Das erste Solokonz­ert in strenger zwölftöniger Manier: Da kann man leicht ein sprödes Kunst­werk erwarten, sper­rig und unzugänglich – Papier­musik eben. Aber Alban Bergs Vio­linkonz­ert ist das über­haupt nicht. Nicht ohne Grund trägt es auch den Unter­ti­tel „Dem Andenken eines Engels“ und kann fast als Pro­gram­m­musik gel­ten. Aber eben nur fast, die biographis­che Bezüge lassen sich erah­nen, wer­den aber nicht sehr expliz­it: Der Tod der 19jährigen Manon Gropius gab schöpferischen Impuls – und fiel mit dem Auf­trag zusam­men, für den amerikanis­chen Geiger Louis Kras­ner ein Konz­ert kom­ponieren. Es sollte Bergs let­ztes Werk wer­den, und eines sein­er bekan­ntesten. Die Rheinis­che Orch­ester­akademie Mainz (ROAM) hat das jet­zt in ihrem 16. Pro­jekt mit der jun­gen Geigerin Mar­ti­na Trumpp aufge­führt. Das ist ein echt­es Fest der sub­tilen Deut­lichkeit gewor­den: Diri­gent Ger­not Sahler dirigiert den Klas­sik­er der Mod­ern mit viel Empathie, aber auch mit viel Klarheit – eine wohltuende Mis­chung. Klar ist die Kon­struk­tion der Musik hör­bar, und genau­so deut­lich ihr emoti­naler Gehalt. Das liegt nicht nur am Orch­ester, son­dern auch an der Solistin. Denn Mar­ti­na Trumpp spielt mit starkem, strahlend-leuch­t­en­den Ton, der ein leicht­es unter­gründi­ges Glühen trans­portiert und jede Sprödigkeit ver­mei­det: Ein in die Kun­st tran­szendiertes Lei­den, das in sein­er Präzi­sion und Konzen­tra­tion fes­selt und begeis­tert.

Die ROAM kom­biniert das geschickt und sin­n­fäl­lig mit zwei anderen Ver­suchen, in und mit der Musik let­zte Dinge zu behan­deln, den Tod zu umkreisen und den Glauben auszu­drück­en: Arvo Pärts „Fratres“ und Felix Mendelssohn Bartholdys Refor­ma­tion­ss­in­fonie. Hier, in dieser als Fest­musik für die Jubiläums­feier des Aus­g­burg­er Beken­nt­niss­es geplanten Sin­fonie, gibt es ein aus­drück­lich­es Pro­gramm: Das, was man kurz als das Lob der Ref­or­ma­tion zusam­men­fassen kön­nte, quillt aus jedem Motiv und jedem Akko­rd. Im Kon­trast zu Bergs Konz­ert wirkt das manch­mal ziem­lich plump und auf­dringlich – obwohl es Ger­not Sahler gelingt, den mas­siv­en Orch­esterk­lang schnell zu beschle­u­ni­gen und dynamisch-forsch anzutreiben und damit die instru­men­ta­torische Meis­ter­schaft Mendelssohn Bartholdys deut­lich wer­den zu lassen. Manch­es gelingt auch dur­chaus fein, einiges bleibt etwas hol­prig und vor allem der Final­satz wird im per­ma­nen­ten Ges­tus des Auftrumpfens doch ein biss­chen arg lär­mend – ein größer­er Gegen­satz zum vor­sichti­gen Tas­ten der Stre­icherk­län­gen in den „Fratres“ von Pärt lässt sich kaum vorstellen.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)