Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: religion

Narazener

Obwohl selb­st far­b­los, ersche­inst du blau, wenn in dein­er
Ober­fläche ruhig sich der Him­mel spiegelt, ein Ide­al­park­our
zum Wan­deln für den Sohn des Zim­mer­manns, das wan­del­barste Ele­ment.

— Ein­stürzende Neubaut­en, Die Wellen (Alles wieder offen)

religiöse konservative sind dümmer als atheistische linke

zumin­d­est haben sie offen­bar einen niedrigeren intel­li­genz-quo­tien­ten. im durch­schnitt natür­lich. zu dem schluss kommt man, wenn man ergeb­nisse ein­er amerikanis­chen und ein­er englis­chen studie kom­biniert. bei­de fan­den leichte var­i­anzen im iq, die mit der poli­tis­chen ein­stel­lung sig­nifikant kor­re­lieren: die gruppe der sehr kon­ser­v­a­tiv­en hat dem­nach einen iq-durch­schnitt von 95, die der sehr pro­gres­siv­en einen von 106. ähn­lich, wenn auch etwas geringer in der dif­ferenz, bei der dif­feren­zierung zwis­chen sehr religiös (97) und über­haupt nicht religiös (103). in der süd­deutschen von heute hat christo­pher schraer das nett erzählt und mit kom­mentaren und erk­lärungsver­suchen der psy­cholo­gen gar­niert, z.B. von Detlef Rost:

Um pro­gres­siv zu sein, brauchen Men­schen kog­ni­tive Leis­tungs­fähigkeit. Wer immer im Bekan­nten bleibt, muss nicht viel über­legen.

(via papi­er-zeitung)
nach­trag: noch mehr dazu hat flo­ri­an rötzer bei tele­po­lis geschrieben: “Intel­li­gente Men­schen sind eher Athe­is­ten und gehen nachts später schlafen” (via @viertelnachvier)

Deutscher Alltag, 9. Januar 2010

Nein, es geht jet­zt nicht um das Wet­ter, das ja nur ganz nor­maler Win­ter ist (also All­t­ag, auch wenn aller­lei pseudo­jour­nal­is­tis­che Medi­en gle­ich wieder Wel­tun­ter­gangsszenar­ien kon­stru­ieren). Nein, hier geht es — wieder ein­mal — um den Grund, Sam­stag mor­gens die Süd­deutsche Zeitung zu lesen. Vor allem die Woch­enend­beilage, von der ich im all­ge­meinen nicht beson­ders begeis­tert bin. Aber ein klein­er Text ani­miert mich immer wieder: Kurt Kisters Kolumne “Deutsch­er All­t­ag”. Gott­sei­dank ist (und hof­fentlich bleibt) sie eine Kleinigkeit, eine Dreingabe — aber eine wun­der­bare. Auf größeres For­mat gezo­gen würde sie wahrschein­lich schnell unerträglich wer­den. So kann kk aber jede Woche ganz her­vor­ra­gend seine iro­nis­che und satirische Ader ausleben. Und das ganze mit mehr oder weniger aktuellen Beobach­tun­gen verknüpfen. Nicht immer sind das zwangsläu­fig grandiose Würfe. Aber immer sind sie niveau­voll und eröff­nen neue Blicke.

Heute zum Beispiel ste­ht da mit­ten in dene­her harm­los-net­ten Betra­ch­tun­gen zum “wilden Lesen” ein wun­der­schön­er (wenn auch gar nicht so wahnsin­nig orig­ineller) Satz:

Es ist immer richtig, das Leben zu ändern, was bei Slo­ter­dijk damit begin­nen sollte, dass er sich endlich mal die Haar schnei­den lässt.

Und dann geht es gle­ich weit­er:

Slo­ter­dijks Miniatur über den Sci­en­tol­ogy-Grün­der Hub­bard plus seine Grund­sät­zlichkeit­en über die Nicht-Exis­tenz von Reli­gion brin­gen einen zum Beispiel zu der Über­legung, was denn eigentlich Hub­bard von Mohammed unter­schei­det, und ob nicht vielle­icht Tom Cruise und Osama bin Laden einen ähn­liche Hang zur Ver­tikalität ausleben.

Ja, wenn man Kurt Kister heißt, dann kommt man offen­bar auf solche her­rlichen Ideen und Ver­gle­iche.

Er schließt übri­gens fast kon­ven­tionell und abso­lut zus­tim­mungs­fähig: “Was für ein Aben­teuer: Lesen.” Deswe­gen: Sam­stags immer Kurt Kisters “Deutschen All­t­ag” lesen. es ist ein Aben­teuer, das Spaß mach. Bes­timmt. Garantiert.

“ ‘Bindschädler, ich glaube, …

… daß uns heute weniger das Gesellschaftliche zu schaf­fen macht als vielmehr dieses Vaku­um an Spir­i­tu­al­ität, das uns sozusagen an den Rand eines kos­mis­chen Abgrun­des saugt’, sagte Baur, lächel­nd.” (Ger­hard Meier, Borodi­no, 114)

“Denn letztlich ist der Dalai Lama

… nichts anderes als ein Papst für Psy­cho­so­matik­er, gescheit­erte Agnos­tik­er und andere Mem­men, denen der Papst aus dem eige­nen Kul­turkreis zu hart ist.” (Adri­an Kreye, Der Feuil­leton­ist)

“Die Art, wie ein Theolog, …

… gle­ichgültig ob in Berlin oder in Rom, ein “Schrift­wort” auslegt oder ein Erleb­nis, einen Sieg des vater­ländis­chen Heers zum Beispiel unter der höheren Beleuch­tung der Psalmen Davids, ist immer dergestalt kühn, dass ein Philolog dabei an allen Wän­den empor­läuft.” (friedrich niet­zsche, der antichrist, 52)

“gott …

ist ersatz­wort.” (bir­git kemp­ker, sehn­such im hyper­bett. ein trans­ver­fick­ter diskurs, 98)

die echte religion!

… sagte Catha­ri­na; das ist eben der Stre­it! kein­er glaubt, an der unecht­en sich ver­loren zu haben.” — Lud­wig Tieck, Der Hex­en-Sab­bat, 117

protestanten und ihr ‑ismus

sie müssen aus­ge­sprochen gute lek­toren beim beck-ver­lag in münchen haben für diese rei­he, die „wissen“-taschenbücher. die sind näm­lich immer aus­ge­sprochen gut les­bar, für laien ver­ständlich, ohne deshalb flach zu sein. dieser band (der protes­tantismus von friedrich wil­helm graf) ist dabei schon ver­gle­ich­sweise voraus­set­zungsre­ich, und – um es gle­ich zu sagen – mir fehlt auch ein wenig der kern: da wird viel geschrieben über die äußere entwick­lung des protes­tantismus, viel über die kul­turelle und poli­tis­che seite, aber der eigentlich nuk­leus, die spez­i­fis­che form des glaubens und der fröm­migkeit, ist für meine begriffe etwas kurz abge­han­delt – es kommt natür­lich vor und ist selb­stver­ständlich angesichts der (hier auch gut dargestell­ten) vielfalt protes­tantis­ch­er strö­mungen sich­er eine schwierige auf­gabe, aber ger­ade da hätte ich mir ein biss­chen mehr infor­ma­tion gewün­scht, die über die kon­sta­tierung des prob­lems hin­aus­ge­ht: „alle aus­sagen über ein ‚wesen des protes­tantismus‘ lassen sich durch vielfältige wider­strebende phänomen in einzel­nen protes­tantis­chen lebenswel­ten rel­a­tivieren“ – geschenkt, das ist bil­lig. das „protes­tantis­che“ als solch­es, so sug­geriert schon der blick ins inhaltsverze­ich­nis (und die lek­türe bestätigt das lei­der cum gra­no salis) inter­essiert graf nur mehr am rande: wenn es um „die zukun­ft des protes­tantis­chen“, so heißt das abschließende kapi­tel, geht.der protes­tantismus scheint also, wenn man nur grafs darstel­lung vor augen hat, mehr ein kul­tur­phänomen als eine religiöse erschei­n­ung zu sein. sein haup­tkapi­tel ist dann auch fol­gerichtig so betitelt: „protes­tantismus und kul­tur“. hier ver­sucht graf, dem wesen des protes­tantismus auf die spur zu kom­men. und eben mit den genan­nten schwierigkeit­en. aber doch, um hier nicht nur blöd rumzumeck­ern, auch wieder nicht ganz vergebens. auf­fal­l­end ist allerd­ings die sehr vari­abel konzise argu­men­ta­tion und fak­ten­dichte: es gibt seit­en, da rei­ht sich (direk­tes oder indi­rek­tes) zitat an zitat, da fliegen die dat­en nur so um die köpfe der leser. und es gibt seit­en, da kommt graf auf ein­mal wieder zu ein­er les­baren darstel­lungs­form – schade, dass die var­i­anz so arg groß ist.

die protes­tanten und staat, bil­dung, indi­vidu­um, inner­lichkeit – das sind seine haupt­the­men. und das ganze vorzüglich an quellen des 18. und 19. jahrhun­derts dargestellt, von denen graf eine unüberse­hbare menge zu ken­nen scheint. was das 20. jahrhun­dert ange­ht, wird es aber ganz plöt­zlich ganz dünn, über die zwanziger hin­aus gibt es kaum etwas, als hätte sich das prob­lem bere­its erledigt, als würde kein­er mehr darüber nach­denken …

so kreist graf also eigentlich immer weit­er um ganz wenige the­men: die indi­vid­u­al­isierung (v.a. des glaubens, die aber nicht ohne fol­gen für das weltliche denken und leben blieb…) und das, was seit max weber die „protes­tantis­che ethik“ genan­nt wird, die bemühung um ökonomis­chen etc. erfolg im dies­seits als zeichen eines from­men, gottge­fäl­li­gen lebens, die hand in hand geht mit der entwick­lung des bürg­er­lichen leis­tungsethos: „die in allen protes­tantis­chen lebenswel­ten zu beobach­t­ende sym­bol­is­che kom­mu­nika­tion, in der inner­lichkeit religiös insze­niert und reflex­iv gesteigert wird, läßt sich deshalb auch als erfind­ung von indi­vid­u­al­ität beschreiben.“ (73) – schon recht, aber ist das nicht ein wenig ein­seit­ig? spiel­ten da nicht – auch – noch andere fak­toren eine rolle? z.b. der tief­greifende wan­del der ökonomis­chen und poli­tis­chen ver­fas­sung der gesellschaft seit dem mit­te­lal­ter? deren zunehmende beschle­u­ni­gung? das sind natür­lich alles fak­toren, die nie alleine betra­chtet wer­den kön­nen, immer in heftig­sten inter­de­pen­den­zen ste­hen und die sache deshalb so höl­lis­che kom­pliziert machen… lustiger­weise (aber: eigentlich ist das nicht so wahnsin­nig lustig…) schreibt graf selb­st zwei sätze weit­er: „die aufk­lär­er und die lib­eralen des 19. und 20. jahrhun­derts feierten die ref­or­ma­tion deshalb als jene religiös …

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