Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: autor

thomas pynchon wird 70

und schon wieder ein jubiläum: Thomas Pyn­chon wird tat­säch­lich schon siebzig. hätte ich gar nicht gedacht, dass er schon so alt ist. aber sein geburts­da­tum ist ja bekan­nt — im gegen­satz zum großen reste sein­er biogra­phie, denn pyn­chon ist ja sicher­lich ein­er der unsicht­barsten autoren in sein­er liga. und das macht ihn mir natür­lich auch wieder sym­pa­thisch, denn deut­lich­er kann man die unwichtigkeit der per­son des realen autors für das kunst­werk, in seinem falle auss­chließlich romane und wenige erzäh­lun­gen, kaum demon­stri­eren. die süd­deutsche wid­met diesem vielle­icht großar­tig­sten romanci­er der post­mod­erne heute den feuil­leton-auf­mach­er, der sich net­ter­weise auch im netz find­et. lit­er­aturredak­teur burkhard müller beschäftigt sich zunächst auch mit der frage des ver­schwun­de­nen autors, bietet dann einen sehr knap­pen abriss des schmalen oeu­vres und kommt zum zen­tralen prob­lem: wie rezip­iere ich als leser und/oder kri­tik­er solch ein werk eigentlich? denn „Pyn­chons Büch­er ziehen vorüber wie Wolken, die den unwider­stehlichen Drang aus­lösen, in ihrer höchst plas­tis­chen Form Gestal­ten zu erblick­en, Muster hineinzuse­hen; dabei sind es ein­fach Wolken, deren verän­der­liche Kom­plex­ität auf nichts weit­er ver­weist als auf sich selb­st” — eine schöne Meta­pher, finde ich. son­st hält sich müller näm­lich auch zurück — kon­sta­tiert in „against the day” noch einen „absoluten gipfelpunkt von pyn­chons schaf­fen”, um dann freilich zu hof­fen, dass er mit seinem näch­sten werk aus diesem „rasenden Still­stand” endlich her­aus­find­et. (das wäre dann aber eigentlich doch ziem­lich pyn­chon-untyp­isch?). sein schluss ist zwin­gend: „viel, wie gesagt, weiß man nicht über pyn­chon.”

diet­mar dath hat in der faz auch eine schöne würdi­gung der erfind­erischen und erzäh­lerischen tat­en pyn­chons geliefert.

mehr links zu pyn­chon bietet die aus­geze­ich­nete samm­lung von otto sell. hingewiesen sei auch an dieser stelle natür­lich wieder auf das pyn­chon-wiki.

gerhard polt wird 65

na dann: her­zlichen glück­wun­sch, Ger­hard Polt! und hof­fentlich noch viel zeit, uns mit humor und ein­sicht zu erfreuen!

rainald goetz ist wieder im internet unterwegs

eigentlich ste­he ich unternehmungen, die die sig­natur „rainald goetz” tra­gen, ja sehr aufgeschlossen und pos­i­tiv gegenüber. „abfall für alle”, sein erstes großes inter­net­pro­jekt — mit dem er ja auch der zeit eher voraus war — hat mich begeis­tert (übri­gens auch noch als buch!).

aber sein neuestes pro­jekt, der bei van­i­ty fair untergeschlüpfte „klage”-blog lässt mich etwas rat­los zurück. schon warum er aus­gerech­net bei van­i­ty fair untergeschlüpft ist, ver­ste­he ich nicht ganz (aber na gut, auch ein rainald goetz muss von irgend etwas leben).

dort präsen­tiert er also: erratis­che texte, deren zusam­men­hang für mich noch völ­lig offen ist. das wird jet­zt ja auch offiziell ein blog genan­nt. manch­mal scheint es mir, als ver­suche er verzweifelt, sich von „nor­malen” blog­gern abzuset­zen. mal sehen, was da noch bei her­auskommt. immer­hin, da schlägt der echte goetz eben unbe­d­ingt durch (zum glück, möchte ich sagen), verortet er sich ein­deutig auf der seite des textes — ganz all­ge­mein und auch im medi­um inter­net (wie sich hier nach­le­sen lässt)

schiller, ach schiller

warum hast du nur so lange dra­men geschrieben? aber da muss man ja erst ein­mal drauf kom­men: schillers “räu­ber” am stück und voll­ständig, von der “unter­drück­ten vorrede” bis zum “dem mann kann geholfen wer­den” sich gegen­seit­ig vor­lesen. daniel hat­te die idee und hat heute dazu neun leute in seinem wohnz­im­mer ver­sam­melt — und vorzüglich bewirtet. um die schnö­den leib­lichen begier­den braucht­en wir uns also nicht küm­mern, son­dern kon­nten uns ganz dem heili­gen text von schillers ersten dra­ma zuwen­den. die idee, das ein­fach mal laut und mit verteil­ten rollen zu lesen, ist ja schon ein wenig spleenig — und natür­lich typ­isch für daniel… beson­ders schön fand ich ja auch die idee der aus­lo­sung der rollen, und zwar für jede szene neu: so kam es gar nicht erst zu iden­ti­fika­tio­nen, der abstand zum text blieb immer gewahrt und ermöglichte ihm ger­ade dadurch eine beson­dere eigen­ständigkeit. denn eigentlich ist es nur eine schwund­form sein­er eigentlich gestalt, der auf­führung auf der bühne. dafür aber voll­ständig, um kein wort gekürzt — und auch entsprechend lang. mit eini­gen kleinen pausen haben wir immer­hin so etwa sechs stun­den gebraucht — das macht im the­ater ja kaum noch ein pub­likum heute mit. über­haupt ist es inter­es­sant und mir hier wieder ein­mal sehr deut­lich gewor­den, wie sehr sich das zeit­ge­fühl um 1800 von dem heuti­gen unter­schieden haben muss. inzwis­chen sind ja auch viele the­ater dem dik­tat des kinos und sein­er neun­zig­minüti­gen stan­dard­länge für jedes the­ma gefol­gt und fordern die aus­dauer des pub­likums, sich über mehrere stun­den zu konzen­tri­eren und sich so ganz und gar ein­er erfahrung eines kunst­werkes, und zwar nur eines einzi­gen, nicht eines ganzen reigens ver­schieden­er, hinzugeben. das stück selb­st enthüllt, wenn man es so stur und unver­drossen liest, dur­chaus einige unge­wollte komik. vor allem dann näm­lich, wenn das hier manch­mal noch etwas über­schüs­sige, noch nicht so fein (wie es schiller später ver­stand) aus­ge­formte pathos der rede mit dem zwang des vom-blatt-lesens kol­li­diert, wenn die hohen worte nur eine beiläu­fige stimm­liche verkör­pe­rung efahren — dann offen­bart sich doch einiges an witz und humor. über­haupt hat mich erstaunt, wie frisch und lebendig der text allein durch seine sprach­liche mate­ri­al­i­sa­tion noch heute, immer­hin mehr als zwei­hun­dert jahre nach sein­er nieder­schrift, sein kann. gut, im fün­ften akt wurde es dann ab und an etwas hol­prig, die konzen­tra­tion ließ am trüben, ver­reg­neten novem­ber­nach­mit­tag spür­bar nach — da kon­nte auch der prompt servierte kaf­fee nicht mehr viel helfen. aber trotz­dem: das ist eine angehme erfahrung gewe­sen. umso mehr, als ich zunächst dur­chaus skep­tisch (wenn auch sofort wil­lens, das wag­nis auszupro­bieren) war, was die real­isierung von daniels plan anging und vor allem zweifel hat­te, ob der und ger­ade dieser text so etwas über­haupt sin­nvoll zulässt. doch er lässt es nicht nur zu, es macht auch nicht nur spaß, son­dern fördert auch gute ein­drücke (vielle­icht nicht so tiefge­hend wie die ein­er wirk­lich guten insze­nierung), aber auf jeden fall bleibende ein­drücke. und jet­zt — wom­öglich machen wir das noch öfter, vielle­icht aber doch mit ten­den­ziell kürz­eren tex­ten.…

die textfabrik von marlene streeruwitz

diese autorin schätze ich eigentlich sehr. ihre romane sind nicht nur sprach­liche her­vor­ra­gend gear­beit­ete kunst­werke, son­dern auch in ihrer for­malen gestal­tung. und nicht zulet­zt auch inhaltlich, in ihren zie­len, nicht bloß hochin­ter­es­sant, son­dern auch gut und richtig, um ein­n­mal diese großen worte zu bemühen. die nov­el­le morire in lev­i­tate (2004) allerd­ings zählt nicht dazu. das ist nichts, was mich irgend­wie beein­druck­en kön­nte. möglicher­weise hat­te ich auch ger­ade nur keine lust, mich mit dem ster­ben über­haupt und im beson­deren zu beschäfti­gen – das müsste eine zweite lek­türe noch ein­mal kon­trol­lieren. jet­zt hat­te ich auf jeden fall den ein­druck, das hier nur, ohne allzu große inspi­ra­tion und vor allem ohne dringlichkeit, ohne den drang, etwas sagen/gestalten/machen zu müssen (der bei streeruwitz son­st dur­chaus solide aus­geprägt ist – ger­ade das schätze ich ja so an ihr) – ok, wo war ich? – ach ja, der ein­druck, das hier ohne innere notwendigkeit die textfab­rik arbeit­en musste, um leer­lauf zu ver­mei­den. vielle­icht war es ja die äußere notwendigkeit, auf dem markt und in der öffentlichkeit präsent zu bleiben, die hin­ter der veröf­fentlichung dieser nov­el­le stand. aber jeden­falls erscheint das alles sehr abgenutzt, die stilis­tis­chen mit­tel ohne kon­se­quenz, ohne notwendi­ge verbindung mit dem text und seinem the­ma, die bilder vage und blass – kurz, mich hat es ziem­lich gelang­weilt. also ab in die wieder­vor­lage in 1,2 jahren.

mar­lene streeruwitz: morire in lev­i­tate. nov­el­le. frankfurt/main: fis­ch­er taschen­buch 2006. (erste aus­gabe im s. fis­ch­er ver­lag 2004)

kroetz gibt auf

heute gele­sen in ein­er der liegen gebliebe­nen aus­gaben der süd­deutschen von let­zter woche (die nachricht beruht auf ein­er vor­ab­mel­dung der zeit):

franz xaver kroetz hat genug. nach­dem er zwei jahre an seinem neuesten the­ater­stück „tänz­erin­nen & drück­er” gesessen habe und von seinem jüng­sten gedicht­band lediglich 490 exem­plare verkauft habe, wolle er das schreiben kün­ftig sein lassen. auch auf der bühne werde man ihn nicht mehr sehen, sagte kroetz, der sich selb­st als ‚depres­siv­er, aus­ge­bran­nter schrift­steller’ beze­ich­net: ‘mit dem schaus­piel­ern ist es ja auch vor­bei. als regis­seur will ich arbeit­en.

ob das jet­zt eine gute nachricht ist? nach dem let­zten erzäh­lungs­band kann ich immer­hin seinen entschluss befür­worten, mit dem schreiben aufzuhören … doch ob er als regis­seur noch etwas vernün­ftiges hin­bekommt, entzieht sich allerd­ings mein­er ken­nt­nis. aber wenn er wirk­lich so sparsam ist, dann muss er ja höchst­wahrschein­lich auch nicht mehr viel arbeit­en…

briefe einer freundschaft

nun ja, eigentlich sind es ja nur frag­mente: hwh war offen­bar doch recht schlampig beim aufheben… jeden­falls fehlen vor allem von bach­manns briefe ein großer teil, auch son­st einige lück­en, die die lek­türe nicht ger­ade erle­ichtern, weil die bezüge ständig fehlen.

anson­sten sind die briefe dieser ach so tollen, fast schon mythol­o­gisierten fre­und­schaft nicht dazu ange­tan, mein eher abneigen­des ver­hält­nis zu hwh zu rev­i­dieren. denn der briefwech­sel ist ganz schön asymetrisch: hwh fordert und ver­langt und drän­gelt, bach­mann hält dage­gen lange zeit auf abstand. und aus dem von hwh immer wieder ange­forderten libret­to wird ja auch lange nix…

das liebe geld, die schwieri­gen arbeits­be­din­gun­gen, seel­is­che mühen und jubel — und natür­lich ital­ien, das gelobte land für hwh sind die immer wieder auf­tauchen­den the­men. und auch wenn er ib immer wieder davon überzeu­gen zu ver­sucht, es ihm mit dem gang ins exil nachzu­tun, daran scheit­ert er immer wieder: ib bleibt höch­sten ein paar wochen, mal monate, dann ist sie wieder unter­wegs, rast­los wie immer.

über die gemein­samen arbeit­en erfährt man aber dann doch gar nicht so viel — außer, dass sie solch­es lieber mündlich besprachen. einzige aus­nahme: die libret­to-arbeit am “prinz von hom­burg” — aber die war von hwh auch so schon recht aus­führlich doku­men­tiert

übri­gens auch die edi­tion nicht so wahnsin­nig umw­er­fend: die kom­mentare sind teil­weise bloße selb­stver­ständlichkeit­en, die auch noch oft wieder­holt wer­den, anderes wichtiges fehlt dage­gen ganz — irgend­wie bleibt der ein­druck eines halb­herzi­gen ver­suchs, nicht fisch noch fleisch.
inge­borg bach­mann, hans wern­er hen­ze: briefe ein­er fre­und­schaft. hrsg. von hans höller. münchen, zürich: piper 2004

Seite 3 von 3

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén