Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

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aPaper: Die taz-App für Androide — endlich!

(ich weiß, ein beschissenes Wort. Ich glaube, das haben die Leute von der taz auch nicht wirk­lich ernst gemeint …)

Jeden­falls: Jet­zt gibt es die taz auch als App für Androide. Das habe ich gle­ich mal aus­pro­biert …

Das dig­i­tale Abo der taz ist ja sowieso eine feine Sache, finde ich. Vor allem in Verbindung mit dem Woch­enend-Abo: Man bekommt Sam­stags die taz & son­ntaz (also ver­hält­nis­mäßig viel Zeitung) in den Briefkas­ten und kann für ger­ade mal 1 Euro pro Woche die dig­i­tale Aus­gabe dazu abon­nieren. (Ger­ade bei der Süd­deutschen ist das ja völ­lig anders, da muss man noch ein­mal richtig tief in die Tasche greifen, wenn man nicht nur die Papier­aus­gabe haben will.) Die gab es bish­er schon in vie­len For­mat­en, unter anderem pdf, epub (sehr löblich!) und auch als mobi-Datei, die automa­tisch an meinen Kin­dle versendet wird. Das funk­tion­iert zwar, ist aber doch etwas gewöh­nungs­bedürftig, weil die dig­i­tale taz — offen­bar aus kon­vertierungsökonomis­chen Grün­den — nicht das “Zeitungs­for­mat” des Kin­dle nutzt, in dem man beque­mer von Artikel zu Artikel sprin­gen kann, son­dern als fort­laufend­er Text alle Artikel mit zwis­chengeschal­teten Seit­en­fak­sim­i­les darstellt. Das heißt aber, wenn man nicht so sehr viel liest, ist man ewig am Blät­tern — und das hält am Kin­dle halt doch immer etwas auf.

Aber jet­zt: Die taz auf Android-Geräten. Ich habe sie zunächst auf dem Sony Tablet S getetest. Und das macht richtig Spaß. Man kann natür­lich ganz bequem seine Abo-Dat­en in die kosten­los im Play-Store von Google erhältliche App eingeben und dann die gewün­scht­en Aus­gaben herun­ter­laden. Die Ein­stel­lun­gen bieten das nötig­ste, ohne großen Schnickschnack: automa­tis­ches Laden der näch­sten Aus­gabe, basale Ein­stel­lun­gen zum Lay­out (Schrift­größe, Spal­tenzahl etc.), und das war’s eigentlich auch schon. Über­haupt ist die ganze App recht schlicht gehal­ten: Zeitung pur sozusagen. Da ist nicht viel mit inter­ak­tiv­en Inhal­ten oder Videos oder Bilder­ga­le­rien (zumin­d­est habe ich noch keine ent­deckt). Das ist für mich aber auch okay so. Denn die Text sind gut zu lesen, ein­fach zu navigieren: Entwed­er über die Seit­en­fak­sim­i­les (ein Tip­pen auf einen Artikel holt ihn in der Tex­tan­sicht her­vor) oder über das Inhaltsverze­ich­nis. Dort kann man sich, das finde ich nett gemacht, auch seine eigene taz zusam­men­stellen: Ein­fach im aus­führlichen Verze­ich­nis (mit Anreißer) die gewün­scht­en Texte markieren, dann kann man sie ein­fach der Rei­he nach durch­wis­chen (und natür­lich lesen). Schön.

Und das funk­tion­iert nicht nur auf dem 10-Zoll-Tablet gut (das ist ja ver­gle­ich­sweise ein­fach), son­dern läuft auch auf dem 4‑Zoll-Bild­schirm meines Sam­sung Nexus wun­der­bar: Auf den Fak­sim­i­lies erken­nt man zwar nicht viel, aber immer­hin die Über­schriften. Und der Text ist dann im Augen­blick wun­der­bar les­bar auf den Bild­schirm geza­ubert — sehr flüs­sig läuft das alles, so dass man ganz in Ruhe lesen kann und sich um nichts son­st küm­mer muss …

Son­st gibt es nicht viel zu sagen. Gewün­scht hätte ich mir allerd­ings die Möglichkeit, Text zu markieren (und natür­lich zu kopieren …). Und die Social-Media-Anbindung (E‑Mail, Twit­ter, Face­book) steckt noch sehr in den Kinder­schuhen: Man kann die But­tons unter jeden Artikel ein­blenden lassen. Ein Tip­pen auf das Twitter‑T öffnet allerd­ings nur die Twit­ter-Home­page und will da eine Tweet mit Titel & URL des Textes erstellen — die instal­lierten Twit­ter-Apps erken­nt die taz-App offen­bar nicht. Das ist allerd­ings schade, da wün­sche ich mir noch etwas Nachbesserung …

Nomen est omen. Titel und Namen

Warum? Warum nur? Warum ist es nach über 90 Jahren nicht in den Köpfen ange­langt, dass es in Deutsch­land keinen Adel mehr gibt? Und dass es dementsprechend auch keine Adel­sti­tel mehr geben kann?
Johan Schloe­mann schreibt in der heuti­gen Süd­deutschen Zeitung einen nette kleinen Text über die Unnötigkeit und Kon­trapro­duk­tiv­ität der deutschen Prax­is, den Dok­tor­grad in den Per­son­alausweis ein­tra­gen lassen zu kön­nen. Und dann, nach­dem er dur­chaus tre­f­fend und schön dargestellt hat, wie unnötig das alles ist, wie es den Dok­tor vom akademis­chen Titel zum Protzw­erk und (ange­blichen) Kar­rier­boost­er macht, kommt wieder der blödestes Fehler von allen, der in Deutsch­land seit fast 100 Jahren unendlich per­pe­tu­iert wird: Frei­herr wird zum Titel, der im Ausweis ste­ht: “… anders als ein ererbter Titel wie ‘Frei­herr’.” Inzwis­chen bin ich ja dafür, allen, die sich öffentlich bemerk­bar machen, eine Zwangss­chu­lung in Gschichte und Gegen­wart zukom­men zu lassen. Da soll­ten sie unter anderem ler­nen: In Deutsch­land gibt es keinen Adel. Die Adel­sti­tel sind seit der Weimar­er Repub­lik abgeschafft — per Gesetz.1 Das ganze Gelump mit Frei­herr, Graf, Fürst, was weiß ich — das sind nur Namens­be­standteile (eben aus­nahm­sweise dek­lin­ierte Teile) von großkoz­erten Hochsta­plern, deren Gel­tungssucht durch die fortwährende Weit­er­führung des ganzen als “Adel” nur weit­er bedi­ent wird. Denn wenn der Adel und seine Titel legit­la­tiv abgeschafft wurde, bekommt der ehe­ma­lige Titl als Namen nur durch die Zuschrei­bung in der Per­for­manz über­haupt einen Wert. Denn Adel heißt: Vor­rechte kraft Geburt. Das gibt es in der BRD nicht, das ver­hin­dern Grundge­setz und Gle­ich­heits­grund­satz — schon mal gehört? Deshalb sollte man so einen absoluten hanebüch­nen Blödsinn nicht mehr ver­bre­it­en. Auch in ein­er “Qual­ität­szeitung” nicht — haben die inzwis­chen nie­man­den mehr, der ein biss­chen Ahnung hat? Und das fast per­verse daran ist: Schloe­mann ist pro­moviert — so weit ich weiß, in klas­sis­ch­er Philolo­gie. Er sollte also doch eigentlich so etwas wis­sen, so banale Dinge wie Adel und Gle­ich­heit begrif­f­en haben … Aber er — und seine Zeitung tut das per­ma­nent eben­so — entschei­den sich offen­bar dafür, in diesen Fällen immer wieder, immer noch ein­mal alle hochgelobten ehren­volle Ide­ale des Jour­nal­is­mus in den Wind zu schreiben. Trau­rig, dieses Land und seine Medi­en …

Show 1 foot­note

  1. Offen­bar war das nicht radikal genug. Vielle­icht hätte die öster­re­ichis­che Vari­ante, die auch die Titel ersat­z­los abschaffte, bess­er funk­tion­ier?

Deutscher Alltag, 9. Januar 2010

Nein, es geht jet­zt nicht um das Wet­ter, das ja nur ganz nor­maler Win­ter ist (also All­t­ag, auch wenn aller­lei pseudo­jour­nal­is­tis­che Medi­en gle­ich wieder Wel­tun­ter­gangsszenar­ien kon­stru­ieren). Nein, hier geht es — wieder ein­mal — um den Grund, Sam­stag mor­gens die Süd­deutsche Zeitung zu lesen. Vor allem die Woch­enend­beilage, von der ich im all­ge­meinen nicht beson­ders begeis­tert bin. Aber ein klein­er Text ani­miert mich immer wieder: Kurt Kisters Kolumne “Deutsch­er All­t­ag”. Gott­sei­dank ist (und hof­fentlich bleibt) sie eine Kleinigkeit, eine Dreingabe — aber eine wun­der­bare. Auf größeres For­mat gezo­gen würde sie wahrschein­lich schnell unerträglich wer­den. So kann kk aber jede Woche ganz her­vor­ra­gend seine iro­nis­che und satirische Ader ausleben. Und das ganze mit mehr oder weniger aktuellen Beobach­tun­gen verknüpfen. Nicht immer sind das zwangsläu­fig grandiose Würfe. Aber immer sind sie niveau­voll und eröff­nen neue Blicke.

Heute zum Beispiel ste­ht da mit­ten in dene­her harm­los-net­ten Betra­ch­tun­gen zum “wilden Lesen” ein wun­der­schön­er (wenn auch gar nicht so wahnsin­nig orig­ineller) Satz:

Es ist immer richtig, das Leben zu ändern, was bei Slo­ter­dijk damit begin­nen sollte, dass er sich endlich mal die Haar schnei­den lässt.

Und dann geht es gle­ich weit­er:

Slo­ter­dijks Miniatur über den Sci­en­tol­ogy-Grün­der Hub­bard plus seine Grund­sät­zlichkeit­en über die Nicht-Exis­tenz von Reli­gion brin­gen einen zum Beispiel zu der Über­legung, was denn eigentlich Hub­bard von Mohammed unter­schei­det, und ob nicht vielle­icht Tom Cruise und Osama bin Laden einen ähn­liche Hang zur Ver­tikalität ausleben.

Ja, wenn man Kurt Kister heißt, dann kommt man offen­bar auf solche her­rlichen Ideen und Ver­gle­iche.

Er schließt übri­gens fast kon­ven­tionell und abso­lut zus­tim­mungs­fähig: “Was für ein Aben­teuer: Lesen.” Deswe­gen: Sam­stags immer Kurt Kisters “Deutschen All­t­ag” lesen. es ist ein Aben­teuer, das Spaß mach. Bes­timmt. Garantiert.

“Die Welt ist voller großer Rätsel.”

“Die Welt ist voller großer Rät­sel. Man weiß zum Beispiel nicht, warum die Anasazi-Indi­an­er im Süd­west­en der heuti­gen USA erst eine bemerkenswerte Zivil­i­sa­tion aufge­baut haben und dann ver­schwan­den. […] Und, noch unwichtiger: Warum existiert die FDP und wo hat sie jenen Her­rn her, der Schals mit einem Muster wie ein Kopfkissenbezug aus einem englis­chen Land­haus trägt und der trotz­dem Außen­min­is­ter wer­den will? Wäre es wirk­lich schädlich für Deutsch­land oder das Andenken von Theodor Heuss, täte der Herr es den Anasazi gle­ich?” — So eröffnet Kurt Kister in der gestri­gen SZ seine köstliche — & wiedere­in­mal wun­der­bar gelun­gene — Kolumne “Deutsch­er All­t­ag”. Und so geht das dann da noch etwas weit­er, unter anderem zu Gün­ter Wall­raffs merk­würdi­gen Verklei­dun­gen … Und ich merke ger­ade, das Abtip­pen hätte ich mir sparen kön­nen, der Text ist sog­ar online ver­füg­bar, unter dem nicht so schö­nen Titel “Wie Ker­kel­ing im Karneval”.

guttenberg führt die deutsche presse vor

der neue wirtschaftsmin­is­ter (oder bess­er gesagt: csu-pro­porz-min­is­ter) führt dieser tage wohl eher unge­wollt den stand der qual­ität der deutschen medi­en, ins­beson­dere der qual­ität­s­presse und auch der bild, vor augen: ange­blich ist die leis­tung der medi­en, das beto­nen sie ja immer gerne gegen die bösen inter­net­nutzer, die ver­lässlichkeit der infor­ma­tio­nen und ihre einord­nung. und dann lassen sie sich ungeprüft einen zusät­zlichen vor­na­men auf­binden und falsche beschäf­ti­gun­gen (die in diesem falle ja dem nach­weis der qual­i­fika­tion dienen sollen) auf­schwatzen. da brauch’ man ja nix mehr dazu sagen …

das sterbende medium

das pop­kul­turelle for­mat über­haupt spricht zum zeitungsjour­nal­ist: „your medi­um is dying!”

gefun­den durch net­zpoli­tik

noch eine herausragend überschrift

heute auf der titel­seite der rhein-zeitung die wun­der­bare über­schrift (die erste folge dieser serie war auch sehr schön): „bahn will zunächst den güter­verkehr bestreiken” — das wär’s doch mal: die betriebe bestreiken sich ein­fach selb­st, dann kann man die stören­friede der gew­erkschaften auch get­rost abschaf­fen … irgend­wie kapiert da jemand in der redak­tion das sys­tem „streik” wirk­lich über­haupt nicht — ein­mal kann ja ein aus­rutsch­er sein, aber zwei mal ist eine serie …

keith jarrett — ein auslaufmodell

wun­der­bar, wie hans-jür­gen linke in der frank­furter rund­schau über das konz­ert kei­th jar­retts in der frank­furter alten oper schreibt:

Kei­th Jar­rett bleibt im ersten Teil des Konz­erts seinem Pub­likum fast alles schuldig und im zweit­en immer­hin den Beweis, dass er ein Musik­er des 21. Jahrhun­derts ist.  […] Er klingt in seinen schlechteren Phasen wie ein mäßig inspiri­ert­er, tech­nisch recht guter, tief sen­ti­men­taler amerikanis­ch­er Pianist und in seinen besten Momenten wie ein handge­brem­ster, mit Pud­erzuck­er bestreuter Brahms, der Jazz gehört hat.

chris­t­ian broeck­ing schreibt in der taz sog­ar:

Ein Desaster aus Größen­wahn, Eit­elkeit und Vir­tu­osität. […] Dass das Pub­likum nach 40 Minuten Konz­ert vor der Pause und 30 Minuten danach stür­misch vier kurze Zugaben her­beik­latschte, kann den Ein­druck nicht schmälern, dass das intellek­tuelle Niveau auf der Bühne kaum ein­mal unteres Mit­tel­maß erre­ichte. Schlim­mer noch wirkt, dass es ein­fach nicht gut klingt, wenn ein sich maß­los selb­st über­schätzen­der Kün­stler kaum mehr den Weg zurück­zufind­en scheint. Das magere kün­st­lerische Ergeb­nis über­ragt Jar­retts enervierende Selb­s­ther­rlichkeit mit großer Not.

ich habe das konz­ert zwar nicht gehört, aber das bringt meine gedanken beim hören (auch der älteren) von jar­retts improvsi­a­tio­nen ziem­lich gut auf den punkt.

mainzer rhein-zeitung: bahn & streik

auf­mach­er der titel­seite der rhein-zeitung heute: „Streikt Bahn ab Mon­tag?” — da hat wohl jemand etwas durcheinan­der gebracht: entwed­er wird die bahn bestreikt oder die lok­führer streiken — man muss sich aber schon für ursache oder wirkung entschei­den, auch bei über­schriften

so langsam fängt es an zu nerven

die berichter­stat­tung und/oder kri­tik der inter­pre­ten-super­stars auf dem gebi­et der klas­sik. der erste große fall war anna netre­bko: anfangs waren alle begeis­tert (gut, manche mehr und fach­lich weniger fundiert als andere), bis ihnen dann nach ein­er weile der hype selb­st auf die ner­ven ging und ihnen außer­dem auffiel, dass sie zwar gut oder auch sehr gut ist (in dem eingeschränk­ten reper­toire, das sie bish­er zeigte), dass das aber noch lange nicht diesen wahnsinnsrum­mel und diese vergöt­terung, diese ver­ab­so­lu­tierung recht­fer­tigt. und jet­zt passiert schon wieder so etwas, dieses mal mit lang lang. gut, er hat der ern­sthaften kri­tik (die ja zunächst auch von ihm ziem­lich ange­tan war) eine steil­vor­lage geliefert, indem er mit seinen hit-konz­erten auf open-air-tournee ging — das zeigte auch dem let­zten hör­er und schreiber, worum es ihm wirk­lich geht — näm­lich eben nicht um die musik (egal was er beteuert), son­dern um geld und ruhm — das sind die einzi­gen gründe, die so etwas legit­imieren. die süd­deutsche hat ihn dann het­ue im großen auf­mach­er des feuil­letons auch glatt als „musiken­ter­tain­er” beze­ich­net: das trifft das phänomen vol­lkom­men. rein­hard brem­beck ver­sucht aber auch gle­ichzeit­ig, das ganze noch durch einen rekurs auf die geschichte des konz­er­twe­sens zu ret­ten: „Sie alle ste­hen für eine Rück­kehr zu den Wurzeln des Konz­er­twe­sens im 19. Jahrhun­dert, als Klas­sik ein vor allem gesellschaftlich­es Ereig­nis war, bei dem weniger die Kun­st als das Event im Vorder­grund stand.” Das Prob­lem mit solchen Behaup­tun­gen: sie stim­men schon — irgend­wie. sie sind aber auch nicht ganz richtig. denn natür­lich hat brem­beck recht, wenn er die großen vir­tu­osen­schaustücke und ihre dar­bi­etun­gen (liszt, pagani­ni …) meint. aber das bet­rifft eben nicht das ganze 19. jahrhun­dert. und auch nicht das ganze konz­er­twe­sen, son­dern nur einen teil. doch genau das ist ja das prob­lem — und der grund, warum es solche phänomene (wie lang lang) gibt: weil die medi­en, selb­st die soge­nan­nten qual­itätsme­di­en, alles ver­schlag­worten müssen.

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