Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: thomas meinecke

Taglied 3.2.2023

Jür­gen Paapes “So weit wie noch nie”, habe ich durch Thomas Mei­neck­es Playlist ken­nen­gel­ernt:

Jür­gen Paape — So Weit Wie Noch Nie

Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.

Ins Netz gegangen (4.8.)

Ins Netz gegan­gen am 4.8.:

  • A Rene­gade Trawler, Hunt­ed for 10,000 Miles by Vig­i­lantes — NYTimes.com — eine nro jagt mit mehr oder weniger ille­galen meth­o­d­en ille­gale hochseefis­ch­er, die die geschützen fis­chbestände der meere plün­dern
  • How Gronin­gen invent­ed a cycling tem­plate for cities all over the world | Cities | The Guardian -

    Motorists woke up one mid-70s morn­ing to find new one-way streets made direct crosstown jour­neys impos­si­ble by car. Forty years lat­er Gronin­gen boasts two-thirds of all trips made by bike … and the clean­est air of any big Dutch city

    das beispiel gronin­gen zeigt, wie man (zumin­d­est in den nieder­lan­den) mit eini­gen weni­gen, aktiv­en poli­tik­ern eine ganz stadt umbauen kann (im wahrsten sinn des wortes) und vom auto zum fahrrad bekehren kann (und der artikel ver­schweigt auch n…

  • Bio­me­trie: Deine Tas­tatureingaben ver­rat­en dich | ZEIT ONLINE -

    Die Art und Weise, wie jemand tippt, gibt Auf­schluss darüber, wer vor dem Rech­n­er sitzt. Selb­st Nutzer des Anonymisierungs­di­en­stes Tor kön­nen so ent­tarnt wer­den.

    so etwas wie para­noide wah­n­vorstel­lun­gen muss doch bald aus dem icd fliegen, weil all das, was die sich vorstellen, langsam wirk­lichkeit wird …

  • Kom­pon­is­ten: Wie klingt die Gegen­wart? | ZEIT ONLINE — ein sehr inter­es­santes gespräch haben volk­er hage­dorn & chris­tine lemke-matwey hier mod­eriert:

    Die Zeit der Debat­ten in der neuen Musik ist vor­bei. Vier Kom­pon­is­ten der jün­geren Gen­er­a­tion darüber, wie man die Jet­ztzeit ver­tont und was das mit Poli­tik zu tun hat.

    (so jung sind die teil­weise aber auch nicht mehr ;-) …)

  • Inter­view ǀ „Mann ist ein Schimpf­wort“ — der Fre­itag — thomas mei­necke, wie immer sehr gut:

    Wenn ich als Mann sage, ich bin Fem­i­nist, denken die Leute: „Der will kein Mann sein.“ Will ich auch nicht. Jeden­falls nicht so wie die Män­ner, die ich schreck­lich finde.
    […]
    Das sind vier Fün­f­tel aller Män­ner. Der Sprachge­brauch dieser Män­ner ist unäs­thetisch, unüber­legt und def­i­n­i­tion­s­mächtig. Klas­sis­che männliche Autoren­sub­jek­te fahren immer mit der großen Behaup­tung auf: Ich habe Recht, und nach drei­hun­dert Seit­en werdet auch ihr mir Recht ge…

Ins Netz gegangen (18.6.)

Ins Netz gegan­gen am 18.6.:

  • Ste­fan Nigge­meier | Der Ehrgeiz des Ste­fan Raab — ste­fan nigge­meier schreibt einen nachruf auf ste­fan raab (zumin­d­est liest es sich über weite streck­en so …)
  • Pro­fil, ver­schachert für 25 Cent — con­stanze kurz in ihrer faz-kolumne über die selt­same dig­i­talpoli­tik der kan­z­lerin

    Warum sollte sich aber daran in Zukun­ft nicht mehr nur ein klein­er Kreis von Konz­er­nen eine gold­ene Nase ver­di­enen, son­dern plöt­zlich – falls endlich die stören­den Skep­tik­er aus dem Weg gehen – Big Data zum Segen für die deutsche Wirtschaft wer­den? Glaubt die Bun­deskan­z­lerin, die Big-Data-Könige wer­den ihre Serv­er-Hallen, Cloud-Stan­dorte und Rechen­zen­tren neb­st den Forschungszen­tren und den klüg­sten Data-Min­ing-Köpfen, die sie inter­na­tion­al eingekauft haben, den deutschen Unternehmern abtreten, wenn diese nur ihre skep­tis­che Hal­tung able­gen?

  • Rachel Dolezal: Die Far­ben­frage | ZEIT ONLINE — ein sehr kluger, aus­führlich­er und abwä­gen­der text von nils mark­wardt über rachel dolezal, schwarz und weiß und die (aus deutscher/meiner sicht reich­lich merk­würdig anmu­tende) diskus­sion um “rasse” als iden­titäts­mark­er

    Doch was fol­gt nun aus dem Ganzen? Sofern race eine soziale Kon­struk­tion ist, stellt sich die hypo­thetis­che Frage, ob das Pass­ing von Rachel Dolezal nicht zumin­d­est dann legit­im gewe­sen wäre, wenn sie mit offe­nen Karten gespielt hätte, wenn sie also von vorn­here­in pub­lik gemacht hätte, dass sie als Weiße geboren wurde, sich aber als Schwarze fühlt.
    Doch selb­st dann hätte dieser Fall ein entschei­den­des Prob­lem, das sich aus ein­er his­torischen Unter­drück­ungs­geschichte ableit­et. Wenn man solch ein tran­sra­cial-Konzept radikal zu Ende denkt, hieße dies ja, dass let­ztlich jede Form eth­nis­ch­er Selb­st­beschrei­bung indi­vidu­ell ver­han­del­bar würde. Und dies würde dann, zumin­d­est bis zu einem gewis­sen Grade, eben­falls bedeuten, dass let­ztlich auch jene affir­ma­tiv­en schwarzen Iden­tität­skonzepte, etwa black­ness oder négri­tude, die nicht zulet­zt auch als Reak­tion auf jahrhun­derte­lange Repres­sion durch Weiße ent­standen sind, obso­let wür­den oder sich zumin­d­est soweit öff­nen müssten, dass auch Weiße “I’m proud to be black” sagen kön­nten.
    Sprich: Man hätte, wenn auch unge­wollt und mit den Mit­teln weißer dekon­struk­tivis­tis­ch­er Essen­tial­is­muskri­tik, aber­mals eine Sit­u­a­tion, in der Schwarzen gesagt wird, wie sie ihre Kul­tur zu definieren haben.

  • Wie ich Fem­i­nist wurde | Log­buch Suhrkamp — ein sehr per­sön­lich­er, auf­schlussre­ich­er und inter­es­san­ter text von thomas mei­necke (fast eine art beken­nt­nis), im dem es um den weg zum selb­st und zum schreiben (und auch: dem ver­ste­hen von welt und men­sch) geht

    In diesem ästhetisch-poli­tis­chen Spalt lassen sich diskur­sive Romane ver­fassen, die von anderen Din­gen erzählen als jene, die von den großen männlichen, ver­meintlich geschlosse­nen, auf jeden Fall sich als autonom insze­nieren­den Autor-Sub­jek­ten (oft als Genies beze­ich­net) ver­fasst wur­den (und weit­er­hin munter ver­fasst wer­den). Die große Bina­rität, wie sie dem an der Kat­e­gorie der Klasse ori­en­tierten poli­tis­chen Denken und Schreiben anhaftete, wurde nun durch einen genauen Blick auf die kleinen Unter­schiede, auf sub­tile Ver­schiebun­gen und Mod­u­la­tio­nen abgelöst

  • Trea­sure In Heav­en | Lapham’s Quar­ter­ly — peter brown über die “kam­pagne” des frühen chris­ten­tums und beson­ders hierony­mus’, euer­getismus in christlich­es almosen­geben zu ver­wan­deln

    Alto­geth­er, to accept Chris­t­ian preach­ing was to make a major shift in one’s image of soci­ety. In terms of the social imag­i­na­tion, it involved noth­ing less than mov­ing from a closed uni­verse to an open one. We begin, in the clas­si­cal world, with a hon­ey­comb of lit­tle cities, in each of which the rich thought of nur­tur­ing only their fel­low cit­i­zens, with lit­tle regard to whether any of them were poor. We end, in Chris­t­ian times, with an open uni­verse, where soci­ety as a whole—in town and coun­try­side alike—was seen to be ruled, as if by a uni­ver­sal law of grav­i­ty, by a sin­gle, bleak divi­sion between rich and poor. The duty of the Chris­t­ian preach­er was to urge the rich no longer to spend their mon­ey on their beloved, well-known city, but to lose it, almost heed­less­ly, in the face­less mass of the poor. Only that utter­ly coun­ter­fac­tu­al gesture—a ges­ture that owed noth­ing to the claims of one’s home­town or of one’s fel­low citizens—would earn the rich “trea­sure in heav­en.”

  • Der Pianist Mau­r­izio Polli­ni im Inter­view — ein sehr, sehr gutes, inter­es­santes und intel­li­gentes gespräch zwis­chen zwei beethoven-lieb­habern, jan brach­mann und mau­r­izio polli­ni, anlässlich der vol­len­dung sein­er auf­nahme aller beethoven-sonate

    Es gibt in Beethovens Musik Momente, die in die Nähe religiös­er Erfahrung führen kön­nen. Momente von gesteigertem Enthu­si­as­mus. Ich will das gar nicht leug­nen. Ich per­sön­lich finde, dass man nicht notwendi­ger­weise an Reli­gion denken muss, um diese Musik zu würdi­gen. Es ist nur deren Größe, welche die ästhetis­che Begeis­terung schnell ins Religiöse umschla­gen lassen kann.[…]
    Das Prob­lem liegt darin, dass Beethovens Werke so vielgestaltig sind. Er wech­selt Stil und Stim­mung von Stück zu Stück. Es wieder­holt sich nichts. Deshalb sind diese Sonat­en so schw­er zu spie­len. Die Ken­nt­nis der einen Sonate hil­ft Ihnen über­haupt nicht weit­er bei der näch­sten.

  • Dop­pelte Unfall­ge­fahr: Helmträger in Mün­ster öfter im Kranken­haus | Rad­helm­fak­ten — eine etwas beun­ruhi­gende samm­lung von dat­en der unfall­sta­tis­tiken: es scheint so, dass die ver­let­zungsrate bei helmträgern in unfällen deut­lich größer ist als bei nicht-helmträgern. das wider­spricht schön jed­er all­t­agslogik — und es ist über­haupt nicht klar, warum das so ist …
  • DER NERD: EINE MINI-PHÄNOMENOLOGIE | Das Schön­ste an Deutsch­land ist die Auto­bahn — sehr coole über­legun­gen von georg seeßlen zum nerd­tum, der pop-)kultur und ins­beson­dere dem deutschen nerd:

    Jede Kul­tur hat die Nerds, die sie ver­di­ent. Den Geist ein­er Com­ic-Serie, eines TV-Events, eines Star-Ima­gos oder ein­er Buchrei­he, ein­er Sportart, ein­er Kom­mu­nika­tion­stech­nik, ein­er Pro­duk­tlin­ie erken­nt man an ihren Nerds.[…]
    Der deutsche Nerd liebt nicht, was er sich erwählt hat, son­dern er has­st, was dem ent­ge­gen oder auch nur außer­halb ste­ht. Der deutsche Nerd denkt immer hier­ar­chisch. Er will unbe­d­ingt Ober-Nerd wer­den. Er will das Nerd-Tum organ­isieren. Statt Exege­sen pro­duziert er Vorschriften, statt Gottes­di­en­sten seines Kultes hält er Gerichte.

Aus-Lese #14

Noah Sow: Deutsch­land Schwarz Weiß. Der alltägliche Ras­sis­mus. München: Gold­mann 2009. 320 Seit­en.

Deutsch­land Schwarz Weiß ist ein wichtiges Buch. Wichtig, um die vorherrschen­den Struk­turen des Ras­sis­mus in Deutsch­land zu erken­nen und so ver­suchen, sie zu bekämpfen, und zu über­winden. Sow zeigt an ein­er Fülle von Beispie­len, wie tief ver­ankert ras­sis­tis­ches Denken und Ver­hal­ten in der deutschen Gesellschaft ist, wie Ras­sis­mus in Deutsch­land zum All­t­ag gehört — weil er struk­turell-gesellschaftlich be“gründet“ und qua­si vererbt wird.

Ich bin zwar nicht in jedem Detail mit ihren Wer­tun­gen ein­ver­standen — aber darum geht es auch gar nicht. Son­dern darum, zu erken­nen, wie sehr ras­sis­tis­che Vorstel­lung unser Denken und eben auch unser Han­deln immer wieder immer noch prä­gen. Dafür ist Sow’s Buch her­vor­ra­gend geeignet und sollte fast so etwas wie Pflichtlek­türe für bewusste Teil­nehmer der deutschen Gesellschaft sein . Ich hätte es zwar gerne etwas strin­gen­ter und klar­er in Struk­tur und Sprache, aber das ist meine per­sön­liche Präferenz. Sow bemüht sich um Umit­tel­barkeit und Wirk­mächtigkeit — da hat sie wahrschein­lich die bessere und wirk­samere Strate­gie und Sprache gefun­den.

Let­ztlich läuft das ganze auf diesen einen Satz hin­aus: „Ras­sis­mus ist kein Schwarzes, son­dern ein weißes Prob­lem.“ (272) — das ist der zen­trale Punkt. Und den muss man erken­nen, bevor man etwas ändern kann.

Thomas Mei­necke: Ana­log. Mit Zeich­nun­gen von Michaela Melián. Berlin: Ver­brech­er 2013. 111 Seit­en.

Das neuese (schmale) schöne Bänd­chen (vor allem dank der Zeich­nun­gen Meliáns) von Thomas Mei­necke bringt den Buch­le­sern seine gesam­melte Kolum­nen aus dem „Groove“ von 2007–2013. Ganz sym­bol­isch aufge­laden sind das natür­lich 33 — denn es geht vor­wiegend um Plat­ten bzw. die Musik darauf (und auch hin und wieder um die Ungewis­sheit, ob eine Plat­te mit 33 oder 45 Umdrehun­gen abzus­pie­len sei): Das sind kurze (oder eigentlich sehr kurze) Text zur Musik über­haupt, zum DJ-Sein im Radio und im Club, und den Imp­lika­tio­nen der Pro­fes­sion und der Musik. Faszinierend ist dabei immer wieder, wie genau Mei­necke beobacht­en und erken­nen kann (so weit ich das zu ver­fol­gen und beurteilen ver­mag, nicht alles ist mir bekan­nt von dem Vie­len (ist nicht immer meine Musik …), über das er schreibt) — und wie präzise er diese Erken­nt­nisse in wenige Worte fasst. Zum Beispiel so:

  • „Respekt, dachte ich, da macht die Nacht dann gar nicht, was sie will, son­dern was West­bam will.“ (26)
  • „Sie ger­at­en ins Fach­sim­peln, und ich würde am lieb­sten mitre­den, aber ich habe ja die Lin­er-Notes geschrieben.“ (38)
  • „Ich kon­nte vor allem von The­olo­nious Monk meine Augen nicht lassen: Seine min­i­mal­is­tis­che Unruhe schien mir von utopis­chen Aus­maßen zu sein.“ (43)
  • „Ich habe (spätestens seit Hoy­er­swer­da) her­aus­ge­fun­den, dass ich eine nationale Iden­tität allein über den Holo­caust entwick­eln kann. (Eigentlich bräuchte ich gar keine.)“ (85f.)
  • „Ich hat­te das Gefühl, dass lauter Schaus­pielerIn­nen (in brand­neuen Led­er­jack­en) um mich herum standen, und irgend­wo stand sich­er auch Man­fred Eich­er, der den sonisch anrüchi­gen Muzak Jazz-Kat­a­log seines ECM Labels jüngst durch Vil­lalo­bos (dem ich hier mal die Ahnungslosigkeit des Spät­ge­bor­eren attestiere) vere­deln ließ.“ (87)
  • „Logisch bildet das Mys­teri­um der Musik für Schrift­steller (wie mich) einen Sehn­sucht­sraum: Wo die Sprache nur schw­er hinkommt, tut sich ein Gefühl von Frei­heit auf. (Sprache ist ja ein Knast.) Ander­er­seit meine (von dekon­struk­tivis­tis­chen Fem­i­nistin­nen erlernte) Erken­nt­nis: Vor der Sprache gibt es nichts. Auch Disko ist diskur­siv.“ (93)

Ernst Wün­sch: Sprizz bit­ter. Erzäh­lung. Wien: Sisy­phus 2009. 156 Seit­en.

Das ist über­haupt nicht bit­ter, aber dafür ganz beson­der spritzig: Eine kaum zu beschreibende Erzäh­lung voller Humor (weniger dage­gen witzig). Wild und ausufer­nd ist der Text, der dien Lebens­ab­schnitt eines Langzeitar­beit­slosen, der einen 97jährigen The­aterkün­stler als Mäd­chen für alles dient. Unwahrschein­lich und den Leser auch schon mal bedrän­gend stapel sich da die Ver­rück­theit­en. Der Rezensent von literaturkritik.de weist darauf hin, dass das zumin­d­est teil­weise trotz sein­er ger­adezu phan­tastis­chen Gestalt dur­chaus reale Begeben­heit­en der The­ater­szene der 1970er Jahre beschreibt. Davon aber mal abge­se­hen, ist das ein­fach grandios unter­hal­tend: Wild und ungezähmt ist dieser Text wie sein Sujet, frei vagabundierend zwis­chen Exkursen und Fußnoten, vielschichtig zwis­chen realen, irrealen und sur­realen Abschnit­ten wie in einem Traum hin und her sprin­gend. Faszinierend und sym­pa­thisch…

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