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Schlagwort: rassismus

fischernetz

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  • I used to lead tours at a plan­ta­tion. You won’t believe the ques­tions I got about slav­ery. | Vox → inter­es­san­ter bericht über ras­sis­mus und fehlen­des wis­sen über das wesen der sklaverei von ein­er führerin auf ein­er plan­tage

    Regard­less of why they were espoused, all the mis­con­cep­tions dis­cussed here lead to the same result: the asser­tion that slav­ery was­n’t real­ly all that bad (“as long as you had a god­ly mas­ter,” as one guest put it). And if slav­ery itself was benign — slav­ery, a word which in most par­lances is a short­hand for unjust hard­ship and suf­fer­ing — if even slav­ery itself was all right, then how bad can the strug­gles faced by mod­ern-day African Amer­i­cans real­ly be? Why feel bad for those who com­plain about racist sys­tems today? The min­i­miza­tion of the unjust­ness and hor­ror of slav­ery does more than sim­ply keep the bad feel­ings of guilt, jeal­ousy, or anger away: It lib­er­ates the denier from social respon­si­bil­i­ty to slaves’ descen­dants.

  • Renegat­en, Ver­räter, Kon­ver­titen, Über­läufer oder Überzeu­gungstäter | Geti­dan → georg seeßlen macht sich (ein biss­chen weitschweifig) gedanken, warum men­schen (meis­tens män­ner) vom linken zum recht­en wer­den
  • Tourist: Hau ab! | NZZ → got­tlieb höpli über die auswüchse des (massen-)tourismus und die sich formieren­den proteste dage­gen:

    In den Strassen von Barcelona und am Strand von Benidorm wird offenkundig, was Prospek­te und Reise­plat­tfor­men im Inter­net nie zeigen: die Zer­störung des Touris­mus durch den Touris­mus, vor der der Bern­er Touris­tikpro­fes­sor Jost Krip­pen­dorf schon vor Jahrzehn­ten gewarnt hat.

    Der Touris­mus ist sei­ther eine Ein­bahn­strasse geblieben, die sich vom Panora­maweg längst zur wenig attrak­tiv­en viel­spuri­gen Auto­bahn aus­geweit­et hat. Will man nicht irgend­wann gegen eine schwarze Wand don­nern, täte man gut daran, sich nach ein­er Aus­fahrt zu erkundi­gen.

  • Mob­bing durch Design | NZZ → wolf­gang ulrich meint, manche klei­dungsstücke sind absichtlich hässlich und geschmack­los:

    Vielle­icht ist es lang­weilig oder sog­ar demor­al­isierend, fortwährend Zeug für Leute unter­priv­i­legiert­er Milieus herzustellen, die wenig Geld und noch weniger Gespür besitzen? Vielle­icht kommt deshalb der Wun­sch auf, mal alle Sorgfalt fahrenzu­lassen und echt­en Trash zu pro­duzieren? Und diejeni­gen, die solche Tops tra­gen, der Lächer­lichkeit preiszugeben?

    Man braucht keine Ver­schwörungs­the­o­rien in die Welt zu set­zen, wonach eine Unter­schicht aus­drück­lich als solche ken­ntlich gemacht wer­den soll. Aber man darf zu dem Schluss gelan­gen, dass es den Pro­duzen­ten hier nicht um das Wohl ihrer Kun­den geht. Statt sich ver­ant­wortlich dafür zu fühlen, dass nie­mand auf­grund seines Ausse­hens diskri­m­iniert wird, betreiben sie Mob­bing durch Design.

  • Hohe Kul­tur (8) | Pop-Zeitschrift → thomas heck­en klopft die parteipro­gramme der wichtig­sten deutschen parteien auf ihren kul­turbe­griff (und dessen unbes­timmtheit­en und wider­sprüch­lichkeit­en) ab

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  • Täter geschützt, Opfer entwürdigt | taz — der korps­geist deutsch­er polizis­ten und staat­san­wälte scheint zu funk­tion­ieren: die taz berichtet über die — von außen sehr selt­same — entschei­dung der staat­san­waltschaft han­nover, einen ehe­ma­li­gen bun­de­spolizis­ten, der mit der folter eines flüchtlichgs geprahlt hat, dafür nicht anzuk­la­gen (neben­bei: der anwalt des neben­klägers hat nach fast einem jahr noch keine aktenein­sicht erhal­ten) — so funk­tion­iert das in deutsch­land
  • Opti­mierte Kinder: Kör­per­hass will gel­ernt sein | Spiegel Online — schöne kolumne von mar­garete stokows­ki, die ein bild vom linz-marathon zum anlass nimmt, über die erziehung zu einem vernün­fti­gen (!) umgang mit unseren kör­pern zu schreiben
  • Verkehrsun­fall­sta­tis­tik – jedes Jahr die gle­iche Proze­dur und es verbessert sich doch nichts… | it start­ed with a fight — anlässlich der neuen verkehrsun­fall­sta­tis­tik — im zweit­en jahr in folge stiegen in deutsch­land die toten durch verkehr, auf mit­tler­weile 3475 — hat thomas berg­er hier einen inter­es­san­ten 10-punk­te-plan, der unter anderem deut­liche geschwindigkeit­sre­duzierun­gen und deren überwachun­gen sowie andere (tech­nis­che) hil­fen fordert, um die unfal­lzahlen — und damit ger­ade auch die zahl der toten, die wir jedes jahr ein­fach so in kauf nehmen — endlich zu senken
  • Integra­tion war nie. Über ein irrefüh­rendes Konzept | Geschichte der Gegen­wart — philipp sarasin über den begriff der “inte­gra­tion” und warum er (ger­ade heute) eigentlich reich­lich untauglich ist

    Gesell­schaften der westli­chen Mod­erne bzw. Postmo­derne zeich­nen sich neben ihren Klassen­dif­fe­renzen aber auch dadurch aus, dass sich jede inhalt­lich irgend­wie bes­timmte, pos­i­tiv ausweis­bare Vorstel­lung davon, wie ‚man‘ in ihnen zu leben und sich zu ver­hal­ten habe, in mehreren kultur­re­vo­lu­tio­nären Schüben aufge­löst hat. Diese histo­risch einzig­ar­tige Plura­li­sie­rung der Lebens­stile hat sich seit dem Ende der 1960er Jahre so sehr ver­stärkt, dass sie heute gar als harte Norm gegen­über Migran­tinnen und Migranten erscheint („Wie wür­den Sie reagieren, wenn Ihr Sohn Ihnen sagt, er sei schwul?“ Achtung: Toleranz­falle!). Es geht nicht darum, dass Migranten ‚sich an die Geset­ze hal­ten‘ (das tun die aller­meisten von ihnen, so wie die aller­meisten anderen das auch tun), ob sie die Sprache der Mehrheits­ge­sell­schaft ler­nen (sie tun es in aller Regel), oder ob sie in den Arbeits­markt inte­gri­ert wer­den (dito). Die Frage ist einzig, ob die west­liche, ohne­hin hetero­gene Mehrheits­ge­sell­schaft die zusätz­liche, neue Diffe­renz akzep­tiert, die die Zuzüger in unsere Gesell­schaften ein­brin­gen.

    und er schließt (ich kann ihm da nur zus­tim­men …):

    Es wird daher Zeit, den Begriff ‚Integra­tion‘ ganz aus dem politi­schen Vok­ab­u­lar zu strei­chen. Die Chance, dass er im öffent­li­chen Gebrauch pos­i­tiv als ‚Schaf­fung eines neuen Ganzen‘ begrif­f­en wer­den kön­nte, ist ger­ing. Zu mächtig sind jene, die den Begriff als Waffe ver­wen­den, mit dem sie von den Zuwan­de­rern Unter­wer­fung einfor­dern. Wir brauchen dieses durch und durch unbes­timmte Wort nicht mehr. Wir alle leben vergleichs­weise fried­lich, aber auch her­rlich anonym in unseren hetero­genen Gesell­schaften, ohne dass uns ständig jemand auffor­dern müsste, uns gefäl­ligst zu ‚inte­gri­eren‘.

  • The prob­lem with a tech­nol­o­gy rev­o­lu­tion designed pri­mar­i­ly for men — Quartz -

    What the researchers dis­cov­ered, unfor­tu­nate­ly, was a gap in cov­er­age that betrays a dispir­it­ing­ly com­mon prob­lem in tech­no­log­i­cal inno­va­tion: how to make sure women’s needs don’t become an after­thought.

    — ein studie unter­suchte, wie gut siri, cor­tana & co. bei medi­zinis­chen prob­le­men helfen — und fand, dass sie das für “män­ner-prob­leme” wesentlich bess­er tun als für “frauen-not­fälle”

  • Lyrikkri­tik Diskurs | Fix­po­et­ry — bei den “sig­na­turen” und auf “fix­po­et­ry” tobte (?) ende märz eine diskus­sion (naja, ein schlagab­tausch zumin­d­est) über (den zus­tand der|die möglichkeit­en der|die anforderun­gen an|die voraus­set­zun­gen der) lyrikkri­tik (kri­tik der kri­tik ist ja sowieso eine beliebte spiel­erei unter lit­er­at­en, bei lyrik­ern aber nicht so ganz häu­fig (vielle­icht man­gels masse …))
    aus­gelöst übri­gens von ein­er kri­tis­chen besprechung der “lyrik von jet­zt 3”-anthologie (die bei mir immer noch unge­le­sen herum­liegt …)
  • Mehr Dat­en als Tore – Polizei sam­melt fleißig, aber oft unrecht­mäßig | netzpolitik.org — unschuldsver­mu­tung, daten­schutz — lauter fremd­wörter für die deutsche polizei, die fleißig (und gerne auch ille­gal) dat­en sam­melt

Ins Netz gegangen (21.12.)

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  • 39. Besuch auf dem Fried­hof oder Ein Kreuzungspunkt der Zeit­en — achim landwehr über die möglichkeit­en & gele­gen­heit­en, die ein gang auf den fried­hof bieten kann:

    Der Fried­hof ist dann nicht mehr nur ein Ort des Gedenkens, son­dern auch des Bedenkens der Zeit(en), die wir haben oder die wir möglicher­weise haben wollen. Hier ist nicht nur die Trauer über die Toten zu Hause, son­dern auch die Hoff­nung ander­er Zeit­modal­isierun­gen, weil sich genau hier die sehr unter­schiedlichen Verzeitun­gen begeg­nen, überkreuzen und gegen­seit­ig durcheinan­der­brin­gen.

  • Wolf­gang Benz : “Ich bin schon froh, wenn es nicht schlim­mer wird” | ZEIT — sehr gutes inter­view mit wolf­gang benz, der ziem­lich ernüchtert über seine forschun­gen, den zus­tand der deutschen gesellschaft und die möglichkeit­en der geschichtswis­senschaften spricht:

    Man kann sagen: Die Sache mit Nation­al­staat und Nation­al­be­wusst­sein ist in Deutsch­land gründlich schiefge­gan­gen.
    […] Es hat doch ohne­hin <em>niemand<em> wirk­lich Inter­esse an Geschichte. Fürs Fam­i­lien­al­bum vielle­icht, aber wenn es darum geht, poli­tis­che und soziale Her­aus­forderun­gen in den Griff zu bekom­men, spielt der Blick in die Geschichte kaum noch eine Rolle. Da wird der His­torik­er allen­falls abgewehrt. Von Geschichte und der Möglichkeit, sie zu nutzen im Sinne eines human­is­tis­chen Fortschritts, will die Men­schheit nichts wis­sen. Son­st würde es näm­lich seit langer Zeit keine Kriege mehr geben, keinen Völk­er­mord und wahrschein­lich keine Vertrei­bun­gen.
    […] [Die Aufk­lärung] war und ist der einzige Ansatzhebel gegen das Fre­und-Feind-Denken und die Dehu­man­isierung des Anderen. Aber wie müh­sam schritt nach dem Jahrhun­dert der Aufk­lärung die Juden­e­manzi­pa­tion voran und mit welch­er Halb­herzigkeit! Und wie viel stärk­er ist das Irra­tionale, das an Äng­ste appel­liert; wie viel leichter tun sich die Dem­a­gogen als die Aufk­lär­er … </em></em>

    — sehr lesenswert!

  • The Inter­na­tion­al Postal Sys­tem Is Pro­found­ly Broken—and Nobody Is Pay­ing Atten­tion — Pacif­ic Stan­dard — span­nend: ein text über die UPU, die Uni­ver­sal Postal Union, die den briefverkehr und vor allem dessen bezahlung zwis­chen staat­en & posten organ­isiert — und die mit eini­gen großen prob­le­men zu kämpfen hat, aber anscheinend kaum/nicht zu reformieren ist …
  • Ver­fahren gehören zum Beruf des Jour­nal­is­ten dazu — Das Netz — hans leyen­deck­er im gespräch mit irights.info, über die net­zpoli­tik-lan­desver­rats-affäre, geheim­di­en­ste, deutsch­land und europa
  • Secret Code Found in Juniper’s Fire­walls Shows Risk of Gov­ern­ment Back­doors | WIRED — ein real-life-prob­lem, an dem man sehr schön sehen kann, dass hin­tertüren bei ver­schlüs­selung etc. über­haupt keine gute ideen sind — schließlich kann die jed­er find­en (nicht, dass das bish­er undenkbar gewe­sen wäre …)
  • Kill Your Airbnb’s Hid­den WiFi Cam­eras With This Script | Moth­er­board — ein skript, mit dem man (mit ein biss­chen glück) unlieb­same überwachungskam­eras im wlan auss­chal­ten kann (aber nicht darf ;-) …)
  • Flüchtlings­forschung gegen Mythen 2 — Net­zw­erk Flüchtlings­forschung — das net­zw­erk flüchtlings­forschung hat zum zweit­en mal wis­senschaftler unter­suchen lassen, was an häu­fi­gen behaup­tun­gen über flüchtlinge dran ist. und wieder zeigt sich: poli­tik­er haben oft über­raschend wenig ahnung (oder sie tun zumin­d­est so)
  • Stop­pen wir lügende Poli­tik­er! | NZZ Cam­pus — ser­van grüninger zeigt sehr deut­lich, dass björn höck­es ras­sis­tis­che erk­lärung der repro­duk­tion­sstrate­gien der “afrikan­er” und der “europäer” nach dem stand der wis­senschaft ein­fach falsch­er unsinn ist.

    Das Prob­lem liegt nicht darin, dass er ein Ras­sist ist. Das Prob­lem liegt darin, dass er ein Ras­sist ist, der die Wis­senschaft für seine Ide­olo­gie einspan­nen will – im Wis­sen darum, dass ein solch­es Vorge­hen seine Aus­sagen stützt.

  • Bay­erisches Kabi­nett erlaubt Ver­fas­sungss­chutz Zugriff auf Vor­rats­daten­spe­icherung | netzpolitik.org
  • ohne worte.

  • Archiv Arbeit­er­ju­gend­be­we­gung — Read­er — ein (quellen)reader zur arbeit­er­ju­gend­be­we­gung zwis­chen 1904 und 1945. sieht auf den ersten blick ganz inter­es­sant und gut gemacht aus (auch/gerade, weil ich von dem the­ma keine ahnung habe …)
  • Wenn Spick­en erlaubt ist | Bob Blume — bob blume über den ver­such ein­er arbeit, bei der spick­en erlaubt ist

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  • Mehrsprachigkeit : Ein Kind, drei Sprachen | ZEIT — mar­tin spiewak hat für die “Zeit” aufgeschrieben, wie kinder mit mehrsprachigkeit umge­hen — näm­lich in der regel pos­i­tiv.
  • Dichter und Com­put­er im radikalen Zwiege­spräch | FAZ.net — elke heine­mann geht in der FAZ der frage nach, wie dig­i­tal­isierung (die hier vor allem com­put­er­isierung meint) die lyrik verän­dert bzw. verän­dern kann/könnte/wird …

    Viele Lit­er­atur­gat­tun­gen näh­ern sich vor­sichtig den Maschi­nen an, nur die Lyrik hat Berührungsäng­ste. Wie dig­i­tal kann ein Gedicht sein?

  • Mar­lene Streeruwitz: Die Stunde der Wahrheit des Geldes | derStandard.at — mar­lene streeruwitz über die auflö­sung der demokratis­chen gesellschaft ins lachen, am beispiel der usa & don­ald trump: “Die Entwer­tung demokratis­chen Ver­han­delns in der Gesellschaft erfol­gt über die Entwer­tung von Min­der­heit­en.”

    So wird das Prinzip der Geschwis­ter­lichkeit aus der poli­tis­chen Kul­tur ent­fer­nt. Demokratie war geschwis­ter­lich gedacht. Ver­ant­wor­tung füreinan­der sollte das Prinzip sein. Die Über­nahme von Pflicht­en und die gerechte Verteilung der Rechte waren vorge­se­hen. Das bedeutete je neues Ver­han­deln der Aufteilung der Rechte und der Über­nahme von Pflicht­en. Denn. Die Grun­drechte der Per­son acht­end kann es keine endgültige Regelung dieser Verteilung geben. Es muss stets neu ver­han­delt wer­den. Kein­er und keine soll über den anderen ste­hen. Und. Um das leben zu kön­nen, müssen alle daran Beteiligten sich ihrer Grun­drechte bewusst sein. Alle müssen den Wert der Per­son an den Grun­drecht­en messen und daraus auf ihren eige­nen Wert und den der anderen schließen. Der Wert muss bewusst sein.
    […] Das Grun­drecht der Per­son auf Würde ist im Lachen der anderen aufgelöst.

    Das ist dann ziem­lich unwieder­bringlich. Denn. Es bleibt der Entschei­dung der Lachens­bes­tim­mer über­lassen, wer wie ernst genom­men wird. Die Lachen­den sind nur noch Gefol­gschaft. Im Fall von Don­ald Trump geht es genau darum. Die demokratis­che Ver­hand­lung soll durch Führung erset­zt wer­den. Der Kap­i­tal­ist will aber nicht ins Patri­ar­chat zurück­kehren. Vater zu sein. Das hieße ja auch wieder nur die Über­nahme von Ver­ant­wor­tung. Der Postkap­i­tal­ist Trump will die Welt ja nur für den Geld­fluss in seine Tasche zuricht­en. Denn. In der Logik unser­er ver­wirtschaftlicht­en Welt der frag­men­tierten Dien­stleis­tungswirtschaft gibt es als möglich­es Ziel ein­er Poli­tik ohne­hin nur die Weit­er­fül­lung der Taschen des einen Prozents der Alles­be­sitzen­den. Es ist darin dann wieder logisch, dass ein­er aus diesem Besitz­s­tand her­aus die Rhetorik der Schmähung der Anderen so authen­tisch liefern und sich so in den Besitz des Lachens der Mitschmähen­den set­zen kann.

  • Ver­hü­tung — Antibabyp­ille — hüb­sch riskant | Süddeutsche.de — ein inter­es­san­ter text von wern­er bartens, der aufzeigt, wie man leute dazu bringt, völ­lig gegen jede logik medika­mente zu bevorzu­gen, die unsicher­er sind als andere

    Unter jun­gen Frauen nimmt der Mark­tan­teil der Pillen der 3. und 4. Gen­er­a­tion trotz­dem stetig zu. Das ist einiger­maßen rät­sel­haft, denn die Risikobe­w­er­tung der Europäis­chen Arzneimit­tel­be­hörde hat ein­deutig ergeben, dass die Prä­parate zu einem deut­lich höheren Embolie- und Throm­boserisiko führen. Das Bun­desin­sti­tut für Arzneimit­tel und Medi­z­in­pro­duk­te hat im Früh­jahr 2014 entsch­ieden, dass in immer mehr Beipackzetteln auf die erhöhte Gefahr hingewiesen wer­den muss. Son­stige Kon­se­quen­zen bish­er: keine.

    die ärzte — die das ja ver­schreiben müssen — bekom­men auch ihr fett weg …

  • Leg­endäre Seleuki­den-Fes­tung Acra in Jerusalem ent­deckt -

    Die Wis­senschafter ent­deck­ten kür­zlich bei Aus­grabun­gen unter dem früheren Givati-Park­platz südlich des Tem­pel­berges Über­reste der leg­endären Fes­tung Acra. Die Zitadelle war vor etwa 2.150 Jahren unter dem Seleuki­den-König Anti­ochus IV. Epiphanes gebaut wor­den.

  • Städtebeschimp­fun­gen — auch cool: thomas bern­hards städtebeschimp­fun­gen, auf der karte verord­net und mit zitat­en gar­niert …
  • Jan Böh­mer­mann : Ich hab Kul­turkri­tik | ZEIT ONLINE@davidhug in der Zeit über jan böh­mer­mann, sein “ich hab polizei” und die kri­tik daran …

    Dabei ist Gang­ster­rap inzwis­chen Main­stream, ähn­lich wie Peter Maf­fay oder Xavier Naidoo es schon lange sind. Das tut vielle­icht weh, aber da müssen wir alle eben durch.

  • Überwachung für mehr Sicher­heit? Ein fataler Trend — Lobo-Kolumne — SPIEGEL ONLINE — muss man immer wieder empfehlen: sascha lobos spiegel-kolumne …

    Die Evi­denz ist tot, es lebe das medi­al insze­nierte Gefühl der Evi­denz.

  • Peter Kurzeck — ein Getrieben­er der Sprache | Frank­furter Rund­schau — claus-jür­gen göpfert berichtet in der FR über peter kurzeck, sein schreiben, seinen nach­lass und die arbeit des stroem­feld-ver­lages (und der lek­toren deu­ble & loss), den in eine pub­lika­tions­fähige form zu brin­gen:

    Im Gespräch mit seinem Fre­und Rudi Deu­ble erscheint Kurzeck als ein Getrieben­er. „Zu Ruhe kam der nie!“ Sehr früh sei er stets aufge­s­tanden in sein­er zweit­en Heimat Uzés, habe gear­beit­et bis zum Mit­tag. Dann fol­gte ein aus­gedehn­ter Spazier­gang durch die son­nen­durchglühte Land­schaft, danach ein Mit­tagessen und ein kurz­er Schlaf. Am Nach­mit­tag habe er dann wieder zu schreiben begonnen, bis etwa um 22 Uhr.

    Mit der Schreib­mas­chine: Die Seit­en waren stets nur zu einem Drit­tel bis zu ein­er Hälfte beschrieben, in ganz engem Zeilen­ab­stand, dazwis­chen hat­te der Autor noch hand­schriftliche Kor­rek­turen einge­tra­gen. Die untere Manuskripthälfte war weit­eren Anmerkun­gen gewid­met. Sym­bole wie Dreiecke und Kreuze struk­turi­erten den Text. Die Arbeit der Lek­toren glich der von Archäolo­gen.

  • Frem­den­hass : “Ich halte das für hochge­fährlich” | ZEIT ONLINE — gutes inter­view mit nor­bert frei über die aktuellen gefahren für die deutsche demokratie

    Was wir derzeit erleben, ist etwas anderes, näm­lich eine zunehmende, fun­da­men­tale Ver­ach­tung für die Demokratie, für das “Sys­tem” und die “Sys­tem­parteien”. Ich halte das für hochge­fährlich, ger­ade auch weil sich solche Stim­mungen über die dig­i­tal­en Kom­mu­nika­tion­skanäle so leicht ver­bre­it­en lassen. Dadurch ist eine Par­al­lelöf­fentlichkeit ent­standen, die sich für die “bürg­er­liche Öffentlichkeit” kaum mehr inter­essiert.

  • Jus­tiz : Das soll Recht sein? | ZEIT ONLINE — die Zeit gibt dem strafvertei­di­ger schwenn möglichkeit, auf prob­leme (wie u.a. das fehlende pro­tokoll) der deutschen strafgerichtsver­fahren aufmerk­sam zu machen

    Die größte Gefahr für den Unschuldigen lauert in den Vorentschei­dun­gen. An ihnen sind oft diesel­ben Beruf­s­richter beteiligt, die später an der Hauptver­hand­lung mitwirken und das Urteil fällen. […] Auch ein Haft­be­fehl darf nur erge­hen, wenn der Tatver­dacht drin­gend, die spätere Verurteilung eines Angeklagten also hochwahrschein­lich ist. Und da lauert die zweite Falle. Denn hat der Richter den Haft­be­fehl selb­st erlassen oder aufrechter­hal­ten, so wird es ihm später schw­er­fall­en, von der eige­nen Verurteilung­sprog­nose abzurück­en.

  • Touris­mus : “Der deutsche Urlauber hat ein aus­ge­sproch­enes Struk­turbedürf­nis” | ZEIT ONLINE — die Zeit hat mit drei sehr unter­schiedlichen reise­leit­ern darüber gesprochen, wie sie “die deutschen” im urlaub wahrnehmen und empfind­en. sehr vergnüglich
  • Wir ver­lieren täglich Tausende Daten­punk­te Zeit- und Medi­engeschichte — kon­rad lis­ch­ka weist auf ein echt­es prob­lem hin: die fehlende archivierung von online-medi­en/-nachricht­en

    Zwei Jahrzehnte Online­jour­nal­is­mus sind vor­beige­zo­gen, ohne dass jemand die Daten­ba­sis für die Erforschung dieser Grün­derzeit geschaf­fen hat. All das ist für immer ver­loren, wir haben heute dank Brew­ster Kahle immer­hin Bruch­stücke und Momen­tauf­nah­men. Enorm wichtige Dat­en für die Erforschung von The­menkar­ri­eren und verän­derten Nutzungs­ge­wohn­heit­en in den 20 Jahren Online­jour­nal­is­mus wäre die Abrufzahlen der archivierten Werke. All diese Dat­en lagen ein­mal dig­i­tal in irgendwelchen Daten­banken vor. Vielle­icht sind sie noch irgend­wo da draußen. Aber wenn heute jemand die Onlineberichter­stat­tung über den 11.9.2001 mit der über den 13.11.2015 ver­gle­ichen will, hat er noch viel weniger Mate­r­i­al als ein His­torik­er, der die archivierten Zeitungsaus­gaben aus dem 19. Jahrhun­dert für seinen Bergar­beit­er­streik unter­sucht.

Ins Netz gegangen (4.11.)

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  • The tragedy of James Bond — lau­rie pen­ny hat sich alte james-bond-filme angeschaut:

    The expe­ri­ence was like hav­ing your fore­brain slow­ly and labo­ri­ous­ly beat­en to death by a wilt­ing erec­tion wrapped in a copy of the Patri­ot Act: sav­age and sil­ly and just a lit­tle bit pathet­ic.

    sie bleibt aber nicht bei der per­sön­lichen abscheu, son­dern zeigt meines eracht­ens (aber ich bin ja auch kein bond-ken­ner) sehr gut, warum die bond-fig­ur (heute) prob­lema­tisch ist:

    The prob­lem with Bond is that he is sup­posed to be the good guy. He is a bor­der­line rapist who is employed by the gov­ern­ment to mur­der peo­ple – and yet he is not an anti-hero. He is just a hero. … Bond is a hero for no oth­er rea­son than that he is on our side, which is how most west­ern nations and par­tic­u­lar­ly the British come to terms with their par­tic­u­lar lega­cy of hor­ror – with a qui­et embar­rass­ment that nonethe­less knows how to defend itself by force.
    […] James Bond, more than any­thing, is a trag­ic fig­ure and his tragedy is the tragedy of white, impe­ri­al­ist mas­culin­i­ty in the 21st cen­tu­ry. It is a tragedy of irrel­e­vance that becomes all the more poignant and painful in the retelling.

  • Lau­da­tio auf Rainald Goetz von Jür­gen Kaube — FAZ — der voll­ständigkeit hal­ber noch die recht gute lau­da­tio von jür­gen kaube auf rainald goetz für den büch­n­er­preis
  • My Top 30 Fonts with the Sex­i­est Amper­sands — sehr schöne samm­lung sehr schön­er amper­sand-umset­zun­gen
  • Poli­tis­che Lit­er­atur: Gegen die herrschende Klasse | ZEIT ONLINE — ein dur­chaus inter­es­santes gespräch hat ijo­ma man­gold mit ulrich peltzer, ili­ja tro­janow & jen­ny erpen­beck über lit­er­atur und poli­tik, ver­gan­gen­heit, gegen­wart und zukun­ft geführt:

    Es gibt das Bedürf­nis der Lit­er­aturkri­tik und der Öffentlichkeit nach Wel­terk­lärung beziehungsweise nach Auf­fächerung von Erfahrun­gen, die man son­st nur aus den Medi­en ken­nt. An die Lit­er­atur wird eine Auf­gabe delegiert, die möglicher­weise nicht unbe­d­ingt eine gen­uin lit­er­arische Funk­tion ist.
    […] Das Moment von Utopie ist mit einem philosophis­chen Begriff von Geschichte ver­bun­den, und der ist uns ver­loren gegan­gen. Wir sehen uns nur noch mit der Empirie der Prob­leme kon­fron­tiert und ver­suchen, sie prak­tisch zu lösen, aber wir haben keinen Entwurf von Zukun­ft mehr, der die Erfahrun­gen der Ver­gan­gen­heit aufnehmen und ver­wan­deln würde, um zu einem anderen Begriff der Zukun­ft zu kom­men als dem, dass die Häuser gedämmt wer­den.

    sehr schön deut­lich wer­den auch die ver­schiede­nen arten, “poli­tisch” zu denken als lit­er­atin — bei peltzer z.b. immer ins philosophisch-his­torische gehend oder bei erpen­beck vom per­sön­lich-indi­vidu­ellen erleb­nis aus

  • Max Wal­len­horst: Das Darm­städter Nebeneinan­der-Sitzen – Merkur — sehr schön­er text im merku-blog von max wal­len­horst über rainald goetz & die büch­n­er­preisver­lei­hung in darm­stadt
  • Deutsche Bank: Sie nen­nen es Ster­be­haus | ZEIT ONLINE -

    Es war ein Bankraub von innen. sehr schöne reportage von marc brost & andreas veiel über macht und ver­ant­wor­tung, ethik, gier und konkur­renz auf den höch­sten ebe­nen der wirtschaft — hier am beispiel der deutschen bank (sehr schön auch, dass sie zeigen, dass das alles selb­st auf betrieb­swirtschaftlich­er ebene (von der volk­swirtschaftlichen ganz zu schweigen) unsin­nig war/ist)

  • Hin­lan­gen — Schön an Rainald Goetz’ Tex­ten ist, was Volk­er Wei­der­mann entset­zt : literaturkritik.de — markus joch über volk­er wei­der­manns selt­same volte, plöt­zlich rainald goetz abso­lut gut zu find­en — und das prob­lem dabei, vor allem bei der rel­a­tivierung in bezug auf “Johann Holtrop”, die wohl auf einem missver­ständ­nis der goet­zschen poet­ik beruht

    Gestern wet­tern, heute bejubeln ‒ ein­er immer­hin, Michael Angele vom „Fre­itag“, hat den pünk­tlichen Kur­swech­sel ver­merkt, auf Face­book. Soll man es damit bewen­den lassen? Ungern. Das Prob­lem ist, wie Wei­der­mann die Kurve kriegen will. Gebetsmüh­le­nar­tig von Inten­sität und Kraft schwär­men, aber den Aggres­sion­spegel von „Johann Holtrop“ ein biss­chen bekrit­teln, als sei er ein Aus­reißer ‒ das ist wie Willy Brandt her­vor­ra­gend find­en, bis auf Emi­gra­tion und Ost­poli­tik. Absurd, weil Inten­sität und Polemik bei Goetz natür­lich stets zusam­menge­hören.

  • Der Rei­hungskün­stler — konkret — joseph wälzholz zeigt die rhetorischen kniffe volk­er wei­der­manns (bei ein paar begrif­f­en musste ich wirk­lich über­legen …)

    Ein genialer Rhetorik­er: Nie­mand set­zt hochkom­plizierte Stilmit­tel so vir­tu­os ein wie der Feuil­leton­ist Volk­er Wei­der­mann. Eine Col­lage in 19 Motiv­en und 79 Fußnoten.

  • Vom Fehlen des Wider­ständi­gen. Weit­ere Gedanken über Fer­ney­hough. — moritz eggert über fer­ney­houghs musik und den unter­schiede zwis­chen par­ti­tur (aufre­gend, kom­plex) und klang (nicht immer über­wälti­gend …) — zu den par­ti­turen hat er kür­zlich schon etwas geblog­gt: http://blogs.nmz.de/badblog/2015/10/19/die-quadratur-der-linie-ein-neuer-blick-auf-das-werk-von-brian-ferneyhough/
  • Neon­azis: Hei­di und die Brand­s­tifter | ZEIT ONLINE — inter­es­sante, gute, pack­ende reportage von daniel müller & chris­t­ian fuchs über eine im neon­azi-fam­i­lien-milieu sozial­isierte junge frau, die sich von dieser ide­olo­gie inzwis­chen abge­wandt hat

    Sie stammt aus ein­er Fam­i­lie von treuen Nazis, als Kind wurde sie in geheimen Lagern gedrillt. Ihre früheren Kam­er­aden zün­deln heute bei NPD und Pegi­da. Hei­di Ben­neck­en­stein hat sich anders entsch­ieden.

  • Stadt Wien veröf­fentlicht pos­i­tive Shar­row-Studie | It start­ed with a fight… — die stadt wien hat an drei wichti­gen, verkehrsstarken straßen unter­sucht, wie aufge­malte fahrrad­pik­togramme (mit pfeil), die soge­nan­nten “shar­rows”, sich auch ohne weit­ere verän­derun­gen des verkehrsraums aus­ge­sprochen gün­stig für rad­fahrerin­nen auswirken:

    Diese Studie „Wirkung von Fahrrad-Pik­togram­men im Straßen­verkehr“ […] zeigt sehr pos­i­tive Ergeb­nisse: Gesteigerte Sicher­heit des Rad- und Autoverkehrs durch verbesserte Inter­ak­tion, Abnahme der Über­holvorgänge und größeren Sicher­heitsab­stand der Autos beim Über­holen.

  • 1001 Dinge | Schmalenstroer.net — eine liste von lis­ten, die man lebendig abar­beit­en “muss”, von einem lis­ten­has­s­er …
  • Warum Akif Pir­incçi aus falschen Grün­den das Richtige passierte und warum das nicht gut ist | Thomas Trappe — kluge beobach­tun­gen von thomas trappe zur wahrnehmung von und dem umgang mit rechtsextremen/rassisten etc., bei “pegi­da” und ander­swo

    Erstens: Die Gründe, warum solche Per­so­n­en kurzzeit­ig oder für immer von der Bühne ver­schwinden, sind meist triv­iales NS-Word­ing. Zweit­ens: Es trifft in aller Regel die Richti­gen. Drit­tens: Indem man es sich aber so ein­fach macht, gibt man ihnen und ihren Unter­stützern die Rolle, die sie so gerne ein­nehmen, näm­lich die des unter­drück­ten Quer­denkers. Was sie, viertens, niemals sind.

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Aus-Lese #14

Noah Sow: Deutsch­land Schwarz Weiß. Der alltägliche Ras­sis­mus. München: Gold­mann 2009. 320 Seit­en.

Deutsch­land Schwarz Weiß ist ein wichtiges Buch. Wichtig, um die vorherrschen­den Struk­turen des Ras­sis­mus in Deutsch­land zu erken­nen und so ver­suchen, sie zu bekämpfen, und zu über­winden. Sow zeigt an ein­er Fülle von Beispie­len, wie tief ver­ankert ras­sis­tis­ches Denken und Ver­hal­ten in der deutschen Gesellschaft ist, wie Ras­sis­mus in Deutsch­land zum All­t­ag gehört — weil er struk­turell-gesellschaftlich be“gründet“ und qua­si vererbt wird.

Ich bin zwar nicht in jedem Detail mit ihren Wer­tun­gen ein­ver­standen — aber darum geht es auch gar nicht. Son­dern darum, zu erken­nen, wie sehr ras­sis­tis­che Vorstel­lung unser Denken und eben auch unser Han­deln immer wieder immer noch prä­gen. Dafür ist Sow’s Buch her­vor­ra­gend geeignet und sollte fast so etwas wie Pflichtlek­türe für bewusste Teil­nehmer der deutschen Gesellschaft sein . Ich hätte es zwar gerne etwas strin­gen­ter und klar­er in Struk­tur und Sprache, aber das ist meine per­sön­liche Präferenz. Sow bemüht sich um Umit­tel­barkeit und Wirk­mächtigkeit — da hat sie wahrschein­lich die bessere und wirk­samere Strate­gie und Sprache gefun­den.

Let­ztlich läuft das ganze auf diesen einen Satz hin­aus: „Ras­sis­mus ist kein Schwarzes, son­dern ein weißes Prob­lem.“ (272) — das ist der zen­trale Punkt. Und den muss man erken­nen, bevor man etwas ändern kann.

Thomas Mei­necke: Ana­log. Mit Zeich­nun­gen von Michaela Melián. Berlin: Ver­brech­er 2013. 111 Seit­en.

Das neuese (schmale) schöne Bänd­chen (vor allem dank der Zeich­nun­gen Meliáns) von Thomas Mei­necke bringt den Buch­le­sern seine gesam­melte Kolum­nen aus dem „Groove“ von 2007–2013. Ganz sym­bol­isch aufge­laden sind das natür­lich 33 — denn es geht vor­wiegend um Plat­ten bzw. die Musik darauf (und auch hin und wieder um die Ungewis­sheit, ob eine Plat­te mit 33 oder 45 Umdrehun­gen abzus­pie­len sei): Das sind kurze (oder eigentlich sehr kurze) Text zur Musik über­haupt, zum DJ-Sein im Radio und im Club, und den Imp­lika­tio­nen der Pro­fes­sion und der Musik. Faszinierend ist dabei immer wieder, wie genau Mei­necke beobacht­en und erken­nen kann (so weit ich das zu ver­fol­gen und beurteilen ver­mag, nicht alles ist mir bekan­nt von dem Vie­len (ist nicht immer meine Musik …), über das er schreibt) — und wie präzise er diese Erken­nt­nisse in wenige Worte fasst. Zum Beispiel so:

  • „Respekt, dachte ich, da macht die Nacht dann gar nicht, was sie will, son­dern was West­bam will.“ (26)
  • „Sie ger­at­en ins Fach­sim­peln, und ich würde am lieb­sten mitre­den, aber ich habe ja die Lin­er-Notes geschrieben.“ (38)
  • „Ich kon­nte vor allem von The­olo­nious Monk meine Augen nicht lassen: Seine min­i­mal­is­tis­che Unruhe schien mir von utopis­chen Aus­maßen zu sein.“ (43)
  • „Ich habe (spätestens seit Hoy­er­swer­da) her­aus­ge­fun­den, dass ich eine nationale Iden­tität allein über den Holo­caust entwick­eln kann. (Eigentlich bräuchte ich gar keine.)“ (85f.)
  • „Ich hat­te das Gefühl, dass lauter Schaus­pielerIn­nen (in brand­neuen Led­er­jack­en) um mich herum standen, und irgend­wo stand sich­er auch Man­fred Eich­er, der den sonisch anrüchi­gen Muzak Jazz-Kat­a­log seines ECM Labels jüngst durch Vil­lalo­bos (dem ich hier mal die Ahnungslosigkeit des Spät­ge­bor­eren attestiere) vere­deln ließ.“ (87)
  • „Logisch bildet das Mys­teri­um der Musik für Schrift­steller (wie mich) einen Sehn­sucht­sraum: Wo die Sprache nur schw­er hinkommt, tut sich ein Gefühl von Frei­heit auf. (Sprache ist ja ein Knast.) Ander­er­seit meine (von dekon­struk­tivis­tis­chen Fem­i­nistin­nen erlernte) Erken­nt­nis: Vor der Sprache gibt es nichts. Auch Disko ist diskur­siv.“ (93)
Ernst Wün­sch: Sprizz bit­ter. Erzäh­lung. Wien: Sisy­phus 2009. 156 Seit­en.

Das ist über­haupt nicht bit­ter, aber dafür ganz beson­der spritzig: Eine kaum zu beschreibende Erzäh­lung voller Humor (weniger dage­gen witzig). Wild und ausufer­nd ist der Text, der dien Lebens­ab­schnitt eines Langzeitar­beit­slosen, der einen 97jährigen The­aterkün­stler als Mäd­chen für alles dient. Unwahrschein­lich und den Leser auch schon mal bedrän­gend stapel sich da die Ver­rück­theit­en. Der Rezensent von literaturkritik.de weist darauf hin, dass das zumin­d­est teil­weise trotz sein­er ger­adezu phan­tastis­chen Gestalt dur­chaus reale Begeben­heit­en der The­ater­szene der 1970er Jahre beschreibt. Davon aber mal abge­se­hen, ist das ein­fach grandios unter­hal­tend: Wild und ungezähmt ist dieser Text wie sein Sujet, frei vagabundierend zwis­chen Exkursen und Fußnoten, vielschichtig zwis­chen realen, irrealen und sur­realen Abschnit­ten wie in einem Traum hin und her sprin­gend. Faszinierend und sym­pa­thisch…

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  • Inter­na­tionales Olymp­is­ches Komi­tee: Der ent­mündigte Ath­let ist das Ziel | ZEIT ONLINE — Ich werde wohl meinen Boykott des Unternehmens “Spitzen­sport” fort­set­zen müssen. Und wahrschein­lich wer­den die Zeitun­gen auch näch­stes Jahr wieder auf der Titel­seite über irgen­deine Goldmedaille bericht­en anstatt über z.B. den Beginn eines Bürg­erkrieges wie jet­zt in Ägypten.

    In den USA und Großbri­tan­nien zieht man eine Par­al­lele, die für deutsche Betra­ch­tun­gen zu den Spie­len des 21. Jahrhun­derts wohl eher als ver­mintes Gelände gilt: die zu Olympia 1936 und dem gescheit­erten Protest gegen die Diskri­m­inierung der Juden. Das nation­al­sozial­is­tis­che Regime, wird da nüchtern fest­gestellt, habe dem IOC mehr Zugeständ­nisse gemacht als Moskau heute.

    In min­destens ein­er Hin­sicht ist der Ver­gle­ich ange­bracht: Die Pro­pa­gand­abühne, die das IOC 1936 den Nation­al­sozial­is­ten bere­it­et hat, war kein Betrieb­sun­fall. Der Pri­vatzirkel der Sport­führer von heute unter­schei­det sich nicht von dem der Altvorderen. Es bietet sich an, solche Über­legun­gen einzubeziehen, bevor man deutsche Vertreter im Olymp mit Elo­gen bedenkt.

  • Jour­nal­ist Green­wald: Ein­schüchterung statt Aufk­lärung in der NSA-Affäre | ZEIT ONLINE — Die “Zeit” zur Frei­heits­ber­aubung & Befra­gund David Miran­das:

    Diese kalte Willkür und die Nei­gung zur Sip­pen­haft, bei der Fam­i­lien­mit­glieder, Lebens­ge­fährten oder enge Fre­unde bedro­ht wer­den, um missliebige Jour­nal­is­ten mund­tot zu machen, lassen an Dik­taturen denken.

  • “Es bleiben lei­der leere, bedeu­tungslose Worte” » Störungsmelder — Das Störungsmelder-Blog der “Zeit” zu Merkels Aufruf zum zivil­couragierten Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus:

    Wenn Merkel es ernst meint mit dem Kampf gegen den Recht­sex­trem­is­mus in ganz Europa und dem Aufruf zu mehr Zivil­courage, dann ist die Bun­desregierung zunächst ein­mal gefragt, der aktiv­en Zivilge­sellschaft – die die bedeu­tend­ste Rolle im Kampf gegen Rechts ein­nimmt – die Steine aus dem Weg zu räu­men und sie endlich effek­tiv, ohne Gen­er­alver­dacht, zu fördern. Das wäre ein erster Schritt – neben vie­len weit­eren natür­lich. Erst wenn sich in diese Rich­tung etwas bewegt, kann man anfan­gen, die Worte von Angela Merkel ernst zu nehmen.

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