Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

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Da Capo – Effektvolle Zugaben für Chöre

carsten gerlitz, da capo
Zugaben­stücke sind offen­bar gefährlich: Wenn der Ton­set­zer selb­st schon vor ihrem über­mäßigem Genuss warnt, dann sollte man wohl wirk­lich mit Vor­sicht genießen. Dabei gibt es kaum einen Grund, den Band „Da Capo!“ von Carsten Ger­litz mit spitzen Fin­gern anz­u­fassen. Im Gegen­teil, man sollte den unbe­d­ingt auf­schla­gen und (ein)studieren. Auch wenn der Titel nicht so ganz passt. Denn nicht die Wieder­hol­ung ist das Ziel von Ger­litz, son­dern neues Mate­r­i­al für die Zugabe bei Chorkonz­erten zu liefern. Echte „Knaller“ sollen es also sein, pep­pige Arrange­ments ver­spricht der Unter­ti­tel. Und das find­et man in den sechs Sätzen von über­schaubar­er Schwierigkeit dann dur­chaus – wenn auch nicht in jedem einzel­nen.

Denn einen Schlusspunkt für ein Konz­ert set­zen sie alle auf ganz ver­schiedene Weise: „Auf uns“ als groovig-poppige Soul­bal­lade, die Ger­litz‘ Fähigkeit als Arrangeur effek­tvoller Chor­musik beson­ders deut­lich zeigt, „Das Pub­likum war heute wieder wun­der­voll“ als schnell ein­studierte und schnell gesun­gene, unkom­plizierte Miniatur, die schon als Abspan­n­musik bei Bugs Bun­ny gut funk­tion­iert hat. Es geht aber auch roman­tis­ch­er, mit dem von Brahms entlehn­ten „Guten Abend, gute Nacht“, dem san­ft und sehr fein aus­gear­beit­eten „Der Mond ist aufge­gan­gen“ oder auch mit dem Abschied­slied der Come­di­an Har­monists, „Auf Wieder­sehn, my Dear“, das Ger­litz sehr nah an deren Klang und Arrange­ment set­zt. Und damit auch wirk­lich jed­er gemis­chter Chor hier etwas find­et, gibt es noch eine unkom­pliziert swin­gende, ja, fast harm­lose „Sen­ti­men­tal Jour­ney“ dazu. Und wenn man den schmalen Band so durch­blät­tert, trifft die War­nung des Vor­worts vielle­icht doch zu: Zu viel Feuer­w­erk ermüdet. Dafür reichen diese sechs Sätze aber nicht aus – schon allein deshalb nicht, weil sie so ganz und gar unter­schiedlich sind.

carsten gerlitz, in my life (beatles)
Und wer noch nicht weiß, wie er sein Pub­likum dazu bringt, Zugaben zu fordern, kann sich zweier ander­er kür­zlich erschiener Arrange­ments von Carsten Ger­litz bedi­enen – die sind jet­zt aber nicht mehr für jeden Chor und jeden Geschmack geeignet. Denn mit ABBAs „Danc­ing Queen“ und „In My Life“ von den Bea­t­les legt der ver­sierte Arrangeur zwei Sätze vor, die sehr genau und gut in die neue Rei­he Pop-Choir-Classics passen.Nah am Orig­i­nal empfehlen sie sich vor allem für im Pop schon ver­traute und geübte Chöre – bei­de set­zen auch ein fün­f­s­tim­miges, rhyth­misch sicheres Ensem­ble voraus. Mit weni­gen, oft nur punk­tuellen Änderun­gen, geschick­ter Stim­mverteilung und dra­matur­gis­chem Gespür wird aus bloßen a-cappella-Coverversionen bei Ger­litz ein Hit fürs näch­ste Konz­ert. Dabei arbeit­et er sehr ökonomisch mit Ein­fällen: Seine Arrange­ments sprühen nicht vor Ideen, sind aber stets wirkungsvoll gear­beit­et. Nicht zulet­zt liegt das auch an den Orig­i­nalen: Das sind eben echte Klas­sik­er, die Kraft und Inspi­ra­tion genug haben – die Rei­he trägt den Titel „Pop-Choir-Classics“ schließlich nicht umson­st.

Carsten Ger­litz: Da Capo! Zugabestücke in pep­pi­gen Arrange­ments für gemis­cht­en Chor. Mainz: Schott 2015 (ED 20577).
Carsten Ger­litz: Bea­t­les, In My Life. (Pop-Choir-Classics) Berlin: Bosworth 2015 (BOE7741).
Carsten Ger­litz: ABBA, Danc­ing Queen. (Pop-Choir-Classics) Berlin: Bosworth 2015 (BOE7742).

(Zuerst erschienen in „Chorzeit – Das Vokalmagazin“)

Ins Netz gegangen (9.5.)

Ins Netz gegan­gen am 9.5.:

  • re:publica 2016 – Richard Sen­nett: The City as an Open Sys­tem → richard sen­nett sprach bei der re:publica sehr gut über open & smart cities, stad­ten­twick­lung, gren­zen und begeg­nun­gen
  • Last Week Tonight with John Oliv­er: Sci­en­tif­ic Stud­ies (HBO) → John Oliv­er erk­lärt wis­senschaftliche Stu­di­en und (Wissenschafts-)Journalismus
  • Rad­wege: Jet­zt geht es rund | ZEIT ONLINE → sehr schön­er text über die absur­dität und gewollt fak­ten-ignori­erende und ‑ver­drehende diskus­sion um die förderung von rad­verkehr in ham­burg

    Kaum eine Debat­te wird so emo­tion­al geführt wie die um Rad­wege. In ein­er Straße in Wands­bek zeigt sich nun die gesamte Absur­dität des Kon­flik­ts.

  • The Absurd Pri­ma­cy of the Auto­mo­bile in Amer­i­can Life | The Atlantic → auch wenn’s (v.a. bei den zahlen) primär um die usa geht, gilt das im wesentlichen natür­lich für alle entwick­el­ten län­der

    But con­ve­nience, along with Amer­i­can his­to­ry, cul­ture, rit­u­als, and man-machine affec­tion, hide the true cost and nature of cars. And what is that nature? Sim­ply this: In almost every way imag­in­able, the car, as it is deployed and used today, is insane.

  • Lit­er­atur und Kap­i­tal­is­muskri­tik: Das Geld ver­schlingt uns | NZZ → björn hay­er in der nzz über die lit­er­atur (d.h. über vier texte) und den kap­i­tal­is­mus bzw. dessen kri­tik – er sieht da vor allem abstrak­te schuld und schwarz­malerei, ihm fehlt sozusagen das pos­i­tive …

    Die Schrift­steller nehmen also ihre klas­sis­che Posi­tion als Mah­n­er und Wächter der Moral ein. Doch wo sind die Akteure, die sie zu adressieren sich bemühen, in einem neb­ulösen Sys­tem noch aufzus­püren?
    […] Sie ver­har­ren aber allein in Diag­nosen, die Schuld­fra­gen ins Nir­gend­wo ver­lagern und das Sub­jekt zur macht­losen Mar­i­onette degradieren.

    Ihre Lit­er­atur arrang­iert sich mit einem gemütlichen Feind­bild, das sie weit­er auf­bläst.

  • Select­ed Stock­hausen Scores → Beispiel­seit­en/-auss­chnitte aus Stock­hausens Par­ti­turen

Klingender Adventskalender

singer pur, adventskalenderAm Schluss wirbelt Wei­h­nacht­en dann doch here­in. Bis dahin hält “Der Singer Pur Adventskalen­der” genau, was er ver­spricht: Chor­musik für den Advent. Wenn man in diesem Adventskalen­der bis zum Heili­gen Abend gekom­men ist, hat man einiges hin­ter sich. Denn die 23 bekan­nten, tra­di­tionellen Adventslieder von „Nun komm, der Hei­den Hei­land“ bis „Wir sagen euch an den lieben Advent“ in über dreißig Sätzen, die Singer Pur hier für sech­stim­mige Chöre vor­legen, bieten viel aus­geze­ich­nete Musik. Am Ende ste­ht dann ein furios­es, begeis­tert-freudi­ges Arrange­ment von Sören Sieg: So fröh­lich ist selb­st die „Fröh­liche Wei­h­nacht“ beileibe nicht immer.

Alt und neu sind gle­icher­maßen vertreten – 10 Lieder in Sätzen von Alten Meis­tern (bis ins 16. Jahrhun­dert), 14 von leben­den Arrangeuren. Für den Druck wur­den die Singer-Pur-Sätze etwas über­ar­beit­et, damit sie für nor­male sech­stim­mige Beset­zun­gen gut singbar sind. Gut singbar ist allerd­ings nicht unbe­d­ingt ein­fach: Kom­plexe Sätze, die etwas Hin­wen­dung und Probe­naus­dauer erfordern, sind hier reich­lich vertreten. Die har­monis­chen und rhyth­mis­chen Möglichkeit­en der (fast) durchge­hen­den Sechsstim­migkeit nutzen die Arrangeure gerne aus und lassen sich viel ein­fall­en — Bern­hard Hof­mann benötigt für “Lasst uns froh und munter sein” immer­hin 14 Seit­en. Und die haben es auch in sich, da ist fast durchgängig min­destens eine Stimme mit dem „tralala“ beschäftigt, während der Rest durch diverse Takt- und Tonarten wan­dert.
Über­haupt: So arg besinnlich ist diese Adventszeit nicht. Sich­er, es gibt ruhige Momente: Heike Beck­mann hat etwa eine sehr schöne, ver­hal­tene Swing-Ver­sion von “Leise rieselt der Schnee” beiges­teuert, die ganz fein glitzert. Und Reiko Füt­ing lässt den Chor in „O Hei­land, reiß die Him­mel auf“ vom ver­hauchen­den Tenor­so­lo bis zum mas­siv­en Tut­tik­lang die Him­mels­be­we­gung im Wech­sel von Beina­he-Still­stand und bewegter Rhyth­mik dynamisch nachze­ich­nen. Die Band­bre­ite ist über­haupt sehr groß, denn die Sätze sind durch­weg sehr indi­vidu­ell gear­beit­et. Der Adventskalen­der bietet in ein­er anre­gen­den Mis­chung mit Niveau viel Pep, manch­mal auch etwas Show — aber wer braucht schon den 87. vier­stim­mi­gen homo­pho­nen Chor­satz von “Macht hoch die Tür”? Dann doch lieber William Haw­leys wilde Jagd zum tri­um­phieren­den Lobpreis Gottes.

Die alten Sätze allerd­ings — Crügers “Wie soll ich dich emp­fan­gen” etwa, “Nun komm der Hei­den Hei­land” von Prae­to­rius, Ecca­rd, Schein und Vulpius oder Bachs „Wachet auf“ und sein „Wie schön leuchtet der Mor­gen­stern“ — wer­den die meis­ten Chöre schon im Archiv haben. “Es kommt ein Schiff” ist dafür zum Glück zwei Mal vertreten: Neben der bekan­nten Ver­sion von Max Reger hat Singer-Pur-Bass Mar­cus Schmidl ein geheimnisvoll raunen­des, das Mys­teri­um des Glaubens beschwörende Arrange­ment geschrieben. Auch seine Ver­sion von „Tochter Zion“ geht, so harm­los sie anfängt, eigene Wege: kleine rhyth­mis­che Wider­hak­en und eine behut­same har­monis­che Mod­ernisierung geben Hän­dels Klas­sik­er frischen Glanz.

Singer Pur (Hrsg.): Der Singer Pur Adventskalen­der. 24 Lieder zum Advent für SAATBB. Mainz: Schott 2015. ED 22344.

(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, Novem­ber 2015)

Flashdance, Easy Lover & Fix You: Moderne Pop-Chor-Arrangements von Martin Seiler

“I am music now!” heißt es im Refrain von “What a feel­ing”. Und tre­f­fend­er lässt sich das Arrange­ment aus der Fed­er von Mar­tin Seil­er kaum beschreiben: Hier kann man als Sänger/Sängerin — und auch als Zuhör­er — vol­lkom­men in die Musik ein­tauchen. Dabei ist das nur eines von drei Arrag­ne­ments, die Seil­er im Hel­bling-Ver­lag vor­legt: neben “What a feel­ing”, bekan­nt vor allem als Film­musik aus “Flash­dance”, noch Phil Collins’ “Easy Lover” und “Fix You” von Cold­play. Drei eher gefüh­lige Songs also — eigentlich alles Mod­erne Ever­greens — für die Pop.Voxx-Reihe im Hel­bling-Ver­lag.

Seil­er weiß, was er macht, wenn er so bekan­nte Vor­la­gen arrang­iert. Denn seine Sätze beruhen auf sein­er Arbeit für und mit “Greg is back”, seinem eige­nen A‑Cap­pel­la-Pop­chor. Das zeigt sich sofort, wenn man die Par­ti­turen auf­schlägt: Die sind näm­lich für SMATB mit zusät­zlich­er Solostimme (für die Melodie) bzw. im Falle von Phil Collins “Easy Lover” sog­ar für SSMATB geset­zt, wozu immer noch eine (optionale), aber empfehlenswerte Beat­box kommt. Das heißt aber nicht, dass die alle durchge­hend sechs- bis sieben­stim­mig klin­gen. Aber ander­er­seits wer­den einzelne Stim­men auch ab und an noch bis zu dreifach aufgeteilt. Also: Für Anfänger oder pop­ungeübte Chöre ist das nicht die erste Wahl, die einzel­nen Stim­men müssen in sich sta­bil und rhyth­misch ver­siert sein, sind aber — man merkt die Praxis­er­fahrung — immer gut singbar.

Bei Seil­er heißt das aber auch: Alle Stim­men wer­den wirk­lich gefordert, auch die Begleit­stim­men haben’s näm­lich nicht immer ein­fach. Dabei, das gilt für alle Sätze drei gle­icher­maßen, bekom­men sie sehr ein­falls- und ideen­re­iche Kost: Leere Floskeln find­et man hier nicht. Das hängt vielle­icht auch damit zusam­men, dass Seil­er seine Arrange­ments dra­matur­gisch sehr geschickt auf­baut. Ger­ade “What a feel­ing” und “Fix You” prof­i­tieren sehr von der großen Bre­ite an Aus­drucksmit­teln, die er ein­set­zt. Energie und Empathie wer­den den Chören nicht über­lassen, son­dern sind in den Noten­text einge­baut. Der ist dann auch entsprechend detail­liert aus­gear­beit­et und bis in Kleinigkeit­en aus­ge­feilt — für “Easy Lover” braucht Seil­er deshalb ganze 20 Seit­en, weil er sel­ten ein­fach etwas wieder­holt, son­dern immer wieder vari­iert und neue Begleit­muster ein­führt.

Obwohl alle Songs sofort als Cov­erver­sio­nen großer Hits erkennbar sind, beg­nügt sich Seil­er nicht mit ein­er reinen vokalen Kopie. Klar, wesentliche Momente — wie etwa das instru­men­tale Zwis­chen­spiel bei “Fix You” — tauchen natür­lich hier auch auf, sehr geschickt und mit viel Gespür für effek­tvolle Klänge für “seine” Beset­zung adap­tiert. Aber sie haben, vor allem durch die vielschichtige Begleitung, auch einen eige­nen Klang. Und damit bekom­men diese Arrange­ments sozusagen ein dop­peltes Hit­poten­zial.

Mar­tin Seil­er (Arrange­ment): Flashdance…What a Feel­ing (SMATB), ISBN 978–3‑99035–374‑5 — Easy Lover (SSMATB), ISBN 978–3‑99035–373‑8 — Fix You (SMATB), ISBN 978–3‑99035–372‑1. Alle im Hel­bling-Ver­lag, Rei­he Pop.Voxx, 2015.

(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”)

Immer noch kein schöner Land

wilfried fischer, kein schöner landVon Lothrin­gen bis nach Ost­preußen, vom Shan­ty im niederdeutschen Platt bis zum mozärtlichen Wien der Zauber­flöte reicht das Einzugs­ge­bi­et von “Kein schön­er Land”. Noch eine Volk­slied-Samm­lung für Chöre also? Gibt es davon nicht längst genug? Sich­er, aber nicht so eine. Denn die üblichen Edi­tio­nen set­zen immer noch einen klas­sis­chen vier­stim­mi­gen Chor voraus — und sind deshalb für Ensem­bles mit knap­per Män­nerbe­set­zung oft kaum geeignet.

Wil­fried Fis­ch­er ist nun schon seit einiger Zeit unter dem Titel “Chor zu dritt” dabei, ein Reper­toire für dreis­tim­mi­gen Chor aufzubauen, genauer: für Chöre mit eben nur ein­er Män­ner­stimme. Auch der vierte Band set­zt sich dieses Ziel, bleibt dafür aber nicht bei pur­er Dreis­tim­migkeit ste­hen: Stimmteilun­gen, haupt­säch­lich im Sopran, gehören auch hier natür­lich zum Handw­erk­szeug der Arrangeure. Aber für Män­ner wird eben nie mehr als eine Stimme geset­zt — die allerd­ings hin und wieder für Bässe recht hoch liegt.
Die Idee des Volk­sliedes hat Fis­ch­er dabei recht bre­it gefasst: Unter den hier vesam­melten 93 Sätzen sind nicht wenige geistliche Lieder und Choräle. Über­haupt ist die Auswahl nicht immer ganz nachvol­lziehbar: Einiges sehr bekan­ntes fehlt, dafür ist anderes nicht so weit ver­bre­it­etes enthal­ten — aber bei knapp 100 Liedern bleibt das nicht aus. Mate­r­i­al bietet der Band auf seinen gut 200 Seit­en aber mehr als genug. Gerne greift Fis­ch­er dabei auch auf vorhan­dene Sätze namhafter Kom­pon­is­ten zurück, die den neuen Anforderun­gen behut­sam angepasst wer­den: Von Hein­rich Isaac bis Ernst Pep­ping, von Felix Mendelssohn Bartholdy und Johannes Brahms bis Her­mann Schroed­er reicht der Griff ins Archiv.

Neben Fis­ch­er selb­st, der ein Großteil der Arrange­ments und Bear­beitun­gen beis­teuert, sind u.a. Pas­cal Mar­t­iné, Carsten Ger­litz und Burkhard Kin­zler mit diversen neuen Sätzen vertreten. Die Arrange­ments selb­st sind immer min­destens solide, aber oft für dreis­tim­mige Sätze auhc über­raschend klangvoll und wirkungsvoll. Den meis­ten merkt man pos­i­tiv an, dass die Dreis­tim­migkeit hier nicht nur als Man­gel gedacht wird, son­dern als Her­aus­forderung und Chance. Aus der genaueren Beschäf­ti­gung mit den Möglichkeit­en der Beset­zung entwick­eln die Arrangeure dabei immer wieder sehr klare und fil­igrane, sehr lebendi­ge und bewegte Sätze, die im vier­stim­mi­gen Chor so kaum funk­tion­ierten.
Dabei sind die Sätze dem Sujet entsprechend ins­ge­samt — selb­st noch in den aus­ge­feil­teren Bear­beitun­gen — eher zurück­hal­tend und schlicht in dem Sinne, dass Sätze gerne hin­ter Melodie und Text zurück­ste­hen. Stil­sich­er und vernün­ftig spricht aus den Arrange­ments weniger Exper­i­men­tier­freude, dafür viel Erfahrung und Ein­füh­lungsver­mö­gen — und nicht zulet­zt der Ver­such, ein möglichst bre­ites Pub­likum — sin­gend und hörend — zu erre­ichen.

Wil­fried Fis­ch­er (Hrsg.): Kein schön­er Land. Deutsche Volk­slieder aus 4 Jahrhun­derten (Chor zu dritt, Band 4). Mainz: Schott 2015. 214 Seit­en. 19,50 Euro.

— Zuerst erschie­nen in Chor­zeit — Das Vokal­ma­ga­zin, Aus­gabe #18, Juli/August 2015.

Ins Netz gegangen (9.12.)

Ins Netz gegan­gen am 9.12.:

  • 30. Neo­histofloxikon oder Neue Floskeln braucht das Land | Geschichte wird gemacht — achim landwehr wird grund­sät­zlich:

    Es ist eigentlich immer an der Zeit, das eigene Denken über Ver­gan­gen­heit und Geschichte mal etwas durchzuschüt­teln und auf den grund­sät­zlichen Prüf­s­tand zu stellen.

  • Who is afraid of jazz? | JazzZeitung — “Wer hätte gedacht, dass ich sog­ar Bruck­n­er ein­mal span­nen­der und frenetis­ch­er find­en würde als neuen Jazz!”
  • Essay: Schläfrig gewor­den — DIE WELT — er osteu­ropa-his­torik­er karl schlögel wider­spricht in der “welt” den ver­fassern & unterze­ich­n­ern des aufrufes “wieder krieg in europa?” — meines eracht­ens mit wichti­gen argu­menten:

    Denn in dem Aufruf ist neben vie­len All­ge­mein­plätzen, die die Eigen­schaft haben, wahr zu sein, von erstaunlichen Din­gen die Rede. So lautet der erste Satz: “Nie­mand will Krieg” – so als gäbe es noch gar keinen Krieg. Den gibt es aber. Rus­sis­che Trup­pen haben die Krim beset­zt
    […] Aber­mals ist vom “Nach­barn Rus­s­land” die Rede: Wie muss die Karte Europas im Kopf der­er ausse­hen, die so etwas von sich geben oder mit ihrer Unter­schrift in Kauf nehmen! Pein­lich – und wahrschein­lich in der Eile von den viel beschäftigten, ern­sthaften Unterze­ich­n­ern nicht zur Ken­nt­nis genom­men – die Behaup­tung, Rus­s­land sei seit dem Wiener Kongress Mit­gestal­ter der europäis­chen Staaten­welt. Das geht viel weit­er zurück, wie auch Laien wis­sen, die schon von Peter dem Großen gehört haben. Und aus­gerech­net die Heilige Allianz zu zitieren, mit der die Teilung Polens zemen­tiert, die pol­nis­chen Auf­stände niederge­wor­fen und die 1848er-Rev­o­lu­tion bekämpft wor­den ist – das passt nicht gut zur Ern­sthaftigkeit eines um den Dia­log bemüht­en Unternehmens. Vom Molo­tow-Ribben­trop-Pakt – eine zen­trale Erfahrung aller Völk­er “dazwis­chen” und im 75. Jahr der Wiederkehr des Ver­trages, der den Zweit­en Weltkrieg möglich gemacht hat – ist im Text gar nicht die Rede, ein­fach zur Seite geschoben, “ver­drängt”.

  • Was bewegt Yvan Sag­net?: Hoff­nung der Sklaven | ZEIT ONLINE -

    Arbeit­er aus dem Sudan, aus Burk­i­na Faso, aus Mali, aus fast jedem Land Afrikas. In dreck­i­gen Män­teln suchen sie vor den Müll­haufen nach Ver­w­ert­barem. Es ist, als würde man durch einen düsteren, apoka­lyp­tis­chen Roman von Cor­mac McCarthy fahren. An den Feld­we­gen, die von den Land­straßen abge­hen, ste­hen Pros­ti­tu­ierte. Rumänin­nen und Bul­gar­in­nen. So sieht es aus, das Herz der ital­ienis­chen Tomaten­pro­duk­tion.

    — fritz schaap in der zeit über den ver­such des gew­erkschafters yvan sag­net, die mis­er­ablen bedin­gun­gen der arbeit­er in ital­ien, v.a. der ern­te­helfer, zu verbessern. der sagt u.a.

    “Der Käufer muss wis­sen: Wenn er in den Super­markt geht und ein Kilo­gramm ital­ienis­che Tomat­en für achtzig Cent kauft, dann wur­den diese Tomat­en von mis­er­abel ent­lohn­ten Arbeit­ern geern­tet, die man ohne Weit­eres als mod­erne Sklaven beze­ich­nen kann.”

  • Eine wichtige Infor­ma­tion der Vere­inigten Geheim­di­en­ste — YouTube — Bet­ter no Let­ter: Eine wichtige Infor­ma­tion der Vere­inigten Geheim­di­en­ste (siehe auch: The U.S.S.A. says: BETTER NO LETTER!)
  • Union kri­tisiert Ramelow-Wahl in Thürin­gen: Ver­lo­gene Heul­susen | tagesschau.de — wow, bei der ARD & der Tagess­chau ist jemand genau­so angewidert vom Ver­hal­ten der CDU in Thürin­gen wie ich
  • Forschung: So will doch kein­er arbeit­en! | ZEIT ONLINE — Forschung: So will doch kein­er an Unis arbeit­en! — Dieses Mal mit ein­er His­torik­erin
  • Zer­schla­gen, aber im Samm­lungskon­text erschließbar: In der Bay­erischen Staats­bib­lio­thek wurde über den Ankauf des Schott-Archivs informiert | nmz — neue musikzeitung — Zer­schla­gen, aber im Samm­lungskon­text erschließbar: Die Bestände des Archivs des Schott-Ver­lages teilen sich kün­ftig auf die Staats­bib­lio­theken München und Berlin sowie sechs Forschung­sein­rich­tun­gen auf. Über den Kauf­preis wurde Stillschweigen vere­in­bart.
  • So ent­stand der Mythos der “Trüm­mer­frauen” — Poli­tik — Süddeutsche.de — die sz lässt sich von der his­torik­erin leonie tre­ber noch ein­mal erk­lären, woher die “trüm­mer­frauen” kom­men:

    Es wurde ein äußerst pos­i­tives Bild dieser Frauen ver­mit­telt: Dass sie sich frei­willig und mit Freude in die harte Arbeit stürzen und den Schutt wegräu­men, um den Wieder­auf­bau voranzutreiben. Die PR war auch enorm wichtig, weil die Trüm­mer­räumer — wie zuvor erwäh­nt — stig­ma­tisiert waren und solche schw­eren Jobs bis dahin eigentlich nicht von Frauen erledigt wer­den soll­ten. Deshalb wurde das Bild der “Trüm­mer­frau” pos­i­tiv aufge­laden mit den Stereo­typen, die wir noch heute mit dem Begriff verbinden.

  • Mainz­er Schott-Musikver­lag: His­torisches Archiv wird öffentlich zugänglich — Rhein­land-Pfalz | SWR.de — “opti­male Erschließung” = Zer­störung des Zusam­men­hangs. Schott-Musikver­lag: Archiv wird öffentlich zugänglich
  • Hat die Jugend keinen Ehrgeiz mehr? | Blog Mag­a­zin — philipp tin­gler über die gegen­wart, die kul­tur und den ehrgeiz zum glück:

    Gegen­wär­tig leben wir in ein­er Gesellschaft, die Selb­st­per­fek­tion­ierung, die Arbeit am Ich, als Selb­st­genuss pos­tuliert; ein­er der let­zten Leitwerte in der irre­duz­i­blen Vielfalt der uns allen­thal­ten umgebe­nen Kontin­gen­zkul­tur ist: Authen­tiz­ität. Dafür ste­ht auch Diane von Fürsten­berg. Die Biografie als Pro­jekt. Wenn jet­zt also plöt­zlich alle aus ihrem Leben ein Kunst­werk machen wollen, dann ist das nicht nur ein ethis­ch­er, son­dern auch ein sehr ehrgeiziger Imper­a­tiv: Lebenswel­ten und ‑for­men wer­den ambi­tion­iert durchäs­thetisiert, und das Pathos der Selb­ster­schaf­fung richtet sich auf die bei­den grossen Ziele der Post­wach­s­tums­ge­sellschaft: Spass und Glück.
    […] Wir sehen also, dass Ehrgeiz dur­chaus nicht ver­schwun­den ist, son­dern sich nur verir­rt hat.

    seine ther­a­pie ist übri­gens ziem­lich ein­fach (und wahrschein­lich gar nicht so verkehrt): selb­stironie als die “schön­ste Form der Eigen­liebe”

  • Duden | Kon­rad-Duden-Preis 2014 geht an Damaris Nübling | — Der Kon­rad-Duden-Preis 2014 geht an @DFDmainz-Projektleiterin Damaris Nübling
  • E‑Books: Wir sind die Fährten­leser der neuen Lit­er­atur — Büch­er — FAZ — elke heine­mann über die vielfalt der neuen (kleine) e‑book-ver­lage:

    Dich­tung ist längst auch dig­i­tal: Auf der Suche nach E‑Books abseits des Main­streams führt der Weg in Deutsch­land vor allem nach Berlin. Doch die engagierten Spezialver­lage haben auch spezielle Prob­leme.

  • Gen­der-Debat­te: Anschwellen­der Ekelfak­tor | ZEIT ONLINE — wun­der­bar: robin det­je rech­net gnaden­los mit den kolum­nen­het­zern #ulfhar­ald­jan­matthias aber (schade nur, dass das bei der @Zeit wieder nie­mand lesen wird und har­ald deshalb weit­er die leser­schaft vergiften darf):

    Heute tobt die Schlussstrichde­bat­te Fem­i­nis­mus. Ende: nicht abzuse­hen. Alternde Män­ner an vorder­ster Front. Hoher Unter­hal­tungswert, aber auch anschwellen­der Ekelfak­tor. Die Argu­men­ta­tion wieder faszinierend: Fem­i­nis­mus gibt es inzwis­chen doch schon so lange, das nervt, Frauen ner­ven ja immer, und die Frauen wollen offen­bar tat­säch­lich, dass wir Män­ner unser Ver­hal­ten ändern, weshalb jet­zt wir die eigentlichen Opfer sind.
    […] Und deshalb husch, husch, ihr allmän­ner­mächti­gen Diskurs­be­herrsch­er, zurück in eure Eck­kneipe. Die jet­zt lei­der von einem Gen­der-Stud­ies-Les­ben‑, Transen- und X‑trupp über­nom­men wird, und ihr schiebt für eine Weile in der Küche Abwasch­di­enst.

    Entschuldigung, aber das wird man sich als aufgek­lärter, älter­er deutsch­er Mann doch noch wün­schen dür­fen.

  • “Fem­i­nis­mus kann niemals Lifestyle sein” • Denkw­erk­statt — gabriele michal­itsch im inter­view mit eini­gen sehr richti­gen beobach­tun­gen:

    Fem­i­nis­mus kann niemals Lifestyle sein, Fem­i­nis­mus ist immer poli­tisch. Wenn die Medi­en eine solche Diskus­sion befeuern, ist das eine Form von Antifem­i­nis­mus und der Ver­such, den Begriff Fem­i­nis­mus zu vere­in­nah­men, ihm seine poli­tis­che Rel­e­vanz abzus­prechen. Fem­i­nis­mus war zudem nie män­ner­feindlich, er wurde immer auch von Män­nern mit­ge­tra­gen. Wenn, dann wen­det er sich gegen bes­timmte Konzep­tio­nen von Männlichkeit – wie auch Weib­lichkeit. Wäre dieser ange­blich neue Fem­i­nis­mus nicht Gegen­stand öffentlich­er Debat­ten, müssten wir uns erst gar nicht damit auseinan­der­set­zen – in meinen Augen ist das eine antifem­i­nis­tis­che Strate­gie.

    und später auf den punkt gebracht:

    Wenn Fem­i­nis­mus auf Kar­riere mit Kindern reduziert wird, ist das das Ende des Fem­i­nis­mus.

Wunschzettel zum Singen

gies, wunschzettelWenn Oliv­er Gies seinen Wun­schzettel selb­st abar­beit­et, dann dür­fen sich die Chöre und ihre Chor­lei­t­erin­nen freuen: Denn dann gibt es feine neue Musik. Das gilt natür­lich auch für das Chorheft “Wun­schzettel. Neue Wei­h­nacht­slieder für gemis­cht­en Chor”, in dem Gies das aufgeschrieben hat, was er an Wein­hancht­en selb­st gerne hören (und sin­gen) würde. Trotz des Unter­ti­tels haben sich dann doch drei tra­di­tionelle Wei­h­nacht­slieder in das neun Songs starke Heft eingeschlichen. Die sind allerd­ings von Oliv­er Gies ein­er Gen­er­alüber­hol­ung unter­zo­gen wor­den, so dass sie dur­chaus wieder (oder noch) als neu durchge­hen kön­nen: “Es kommt ein Schiff geladen”, “Hört der Engel helle Lieder” und “Josef, lieber Josef mein”, das neben dem vier­stim­mi­gen Chor auch noch zwei Solis­ten benötigt, mussten ihren Staub und zumin­d­est teil­weise auch ihre Tra­di­tion aufgeben und sich ein neues Klangge­wand über­stülpen lassen. Eine Frischzel­lenkur nen­nt der Arrangeur das — und frisch klin­gen sie tat­säch­lich, die alten Lieder. Am deut­lich­sten wird das bei “Es kommt ein Schiff geladen”, das viel von sein­er altertüm­lichen Fremd­heit ver­loren hat: Die Melodie wurde rhyth­misch über­holt und die Har­monik radikal mod­ernisiert. Vor allem aber hat Gies in seinem Arrange­ment mit etwas Klang­malerei jed­er Stro­phe und den kurzen Zwis­chen­stück­en einen jew­eils eige­nen Charak­ter ver­passt, der dem Text — den wogen­den Wellen, dem sicheren Hafen und dem Erlös­er (der natür­lich im reinen Dur erscheint) — ganz treu entspricht.

Frisch klin­gen aber auch die neuen Lieder von Oliv­er Gies eigentlich durch­weg. Am wenig­sten vielle­icht “Der alte Mann”, in dem Gies recht aus­führlich Glock­en­klänge ver­ar­beit­et und den alten Mann und die Zuhör­er eine har­monisch Festmesse erleben lässt. Schick ist auch die “Weise aus dem Mor­gen­land”, deren Titel nicht ganz unab­sichtlich dop­peldeutig zu lesen ist, denn hier geht es um die Heili­gen Drei Könige. Die präsen­tieren sich hier nicht nur mit ein­er ori­en­tal­isch klin­gen­den Melodie, son­dern vor allem als aus­ge­sprochen reisemüde Könige, mür­risch und gereizt — und müssen ohne ein Hap­py End auskom­men. Das ist in diesem Heft aber sel­ten, denn Freude und Fröh­lichkeit herrschen natür­lich auch dann vor, wenn Auswüchse des Wei­h­nachts­fests the­ma­tisiert wer­den wie die Hek­tik des Geschenkekaufens in “Wei­h­nacht­slieder sin­gen” oder die kuli­nar­ische Völlerei bei “Hap­py Meal”. Das ist trotz seines Titels ein gut-deutsche Angele­gen­heit, mit Wild­schwein­brat­en, Schnitzel und natür­lich der unver­mei­dlichen Wei­h­nachts­gans — kein Wun­der, dass der ganze Chor da stöh­nt: “heute gibt es alles und von allem zu viel”. Für den “Wun­schzettel” gilt das freilich nicht: Zu viel gibt es hier bes­timmt nicht. Im Gegen­teil, das Konzept schre­it ger­adezu nach ein­er Fort­set­zung. Denn die Kom­po­si­tio­nen und Arrange­ments von Oliv­er Gies bieten nicht nur dem Pub­likum Unter­hal­tung, son­dern auch Abwech­slung für alle vier Stim­men — die sich übri­gens, da war der Arrangeur prag­ma­tisch, mit gerin­gen (jew­eils ver­merk­ten) Änderun­gen auch auf SSAB verteilen dür­fen. Das Rad wird dafür nicht neu erfun­den, aber auch mit bloßer akustis­chen Haus­man­nskost gibt sich Gies auch nicht zufrieden: Alle Sätze zeich­nen sich durch ihr Ein­füh­lungsver­mö­gen in die jew­eils eigene klan­gliche Gestalt aus, sind aber nie über­frachtet mit “Ein­fällen”. Zumal den “Wun­schzettel” zwar sich­er nicht jed­er Chor vom Blatt sin­gen kön­nen wird, die tech­nis­chen Her­aus­forderun­gen im Gegen­teil zum klan­glichen Ergeb­nis aber trotz­dem mäßig sind.

Oliv­er Gies: Wun­schzettel. Neue Wei­h­nacht­slieder für gemis­cht­en Chor. Bosse 2014. BE 495.
(zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, Aus­gabe 11/2014)

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Kanonische Kanons

“Der Kanon fängt harm­los an” – aber damit ist schnell Schluss. „33 neue Kanons“ haben Oliv­er Gies und Bertrand Gröger, die man hier wohl nicht mehr vorstellen muss, veröf­fentlicht. 33 neue Kanons, das ist eine Menge Mate­r­i­al: meist drei- oder vier­stim­mig gedacht, für Män­ner- und Frauen­stim­men oder gemis­chte Chöre und Singgrup­pen gle­icher­maßen geplant, sind die neuen Kanons kleine Kunst­werke , die alles andere als harm­los sind. Aber auch alles andere als lang­weilig. Denn die Samm­lung bietet viel mehr, als die Zahl ver­muten lässt. Alle Kanons sind gewis­ser­maßen mul­ti­funk­tion­al: Natür­lich liegt das in der Sache, ein Kanon lässt sich immer auf viel­er­lei Weise sin­gen und auf­führen. Die bei­den Kom­pon­is­ten geben den Chor­leit­ern und Chor­lei­t­erin­nen aber gle­ich noch eine Menge Ideen, Hin­weise und Mate­ri­alien an die Hand, wie selb­st “ein­fache” Kanons nicht zu großer Kun­st, aber zu span­nen­der musikalis­ch­er Unter­hal­tung oder unter­halt­samer Musik wer­den kön­nen: Chorspaß wird hier großgeschrieben – auch wenn die Texte manch­mal etwas bemüht lustig sind.

Zu jedem Kanon find­en sich – teil­weise mehrfache – Klavier­be­gleitun­gen, Vor‑, Zwis­chen- und Nach­spiele, Body-Per­cus­sions, ergänzende Begleit-Phrasen und Neben­stim­men (ganz wun­der­bar mit Zitat­en zum Beispiel beim “Weg zur Oper”), aber auch zusät­zliche Instru­mente und vieles mehr. Der eigentliche Wert dieses Heftes liegt genau in diesen reichen Arrange­ment-Ideen, die über das übliche ver­set­zte Ein­set­zen und Sin­gen bis zum Abwinken weit hin­aus­ge­hen und das Kanon­ieren zum fast sportlichen Akt wer­den lassen.

Die Kanons selb­st sind stilis­tisch eben­falls angenehm vielfältig, sie reichen vom eher sim­plen Warm-up bis zur ver­i­ta­blen Choretüde, von der Konz­ertzu­gabe bis zur Pobeanau­flockerung und ‑heiterung. Und die „Sal­sa-Susi“ ste­ht hier nicht nur alpha­betisch neben dem „Schlafe, mein Kindlein“ (übri­gens ein wun­der­bar gemeines „Schlaflied“): Abwech­slung ist Pro­gramm, Gegen­sätze bietet jede neue Dop­pel­seite. Von der schlicht­en Abwech­slung für den Probe­nall­t­ag bis hin zu aus­ge­feil­ten Scatetü­den, die selb­st geprobt sein wollen, span­nen sich die Kanons, vom „Bier“ über den „Chor der Mül­lab­fuhr“ bis zur gesun­gen Chore­ografie. Die Kanons bohren sich als Ohrwurm shcon mal tief ins Bewusst­sein. Ganz schlimm wird es dann, wenn nicht nur die Musik immer weit­er geht, son­dern auch der Text sich im Zirkel bewegt, wie es „Ein Tag wie dieser“ vor­führt. Und ob man will oder nicht, ob man’s ger­ade gut find­et oder nicht, da kann man nur noch — sin­gend natür­lich — rufen: “Der Kanon hört nicht mehr auf!”.

(geschrieben für die Neue Chorzeit.)

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