… meint zumin­d­est das The­ater haut­nah:

Da ste­ht er nun also, der arme Tor, und ist genau­so klug wie zuvor. Zwar ste­ht er dieses Mal nicht auf den Bret­tern, die die Welt bedeuten, son­dern im Altar­raum der Alt­mün­sterkirche. Aber auch der heilige Raum bringt Faust keine beson­dere Erleuch­tung.

Zumin­d­est nicht in der Insze­nierung des haut­nah-The­aters. Die Truppe gastiert ger­ade mit ihrem „Urfaust” in Mainz – und bringt eine Menge Leben in die Kirche. Denn Regis­seur Rolf Bidinger hat den Urfaust, die erste Ver­sion des Faust­dra­mas aus der Fed­er Goethes, stark konzen­tri­ert und deut­lich auf die komis­che Seite der Ver­wick­lun­gen zwis­chen Faust und Goethe fokussiert. Seine Insze­nierung und die fast überdeut­liche Aktio­nen der haut­nah-Schaus­piel­er sor­gen deshalb für eine Menge Lach­er und viel Heit­erkeit. Und das nicht ohne Grund – der Text des Weimar­er Dichters hat dur­chaus seine Komik, oft genug in ein­er recht der­ben und hand­festen Vari­ante.

Zugle­ich ist er aber auch – dur­chaus schon im Urfaust – mehr als eine tragikomis­che Liebesgeschichte. Schließlich lauert der Teufel von Anbe­ginn im Hin­ter­grund, schon beim Vor­spiel ist er immer präsent und wartet auf seine Gele­gen­heit. Und er bleibt es fast die ganze Zeit – der Teufel ist in der Alt­mün­sterkirche fast zen­traler als Faust oder sein Gretchen. Das liegt auch an Daniel Kröh­n­ert, der den Mephis­to mit läs­siger Ele­ganz, süff­isan­tem Sarkas­mus und großer Präsenz aus­füllt und verkör­pert. Dage­gen bleibt der Faust von Jan Schu­ba etwas blässlich – anfangs, im Zim­mer des Gelehrten vor allem, trifft er seine Rolle sehr gut. Aber je konkreter und direk­ter seine Liebe zu Grete wird, desto unwahrschein­lich­er wirkt seine Darstel­lung.
Grete dage­gen macht eine sehr glaub­hafte Wand­lung durch: Vom keck-koket­ten Mäd­chen (das freilich bei Goethe die Reli­gion viel ern­ster nimmt als hier) zur gefal­l­enen Dirne und Kindsmörderin, die im Gefäng­nis vor Verzwei­flung irr wird, ver­lei­ht Dana Kröh­n­ert ihrem Gretchen eine sehr lebendi­ge und plas­tis­che Gestalt.

Abgerun­det und ergänzt wird das Spiel des haut­nah-The­aters durch die Kan­tor­ei von St. Johan­nis. Unter Volk­er Ellen­berg­er tritt sie wie ein klas­sis­ch­er The­ater­chor kom­men­tierend, war­nend und vorauss­chauend auf: Mit dem Choral „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig” kom­men­tiert der Chor das Geschehen im Wirtshaus, mit „Es ist ein Schnit­ter, heißt der Tod” warnt er Grete vor dem ver­führerischen Faust und ergänzt und über­höht so das the­atralis­che Geschehen, ohne direkt in die Hand­lung einzu­greifen – die haben die Schaus­piel­er voll im Griff.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)