Es sieht reich­lich selt­sam aus, was für einen kurio­sen Tanz Hän­de und Arme von Yakov Kreiz­berg da auf­füh­ren. Aber es funk­tio­niert: Der Diri­gent hat das SWR Sin­fo­nie­or­ches­ter Baden-Baden und Frei­burg beim Meis­ter­kon­zert in der Rhein­gold­hal­le in jedem Moment fest im Griff – auch wenn sei­ne Schlag­tech­nik das nicht unbe­dingt ver­rät.

Mit rie­si­gen, weit aus­ho­len­den Bewe­gun­gen schwingt der Diri­gent sei­nen extra­lan­gen Stab und steht dann kurz dar­auf minu­ten­lang fast wie ein­ge­fro­ren und steu­ert die Orches­ter­mu­si­ker mit win­zigs­ten Bewe­gun­gen zwei­er Fin­ger der lin­ken Hand. Dabei hat er aller­dings auch Unter­stüt­zung: Kirill Ger­stein am Kla­vier gibt im fünf­ten Kla­vier­kon­zert von Lud­wig van Beet­ho­ven ger­ne auch den einen oder ande­ren Impuls. Über­haupt ergän­zen die bei­den sich hier sehr ange­nehm: Diri­gent und Pia­nist bevor­zu­gen für das letz­te Kla­vier­kon­zert Beet­ho­vens, das vor fast genau 200 Jah­ren urauf­ge­führt wur­de, eine weich abge­run­de­te, har­mo­nisch aus­ge­füll­te Les­art, die garan­tiert nir­gend­wo aneckt.

Rund­um satt und zufrie­den tönt der doch oft so rebel­li­sche Beet­ho­ven hier, ertrinkt fast in der Har­mo­nie, Ein­tracht und Schön­heit die­ser Musik. Ger­stein spielt das sehr sau­ber und immer mit unauf­dring­li­cher, fast ver­steck­ter Bril­lanz. Dabei ver­birgt er sich und auch die meis­ten Akzen­te sei­nes Parts hin­ter wei­chem Eben­maß. Die Musik, die da in der Rhein­gold­hal­le erklingt, ist nicht von die­ser Welt – sie küm­mert sich aber auch gar nicht dar­um, sie ist mit sich selbst und ihrer rei­nen Schön­heit schon mehr als zufrie­den.

Auch das Orches­ter lässt sich da nicht lan­ge bit­ten und schmei­chelt auf allen Ebe­nen. So rich­tig dre­hen die Musi­ker des SWR-Orches­ters aber erst bei Ser­gej Rach­ma­ni­nows zwei­ter Sin­fo­nie auf. Auch die ist wie­der­um kei­ne im eigent­li­chen Sin­ne span­nen­de oder anre­gen­de Musik. Denn Kreiz­berg bleibt sei­ner Metho­de – und sei­nem Diri­gier­stil – treu: Mit gleich­zei­tig ecki­gen und sanft wogen­den Bewe­gun­gen lässt er die Sin­fo­nie zugleich feder­leicht schwe­ben und erwar­tungs­voll vibrie­ren. Das tost und dröhnt oft ganz gewal­tig, schwellt immer wie­der wun­der­bar auf und ab – denn wenn Kreiz­berg etwas kann, dann ist es das geschick­tes­te Phra­sie­ren: Nie kommt die Musik zur Ruhe, nie erschöpft sich sein Drang zum ewi­gen Wei­ter. Das ebnet die monu­men­ta­le Sin­fo­nie aller­dings auch hin und wie­der ein biss­chen ein – alles liegt sozu­sa­gen glei­cher­ma­ßen auf dem Weg, der immer wei­ter vor­wärts führt und nie ankommt. Aber die­ser Weg ist ein unbe­dingt schö­ner, ein Rei­gen seligs­ter Melo­dien­kunst in purer Prä­senz. Und das klingt groß­ar­tig – auch wenn es manch­mal selt­sam anzu­schau­en ist.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)