Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: noten

heinz benker: marianisches triptychon

Kraft­voll tönt es, das „Maria­ni­sche Tri­pty­chon“ von Heinz Ben­ker für 3 bis 5 glei­che Stim­men. Aber oft ist es doch ein wenig arg aka­de­misch gedacht, arg tro­cken kom­po­niert. Gut acht Minu­ten dau­ern die drei grund­sätz­lich drei­stim­mi­gen, nur stel­len­wei­se auf vier oder fünf Stim­men erwei­ter­ten Chor­sät­ze. Und doch zeigt sich in die­ser Zeit kaum Peso­nal­stil. So bleibt das alles also außer­or­dent­lich unschein­bar, in nahe­zu jeder Hin­sicht ohne spe­zi­el­len Anspruch. Denn auch von den Inter­pre­ten ver­langt Ben­ker damit kei­ne beson­de­ren Kunst­fer­tig­kei­ten. Das ist Musik für den kirch­li­chen All­tag, die der 2000 ver­stor­be­ne baye­ri­sche Schul­mu­si­ker hier vor­ge­legt hat – nicht mehr und nicht weni­ger. Im Gedächt­nis bleibt davon aller­dings wenig haf­ten. Zu wenig for­men sich Mari­en­glau­be, Mari­en­leid und Mari­en­lob näm­lich zu einem eigen­stän­di­gen, indi­vi­du­el­len Werk. Weder text­lich noch musi­ka­lisch zei­gen sich kla­re Posi­tio­nen, die die­ser Musik ihre schlich­te Bläs­se aus­trei­ben könn­ten. Doch im rich­ti­gen Kon­text, im pas­sen­den Umfeld mag das viel­leicht tat­säch­lich gut zu gebrau­chen sein und sich ent­fal­ten kön­nen – schwer zu rea­li­sie­ren ist es jeden­falls nicht.

Heinz Ben­ker: Maria­ni­sches Tri­pty­chon für 3–5 glei­che Stim­men. Schorn­dorf: Scho­ling-Ver­lag Nr. 449. 11 Sei­ten. 5,40 Euro.

(geschrie­ben für die Neue Chor­zeit, Janu­ar 2008)

franz m. herzog: bekentnisse

Josef Hopf­gart­ner muss man nicht unbe­dingt ken­nen – als Lyri­ker war der Ober­kärnt­ner eher unbe­deu­tend. Aber wie so oft reicht sein mit­tel­mä­ßi­ges Talent aber, um Vor­la­gen für gute und schö­ne Lie­der oder Chor­sät­ze zu lie­fern. Genau das hat Franz M. Her­zog auch mit zwei Gedich­ten Hopf­gart­ners getan: Bekennt­nis­se fasst zwei Chö­re für gemisch­te Ensem­bles zusam­men. Das ist zum einen „Auf­schrei“, das die beklem­men­de, bis zur Ver­zweif­lung getrie­be­ne Qual der Inspi­ra­ti­on des Dich­ters in expres­si­ve Töne setzt. Her­zog ent­fal­tet aus ein­fa­chen Mit­tel star­ke expres­si­ve Kraf, gip­felnd in den mehr­fa­chen Sekund­rei­bun­gen zu den im for­tis­si­mo gespro­che­nen Schluss­zei­len der Ver­zweif­lung.

Auch „Stun­de in die Nacht“, der zwei­te Teil der „Bekennt­nis­se“ ist kei­ne leich­te Kost – und den­noch sehr gegen­sätz­lich. Denn hier geht es weder Hopf­gart­ner noch Her­zog dar­um, einem Gefühl Aus­druck zu velei­hen. Hier, wo es um den Zustand des unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Tod geht, schon fast auf­ge­ho­ben ins Jen­seits, zäh­len nur noch Stim­mun­gen und Ein­drü­cke. Ent­spre­chend sym­bo­lisch gibt sich die Musik, mit Cho­ral-Anklän­gen, ver­ton­ten Glo­cken­schlä­gen und schein­bar ewi­gem Krei­sen. Lan­ge lie­gen­de Klän­ge im acht­stim­mi­gen Satz kom­bi­niert der Kom­po­nist mit frei dekla­mier­te Uni­so­no-Pas­sa­gen. Die geflüs­ter­ten Schluss­ver­se ver­stärk­ten das bedroh­li­ches Sze­na­rio noch zusätz­lich: Eine kunst­vol­le Inspek­ti­on der Inner­lich­keit.

Franz M. Her­zog: Bekennt­nis­se. Für gemisch­te Stim­men divi­si a cap­pel­la nach Gedich­ten von Josef Hopf­gart­ner. Inns­bruck: Helb­ling 2005. HI-C5522. 18 Sei­ten. 4,20 Euro.

(geschrie­ben für die Neue Chor­zeit, Febru­ar 2008)

franz m. herzog: missa

Mit sei­ner 2004 in Graz urauf­ge­führ­ten Mis­sa für Chor, Sopran und Per­cus­sion knüpf­te Franz M. Her­zog auf unter­schied­lichs­te Wei­se an die lan­ge Tra­di­ti­on der Mess­ver­to­nun­gen an und ver­such­te, die­se modern und eigen­stän­dig zugleich wei­ter­zu­füh­ren. Eigent­lich ist sie für kon­zer­tan­te Situa­tio­nen gedacht, der Kom­po­nist kann sich aber auch Auf­füh­run­gen der Ein­zel­sät­ze im lit­ur­gi­schen Rah­men zu Recht gut vor­stel­len. Ins­be­son­der das Kyrie und das Glo­ria bie­ten sich hier­für beson­ders an, ger­ne auch zusam­men. Denn in die­sen bei­den Tei­len ver­zich­tet Her­zog sowohl auf das Sopran-Solo als auch auf den Ein­satz von Schlag­werk, so dass zwei rein a‑cappella gesetz­te Mess­tei­le blei­ben.

Das senkt den Anspruch frei­lich kaum. Denn Her­zog macht es dem Chor nicht beson­ders leicht. Poly­rhyth­mik exzes­si­ve Sekund­rei­bun­gen in oft ato­na­ler Umge­bung mit wech­seln­den tona­len Zen­tren – das for­dert schon ein sehr siche­res Ensem­ble.

Das Kyrie zeigt sich dabei von Beginn an als typi­sches Werk aus Her­zogs Feder. Und das heißt, es ent­fal­tet mit eigent­lich recht ein­fa­chen kom­po­si­to­ri­schen Mit­teln eine ein­dring­li­chen Ton­spra­che, die schon vom ers­ten Ton an wirkt. Hier ist es das mehr­fach wie­der­hol­te rhyth­mi­sche Pochen des „Kyrie elei­son“, das lang­sam in den Frau­en­stim­men Span­nung auf­baut. Der Bass löst das mit einer expres­siv gegen die­ses klop­fen­de Bit­ten gesetz­ten Melo­die auf. Und das Gan­ze wird dann noch in ver­schie­de­nen Kon­stel­la­tio­nen durch­ge­spielt und schließ­lich mit einer medi­ta­ti­ven Sekund­schich­tung des „Chris­te“ wir­kungs­voll kon­tras­tiert. Zum Schluss wird der mehr­fach geteil­te Chor wie­der in Bewe­gung ver­setzt und zu den Mus­tern des Beginns zurück­ge­lei­tet.

Das Glo­ria knüpft mit sei­nem schritt­wei­se auf­ge­bau­ten Clus­ter der Ein­lei­tung noch ein­mal an den Mit­tel­teil des Kyrie an. Mit ver­schie­de­nen Model­len der Imi­ta­ti­on und Schich­tung, mit viel­fäl­ti­gen Bezü­gen zum Kyrie und zu bereits eta­blier­tem Mate­ri­al aus dem Glo­ria sorgt Her­zog auch hier für abwechs­lungs­rei­che Klang­we­ge. Die Span­nung des expres­si­ven Glo­ri­as ist dabei frei­lich immer und aus­schließ­lich auf den Schluss gerich­tet: Der flüs­sig ent­wi­ckel­te Chor­satz gip­felt selbst­ver­ständ­lich im abschlie­ßen­den „Amen“. Ein ein­drucks­voll klin­gen­des zeit­ge­nös­si­sches Doku­ment gemä­ßig­ter Moder­ne.

Franz M. Her­zog: Kyrie aus Mis­sa für Chor, Sopran-Solo, Per­cus­sion für gemisch­te Stim­men (SATB divi­si). Inns­bruck: Helb­ling 2006. 14 Sei­ten. 4,50 Euro.
-: Glo­ria aus Mis­sa für Chor, Sopran-Solo, Per­cus­sion für gemisch­te Stim­men (SATB divi­si). Inns­bruck: Helb­ling 2006. 18 Sei­ten. 4,50 Euro.

(geschrie­ben für die Neue Chor­zeit, März 2008)

joseph marx: berghymne

Joseph Marx ist vor allem als Lie­der­kom­po­nist bekannt – sei­ne Chor­wer­ke sind weit­ge­hend Ver­ges­sen. Auch die Berg­hym­ne blieb lan­ge Zeit in der Öster­rei­chi­schen Natio­nal­bi­blio­thek ver­steckt. Kom­po­niert wahr­schein­lich zwi­schen 1910 und 1914, galt sie bis­her als unvoll­ende­tes Werk. Das Manu­skript zeigt aber, dass Marx die Berg­hym­ne bis zum Par­ti­cell fer­tistell­te – nur die Orches­trie­rung blieb aus. Die­sen letz­ten Schritt haben nun Ste­fan Esser und Ber­kant Hay­din, Marx-Spe­zia­list, nach­ge­holt und die Pari­tur bei der Uni­ver­sal Edi­ti­on ver­öf­fent­licht. Das ist eine in ihrer hym­ni­schen Enfal­tung abso­lu­te Fei­er der Frei­heit der Berg­welt auf einen Text von Alfred Frit­sch: „O Freun­de, stei­get nicht zu Tal, schöft aus der Höh‘“, heißt es, und: „hier oben ewig frei­er Klang“. Das gan­ze wird in einer fas­zi­nie­ren­den Mischung aus unge­zü­gelt lei­den­schaft­lich spät­ro­man­ti­schem Impres­sio­nis­mus und sowohl cho­ri­scher als auch orches­tra­ler Empha­se zele­briert. Zwar dau­ert der Hym­nus gera­de ein­mal drei Minu­ten, aber er enfal­tet den­noch unge­heu­re, erhe­ben­de Wir­kung. Das liegt natür­lich am kon­se­quen­ten Uni­so­no des gesam­ten gemisch­ten Cho­res eben­so wie an dem unauf­hör­lich in die Selig­keit ver­hei­ßen­de Höhe stre­ben­dem gro­ßen sym­pho­ni­schen Orches­ter, das in heu­te schier unglaub­li­chem Pathos die Erhe­bung des Sub­jekts in der majes­tä­ti­schen Berg­welt fei­ert: „Die Brust schwellt in die Wei­te, in Son­nen­flug befreit von altem Lei­de.“

Joseph Marx: Berg­hym­ne für gemisch­ten Chor und Orches­ter, arran­giert von Ste­fan Esser und Ber­kant Hay­din. Stu­di­en­par­ti­tur. Wien: Uni­ver­sal Edi­ti­on 2006. UE 33 303. 11 Sei­ten. 15,50 Euro.

(geschrie­ben für die neue chor­zeit, april 2008)

puccini: messa di gloria

Auch die heh­re Kunst ist bekannt­lich nicht vor dem pro­sa­ischen Phä­no­men der Finanz­not gefeit. So fris­ten vie­le gro­ßen Wer­ke ihr Dasein in den Schub­la­den des Archivs, weil sich kaum jemand den nöti­gen Auf­wand ihrer Auf­füh­rung leis­ten kann und mag. Gera­de gro­ße Chor­wer­ke mit volu­mi­nö­sem Orches­ter haben das Pro­blem: Vie­le Chö­re haben schlicht nicht (mehr) die benö­tig­te Beset­zungs­stär­ke und kön­nen sich gro­ße Sin­fo­nie­or­ches­ter für ein Kon­zert auch nicht mehr leis­ten. So ver­sin­ken Wer­ke wie Puc­ci­nis Mes­sa di Glo­ria wie­der im Tief­schlaf. Und das ist beson­ders scha­de, wenn sie wie die­se groß­ar­ti­ge, wir­kungs­mäch­ti­ge Mes­se gera­de erst dar­aus auf­ge­taucht sind. Das moch­te der Ber­li­ner Kir­chen­mu­si­ker Ingo Schulz nicht mit anse­hen. Des­halb und aus ganz eigen­nüt­zi­gen Moti­ven hat er sich Puc­ci­nis Jugend­werk ange­nom­men – mit eige­nem Chor wäre eine Auf­füh­rung sonst nicht zu machen gewe­sen – und eine Fas­sung für Chor, Soli und Kam­mer­or­ches­ter erstellt. Die stellt er sei­nen Kol­le­gen im Lan­de kos­ten­frei zur Ver­fü­gung.

Und sie ist durch­aus geschickt arran­giert. Natür­lich erreicht das mit gera­de ein­mal 18 Musi­kern beset­ze Kam­mer­or­ches­ter nicht das Ori­gi­nal, nicht des­sen Wucht und Ein­druck. Aber es ist nicht von der Hand zu wei­sen, dass die „Mis­sa di Gloira“ auch der­art redu­ziert noch schön ist: Ein Klein­od, das hier fast mehr sei­ner Schät­ze offen­bart als in der geläu­fi­gen, bom­bas­ti­schen Ver­si­on. Und das, was man­gels Mas­se ver­lo­ren ging, lässt sich inter­pre­ta­to­risch durch­aus aus­glei­chen – so dass die­se Fas­sung eine gelun­gen Reper­toire­be­rei­che­rung für ein­ge­schränk­te­re Ver­hält­nis­se ist.

Gicao­mo Puc­ci­ni: Mes­sa di Glo­ria. Fas­sung für Chor, Soli und Kam­mer­or­ches­ter von Ingo Schulz.

(geschrie­ben für die neue chor­zeit, april 2008)

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