wilfried fischer, kein schöner landVon Loth­rin­gen bis nach Ost­preu­ßen, vom Shan­ty im nie­der­deut­schen Platt bis zum mozärt­li­chen Wien der Zau­ber­flö­te reicht das Ein­zugs­ge­biet von „Kein schö­ner Land“. Noch eine Volks­lied-Samm­lung für Chö­re also? Gibt es davon nicht längst genug? Sicher, aber nicht so eine. Denn die übli­chen Edi­tio­nen set­zen immer noch einen klas­si­schen vier­stim­mi­gen Chor vor­aus – und sind des­halb für Ensem­bles mit knap­per Män­ner­be­set­zung oft kaum geeignet.

Wil­fried Fischer ist nun schon seit eini­ger Zeit unter dem Titel „Chor zu dritt“ dabei, ein Reper­toire für drei­stim­mi­gen Chor auf­zu­bau­en, genau­er: für Chö­re mit eben nur einer Män­ner­stim­me. Auch der vier­te Band setzt sich die­ses Ziel, bleibt dafür aber nicht bei purer Drei­stim­mig­keit ste­hen: Stimm­tei­lun­gen, haupt­säch­lich im Sopran, gehö­ren auch hier natür­lich zum Hand­werks­zeug der Arran­geu­re. Aber für Män­ner wird eben nie mehr als eine Stim­me gesetzt – die aller­dings hin und wie­der für Bäs­se recht hoch liegt.
Die Idee des Volks­lie­des hat Fischer dabei recht breit gefasst: Unter den hier vesam­mel­ten 93 Sät­zen sind nicht weni­ge geist­li­che Lie­der und Cho­rä­le. Über­haupt ist die Aus­wahl nicht immer ganz nach­voll­zieh­bar: Eini­ges sehr bekann­tes fehlt, dafür ist ande­res nicht so weit ver­brei­te­tes ent­hal­ten – aber bei knapp 100 Lie­dern bleibt das nicht aus. Mate­ri­al bie­tet der Band auf sei­nen gut 200 Sei­ten aber mehr als genug. Ger­ne greift Fischer dabei auch auf vor­han­de­ne Sät­ze nam­haf­ter Kom­po­nis­ten zurück, die den neu­en Anfor­de­run­gen behut­sam ange­passt wer­den: Von Hein­rich Isaac bis Ernst Pep­ping, von Felix Men­dels­sohn Bar­thol­dy und Johan­nes Brahms bis Her­mann Schroe­der reicht der Griff ins Archiv.

Neben Fischer selbst, der ein Groß­teil der Arran­ge­ments und Bear­bei­tun­gen bei­steu­ert, sind u.a. Pas­cal Mar­ti­né, Cars­ten Ger­litz und Burk­hard Kinz­ler mit diver­sen neu­en Sät­zen ver­tre­ten. Die Arran­ge­ments selbst sind immer min­des­tens soli­de, aber oft für drei­stim­mi­ge Sät­ze auhc über­ra­schend klang­voll und wir­kungs­voll. Den meis­ten merkt man posi­tiv an, dass die Drei­stim­mig­keit hier nicht nur als Man­gel gedacht wird, son­dern als Her­aus­for­de­rung und Chan­ce. Aus der genaue­ren Beschäf­ti­gung mit den Mög­lich­kei­ten der Beset­zung ent­wi­ckeln die Arran­geu­re dabei immer wie­der sehr kla­re und fili­gra­ne, sehr leben­di­ge und beweg­te Sät­ze, die im vier­stim­mi­gen Chor so kaum funktionierten.
Dabei sind die Sät­ze dem Sujet ent­spre­chend ins­ge­samt – selbst noch in den aus­ge­feil­te­ren Bear­bei­tun­gen – eher zurück­hal­tend und schlicht in dem Sin­ne, dass Sät­ze ger­ne hin­ter Melo­die und Text zurück­ste­hen. Stil­si­cher und ver­nünf­tig spricht aus den Arran­ge­ments weni­ger Expe­ri­men­tier­freu­de, dafür viel Erfah­rung und Ein­füh­lungs­ver­mö­gen – und nicht zuletzt der Ver­such, ein mög­lichst brei­tes Publi­kum – sin­gend und hörend – zu erreichen.

Wil­fried Fischer (Hrsg.): Kein schö­ner Land. Deut­sche Volks­lie­der aus 4 Jahr­hun­der­ten (Chor zu dritt, Band 4). Mainz: Schott 2015. 214 Sei­ten. 19,50 Euro.

— Zuerst erschie­nen in Chor­zeit—Das Vokal­ma­ga­zin, Aus­gabe #18, Juli/​August 2015.