich markierte und gle­ichzeit­ig auch die Verbindung zwis­chen allen Teilen des Werkes beson­ders stärk­te, erschien das nicht ger­ade knappe Ora­to­ri­um hier wie aus einem Guss.
Das Solis­ten­quar­tett spielte oder sang dabei wun­der­bar mit, vor allem der kräftige Sopran von Kaja Börd­ner und der stark aus­d­if­feren­zierte Bari­ton Johannes Kösters als Paulus.
In der Verbindung mit den aus­ge­feil­ten Chor­pas­sagen und ger­ade ihrer klan­glichen Fes­tigkeit betonte Bre­itschaft damit ganz beson­ders die per­son­ale, indi­vidu­elle Seite des Glauben, die Erfahrung Gottes. Diese Gewis­sheit der religiösen Grund­lage macht das Paulus-Ora­to­ri­um so anrührend – selb­st Athe­is­ten muss so eine überzeu­gende Dar­bi­etung zumin­d­est Respekt ent­lock­en.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

musik, den glauben zu festigen: voces cantantes in st. stephan

Anfangs lag noch ein san­fter blauer Schim­mer über dem Kirchen­raum. Doch bald schon schwand jede Außen­welt ganz und gar dahin. Das lag nicht nur an der ein­brechen­den Dunkel­heit, son­dern vor allem an dem, was in der Kirche passierte. Denn rein­er Chork­lang eroberte den Raum, machte ihn sich zu eigen: St. Stephan feierte das 30-jährige Jubiläum der Cha­gall-Fen­ster mit einem Konz­ert der Voces Can­tantes.
Und mit ein­er passenden Auswahl Musik: Werke, die zwar immer wieder ein Außen mit sich brin­gen, im Kern aber ganz auf sich selb­st konzen­tri­ert bleiben hat­te sich Alexan­der Süß für seinen Kam­mer­chor aus­ge­sucht. Denn in allem, was hier erk­lang, geht es nicht um die Welt, son­dern um Gott, um den Glauben und die Zweifel der Chris­ten – egal ob mit Musik aus der Renais­sance oder der Roman­tik, egal ob nun Jacobus Gal­lus, Johannes Brahms oder Felix Mendelssohn Bartholdy christliche Texte ver­to­nen.
Der Kern des Konz­ertes waren einige der vie­len Psalmver­to­nun­gen von Mendelssohn Bartholdy. Und die tru­gen hier schon so viel Vielfalt in sich, dass sie allein schon aus­gere­icht hät­ten. Denn die Voces Can­tantes bemüht­en sich sehr und mit hör­barem Erfolg um eine passende Klanggestalt für jeden Satz, fast sog­ar für jedes Wort. Immer wieder suchte — und fand — Alexan­der Süß die tre­f­fend­ste Aus­drucks­form, die eine genau passende, adäquate Umset­zung der stum­men Noten in aus­sagekräfti­gen Schall.
Und die Chorsänger fol­gten ihm dabei sehr willig. Ob es nun die durch­weg sehr flex­i­blen Tem­pi, die weichen Ein­sätze oder der strahlend tri­um­phierende Schlus­sakko­rd waren – immer blieben sie eine homo­gene Ein­heit. Dadurch blieben alle Gemüt­sla­gen der Musik nicht nur erfahrbar, son­dern auch ver­ständlich. Der Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes leuchtete eben­so unmit­tel­bar ein wie die unbeir­rbare Fes­tigkeit des Glaubens und die Freude an der Gebor­gen­heit in Gottes Hand oder an der Her­rlichkeit der Schöp­fung.
Dass der eine oder andere Über­gang dabei etwas abrupt erfol­gte, dass die Span­nungs­bö­gen manch­mal etwas kurzat­mig blieben, trübte die Freude nur sehr ger­ingfügig und kurzzeit­ig. Denn schließlich endet alles immer wieder im Wohlk­lang, auf den die Voces Can­tantes abon­niert schienen. Keine Zweifel bleiben, wenn nur der Glaube fest genug ist – und die Schön­heit der Musik groß genug.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)

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