Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: pop Seite 1 von 7

Hineingehört #3

Nichts als Hoffnung (aber immerhin)

Tindersticks, No Treasure but Hope (Cover)Ein neues Tin­der­sticks-Album ist ja schon ein Ereig­nis. Auch das fast mys­tisch schwebende und leichte No Trea­sure but Hope fällt in die Kat­e­gorie. Dabei ist es fast ungewöhn­lich für ein Tin­der­stick-Album, weil vieles (nicht alles aber) etwas heller und fre­undlich­er ist als auf älteren Veröf­fentlichun­gen. Natür­lich bleibt Stu­art Sta­ples Stu­art Sta­ples, aber er klingt hier deut­lich weltzuge­wandter, ja sog­ar fre­undlich­er und locker(er), nicht mehr so angestrengt, schw­er, gequält wie auf früheren Alben. Dabei bleibt die Musik irgend­wie schon noch zwis­chne der Lei­der­schaft von Nick Cave und der Verzwei­flung von Leonard Cohen ange­siedelt.

Ins­ge­samt wirkt das auf mich — nach den ersten paar Durchgän­gen — allerd­ings etwas flach­er: Das ist mir oft zu aus­ge­feilt, klan­glich zu detail­ver­liebt, fast prä­ten­tiös. Da fehlt mir dann doch etwas Unmit­tel­barkeit — und damit genau jene Qual­ität, die mich an früheren Alben stark in den Bann gezo­gen hat: Die emo­tionale Stärke, die Unmit­tel­barkeit der Gefüh­le, die die (ältere) Musik immer wieder (und immer noch, das funk­tion­iert auch nach Jahren des wieder­holten Hörens noch, ich habe es ger­ade aus­pro­biert — und das zeigt die wahre Größe dieser Musik) ausze­ich­net, das fehlt mir hier. Vielle­icht — das ist freilich nur eine Ver­mu­tung — sind Tin­der­stick ein­fach zu gut gewor­den. Das ist aber wahrschein­lich Blödsinn, auch die let­zten Alben waren ja schon aus­geze­ich­net pro­duziert.

Hier schlägt aber wohl doch stärk­er der Kunst­wille durch. Und dafür sind die For­mate der Pop­songs dann aber doch wieder zu kon­ven­tionell und deshalb zu schwach, das bleibt dann manch­mal etwas schram­mel­ing-mit­telmäßig. Das heißt nun aber über­haupt nicht, dass No trea­sure but hope schlecht sei. Auch hier gibt es wun­der­bare Momente und schöne, erfül­lende Lieder. “Trees fall” zum Beispiel, oder “Carousel” mit der typ­is­chen Tin­der­stick-Stim­mung, der melan­cholis­chne Grundierung. Und auch “See my Girls” hat dann doch wieder sehr dringliche, inten­sive Momente (und eine schöne Gitarre). Das titel­gebende “No trea­sure but hope” ist in der sehr reduzierten Konzen­tra­tion auf Klavier und Gesang dur­chaus ein kleines kam­mer­musikalis­ches, intimes Meis­ter­w­erk — und ein­fach schön.

Tin­der­sticks: No Trea­sure but Hope. Lucky Dog/City Slang 2019. Slang 50236.

Verspieltes Klavier

Stefan Aeby, Piano Solo (Cover)Ste­fan Aebys erste Soloauf­nahme (soweit ich sehe zumin­d­est), im let­zten Jahr bei Intakt erschienen. Das ist, mehr noch als die Trioauf­nah­men, im Ganzen oft sehr ver­spielt, aber ins­ge­samt vor allem sehr har­monisch: klare Struk­turen und klare Tonal­itäten bes­tim­men den Gesamtein­druck.

Beson­ders wird Piano solo aber vor allem durch den Klavierk­lang, das ist vielle­icht, zusam­men mit sein­er klan­glichen Imag­i­na­tion­skraft, Aebys größter Stärke. Denn der ist vielschichtig und feinsin­nig, mit großem Nuan­cen­re­ich­tum. Hier kommt nun noch dazu, dass das Klavier von Aeby im Stu­dio — er hat das wohl voll­ständig alleine aufgenom­men — teil­weise ver­fremdet, ergänzt und bear­beit­et wurde.

Vieles ist dann auch — wie erwartet — sehr schön. Aber vieles ist auch nicht beson­ders über­wälti­gend: So richtig umge­haut hat mich eigentlich nichts. Das ist solide, dur­chaus mit inspierten und inspieren­den Momenten, über­haupt keine Frage. Mir scheint es aber ins­ge­seamt einen Tick­en zu banal, einen Tick zu flach in der oft unge­broch­enen Schön­heit, in der Suche nach Har­monie und Wohlk­lang. Dabei gibt es dann auf Piano solo auch viele Klang­ef­fek­te. Die machen das aber manch­mal — und teil­weise sog­ar über weit­ere Streck­en — etwas arg kün­stlich für meinen Geschmack (“Dance on a Cloud” wäre dafür ein Beispiel). “Fling­ga” dage­gen ist dann aber wieder her­aus­ra­gend: da kann sein run­der, weich­er, abges­timmter Ton sich voll ent­fal­ten.

Die Idee, den Klavierk­lang nicht alleine zu lassen, ihn aufzu­pep­pen, zu erweit­ern, zu ver­frem­den, ist ja ganz schön und nett. Aber das Ergeb­nis oder bess­er die Ergeb­nisse überzeu­gen mich nicht immer vol­lends. Vor allem scheint mir die klan­gliche Erweiterung oder Ver­frem­dung nicht immer aus­re­ichend musikalisch begrün­det und zwin­gend. Zumin­d­est wurde mir das beim Hören nicht entsprechend klar. Und dann bleibt es halt vor allem eine (tech­nis­che) Spiel­erei. Trotz alle­dem ist Piano solo aber den­noch eine defin­i­tiv schöne, überzeu­gende Auf­nahme mit ein­nehmenden Klang­bildern.

Ste­fan Aeby: Piano solo. Intakt Records 2019. Intakt CD 332.

Die Winterreise als Gruppenwanderung

Schubert, Winterreise (Cover)Das ist Schu­berts Win­ter­reise — und auch wieder nicht. Denn sie ist — teil­weise — für Stre­ichquar­tett tran­skri­biert und mit Inter­mezzi verse­hen von Andreas Höricht.

Die Idee scheint ja erst ein­mal ganz vielver­sprechend: Die Win­ter­reise — bzw. ihre “wichtig­sten” (das heißt vor allem: die bekan­ntesten) Lieder — auf die Musik zu reduzieren, zum Kern vorzus­toßen, den Text zu sub­lim­ieren. Das Ergeb­nis ist aber nicht mehr ganz so vielver­sprechend. Die Inter­mezzi, die zwar viel mit Schu­bertschen Motiv­en spie­len und ver­suchen, die Stimmung(en) aufzu­greifen, sind ins­ge­samt dann doch eher über­flüs­sig. Und die Lieder selb­st: Nun ja, bei mir läuft men­tal dann doch immer der Text mit. Und es gibt dur­chaus schöne Momente, wo das Konzept aufzuge­hen scheint. Im ganzen bleibt mir das aber zu wenig: Da fehlt zu viel. Selb­st eher mit­telmäßige Inter­pre­ta­tio­nen haben heute ein Niveau, das mehr an Emo­tion und Ein­druck, mehr Inhalt und Struk­tur ver­mit­telt als es diese Ver­sion beim Voy­ager-Quar­tett tut. Als beken­nen­der Win­ter­reise-Fan und ‑Samm­ler darf das bei mir natür­lich nicht fehlen. Ich gehe aber stark davon aus, dass ich in Zukun­ft eher zu ein­er gesun­genen Inter­pre­ta­tion greifen werde …

Franz Schu­bert: Win­ter­reise for string quar­tet. Voy­ager Quar­tet. Solo Musi­ca 2020. SM 335.

Dreifache Freiheit

Kaufmann/Gratkowski/de Joode, Oblengths (Cover)Sowohl Kauf­mann als auch Gratkows­ki sind Impro­visatoren, deren Arbeit ich immer ver­suche im Blick zu haben. Sie verkör­pern näm­lich eine Form der impro­visierten Musik oder des freien Jazz (oder wie immer man das genau klas­si­fizieren mag), die ver­schiedene Aspek­te vere­int und zusam­men­bringt: Sie sind Kün­stler, die viel am und mit dem Klang arbeit­en (ger­ade bei Achim Kauf­mann fällt mir das immer wieder auf, wie klangstark er das Klavier zu spie­len weiß) und zugle­ich im freien Impro­visieren und Zusan­men­spiel Struk­turen entste­hen lassen kön­nen, die das Hören span­nend und über­raschungsvoll machen. Das gilt auch für ihre Zusam­me­nar­beit mit Wilbert de Joode, die auf Oblengths doku­men­tiert ist. Aufgenom­men wurde ein Aben im Jan­u­ar 2014 im Köl­ner Loft, veröf­fentlicht hat es das immer wieder und immer noch großar­tige Label Leo Records.

Das beste an dieser Auf­nahme ist die Kom­bi­na­tion von gle­ichen oder ähn­lich­er Musiz­er­weisen der drei Tri­opart­ner und der immer wieder über­raschen­den Vielfalt an konkreten klan­glichen Ereignis­sen, die daraus entste­hen. Da ist schon viel Gek­narze, Gerumpel, Kratzen und Fiepen. Aber auch viel Wohlk­lang: Oblengths, das ist eine der großen Stärken dieses Trios, wartet mit ein­er unge­wohn­ten Band­bre­ite vom Geräusch bis zum har­monis­chen Dreik­lang und klas­sisch gebaut­en Melo­di­en oder Motiv­en auf. Man merkt beim Hören aber eben auch unmit­tel­bar, dass das hier kein Selb­stzweck ist, son­dern einge­set­zt wird, um Zusam­men­hänge herzustellen und umfassenderen Aus­druck zu ermöglichen. Dazu passt auch, dass der Klan­graum ein wirk­lich weites Reper­toire umfasst und auch im leisen, vere­inzel­ten, sog­ar im stillen Moment noch sehr aus­d­if­feren­ziert ist. Ich würde nicht sagen, dass das Trio erzählt — aber irgend­wie ergeben sich dann doch so etwas wie Geschicht­en, Abfol­gen von Momenten, die zusam­menge­hören und eine gemein­same Struk­tur haben.

Achim Kauf­mann, Frank Gratkows­ki, Wilbert de Joode: Oblengths. Leo Records 2016. CD LR 748.

Ins Netz gegangen (21.12.)

Ins Netz gegan­gen am 21.12.:

  • Die Hände Johann Sebas­t­ian Bachs | Forschung & Lehre → bach war nicht genial, er hat­te ein­fach große hände — nun­ja, das wurde nicht behauptet. aber zumin­d­est let­zteres ist nun gesichert
  • Dubiose Quellen | Süd­deutsche → willi win­kler hat schon ein­mal die jan­u­ar-aus­gabe der viertel­jahrshefte für zeit­geschichte gele­sen und fasst einen beitrag von mikael nils­son zusam­men, der offen­bar nach­weist, dass die als “hitlers tis­chge­spräche” veröf­fentlicht­en texte als (primär)quelle eigentlich nichts tau­gen, weil ihre authen­tiz­ität (und ihre edi­tierung) frag­würdig ist
  • Das große Beicht­en | Süd­deutsche → ein gast­beitrag von nathalie wei­den­feld, der zur diskus­sion stellt, ob die öffentliche kund­machung per­sön­lich­er und intimer gedanken, erleb­nisse, stim­mungen in den sozialen medi­en nicht ein reflex, eine mod­erne vari­ante des öffentlichen beicht­ens der puri­tan­er ist (ich bin nicht ganz überzeugt, ob das stimmt — aber bedenkenswert scheint es mir schon).
  • Many Shades of Gen­der | LMU → paula-irene vil­la hat — zusam­men mit Kolleg*innen und mitarbeiter*innen — eine schöne FAQ zu typ­is­chen, wiederkehren­den fra­gen und vor­wür­fen an die gen­der stud­ies geschrieben

    Die Gen­der Stud­ies wollen ins­ge­samt wed­er Geschlecht abschaf­fen noch, wie manch­mal auch ver­mutet wird, es allen aufzwin­gen. Vielmehr wollen die Gen­der Stud­ies forschend her­aus­find­en, wo wie für wen warum in welch­er Weise und mit welchen Fol­gen Geschlecht über­haupt eine Rolle spielt (oder auch nicht).

  • Records Revis­it­ed | hhv­mag → kristof­fer cornils’ schöne und ehrliche würdi­gung des großar­ti­gen “spir­it of eden” von talk talk
  • Der alte Hass auf die Aufk­lärung | Geschichte der Gegen­wart → philipp sarasin ord­net die “neue rechte” in die tra­di­tion der anti-aufk­lärung und der geg­n­er­schaft des libr­eral­is­mus ein:

    Zu behaupten, die Unter­schei­dung zwis­chen links und rechts habe seine Bedeu­tung ver­loren, ist ange­sichts solch­er Aus­sagen wenig über­zeu­gend. Dring­lich ist aber auch, dass die Linke aufhört, die Libe­ralen und auch die „Lib­er­al-Kon­ser­v­a­tiv­en“ in die rechte Ecke zu stellen und die falschen Schlacht­en zu schla­gen. „Rechts“ ist nur dort, wo der alte Hass auf die Aufklä­rung dräut. Alles andere sind Zänke­reien unter den Kindern der Mod­erne.

zwo3wir (bandfoto)

zwo3wir feiert Weihnacht in “Vanillekipferlgrün”

zwo3wir, vanillekipferlgrün (cover)Wer nach Festvor­bere­itungsstress und Geschen­keeinkauf­s­marathon noch Musik braucht, um vor Wei­h­nacht­en zur Ruhe zu kom­men, ist bei zwo3wir in guten Hän­den. Mit Vanillekipferl­grün leg­en die fünf Niederöster­re­ich­er von zwo3wir ein wirkungsvolles Gegen­pro­gramm zu Zeit­not und Het­ze für die Wei­h­nacht­szeit vor. Die CD ist zwar schon nach ein­er knap­pen hal­ben Stun­den zu Ende, aber das sind acht Songs, die viel Genuss bere­it­en kön­nen. Mit großer akustis­ch­er Bühne steigen sie gle­ich sehr atmo­sphärisch mit ein­er Eigenkom­po­si­tion ein. Damit ist auch die erste von drei Sprachen schon geset­zt – neben dem Öster­re­ichis­chen Dialekt wie bei „Waun i ruhig wer‘n wü“ singt das Quin­tett auch im reinen Hochdeutsch und auf Englisch. Sehr gelun­gen sind die bei­den Choral­bear­beitun­gen, die „Macht hoch die Tür“ und „O Hei­land“ ansprechend mod­ernisieren. Am besten klin­gen aber die schlicht­en, gemütlichen und relax­ten Songs wie die „Fro­he Wei­h­nacht“ oder „Des is Wei­h­nocht für mi“: Mit solch­er Musik darf die Wei­h­nacht auch gerne grün statt weiß sein.

zwo3wir: Vanillekipferl­grün. 2016. 26 Minuten.

(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #44, Dezem­ber 2017)

Mit Aquabella um die Welt

aquabella, jubilee (cover)Aqua­bel­la hat schon immer ein ziem­lich unver­wech­sel­bares Pro­fil: Vier Frauen sin­gen Welt­musik a cap­pel­la – das gibt es nicht so häu­fig. Und sie tun es mit Erfolg und Durch­hal­tev­er­mö­gen. Sein zwanzigjährige Jubiläum feiert das Quar­tett jet­zt mit der siebten CD: Jubilee heißt die ganz passend. Es wird aber bei weit­em nicht nur jubiliert, auch nach­den­klichere Töne und sehr stim­mungsvolle Bal­laden fan­den ihren Weg auf die Plat­te, die neben Stu­dio-Auf­nah­men auch einige Live-Mitschnitte enthält. Und einiges kön­nte dem treuen Fans schon von früheren Veröf­fentlichun­gen bekan­nt sein.

Ganz wie man es von Aqua­bel­la schon ken­nt, ist es auch zum Jubiläum wieder eine Wel­treise zum Hören gewor­den. Die ist fast durch­weg bess­er für den beque­men Ses­sel im heimis­chen Wohnz­im­mer als für die Tanzfläche geeignet: Zum genussvollen Hören lädt Aqua­bel­la mehr ein als zum Mit­machen. Denn Jubilee ist zwar eine abwech­slungsre­ich, aber auch eine unge­fährliche und bequeme imag­inäre audi­tive Expe­di­tion auf alle Kon­ti­nente.
Nach dem strahlen­den Beginn mit dem hebräis­chen „Lo Yisa goy“ gehts in großen Schrit­ten über Schwe­den und Deutsch­land (melodisch sehr schön, die Eigenkom­po­si­tion „Jerusalem“ von Aqua­bel­la-Mit­glied Gisela Knorr) schnell nach Alge­rien, zu ein­er run­dum gelun­genen Arrange­ment von „Aicha“, das ja auch schon Ever­green-Charak­ter hat. Hier bekommt es von Nass­er Kila­da – der die Frauen auch beim andalu­sis­chen „Lam­ma bada yatathanna“ unter­stützt – noch ein wenig Lokalkolorit und Authen­tiz­ität – nicht, das Aqua­bel­la das unbe­d­ingt nötig hat. Vor allem fügt er eine neue Klang­farbe hinzu – und das schadet nicht, denn Aqua­bel­la-Sän­gerin­nen und vor allem ihre Arrange­ments sprudeln nicht ger­ade über vor musikalis­ch­er Exper­i­men­tier­freudigkeit. Das ist alles sehr solide gear­beit­et und ordentlich gesun­gen, aber oft fehlt – wie etwa beim Klas­sik­er „Mas que nada“ – etwas Pep: Zwin­gend ist das nicht immer, mitreißend nur in weni­gen Augen­blick­en. Die oft etwas flächi­gen und sta­tis­chen Arrange­ments lassen immer etwas Rest-Dis­tanz. Aqua­bel­la klingt eben immer nach sich selb­st, egal was auf dem Noten­stän­der liegt und in welch­er Sprache sie ger­ade sin­gen.

Die Live-Auf­nah­men auf„Jubilee atmen bei gle­ich­bleiben­der Qual­ität mehr ansteck­ende Singfreude: Das gilt schon für das „Adiemus“ von Karl Jenk­ins (das sich naht­los in die Welt­musik-Reigen ein­passt), ganz beson­ders aber für das finale „Dortn iz mayn rue­platz“, das mit seinem wun­der­bar weichen Orgelpunkt und dem schlicht­en Arrange­ment ganz verza­ubernd und verzück­end wirkt.

Aqua­bel­la: Jubilee live. Jaro 2017. 52:25 Spielzeit

(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #42, Okto­ber 2017)

maybebop (pressefoto)

Gelungene Fehlerdiagnose: “Sistemfeler” von Maybebop

maybebop, sistemfeler (cover)Einen “Sis­tem­fel­er” diag­nos­tiziert May­be­bop. Und da geht es nicht um den Gesang — der ist fehler­frei, wie man das von May­be­bop erwartet. Und selb­st die ohne­hin hohen Erwartun­gen an ein neues May­be­bop-Album toppt “Sis­tem­fel­er” lock­er. Der Fehler liegt also nicht in der Musik, son­dern in einem anderen Sys­tem — vor allem dem der Gesellschaft. Aber keine Angst: Trotz kri­tis­ch­er Begleitung der Gegen­wart macht “Sis­tem­fel­er” vor allem irre viel Spaß. Man muss ja den Diag­nosen des Han­nover­an­er Quar­tetts nicht zus­tim­men, um die großar­ti­gen musikalis­chen Qual­itäten des Albums genießen zu kön­nen. Und schließlich wäre May­be­bop nicht May­be­bop, wenn sie ihre kri­tis­chen Diag­nosen nicht mit Witz und Ironie ver­mit­teln wür­den – ob es nun um die Glaub­würdigkeit der Nachricht­en geht oder den über­großen gesellschaftlichen Anpas­sungs­druck. In „Auf der Suche“ spießen die Vier die per­ma­nente Erre­ich­barkeit und die Gier nach virtueller Anerken­nung auf und liefern qua­si neben­bei einen Ohrwurm – nicht den einzi­gen auf „Sis­tem­fel­er“ übri­gens. Und die “Ode an die Heimat” the­ma­tisiert in ein­er wun­der­schön san­ft aus­ge­set­zten Bal­lade nicht nur die Heimat­losigkeit der mod­er­nen Viel­reisenden, son­dern auch die Tat­sache, dass man nur dort daheim ist, wo sich das Smart­phone automa­tisch mit dem Router verbindet. San­ft schme­ichelt auch das Finale, „Ab und zu ein paar Geigen“, mit der Unter­stützung der NDR Radio­phil­har­monie. Doch natür­lich ist May­be­bop nicht immer zahm und zurück­hal­tend: Mit schwarzem Humor geht es in “Weil du heut Geburt­stag hast” auch musikalisch ordentlich zur Sache. Und über­all sind Detail­vers­essen­heit und Per­fek­tion­is­mus des Quar­tetts unüber­hör­bar: Jedes Arrange­ment, jede Akko­rd­folge, jed­er noch so aus­ge­fal­l­ene Klang­ef­fekt sind sorgfältigst über­legt und eingepasst. „Sis­tem­fel­er“ ist run­dum stim­mig wie nur wenige Alben, bis zum nerdi­gen Cov­er und Book­let.

Immer wieder spie­len May­be­bop mit Genuss und Kön­nen mit musikalis­chen und nationalen Klis­chees. Die aus­geze­ich­nete Bol­ly­wood-Hymne “Ver­steh das” ist so eine Platitüde, das pen­tatönige „Chi­ne­sis­che Medizin“nimmt nicht nur alter­na­tive Heilkün­ste, son­dern auch das Essen aufs Korn. Alles in allem ist die Vielfalt der Musik ein­fach verzück­end: Der waschechte Marsch (bei dem das vokale Blech dröh­nt und die Füße zuck­en) ist genau­so ein Teil des “Sis­tem­fel­ers” wie Aus­flüge in den Balkan-Pop, das plattdeutsche „Dat du min Leevsten büst“ oder eine gesun­gene Ver­sion des Rav­el-Boleros. Gut, musikalisch ist der bei den Swingle Singers noch bess­er gewe­sen — aber die haben nicht den her­rlich augen­zwinkern­den Text von Oliv­er Gies. Der erzählt ganz aus­ge­feilt einen klas­sis­chen Konzerbe­suchs eines blasierten Ange­bers. Und kurz darauf — nach einem kurzen Abstech­er zur Logik des Beat­box­ens — find­et man sich schon im Hiphop wieder. Über­haupt Oliv­er Gies: Der Bari­ton zeich­net nicht nur für die Arrange­ments ver­ant­wortlich, son­dern hat auch fast alle Texte geschrieben und Melo­di­en kom­poniert. Und da find­en sich echte Klein­ode — wer auf “Sis­tem­fel­er” kein Lieblingslied find­et, ist für a‑cap­pel­la-Pop wohl ver­loren. Oder hoff­nungslos­er Purist, der mit diesem fro­hen Eklek­tizis­mus nichts anfan­gen kann.

May­be­bop: Sis­tem­fel­er. Ellen­berg­er 2017. Spielzeit: 55:44

(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #39, Mai 2017)

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  • Märchen­stunde am Main | NZZ → jür­gen tietz spart nicht mit deut­lichen Worten über den Unsinn ein­er (schein­baren) Rekon­struk­tion ein­er his­torischen Alt­stadt

    Dort, wo nach den Bombe­nan­grif­f­en des Zweit­en Weltkriegs nur noch rauchende Trüm­mer lagen, man­i­festiert sich heute ein gebauter Auf­schrei nach ver­loren­er Heimeligkeit und ein­stiger städtis­ch­er Bedeu­tung. Dafür musste das zu Beginn der siebziger Jahre gebaute Tech­nis­che Rathaus ver­schwinden, nach nur 35 Jahren. So kurzat­mig ist die hes­sis­che Geschichte. Was aber ist der Sinn dieser gebaut­en Frank­furter Märchen­welt? Leis­tet sie einen Beitrag, um die drän­gen­den Fra­gen der Zukun­ft der Städte zu lösen? Wohl kaum, denn auf dem his­torisieren­den neuen Herzstück Frank­furts entste­ht ger­ade ein­mal die beschei­dene Zahl von sechzig Woh­nun­gen – mit ein­er Fläche von ins­ge­samt 7000 Quadrat­metern. Son­st gibt sich das Quarti­er als architek­tonisch verdichtete See­len­mas­sage, ein Gegen­mod­ell zu den Hochhäusern der glob­al­isierten Stadt.

    Der grosse Irrtum ein­er der­art fik­tionalen Stadtar­chitek­tur ist es, dass sie wie eine gebaute Zeit­mas­chine wirkt. Doch sie ist nur ein Abziehbild ein­er deutschen See­len­land­schaft, in der die Ver­wun­dun­gen der Kriegs- und Nachkriegszeit bis in die nach-nach­fol­gende Gen­er­a­tion andauern. So entste­ht eine wein­er­liche Mis­chung aus Ver­lust und Ver­drän­gung, aus roman­tis­ch­er Sehn­sucht und ein­er Unfähigkeit zu trauern.

  • Wer­ben mit Google: Ist die taz Schmud­delkram? | taz-haus­blog → die taz nut googles adsense und berichtet hier von schwierigkeit­en bei der “richtlinien”-einhaltung und kom­mu­nika­tion mit dem unternehmen
  • Wollen alle Autoren sein? Alles schreibt, kein­er liest | NZZ → jochen hörisch über das sich verän­dernde ver­ständ­nis von schreiben und lesen, den zusam­men­hang von sein und schreiben, welt und text

    Alles schreibt, aber kaum ein­er liest mehr so gründlich, konzen­tri­ert und hinge­bungsvoll wie der Leser in Rilkes gle­ich­namigem Gedicht oder der Buch-Enthu­si­ast in Michael Endes «Unendlich­er Geschichte». … Es ist offen­bar, dass Gott nicht im Sinne logis­ch­er Evi­denz offen­bar ist, dass auch er ein schwächel­nder Autor ist, der die Kluft, die die Welt von den Worten tren­nt, nicht ein für alle Mal über­winden kann. … Das Wort wird Fleisch, Bits wer­den Atome, die Idee der Transsub­stan­ti­a­tion ist heute mehr als ein faszinieren­des religiös­es Phan­tas­ma, näm­lich ein Schreibpro­gramm für ambi­tion­ierte Inge­nieure. Wer diese Wand­lung von Lese- in Schreibpro­gramme im Blick hat, wird sowohl das Come­back mil­i­tan­ter Reli­giosität als auch die Infla­tion der Schreiblust heute mit anderen Augen sehen. … Man ver­gisst gerne, dass die verpflich­t­ende Alpha­betisierung ein kul­tureller Son­der­weg ein­er selt­samen Wel­tecke in ein­er exzen­trischen Epoche ist bzw. war. Heute kön­nen, wenn sie denn Zugriff auf Zauber­w­erke der Inge­nieurs- und Infor­matik­erkun­st haben, alle lesen und schreiben – para­dox­er­weise eben auch diejeni­gen, die nicht lesen und schreiben kön­nen. Gemein­sam ist ihnen der Wun­sch, nicht nur ein Wort mitzure­den, son­dern Autoren zu wer­den, die von der Pflicht dis­pen­siert sind, lesen zu müssen.

  • NS-Filme: Vor­be­haltsvor­be­halte| Fre­itag → dirk alt und friede­mann bey­er über die zunehmend unnötige, aus der zeit gefal­l­ene “vorbehalts”-lösung, die ns-pro­pa­gandafilme (bzw. manche davon) unter hal­b­ver­schluss hält

    Vor diesem Hin­ter­grund mutet die hiesige Kon­tro­verse um eine offizielle Zugänglich­machung der Vor­be­halts­filme kurios an, zumal sie nicht nur die längst unwider­ru­fliche Ver­füg­barkeit der Filme ignori­ert, son­dern darüber hin­aus von Dämon­isierung und reflexar­tiger Betrof­fen­heit geprägt ist.

  • Index, A cel­e­bra­tion of the | TLS → ein lob der indices und ihres klugheit/ihres wis­sens, anlässlich des sechzigjähri­gen beste­hens der “Soci­ety of Index­ers”
  • a href=“http://blogs.faz.net/pop-anthologie/2017/03/18/alte-mythen-in-honig-351/”>Genesis: „The Musi­cal Box“ | Pop-Antholo­gie → her­vor­ra­gende würdi­gung des großar­ti­gen “the musi­cal box” (auf “nurs­ery cryme”) von gen­e­sis in der pop-antholo­gie der faz:

    Dass die Kar­ri­eren von Collins und Ruther­ford in Hits wie „Dance Into the Light“ oder „All I Need is a Mir­a­cle“ gipfel­ten, die von ein­er erschüt­tern­den Belan­glosigkeit sind, ist das trau­rige Ende dieser Entwick­lung. „The Musi­cal Box“ aber darf nicht im Kuriositätenk­abi­nett der Musikgeschichte abgelegt wer­den. Es gehört zum Kanon der besten britis­chen Pop­musik.

Taglied 5.3.2017

Sting, Sev­en Days (a‑cap­pel­la-Cov­er von OnAir):

ONAIR — Sev­en Days (Sting Cov­er)

Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.
fischernetz (detail)

Ins Netz gegangen (2.3.)

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  • Let’s not demo­nize driving—just stop sub­si­diz­ing it | City Obser­va­to­ry → ein ander­er weg, die leute vom auto wegzubekom­men: ihnen ein­fach die wirk­lichen kosten des motorisierten verkehrs in rech­nung stellen (ich weiß nicht, ob das wirk­lich so viel bess­er funk­tion­iert — es scheint mir eher neue ungerechtigkeit­en zu pro­duzieren …)

    But the prob­lem is not that cars (or the peo­ple who dri­ve them) are evil, but that we use them too much, and in dan­ger­ous ways. And that’s because we’ve put in place incen­tives and infra­struc­ture that encour­age, or even require, us to do so. When we sub­si­dize roads, social­ize the costs of pol­lu­tion, crash­es and park­ing, and even legal­ly require that our com­mu­ni­ties be built in ways that make it impos­si­ble to live with­out a car, we send peo­ple strong sig­nals to buy and own cars and to drive—a lot. As a result, we dri­ve too much, and fre­quent­ly at unsafe speeds giv­en the urban envi­ron­ment.
    […] Dri­ving is a choice, and pro­vid­ed that dri­vers pay all the costs asso­ci­at­ed with mak­ing that choice, there’s lit­tle rea­son to object to that.

  • Ele­ment of Crime: „Del­men­horst“ | Pop-Antholo­gie → Uwe Ebbing­haus nimmt das Lied bzw. seinen Song­text unter die Lupe

    Poe­sie darf bei Ele­ment of Crime, das scheint ein ehernes Gesetz der Band zu sein, nicht dauer­haft durch poet­is­che For­mulierun­gen erzeugt wer­den. Manch­mal bricht sich in den Tex­ten sog­ar eine regel­rechte Poe­siefeind­schaft Bahn […]. Aus Angst vor der Pseudolyrik verzichtet Regen­er fast kom­plett auf lyrische Mark­er

  • Lin­guis­tik: Ein neues Bild der Sprache | Spek­trum → Paul Ibbot­son und Michael Tomasel­lo mit einem inter­es­san­ten (auch für laien ver­ständlichen) text über aktuelle entwick­lun­gen in der lin­guisi­tik (auch wenn sie meines eracht­ens den stel­len­wert der chomsky’schen uni­ver­sal­gram­matik überze­ich­nen — die ablö­sung läuft schon recht lange …)

    Die Uni­ver­sal­gram­matik scheint endgültig in der Sack­gasse zu steck­en. An ihrer Stelle ver­spricht die gebrauchs­basierte Lin­guis­tik einen aus­sicht­sre­ichen Zugang zu den 6000 Sprachen, die auf der Welt genutzt wer­den.

  • “Wir ver­ste­hen soziale Medi­en immer noch nicht wirk­lich” | future­zone → kurzes inter­view mit Iyad Rah­wan über soziale medi­en, geschwindigkeit­en von nachricht­en­ver­bre­itung und infor­ma­tionsver­ar­beitung und die anpas­sungs­fähigkeit von men­schen, gesellschaften (und ein biss­chen von tech­nolo­gien)
netzgebilde (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (19.1.)

Ins Netz gegan­gen am 19.1.:

  • Worüber ich rede, wenn ich über Sex rede | Read on, my dear, read on → ein bericht aus der sex­u­alaufk­lärung für geflüchtete in deutsch­land — sehr inter­es­sant zu lesen …
  • Falk-Pos­tille | Mein Jahr mit Luther → achim landwehr über falks “pop-ora­to­ri­um” “luther”

    Man kann aus Mar­tin Luther einen Frei­heit­shelden machen. Muss man aber nicht. Man kann die ‚Botschaft‘ der Ref­or­ma­tion (wie lautete sie gle­ich noch?) in das Korsett stan­dar­d­isiert­er Musi­calmelo­di­en pack­en. Man muss sich das aber nicht anhören. Man kann die geistliche Musik des 16. bis 18. Jahrhun­derts in ein fahrstuhltauglich­es Funk­tion­s­musikgeriesel ver­wan­deln. Man muss dafür aber kein Geld aus­geben.

  • „Fake News“ und der blinde Fleck der Medi­en | Über­me­di­en → ste­fan nigge­meier über die (unehrliche) empörung über “fake news”:

    Man hat das damals nicht „Fake News“ genan­nt, weil es den Begriff noch nicht gab. Vor allem aber haben die meis­ten anderen Medi­en diese „Fake News“ nicht bekämpft, son­dern fröh­lich weit­er ver­bre­it­et.
    […] Jet­zt, auf ein­mal, ent­deck­en die Medi­en die Gefahr der „Fake News“ und wollen mit großem Ein­satz dage­gen kämpfen. Was für eine Heuchelei.

  • „Das 20. Jahrhun­dert fällt uns ger­ade auf den Kopf“ | Welt → intere­santes inter­view mit dem his­torik­er tim­o­thy sny­der — über die “lehren” aus der geschichte udn die poli­tik der gegen­wart

    Die Geschichte wieder­holt sich nicht. Sie reimt sich nicht ein­mal. Aber die Geschichtswis­senschaft zeigt uns, wie gewisse Dinge zusam­men­hän­gen. Sie weist uns auf gewisse Muster hin.
    […] aber das Beispiel Deutsch­lands lehrt uns: Das muss man gle­ich am Anfang begreifen, nicht erst am Ende. Wenn man eine „Gle­ich­schal­tung“ stop­pen will, muss man sagen: Es gefällt mir, dass wir ein föderales Sys­tem haben

basta (bandfoto)

Gute-Laune-Musik von basta

basta, freizeichen (cover)Net­ter­weise sagen die fünf Jungs von Bas­ta gle­ich dazu, was sie machen: Gute-Laune-Musik. Das ist nicht nur ein Songti­tel auf dem neuen Album “Freize­ichen”, son­dern auch die beste Art, das Quin­tett und ihre Musik zu charak­ter­isieren. Gute Laune quillt näm­lich sozusagen aus allen akustis­chen Poren ihrer acht­en CD, die sie in einem Wohnz­im­mer auf dem Land vor den Toren Kölns aufgenom­men haben. Die entspan­nte Atmo­sphäre bei der Entste­hung hat sich hör­bar niedergeschla­gen. Man hat unweiger­lich immer fünf nett lächel­nde junge Män­ner vor dem inneren Auge — manch­mal geht das Lächeln etwas mehr ins Schelmis­che, manch­mal wird es eher iro­nisch. So klingt’s auch: Bas­ta bedi­ent sich hier und da, lässt sog­ar mal ein biss­chen Bossa-Nova-Feel­ing aufkom­men. Die Haupt­sache aber ist: Es klingt immer schön eingängig, leicht und zugänglich. Und manch­mal schre­it das ger­adezu nach Live-Auf­führung: “Ich Bass” zum Beispiel, bei dem Arndt Schmöle zeigen kann, was so ein Bass drauf hat, aber auch “Nachkom­men” sind Songs, die auf der CD ihr Poten­zial nur andeuten kön­nen.

Anderes zün­det dage­gen auch hier. „Gute-Laune-Musik“ nimmt die ein­fachen Pop-Hit-Rezepte mit stampfen­d­em Beat und um jeden Preis eingängi­gen Refrains schön aufs Korn. „Ein kleines biss­chen Hass“ ist eine schöne Pophymne gegen das Unter­drück­en eigen­er Gefüh­le. Und mit „Buhne 4“ ist auch eine richtig schwärmerisch-sehn­süchtige Liebes­bal­lade als „Sehn­suchtss­in­fonie“, wie es im Text heißt, mit dabei. Es geht dann auch immer wieder leicht zeit- und kul­turkri­tisch zu – schon gle­ich beim Open­er “Offline”, der das Offline-Gehen als das “let­zte Aben­teuer” gegen die Onli­ne­sucht stellt, oder beim musikalisch sehr mitreißen­dem “Sodom und Gomera”, das die Auswüchse des Pauschal­touris­mus mit frech­er Zunge vor­führt.

Bas­ta sind eben ganz schön aus­ge­fuchst, rou­tiniert und smart. William Wahl, der mit ein wenig Hil­fe bei den Arrange­ments von Oliv­er Gies, fast alleine für Texte und Musik zuständig ist, hat sich viele nette Details ein­fall­en lassen. Ins­ge­samt wirkt „Freize­ichen“ aber etwas atem­los, Schlag auf Schlag fol­gt hier immer mehr von fast dem Gle­ichen. Das ist alles ohne Frage auf gle­ichem, hohen Niveau. Aber kaum ein Song sticht wirk­lich her­aus. Alle sind sie zweifel­los gut gemacht, haben nette Ideen und feinen Witz, geschick­te Arrange­ments und wer­den aus­geze­ich­net gesun­gen.

So klingt das ganze “Freize­ichen” aus­ge­sprochen geschmei­dig, bleibt dabei aber auch etwas ober­fläch­lich. Das ist alles so eingängig, dass man sich bei jedem Song sofort zu Hause fühlt. Aber lei­der sind sie auch schnell wieder aus den Ohren und aus dem Sinn. Bas­ta macht auf “Freize­ichen” eigentlich nichts verkehrt, tech­nisch und sän­gerisch sowieso nicht. Aber den­noch gibt es eher wenig, was so richtig voll begeis­tert und Zus­tim­mung erzwingt. Aber immer­hin hat Bas­ta damit viel Mate­r­i­al für großar­tige Live-Konz­erte.

Bas­ta: Freize­ichen. The Record Com­pa­ny 2016. Spielzeit: 47:42.

(Zuerst erschienen in »Chorzeit – Das Vokalmagazin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

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