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Chormusik aus und für Mainz: Das „Mainzer Chorbuch“

mainzer chorbuchEin ganz schö­ner Bro­cken ist es, das „Main­zer Chor­buch“ – fast so wuch­tig wie der Hohe Dom zu Mainz. Da ist es auch ent­stan­den. Denn sozu­sa­gen als Sum­me sei­ner fast drei­ßig Jah­re als Dom­ka­pell­meis­ter hat Mathi­as Breit­schaft aus dem Ruhe­stand nun ein fast 350 Sei­ten star­kes Kom­pen­di­um katho­li­scher Chor­mu­sik vor­ge­legt. Das muss man frei­lich gleich wie­der ein­schrän­ken: Ver­sam­melt ist hier in ers­ter Linie lit­ur­gisch nutz­ba­re und nütz­li­che Musik – also eher klei­ne For­men und kur­ze Sät­ze, was eine kon­zer­tan­te Auf­füh­rung natür­lich über­haupt nicht aus­schließt. Der Bezug zu Mainz liegt nicht nur in der Wir­kungs­stät­te des Her­aus­ge­bers: Das „Main­zer Dom­bu­ch“ macht einer­seits einen Teil der Musik des Chor­re­per­toires am Mar­tins­dom leicht zugäng­lich, ver­öf­fent­licht zum ande­ren aber auch Musik aus dem Bis­tum Mainz oder von Kom­po­nis­ten wie etwa Peter Cor­ne­li­us, die eine enge Bezie­hung zur Stadt am Rhein haben.

Das ist selbst­ver­ständ­lich eine prak­ti­sche Aus­ga­be. Das betrifft natür­lich vor allem die hier sehr reich­hal­tig ver­sam­mel­te Alte Musik des 16. und frü­hen 17. Jahr­hun­derts, die nicht immer so leicht zugäng­lich ist wie mit dem „Main­zer Chor­buch“. Dem Kir­chen­jahr fol­gend, mit zusätz­li­chen Abschnit­ten zu unter ande­rem Trau­ung, Tod, Frie­den und den Hei­li­gen, bie­tet Breit­schaft eine brei­te Palet­te der Chor­ge­brauchs­mu­sik: Motet­ten, Kir­chen­lied­sät­ze – oft von ihm oder jün­ge­ren Kol­le­gen aus dem Umfeld gesetzt – und lit­ur­gi­sche Sät­ze sind das haupt­säch­li­che Mate­ri­al. Die sti­lis­ti­sche Viel­falt des Reper­toires ist dabei ähn­lich groß wie die Anläs­se, für die das „Main­zer Chor­buch“ Musik bie­tet: Neben einer advent­li­chen Motet­te von Pal­estri­na oder einem Kar­frei­tags-Anti­phon aus der Feder von Cle­mens non Papa steht bei­spiels­wei­se das Glo­ria aus der „Deut­schen Kin­der­mes­se“ von Joseph Haas oder ein inter­es­san­tes „Ave ver­um cor­pus“ von dem Seli­gen­städ­ter Regio­nal­kan­tor Tho­mas Gabri­el.

Die im Unter­ti­tel ver­hei­ße­nen sie­ben Jahr­hun­dert kön­nen aller­dings etwas in die Irre füh­ren: Die Inhal­te sind sehr ungleich über die Zeit ver­teilt, das 19. Jahr­hun­dert ist zum Bei­spiel doch nur sehr schwach ver­tre­ten. Und avant­gar­dis­ti­sche, neu­tö­ne­ri­sche Musik des letz­ten Jahr­hun­derts fin­det man hier über­haupt nicht, auch wenn die Geburts­da­ten eini­ger Kom­po­nis­ten – es sind aus­schließ­lich Män­ner – das erwar­ten las­sen könn­ten.

Dafür kann das „Main­zer Chor­buch“ dabei hel­fen, so eini­ges Unbe­kann­tes zu ent­de­cken oder weni­ger Bekann­tes wie­der ins Bewusst­sein rufen. Die Ori­en­tie­rung an der Pra­xis – moder­ne Schlüs­sel, zeit­ge­mä­ßer Noten­satz, Über­set­zung der latei­ni­schen Tex­te – lässt das „Main­zer Chor­buch“ jeden­falls zu einem sehr gut ein­setz­ba­ren Arbeits­mit­tel wer­den – natur­ge­mäß in ers­ter Linie für katho­li­sche Kir­chen­mu­si­ker und Chö­re, obwohl auch die Pro­tes­tan­ten eini­ges an Mate­ri­al fin­den wer­den.

Mathi­as Breit­schaft (Hrsg.): Main­zer Chor­buch. Geist­li­che Chor­mu­sik durch das Kir­chen­jahr aus 7 Jahr­hun­der­ten. Mainz: Schott 2014. 352 Sei­ten. ISBN 978−3−7957−5926−1. 24,99 Euro.

— Zuerst erschie­nen in Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin, Aus­ga­be Mai 2014.

Taglied 20.12.2013

Bevor ich ganz in die Weih­nachts­mu­sik abtau­che, noch eine der bes­ten Chor­mu­si­ken über­haupt: Gus­tav Mahlers „Ich bin der Welt abhan­den gekom­men“ im groß­ar­ti­gen Arran­ge­ment von Cly­tus Gott­wald (hier gesun­gen vom öster­rei­chi­schen Cho­rus sine nomi­ne)

Gus­tav Mahler /​Cly­tus Gott­wald (Arr.) Ich bin der Welt abhan­den gekom­men

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Taglied 17.12.2013

Max Reger, Nacht­lied op. 138

Max Reger: Nacht­lied – S:t Jacobs Ung­dom­skör , Stock­holm, Swe­den; Dir.: Mika­el Wedar

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Volksrede an die Mainzer Menschheit

Und dann das Fina­le: Eine drei­vier­tel Stun­de hat der Chor dafür auf der Büh­ne gewar­tet, jetzt darf end­lich mit­mi­schen und die Freu­de, die Ein­tracht, die Erlö­sung und über­haupt den Him­mel auf Erden sin­gend ver­kün­den. Und sie tun das mit einer unge­bro­che­nen Ver­ve – obwohl Beet­ho­vens neun­te Sin­fo­nie mit ihren Ver­hei­ßun­gen doch schon bald 200 Jah­re alt ist. Der Bach­chor Mainz, der seit sei­ner Fusi­on bei sol­chen Groß­pro­jek­ten mit dem Hoch­schul­chor noch eine Spur jün­ger und fri­scher klingt, wird näm­lich von dem Diri­gen­ten Karl-Heinz Stef­fens hör­bar genau­so mit­ge­ris­sen wie das Publi­kum in der Chris­tus­kir­che.

Kein Wun­der, denn nicht nur der Chor kann begeis­tern. Vor allem die Deut­sche Staats­phil­har­mo­nie aus Lud­wigs­ha­fen zeigt sich als über­zeu­gen­des Beet­ho­ven-Orches­ter. Stark und kon­zen­triert führt ihr Chef Stef­fens die Musi­ker durch die zu ihrer Zeit bei­spiel­lo­se Par­ti­tur der Neun­ten. Kan­tig und fokus­siert bleibt der Klang, vor allem die Blä­ser über­zeu­gen durch ihre Prä­senz. Kein Zwei­fel: Zwei­fel kennt Stef­fens nicht. Im Gegen­teil: Er zwingt all die diver­gie­ren­den Per­spek­ti­ven der Par­ti­tur in eine Ein­heit – ohne dass man den Zwang dabei immer merkt und ein­fach eine über wei­te Tei­le sehr logisch und strin­gent ent­wi­ckel­te Sin­fo­nie hört.

Trotz ihrer unge­bro­che­nen Beliebt­heit ist die Neun­te alles ande­re als ein leich­tes Werk: Der Umfang, die schwie­ri­gen Tem­pi, die kom­ple­xe Ent­wick­lung der sin­fo­ni­schen Form und das Pathos des Schlus­ses: All das for­dert den Diri­gen­ten beson­ders. Stef­fens meis­tert das hoch­kon­zen­triert und schwä­chelt nur im drit­ten Satz ein wenig, woe er die sonst so kohä­ren­te Strin­gez und Kon­se­quenz der for­ma­len Ent­wick­lung in sei­ner Inter­pre­ta­ti­on ein biss­chen aus den Augen ver­liert: Das ist schön, aber nicht mehr so unbe­stech­lich zwin­gend wie die ers­ten bei­den Sät­ze. Da hat Stef­fens wirk­lich viel gege­ben und gezeigt, wie wich­tig die für die gan­ze Sin­fo­nie sind. Denn bei ihm wird nicht nur deut­lich, war­um die Neun­te so groß­ar­tig ist. Son­dern auch, wie sie es ist: Wie Beet­ho­ven hier geschickt wie sel­ten aus den kleins­ten Moti­ven das größ­te über­haupt ent­wi­ckelt, das macht Stef­fens immer wie­der deut­lich. Ganz beson­de­re und wun­der­bar hör­ba­re Auf­merk­sam­keit rich­tet er auf die Keim­zel­len der moti­vi­schen Ent­wick­lung.

Und doch war­ten natür­lich alle auf das gro­ße Fina­le: Erst hier darf der durch­trai­nier­te Bach­chor sei­ne voka­len Musik­eln spie­len las­sen und zei­gen, wie leicht ihm das fällt. Und das Solis­ten­quar­tett mit der Sopra­nis­tin Sophie Kluß­mann, der Altis­tin Julia Fay­len­bo­gen und dem Tenor Chris­ti­an Els­ner sowie dem Bass Micha­el Dries fügt sich da har­mo­nisch und fast schon unauf­fäl­lig ein.
Ver­zü­ckung macht sich auf dem Gesicht des Diri­gen­ten schon gleich zu Beginn des Sat­zes breit – nicht ohne Grund, denn trotz des mäch­ti­gem Klangs bleibt alles sehr leicht­fü­ßig. Selbst der hei­li­ge Ernst der gna­den­los über­höh­ten Kunst als Welt­ret­te­rin: Durch die zacki­ge Phra­sie­rung und den mar­kant-kan­ti­gen Klang ver­liert das die Lee­re, die For­mel­haf­tig­keit des Pathos, ohne dabei auf Distanz gehen zu müs­sen. Die­se Musik ist ein­fach beseelt vom Glau­ben an ihre Mög­lich­kei­ten.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)

Kanonische Kanons

„Der Kanon fängt harm­los an“ – aber damit ist schnell Schluss. „33 neue Kanons“ haben Oli­ver Gies und Bert­rand Grö­ger, die man hier wohl nicht mehr vor­stel­len muss, ver­öf­fent­licht. 33 neue Kanons, das ist eine Men­ge Mate­ri­al: meist drei- oder vier­stim­mig gedacht, für Män­ner- und Frau­en­stim­men oder gemisch­te Chö­re und Sing­grup­pen glei­cher­ma­ßen geplant, sind die neu­en Kanons klei­ne Kunst­wer­ke , die alles ande­re als harm­los sind. Aber auch alles ande­re als lang­wei­lig. Denn die Samm­lung bie­tet viel mehr, als die Zahl ver­mu­ten lässt. Alle Kanons sind gewis­ser­ma­ßen mul­ti­funk­tio­nal: Natür­lich liegt das in der Sache, ein Kanon lässt sich immer auf vie­ler­lei Wei­se sin­gen und auf­füh­ren. Die bei­den Kom­po­nis­ten geben den Chor­lei­tern und Chor­lei­te­rin­nen aber gleich noch eine Men­ge Ideen, Hin­wei­se und Mate­ria­li­en an die Hand, wie selbst „ein­fa­che“ Kanons nicht zu gro­ßer Kunst, aber zu span­nen­der musi­ka­li­scher Unter­hal­tung oder unter­halt­sa­mer Musik wer­den kön­nen: Chor­spaß wird hier groß­ge­schrie­ben – auch wenn die Tex­te manch­mal etwas bemüht lus­tig sind.

Zu jedem Kanon fin­den sich – teil­wei­se mehr­fa­che – Kla­vier­be­glei­tun­gen, Vor‑, Zwi­schen- und Nach­spie­le, Body-Per­cus­sions, ergän­zen­de Begleit-Phra­sen und Neben­stim­men (ganz wun­der­bar mit Zita­ten zum Bei­spiel beim „Weg zur Oper“), aber auch zusätz­li­che Instru­men­te und vie­les mehr. Der eigent­li­che Wert die­ses Hef­tes liegt genau in die­sen rei­chen Arran­ge­ment-Ideen, die über das übli­che ver­setz­te Ein­set­zen und Sin­gen bis zum Abwin­ken weit hin­aus­ge­hen und das Kano­nie­ren zum fast sport­li­chen Akt wer­den las­sen.

Die Kanons selbst sind sti­lis­tisch eben­falls ange­nehm viel­fäl­tig, sie rei­chen vom eher simp­len Warm-up bis zur veri­ta­blen Cho­re­tü­de, von der Kon­zert­zu­ga­be bis zur Pobe­an­auf­lo­cke­rung und ‑hei­te­rung. Und die „Sal­sa-Susi“ steht hier nicht nur alpha­be­tisch neben dem „Schla­fe, mein Kind­lein“ (übri­gens ein wun­der­bar gemei­nes „Schlaf­lied“): Abwechs­lung ist Pro­gramm, Gegen­sät­ze bie­tet jede neue Dop­pel­sei­te. Von der schlich­ten Abwechs­lung für den Pro­ben­all­tag bis hin zu aus­ge­feil­ten Sca­te­tü­den, die selbst geprobt sein wol­len, span­nen sich die Kanons, vom „Bier“ über den „Chor der Müll­ab­fuhr“ bis zur gesun­gen Cho­reo­gra­fie. Die Kanons boh­ren sich als Ohr­wurm shcon mal tief ins Bewusst­sein. Ganz schlimm wird es dann, wenn nicht nur die Musik immer wei­ter geht, son­dern auch der Text sich im Zir­kel bewegt, wie es „Ein Tag wie die­ser“ vor­führt. Und ob man will oder nicht, ob man’s gera­de gut fin­det oder nicht, da kann man nur noch – sin­gend natür­lich – rufen: „Der Kanon hört nicht mehr auf!“.

(geschrie­ben für die Neue Chor­zeit.)

Ins Netz gegangen (15.6.)

Ins Netz gegan­gen (11.6.–15.6.):

  • Peter Kurz­eck zum Sieb­zigs­ten: Lebens­plan bis zum Lite­ra­tur­no­bel­preis – FAZ – Andre­as Platt­haus fin­det sehr empha­ti­sche Wor­te für sei­nen Geburts­tags­gruß an Peter Kurz­eck:

    Es ist die­se Lie­be zur eige­nen Geschich­te, die Kurz­eck zu einem Erzäh­ler macht, der die­se Bezeich­nung wie kein Zwei­ter ver­dient.

  • Zum 70. Geburts­tag: Ein Ständ­chen für Peter Kurz­eck | hr-online.de – Ulrich Son­nen­schein reiht sich für den hr in die Rei­he der Gra­tu­lan­ten zu Peter Kurz­ecks 70. Geburts­tag ein:

    Nun wird er schon 70 und es gibt noch so viel zu erzäh­len. Von Peter Kurz­ecks gro­ßes Roman­pro­jekt „Das alte Jahr­hun­dert“, das in zwölf Büchern die letz­ten zwei Jahr­zehn­te des 20. Jahr­hun­derts auf­be­wah­ren soll, sind erst fünf erschie­nen. Und wer die Arbeits­wei­se von Peter Kurz­eck kennt, schaut mit ban­gem Blick auf das Pro­jekt und erkennt, dass es wahr­schein­lich Frag­ment blei­ben muss, so wie das Leben auch immer nur ein Frag­ment ist.

  • Ver­la­ge dros­seln Taschen­buch-Pro­duk­ti­on radi­kal – buch­re­port – Nicht nur die Tele­kom dros­selt ihr Ange­bot, auch die Ver­la­ge sind dabei:

    Ein so nied­ri­ger Novi­tä­ten­pe­gel wie in die­sem Juni wur­de jeden­falls in den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren nicht gemes­sen.

  • Johan­nes Brahms’ Bre­mer Tri­um­ph­lied: Ver­schol­le­nes Werk wie­der­ent­deckt -

    Musik­wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bre­men haben das bis­lang ver­schol­len geglaub­te Noten­ma­te­ri­al der Urauf­füh­rung des Tri­um­ph­lie­des op. 55 von Johan­nes Brahms im Archiv der Phil­har­mo­ni­schen Gesell­schaft Bre­men wie­der­ge­fun­den. Anhand der his­to­ri­schen Abschrif­ten der Chor- und Orches­ter­stim­men und im Ver­gleich zur bekann­ten, spä­te­ren Fas­sung des groß­an­ge­leg­ten Werks ist es Pro­fes­sor Ulrich Tad­day und Kat­rin Bock gelun­gen, die Par­ti­tur der Urauf­füh­rung von 1871 voll­stän­dig zu rekon­stru­ie­ren.

    Das Ergeb­nis der mehr­mo­na­ti­gen For­schungs­ar­beit über­trifft alle Erwar­tun­gen der Wis­sen­schaft­ler. Die Kom­po­si­ti­on unter­schei­det sich so sehr von der bekann­ten, spä­te­ren Fas­sung, dass es gerecht­fer­tigt ist, sie als eigen­stän­di­ges Werk zu bezeich­nen: Die Bre­mer Fas­sung des Tri­um­ph­lie­des.

  • Der Wort­zer­tei­ler – taz.de – Jörg Mage­nau in sei­nem aus­führ­li­chen Nach­ruf auf Wal­ter Jens:

    Jens sprach, um zu spre­chen, und berausch­te sich dar­an.

Taglied 25.12.2012

Lui­gi Dal­la­pic­co­la, Can­ti di Pri­gio­nia

Lui­gi Dal­la­pic­co­la: Can­ti di Pri­gio­nia (1938÷1941)

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Taglied 15.11.2012

Györ­gy Lige­ti, Lux aeter­na


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kann man übri­gens auch sehr schön bei „The Infi­ni­te Juke­boxanhö­ren

Pracht im Sommer

Am Anfang steht ein Abschied: Das Eröff­nungs­kon­zert des dies­jäh­ri­gen Main­zer Musik­som­mers ist das aller­letz­te Kon­zert, das Mathi­as Breit­schaft in sei­ner Eigen­schaft als Dom­ka­pell­meis­ter diri­giert. Das ist aber kei­nes­wegs ein schlech­tes Omen, auch wenn der dies­jäh­ri­ge Musik­som­mer die drei­zehn­te Auf­la­ge des Som­mer­fes­ti­vals ist. Denn das Eröff­nungs­kon­zert im Dom besticht mit sei­nem Rund­gang durch fast fünf­hun­dert Jah­re Musik­ge­schich­te im Sau­se­schritt: Von Pal­estri­na bis Richard Strauss reicht der Rei­gen, den der Dom­kam­mer­chor, die Main­zer Dom­blä­ser und Orga­nist Dani­el Beck­mann gemischt haben. In aller­ers­ter Linie ist es aber der Dom­kam­mer­chor, der für Begeis­te­rung sorgt. Nicht zu unrecht, denn Breit­schaft hat ihn sehr genau vor­be­rei­tet. Im Zen­trum steht die Bach-Motet­te „Fürch­te dich nicht“ als ein sehr dich­tes und trotz des klang­lich homo­gen sin­gen­den Cho­res erstaun­lich über­sicht­li­ches, immer­hin acht­stim­mi­ges Klang­ge­we­be. Vor allem, weil Breit­schaft immer wie­der die zen­tra­le Aus­sa­ge, das „Fürch­te dich nicht“, zu beto­nen weiß – und jeder Wie­der­ho­lung eine neue Klang­nu­an­ce mit­ge­ben kann: Die­ses „Fürch­te dich nicht“ wird durch­aus von Zwei­feln erschüt­tert, ver­liert aber hör­bar nie die Gewiss­heit eines all­zeit anwe­sen­den Got­tes.

Hans Leo Hass­lers Mes­se vor­her, über hun­dert Jah­re älter, nahm Breit­schaft mit dem Dom­kam­mer­chor fast im Sau­se­schritt und voll­kom­men anders, als man es von den Spe­zia­lis­ten his­to­ri­scher Auf­füh­rungs­pra­xis gewohnt ist: Mit gro­ßem, aber durch­aus beweg­li­chem Chor klingt das ganz und gar gegen­wär­tig und unbe­dingt ehr­lich: Mal beschwingt, mal monu­men­tal – immer den Raum vor­züg­lich als Klang­part­ner mit­nut­zend schwingt die kur­ze Mes­se fle­xi­bel zwi­schen gro­ßer Ges­te und detail­lier­ter Fein­zeich­nung.

Und dann, neben die­ser nur nomi­nell „alten“ Musik, Bruck­ner und Men­dels­sohn Bar­thol­dy: Das ist der Moment des Abends, wo die Detail­freu­dig­keit noch inten­si­viert wird und der Chor­klang zur Voll­endung kom­men darf. Zumin­dest annä­hernd. Denn manch­mal fehlt gera­de bei den Motet­ten von Bruck­ner in den sehr deut­lich gesun­ge­nen Lini­en ein biss­chen die ver­ti­ka­le har­mo­ni­sche Klam­mer. Wun­der­bar won­nig zau­bert Breit­schaft dann aber die Innig­keit der „Ave Maria“-Motette: Wie fein er die zen­tra­len Wor­te abzu­tö­nen weiß, wie er das „Jesus“ und das abschlie­ßen­de „Amen“ zu auf ganz weni­gen Noten zusam­men­ge­dräng­ten Erzäh­lun­gen einer gesam­ten Theo­lo­gie ver­dich­tet – das ver­rät die erfah­re­ne Hand eines Diri­gen­ten, der genau weiß, was er aus dem Dom­kam­mer­chor her­aus­kit­zeln kann.

Auch die unbe­ding­te Hin­ga­be an Musik und ihren Inhalt macht das so über­wäl­ti­gend und unbe­dingt bewe­gend. Nir­gends wird das so deut­lich wie in Felix Men­dels­sohn Bar­thol­dys Motet­te „Mein Gott, mein Gott, war­um hast du mich ver­las­sen“: Im feins­ten pia­nis­si­mo wie im kraft­volls­ten for­te ach­tet Breit­schaft pein­lich genau auf die moti­vier­te Ver­bin­dung von Text und Klang, die sich gegen­sei­tig ver­dich­ten und zum groß­ar­ti­gen Abschluss ver­stär­ken. Der „Fest­li­che Aus­zug“ von Richard Strauss mit Orgel und Blech­blä­sern ist nach die­sem gran­dio­sen Chor­fi­nish fast über­flüs­sig. Ganz fol­ge­rich­tig greift Breit­schaft dann noch ein­mal zur Stimm­ga­be und lässt den Dom­kam­mer­chor mit einer wei­te­ren Bruck­ner­mot­tet­te als Zuga­be doch das letz­te Wort haben: „Locus iste“, ganz berüh­rend in ihrer Schlicht­heit. Und das Lob die­ses Ortes passt per­fekt ans Ende des Eröff­nungs­kon­zer­tes – schließ­lich ver­spricht der Main­zer Musik­som­mer „Klas­si­sche Musik im klas­si­schen Raum“.

(In einer etwas kür­ze­ren Ver­si­on geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)

Es geht auch ohne Band: Jazzchor Freiburg a‑cappella

Jeder neu­en CD des Jazz­chor Frei­burg wird mit Span­nung und Vor­freu­de ent­ge­gen­ge­fie­bert, die Erwar­tun­gen sind hoch. Und die 11 Songs von „A Cap­pel­la“ ent­täu­schen sicher nie­mand – auch wenn der Jazz­chor hier das ers­te Mal pur zu hören ist, ganz ohne instru­men­ta­le Rhyth­mus­grup­pe. Das beginnt schon mit dem klang­mäch­ti­gen Start des Titel­songs, „A Cap­pel­la“. Mit stark gefea­tur­ter Beat­box von Juli­an Knör­zer – der wird noch öfters begeg­nen – ist das ein pefek­ter Ope­ner für die bun­te Mischung die­ser CD.

Denn nicht nur der ers­te Titel, son­dern das gan­ze Album ist per­fek­te Wer­bung für den Jazz­chor (und nicht nur für die Frei­bur­ger): Wer hier nichts fin­det, ist für die­se Musik wohl ver­lo­ren. Aber die CD ist dabei auch unge­heu­er dis­pa­rat. Alle drei bis vier Minu­ten kommt völ­lig ande­re Musik aus den Laut­spre­chern. Auf das wei­che, war­me „In Per­son“ zum Bei­spiel folgt naht­los „A May Song“ von Bert­rand Grö­ger eine aus­ge­spro­chen raf­fi­nier­te voka­le Spie­le­rei, bevor es mit „Shi­ny Sto­ckings“ zum klas­si­schen Swing wech­selt: Gera­de das ist durch­aus gran­di­os in sei­ner Makel­lo­sig­keit und wun­der­bar inspi­rie­rend. Über­haupt nut­zen die Arran­ge­mens die Fähig­kei­ten des Jazz­cho­res sehr gut. Die ekle­ti­sche Stil­mi­schung ist näm­lich als Leis­tungs­aus­weis sehr geeig­net und war­tet mit zahl­lo­sen fas­zi­nie­ren­den Momen­ten auf. Und bleibt dabei doch auch unge­heu­er ver­spielt: Das hat oft etwas sehr unmit­tel­bar begeis­ter­tes – fast scheint es, als wol­le der Chor aus­pro­bie­ren, was er noch alles kann (und das ist viel). „Cute“ mischt etwa schön einen alten Big-Band-Hit von Neal Hef­ti mit Beat­box-Ele­men­ten, einem druck­vol­len Chor und span­nen­dem Scat-Solo von Lar­ry Brow­ne, wäh­rend Piaz­zoll­as Tan­go „La Muer­te del Angel“ zu einer veri­ta­blen Chor-Etü­de wird, die man durchs Tan­zen über­haupt nicht ent­eh­ren will.

Auch die afri­ka­ni­sche Ein­flüs­se machen sich nicht nur in Grö­gers „Afri­can Call“ mehr als deut­lich bemerk­bar – selbst im Hap­py Bir­th­day schei­nen sie durch. Aber das Arran­ge­ment von Klaus Frech ist sowie­so sehr frei – und über­ra­schend span­nend, auch weil der Text voll­kom­men ersetzt wur­de. Doch das Bes­te kommt erst ganz am Schluss: Eine wun­der­ba­re Ver­si­on des Beat­les-Song „Good Night“ – scharf am Kitsch ent­lang balan­cie­rend, aber von Betrand Grö­ger mit sou­ve­rä­ner Hand arran­giert und diri­giert, vom Jazz­chor Frei­burg ganz wie gewohnt tadel­los gesun­gen, zeigt das fast wie ein Fazit noch ein­mal, war­um der Jazz­chor Frei­burg immer noch und immer wie­der Stan­dards setzt.

Jazz­chor Frei­burg: A Cap­pel­la. 2012. Jazz­haus Records JHR 055.
(geschrie­ben für die Neue Chor­zeit.)

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