Ein ganz nor­ma­les Orches­ter­kon­zert im Staats­thea­ter: Etwas von Carl Maria von Weber, dann das Vio­lin­kon­zert von Felix Men­dels­sohn Bar­thol­dy und am Schluss noch die ers­te Sin­fo­nie von Brahms. Aber irgend etwas ist anders heu­te – die Musi­ker sind alle so jung, den Solis­ten ein­ge­schlos­sen. Ach so, das ist das Abschluss­kon­zert der Musik­hoch­schu­le – das erklärt natür­lich die radi­ka­le Ver­jün­gung. Nicht aber die pro­fes­sio­nel­le Sou­ve­rä­ni­tät, mit der das Orches­ter hier im Klei­nen Haus spielt. Denn das Pro­gramm und das Diri­gat Wolf­ram Kolo­seus‘ waren alles ande­re als ein Schon­pro­gramm.

Am Beginn stand also Musik von Carl Maria von Weber: Die Ouver­tü­re und zwei Sze­nen aus dem Frei­schütz genau gesagt. Das war eine etwas selt­sa­me Erfah­rung. Mys­te­ri­ös gespens­tig ent­fal­te­te Schau­er­ro­man­tik im Orches­ter und sze­ni­sche Andeu­tun­gen der jun­gen Sän­ger. Klang­lich fein abge­schmeckt und auch auf authen­ti­sche Wir­kung aus­ge­rich­tet mit den Natur-Blech­blas­in­stru­men­ten und dem vibrie­ren­den Grund­rhyth­mus. Aber dann bre­chen die elek­tro­nisch ver­stärk­ten und auch ver­frem­de­ten Sing­stim­men in die fein­sin­ni­ge Klang­welt ein – das muss man wohl nicht ver­ste­hen. Doch sehr dra­ma­tisch ist das alles, vor allem die Wolfs­schlucht-Sze­ne mit Dani­lo Tep­sa, Calin Coz­ma und Flo­ri­an Küp­pers.

Mit sehr viel Freu­de am vir­tuo­sen Spiel stürzt sich Igor Tsin­man dann in Men­dels­sohn Bar­thol­dys Vio­lin­kon­zert in e‑Moll. Er kann sich das aber auch leis­ten, siche­rer Tech­ni­ker er er ist.

Klar und dicht, in den meis­ten Tei­len sehr unsen­ti­men­tal spielt er – das ist ein­fach Musik pur, mal wild, mal gedan­ken­ver­lo­ren träu­mend. Aber immer jugend­lich unbe­küm­mert. Scha­de nur, dass die robus­te Prä­gnanz des Solis­ten das flie­ßend beglei­ten­de Orches­ter ganz unver­dient in den Hin­ter­grund drängt.

Das kan dafür noch mit der abschlie­ßen­den ers­ten Sin­fo­nie von Johan­nes Brahms ganz allei­ne bril­lie­ren. Das erreg­te Pul­sie­ren des Anfang setzt sich hier unent­wegt fort, im ner­vö­sen Hin und Her, in der Unru­he der stän­di­gen Bewe­gung und der per­ma­nen­ten Unsi­cher­heit der unaus­ge­setz­ten Hin­ter­fra­gung aller Posi­tio­nen und Wer­te. So, wie Wolf­ram Kolo­seus das hier ent­wi­ckelt, klingt das viel moder­ner und gegen­wär­ti­ger, rich­tig­ge­hend dekon­struk­ti­vis­tisch eigent­lich, als gewöhn­lich bei Brahms. Die­se Hal­tung setzt sich dann durch die gan­ze Sin­fo­nie hin­durch fort. So rich­tig auf­blü­hen kann sie dadurch nie. Auch wenn sich das Orches­ter red­li­che Mühe gibt und mit erstaun­li­cher Klang­kul­tur und gro­ßem Enga­ge­ment durch­aus eini­ge Teil­erfol­ge erlan­gen kann, bleibt es befremd­lich. Das Tem­po die­ser fieb­ri­gen Hast ist immer sehr bemüht und wirkt mehr kon­stru­iert als emp­fun­den. Ins­ge­samt gibt das dann eine oft dämo­ni­sche, bis zum Wahn­sinn auf­ge­türmt rasen­de und zer­fetz­te Sin­fo­nie – eine ech­te Über­ra­schung.

(geschrie­ben für die main­zer rhein-zei­tung)