… mit dem gelde, wenn ich nicht bücher kaufte?“—gotthold ephramim lessing an nicolais frau
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gerade gesehen: peter kurzeck erhält den preis „hörbuch des jahres 2008“ – natürlich für „ein sommer der bleibt“. mit 15.000 euro auch ganz ansehnlich dotiert. herzlichen glückwunsch.
und zwar ziemlich ausführlich. das beste und bezeichnendste kommt kurz vor schluss:
Jeder ist anders, aber ich für meinen Teil vermag in Joschka Fischer, der uns nicht nur in Tausenden von Interviews, sondern auch mit bestverkauften Memoirenbänden über jede Windung seines Lebens, seiner Politik und seiner Leibesfülle informiert hat, keinen opaken Dunkelmann der Macht zu sehen. Ich weiß schon jetzt viel zu viel über ihn.
genau das zeigt ja, dass nils minkmar gar nichts kapiert hat. zumindest nichts von dem, worum es goetz geht. das wäre ja kein problem, würde er es ihm nicht vorwerfen … schon der anfang ist ja wieder einmal typisch faz/fas:
Es wird ein großes Fest gewesen sein, gestern Nacht in der Oranienburger Straße 189, schließlich waren explizit „alle“ sogar „herzlich“ eingeladen, um das Ende von Rainald Goetz‘ Internettagebuch „Klage“ auf Vanityfair.de zu feiern; ja, und dann kommen zumindest viele.
triefend vor neid, vor verachtung der masse und/oder menge, vor überheblicher selbstsicherheit und gewissheit, sich in den elitären redaktionsstuben nie mit so einem proletenhaften dreck näher beschäftigen zu müssen. dass er überhaupt der tirade wert ist, so scheint es, liegt nur in seinem vergangenen erfolg begründet: „Rainald Goetz, ein seit Jahrzehnten legendärer deutscher Schriftsteller von vierundfünfzig Jahren”, den die fas halt auch nicht ignorieren möchte. aber ein text, der anderen verachtung vorwirft, sollte selbst vielleicht wenigstens eine spur achtung für den gegenüber haben. doch das will sich minkmar anscheinend nicht leisten.
gerade kürzlich zitierte ich hier das neueste goetz’sche lob des internets. und jetzt erfahre ich aus der süddeutschen zeitung, dass „klage” im herbst als buch erscheinen soll – jetzt also doch. ich bin gespannt, ob und wie das funktioniert. genau wie burkhard müller, der darüber für die sz schrieb. ein recht interessantes stück übrigens, der goetzens leistung sehr gut erkennt, aber auch die schwächen nicht verschweigt. seltsam nur der eindruck, dass müller dieses projekt von rainald goetz offenbar gar nicht bekannt war (seltsam auch, dass er abfall für alle überhaupt nicht erwähnt), bis der suhrkamp-verlag die buchausgabe ankündigte. das spricht freilich wieder bände: das internet ist da – wie in so ziemlich der gesamten süddeutschen – noch nicht so richtig angekommen. zumindest nicht als ernstzunehmendes medium oder plattform, auf/in der auch kunst passieren und funktionieren kann.
„Schön ist das Internet in seiner Leisigkeit, der Unendlichkeit seiner Räume und der Heimlichkeit jedes einzelnen seiner Punkte, von dem irgendwelche geheimen Signale ausgehen.” (so fängt rainald goetz seinen klage-beitrag am freitag – mit dem titel enkomion – an.) schön finde ich diese beobachtung.
Dass der Winter noch einmal zurück nach Mainz kam, das konnten die Macher des Staatstheaters wirklich nicht vorhersehen. So blieben die abstrakten Blumendekorationen nur Hoffnung beim literarisch-musikalischen Goethe-Abend unter dem Motto „Leise Bewegung bebt in der Luft.“ Vielleicht hat ja auch deshalb der Osterspaziergang aus dem „Faust“ gefehlt – vom Eise befreit sind die Bäche momentan ja nur bedingt. Jedenfalls gab es auch so mehr als genug Material für eine schnelle Stunde Rezitationen und ein wenig Musik.
Zwei Goethe-Premieren im Theater waren der Anlass, dafür im Foyer des Kleinen Hauses einen Salon mit Sessel, Chaiselongue und Piano aufzubauen. Die Musik steuerten Alexander Spemann und die Pianistin Erika le Roux bei. Wie sie allerdings dazu kamen, unbedingt den etwas unpassenden „Erlkönig“ zu singen, wurde nicht so recht klar. Und so gut war er dann auch nicht, dass er sich selbst legitimiert hätte. Da wäre es doch naheliegender und passender gewesen, den „Musensohn“ nicht nur vorzulesen, sondern in Schuberts wunderbarer Vertonung erklingen zu lassen. Hugo Wolfs Komposition des „Blumengrusses“ konnte Spemann dagegen schön zart und einfühlsam vortragen.
Aber der Sänger war ja nicht die Hauptsache. Sondern der Text. Und davon gab es eine Menge, im schnellen Wechsel: Natürlich ganz viele Gedichte, dazu einige Ausschnitte aus dem „Werther“ und den „Wahlverwandschaften“ sowie Briefe Goethes an seine Frauen. Da gab es also Frivoles, Stimmungsvolles, Romantisches und Banales, Deftiges und Subtiles. Wie das bei Goethe eben so ist.
Neben stürmischen Liebeserklärungen und träumerischen Naturbeschreibungen standen dann eben auch die Trauer um gefällte Nussbäume im Pfarrhof und der briefliche Bericht über die eigenhändig gepflanzten Obstbäume – und alles immer wieder gedeutet als Bild. Alle Natur, alles Wachsen und Gedeihen, Blühen und Vergehen ist nur ein Spiegel. Für die Liebe natürlich: Wie die Natur im Frühling sprießt und gedeiht, so wächst auch die Zuneigung. Und für die Sehnsucht, der Begierde nach Nähe. Marcus Mislin und Friederike Bellstedt lasen das alles mit Routine und Empathie, mit Einfühlung und auch einem kleinen Hauch Ironie. Und das kam beim Publikum zu Recht ausgezeichnet an.
lukas heinser (coffee and tv) hat noch einmal in der alten scharteke, der programmschrift der neueren popliteratur in deutschland aus den frühen neunzigern, geblättert. und einige interessante beobachtungen zusammen getragen – vor allem zur belanglosigkeit dieses manifestes für die heutige gesellschaft, literatur und den pop.
und er sammelt auch nicht mehr. das kann bei einem autor wie ihm natürlich nur eines heißes: er ist letzte nacht an seinem krebsleiden gestorben. schade.
einen ersten, schon recht ausführlichen nachruf hat hendrik werner für die welt geschrieben. die frankfurter rundschau veröffentlich noch einmal das interview aus diesem sommer von peer teuwsen.
nachtrag: eine schöne übersicht zu kempowski im netz liefert der perlentaucher.
und noch ein nachtrag: auch literaturkritik.de hat zwei nachrufe und eine sammlung von rezensionen zu walter kempowski bereit gestellt.
es wird ja auch schon langsam herbst …
aber schön, dass es mit klage jetzt endlich wieder weiter geht. und auch wenn ich mir am anfang noch nicht sicher war – so langsam gewöhne ich mich daran. und lese es immer lieber. zum beispiel den gestrigen eintrag. denn sätze oder besser gesagt absätze wie dieser fallen bei mir immer wieder auf fruchtbaren boden (und übrigens, seine meinung zum volltext teile ich auch im wesentlichen. wäre er nicht so billig, würde ich ihn nicht lesen bzw. durchblättern.) – weils so schön ist, muss ich es ausgiebig zitieren:
Nicht ohne hinzuzufügen, dass ich mir nur wegen Andreas Meiers Kolumne Neulich die Zeitschrift VOLLTEXT kaufe, wenn ich sie irgendwo sehe, und beim Durchblättern bin ich jedesmal erstaunt, was für ein crazy Kosmos die sich dort darstellende Welt der Literatur ist. Es ist keine böse Crazyness, keine verwerfliche, sondern eine ganz normale, die Crazyness der Abgeschlossenheit. Aber so wie Journalismus im negativen Fall zu sehr aus Journalismus gemacht wird, meist aus ausländischem, wird zu viel Literatur nur aus anderen Romanen, Erzählungen und Gerede darüber gemacht. Das ist schlecht für die Resultate.
Plötzlich glauben die Leute der Literatur wirklich daran, man könnte einfach nocheinmal wie damals die Geschichten von vorne nach hinten, eines nach den anderen so durch- und vorerzählen. Aber die Sprache hat in den vergangenen hundertfünfzig Jahren andere Nervositäten aufgebaut, andere Spezialismen entwickelt und einstmals selbstverständlich Gewusstes wirklich VERGESSEN, es ist verschwunden wie in der Malerei das Können, realistisch gegenständlich abbildenden Malens. So hat der Autor, der sich um das traditionelle Erzählen bemüht, gar keine lebendige eigene Sprache zur Verfügung. Nicht weil er sie selber nicht hat, sondern weil es sie wirklich gar nicht gibt. Es gibt keine nichtmuffige, nichtzuckrige, nichtbanale Sprache für einen heutigen Roman nach Art der großen Romane von früher.
und er hat seine ganz eigene seite, der verlag (fischer) hat sie ihm spendiert, sie hört auf den praktischen namen thomasmann.de. das ist gar nicht mal so ganz schlecht gemacht, weil sich da immerhin einige brauchbare informationen finden lassen (gut, das design ist vielleicht etwas augenkrebs-fördernd und nicht allzu übersichtlich). lustig wird es aber in der kategorie „Aus Thomas Manns Wortschatz”. die begründung für die liste ist noch halbwegs ernst zu nehmen:
Thomas Mann verwendet gelegentlich Wörter, die nicht jedem Leser bekannt sind. Meist sind es Fremdwörter, manchmal aber auch außer Gebrauch gekommene deutsche Wörter oder Fachwörter.
aber dann steht da so viel belanglose, altbekanntes drin, dass sich doch irgendwann die frage stellt, für wen das eigentlich gedacht ist. wenn man nämlich einem leser so etwas erklären muss:
Angel eine Spitze, vornehmlich die Haken, in denen eine Tür hängt (tkr),
dann hilft doch wohl auch diese liste nciht mehr. denn so jemand wird kaum vor dem pc sitzend thomas mann lesen. vor allem lässt sich so ein leser bestimmt nicht von solchen erklärungen begeistern und verführen:
Konservatorium keine Konservenfabrik, sondern eine Musikhochschule (daf)
auf der seite gibt es übrigens auch noch eine schmale rubrik „Wissenschaft und Literaturkritik”, eine kommentierte linksammlung (nicht sehr umfangreich) und kurze abrisse zu den figuren thomas manns (wozu man so etwas braucht? – keine ahnung). das gibt es aber im thomas-mann-figurenlexikon schon wesentlich besser (und ausführlicher)