Deutschland Schwarz Weiß ist ein wichtiges Buch. Wichtig, um die vorherrschenden Strukturen des Rassismus in Deutschland zu erkennen und so versuchen, sie zu bekämpfen, und zu überwinden. Sow zeigt an einer Fülle von Beispielen, wie tief verankert rassistisches Denken und Verhalten in der deutschen Gesellschaft ist, wie Rassismus in Deutschland zum Alltag gehört — weil er strukturell-gesellschaftlich be“gründet“ und quasi vererbt wird.
Ich bin zwar nicht in jedem Detail mit ihren Wertungen einverstanden — aber darum geht es auch gar nicht. Sondern darum, zu erkennen, wie sehr rassistische Vorstellung unser Denken und eben auch unser Handeln immer wieder immer noch prägen. Dafür ist Sow’s Buch hervorragend geeignet und sollte fast so etwas wie Pflichtlektüre für bewusste Teilnehmer der deutschen Gesellschaft sein . Ich hätte es zwar gerne etwas stringenter und klarer in Struktur und Sprache, aber das ist meine persönliche Präferenz. Sow bemüht sich um Umittelbarkeit und Wirkmächtigkeit — da hat sie wahrscheinlich die bessere und wirksamere Strategie und Sprache gefunden.
Letztlich läuft das ganze auf diesen einen Satz hinaus: „Rassismus ist kein Schwarzes, sondern ein weißes Problem.“ (272) — das ist der zentrale Punkt. Und den muss man erkennen, bevor man etwas ändern kann.
Das neuese (schmale) schöne Bändchen (vor allem dank der Zeichnungen Meliáns) von Thomas Meinecke bringt den Buchlesern seine gesammelte Kolumnen aus dem „Groove“ von 2007–2013. Ganz symbolisch aufgeladen sind das natürlich 33 — denn es geht vorwiegend um Platten bzw. die Musik darauf (und auch hin und wieder um die Ungewissheit, ob eine Platte mit 33 oder 45 Umdrehungen abzuspielen sei): Das sind kurze (oder eigentlich sehr kurze) Text zur Musik überhaupt, zum DJ-Sein im Radio und im Club, und den Implikationen der Profession und der Musik. Faszinierend ist dabei immer wieder, wie genau Meinecke beobachten und erkennen kann (so weit ich das zu verfolgen und beurteilen vermag, nicht alles ist mir bekannt von dem Vielen (ist nicht immer meine Musik …), über das er schreibt) — und wie präzise er diese Erkenntnisse in wenige Worte fasst. Zum Beispiel so:
- „Respekt, dachte ich, da macht die Nacht dann gar nicht, was sie will, sondern was Westbam will.“ (26)
- „Sie geraten ins Fachsimpeln, und ich würde am liebsten mitreden, aber ich habe ja die Liner-Notes geschrieben.“ (38)
- „Ich konnte vor allem von Theolonious Monk meine Augen nicht lassen: Seine minimalistische Unruhe schien mir von utopischen Ausmaßen zu sein.“ (43)
- „Ich habe (spätestens seit Hoyerswerda) herausgefunden, dass ich eine nationale Identität allein über den Holocaust entwickeln kann. (Eigentlich bräuchte ich gar keine.)“ (85f.)
- „Ich hatte das Gefühl, dass lauter SchauspielerInnen (in brandneuen Lederjacken) um mich herum standen, und irgendwo stand sicher auch Manfred Eicher, der den sonisch anrüchigen Muzak Jazz-Katalog seines ECM Labels jüngst durch Villalobos (dem ich hier mal die Ahnungslosigkeit des Spätgeboreren attestiere) veredeln ließ.“ (87)
- „Logisch bildet das Mysterium der Musik für Schriftsteller (wie mich) einen Sehnsuchtsraum: Wo die Sprache nur schwer hinkommt, tut sich ein Gefühl von Freiheit auf. (Sprache ist ja ein Knast.) Andererseit meine (von dekonstruktivistischen Feministinnen erlernte) Erkenntnis: Vor der Sprache gibt es nichts. Auch Disko ist diskursiv.“ (93)
Das ist überhaupt nicht bitter, aber dafür ganz besonder spritzig: Eine kaum zu beschreibende Erzählung voller Humor (weniger dagegen witzig). Wild und ausufernd ist der Text, der dien Lebensabschnitt eines Langzeitarbeitslosen, der einen 97jährigen Theaterkünstler als Mädchen für alles dient. Unwahrscheinlich und den Leser auch schon mal bedrängend stapel sich da die Verrücktheiten. Der Rezensent von literaturkritik.de weist darauf hin, dass das zumindest teilweise trotz seiner geradezu phantastischen Gestalt durchaus reale Begebenheiten der Theaterszene der 1970er Jahre beschreibt. Davon aber mal abgesehen, ist das einfach grandios unterhaltend: Wild und ungezähmt ist dieser Text wie sein Sujet, frei vagabundierend zwischen Exkursen und Fußnoten, vielschichtig zwischen realen, irrealen und surrealen Abschnitten wie in einem Traum hin und her springend. Faszinierend und sympathisch…
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