und haut dabei schön auf die kollegen von der süddeutschen ein. denn die, so suggeriert jens jessen, hätten die restaurierung von fassbinders berlin alexanderplatz nur deshalb verteidigt, weil die entsprechenden dvds in ihrem laden vertrieben werden. das mag ja sogar so sein – wobei ich das nicht annehme, denn die aufsicht über die restaurierung und insbesondere die in frage stehende aufhellung hatte fassbinders kameramann, der ja so ungefährt wissen dürfte, wie das ganze mal gedacht war. es mag also sein, wie es will. und natürlich sind die ganzen nebengeschäfte mir auch ein dorn im auge. aber wenn das in der zeit kritisiert wird, so ist das bloß hypokritisch. und sein schlusssatz zeigt außerdem, dass er das wahre problem (er beschwört ja auch weniger die möglichkeit der tatsächlichen bestechung, sondern den glaubwürdigkeitsverlust alleine durch den argwohn, den diese möglichkeit auslöst) wenn vielleicht auch nicht verkennt, so doch herunterspielt: „Zeitungen, die Nebengeschäfte treiben […], müssen höllisch aufpassen, die filigrane Grenze zwischen redaktionellem Urteil und Werbung in eigener Sache nicht zu verwischen.” denn diese grenze ist doch nun wirklich überhaupt nicht filigran, sie ist ganz schnurgerade und deutlich zu erkennen – überschritten wird sie von den kollegen der zeit genau wie von denen der süddeutschen (und all den anderen medien auch) regelmäßig und – so behaupte ich – durchaus in voller absicht und kenntnis.
Schlagwort: zeitung
ja wirklich, in diesem fall stimmt es: früher war alles besser. das design der online-taz fand ich früher gerade deshalb gut, weil es so schlicht, fast gar nicht vorhanden, war: da stand – wie es sich für eine webseite einer tageszeitung gehört – der text absolut im mittelpunkt. jetzt ist das anders. aber beinahe hätte ich das auch noch nicht einmal mitbekommen, nur dank der medienlese habe ich davon wind bekommen. und natürlich ist allen aufgefallen, dass die taz jetzt nicht mehr rot, sondern schwarz ist. und zwar sehr, sehr schwarz. warum? wozu? keine ahnung .… aber irgendwie passt das: man hat (manchmal) den eindruck, die taz schämt sich ihrer selbst. das war schon bei der neugestaltung der seite 1 so – da verschwand ja zum beispiel die tatze und wurde nur nach massiven protesten der leser wieder notdürftig eingeflickt. genauso ist es mit der internet-seite: die tatze und das taz-logo sind nur noch in mikroskopischer größe zu finden. dafür versucht die netz-taz auch mit viel aufwand, ihre herkunft aus der redaktion einer tageszeitung zu vertuschen: entschleunigung wollen sie (im editorial steht unter anderem das) – das sieht in der tat (auch inhaltlich) mehr wie ein magazin als eine aktuelle zeitung aus – allerdings wie ein ziemlich x‑beliebiges magazin. die leser-reaktionen sind denn auch entsprechend ablehend oder wenigstens durchwachsen. schade eigentlich …
p.s.: gerade eben ist mir noch aufgefallen: die neue seite scheint tatsächlich keinen rss-feed zu haben (mit ausnahme der blogs). wozu man das ganze dann im look des aktuellen web gestaltet, erschließt sich mir nun gar nicht mehr.
immerhin einen schönen, d.h. guten artikel habe ich gelesen über die proteste in rostock und die dortigen ausschreitungen: von stefan klein in der süddeutschen zeitung unter dem titel „als der hafen nicht mehr sicher war”. das scheint mir doch etwas ausgewogener als der tendenziöse rest, der wieder nur die krawalle registriert (und sich dadurch natürlich wieder bestätigt fühlt, wie unbedingt notwendig der zaun und demonstrationsverbote und andere einschränkungen der grundrechte doch seien). stefan klein merkt nämlich, neben einer schön lakonischen beschreibung der ganzen veranstaltung, auch zwei sachen an: wieso ließ sich die polizei, die ja lange genug zeit für die vorbereitung hatte und gewaltige personale und finanzielle mittel zur verfügung hat, von den krawall-demonstranten so überraschen? und wieso gibt es so viele verletzte, selbst bei der offenbar doch recht martialisch ausgestatteten polizei?
… dann sollte man eigentlich nicht gerade als literaturkritikerin arbeiten. warum ich diese binsenweisheit hier niederschreibe? weil verena auffermann heute ihre kritik von peter kurzecks „oktober und wer wir selbst sind”, über das ich hier im blog ja auch schon etwas hinterlassen habe, in der süddeutschen zeitung (leider online nicht zu finden) veröffentlicht. und da sind so einige fehllektüren gesammelt. zum beispiel wird Peter Kurzeck zum „Fall des absoluten Präsens.” das klingt zwar schlüssig, stimmt aber überhaupt nicht. denn das spannende und faszinierende an kurzecks schreiben ist ja gerade, dass er sich nicht (mehr) im präsens aufhält, dass er wie kaum ein anderer schriftsteller das vergehen und die vergänglichkeit der zeit, des lebens und jeder erinnerung aufschreibt, zu bewältigen versucht, in sprachliche formen fasst. und wie man dann auf die idee kommt, kurzeck (oder seinen erzähler, aber diese unterscheidung interessiert auffermann offenbar – wie die meisten literaturkritiker – überhaupt nicht, sie unterstellt ganz unbedingt einen „radikalen BIographishmus”) als „ideale[n] Ignorant der Außenwelt” zu charakterisieren, erschließt sich mir auch nicht so ganz.
noch ein beispiel gefällig? aber gerne doch: auffermann schreibt über „Oktober und wer wir selbst sind”: „Noch bei keinem Buch, behauptet er, habe die Sprache ihn so sehr gepackt.” aber das ist blödsinnig. sie macht hier gleich zwei fehler: zum einen ist das nicht peter kurzeck, der diese behauptung äußert, sondern der erzähler peta. vor allem aber geht es überhaupt nicht das aktuelle Buch von Kurzeck, sondern um das letzte Buch des Erzählers! und einige absätze später wird diese fehllektüre noch potenziert. jetzt wird eine äußerung des erzählers zu seinem letzten buch („Ein Buch, wie es noch keins gibt, aber wie es scheint, merkt das keiner.” – übrigens auch noch falsch zitiert)) umstandslos peter kurzeck in den mund gelegt und auch noch nach 1983 datiert
was mich sonst noch so nervt an auffermanns auslassungen: sätze wie dieser hier: „Eine Sprache, die den Satz alter Ordnung vermeidet.” – das steht hier einfach mal so herum. aber was heißt dass denn? ist es überhaupt wahr? und ihre kritik ist voll von solchen dingen – sonst aber bietet sie wenig, viel zu wenig. natürlich werden die vergleiche zu Robert Walser und Marcel Proust wieder aufgerufen (wie es sich in letzter zeit eingebürgert hat, natürlich nur ex negativo: „Auf die happigen und immer wieder zu lesenden Vergleiche von Proust bis Robert Walser verzichten wir.” (übrigens auch mal so ganz nebenbei ein reichlich unglücklicher satz …)). natürlich wird wieder festgestellt, dass man kurzeck liebt oder eben nicht (ob das so wahr ist, daran zweifle ich durchaus noch): „Entweder hält man das aus und verfällt der Sprachmelodie […] oder nicht. Es gibt keine Viertel- oder Halbliebe, nur ganz oder gar nicht.” und natürlich wird auch wieder das topos der anspruchsvollen literatur, die zu wenige leser findet und hat, bemüht: „Bestimmt zu wenige, bestimmt schreibt dieser eigenwillige Frankfurter Kyniker das Gegenteil von Massenware.” (auch das versteckt sich wieder so eine behauptung: kurzeck sei ein Kyniker. so wie ich peter kurzeck, ihn selbst und seine bücher, kenne und andererseits den Kynismus als bewusst entschiedene Entsagung materieller Güter und damit der gewollten Rückkehr zu der Einfachheit des Naturzustandes verstehe, komme ich da nicht zu einer übereinstimmung. aber leider führt auffermann ja nicht weiter aus, inwiefern kurzeck kynisch sei.