Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: free jazz Seite 1 von 3

Hineingehört #3

Nichts als Hoffnung (aber immerhin)

Tindersticks, No Treasure but Hope (Cover)Ein neues Tin­der­sticks-Album ist ja schon ein Ereig­nis. Auch das fast mys­tisch schwebende und leichte No Trea­sure but Hope fällt in die Kat­e­gorie. Dabei ist es fast ungewöhn­lich für ein Tin­der­stick-Album, weil vieles (nicht alles aber) etwas heller und fre­undlich­er ist als auf älteren Veröf­fentlichun­gen. Natür­lich bleibt Stu­art Sta­ples Stu­art Sta­ples, aber er klingt hier deut­lich weltzuge­wandter, ja sog­ar fre­undlich­er und locker(er), nicht mehr so angestrengt, schw­er, gequält wie auf früheren Alben. Dabei bleibt die Musik irgend­wie schon noch zwis­chne der Lei­der­schaft von Nick Cave und der Verzwei­flung von Leonard Cohen ange­siedelt.

Ins­ge­samt wirkt das auf mich — nach den ersten paar Durchgän­gen — allerd­ings etwas flach­er: Das ist mir oft zu aus­ge­feilt, klan­glich zu detail­ver­liebt, fast prä­ten­tiös. Da fehlt mir dann doch etwas Unmit­tel­barkeit — und damit genau jene Qual­ität, die mich an früheren Alben stark in den Bann gezo­gen hat: Die emo­tionale Stärke, die Unmit­tel­barkeit der Gefüh­le, die die (ältere) Musik immer wieder (und immer noch, das funk­tion­iert auch nach Jahren des wieder­holten Hörens noch, ich habe es ger­ade aus­pro­biert — und das zeigt die wahre Größe dieser Musik) ausze­ich­net, das fehlt mir hier. Vielle­icht — das ist freilich nur eine Ver­mu­tung — sind Tin­der­stick ein­fach zu gut gewor­den. Das ist aber wahrschein­lich Blödsinn, auch die let­zten Alben waren ja schon aus­geze­ich­net pro­duziert.

Hier schlägt aber wohl doch stärk­er der Kunst­wille durch. Und dafür sind die For­mate der Pop­songs dann aber doch wieder zu kon­ven­tionell und deshalb zu schwach, das bleibt dann manch­mal etwas schram­mel­ing-mit­telmäßig. Das heißt nun aber über­haupt nicht, dass No trea­sure but hope schlecht sei. Auch hier gibt es wun­der­bare Momente und schöne, erfül­lende Lieder. “Trees fall” zum Beispiel, oder “Carousel” mit der typ­is­chen Tin­der­stick-Stim­mung, der melan­cholis­chne Grundierung. Und auch “See my Girls” hat dann doch wieder sehr dringliche, inten­sive Momente (und eine schöne Gitarre). Das titel­gebende “No trea­sure but hope” ist in der sehr reduzierten Konzen­tra­tion auf Klavier und Gesang dur­chaus ein kleines kam­mer­musikalis­ches, intimes Meis­ter­w­erk — und ein­fach schön.

Tin­der­sticks: No Trea­sure but Hope. Lucky Dog/City Slang 2019. Slang 50236.

Verspieltes Klavier

Stefan Aeby, Piano Solo (Cover)Ste­fan Aebys erste Soloauf­nahme (soweit ich sehe zumin­d­est), im let­zten Jahr bei Intakt erschienen. Das ist, mehr noch als die Trioauf­nah­men, im Ganzen oft sehr ver­spielt, aber ins­ge­samt vor allem sehr har­monisch: klare Struk­turen und klare Tonal­itäten bes­tim­men den Gesamtein­druck.

Beson­ders wird Piano solo aber vor allem durch den Klavierk­lang, das ist vielle­icht, zusam­men mit sein­er klan­glichen Imag­i­na­tion­skraft, Aebys größter Stärke. Denn der ist vielschichtig und feinsin­nig, mit großem Nuan­cen­re­ich­tum. Hier kommt nun noch dazu, dass das Klavier von Aeby im Stu­dio — er hat das wohl voll­ständig alleine aufgenom­men — teil­weise ver­fremdet, ergänzt und bear­beit­et wurde.

Vieles ist dann auch — wie erwartet — sehr schön. Aber vieles ist auch nicht beson­ders über­wälti­gend: So richtig umge­haut hat mich eigentlich nichts. Das ist solide, dur­chaus mit inspierten und inspieren­den Momenten, über­haupt keine Frage. Mir scheint es aber ins­ge­seamt einen Tick­en zu banal, einen Tick zu flach in der oft unge­broch­enen Schön­heit, in der Suche nach Har­monie und Wohlk­lang. Dabei gibt es dann auf Piano solo auch viele Klang­ef­fek­te. Die machen das aber manch­mal — und teil­weise sog­ar über weit­ere Streck­en — etwas arg kün­stlich für meinen Geschmack (“Dance on a Cloud” wäre dafür ein Beispiel). “Fling­ga” dage­gen ist dann aber wieder her­aus­ra­gend: da kann sein run­der, weich­er, abges­timmter Ton sich voll ent­fal­ten.

Die Idee, den Klavierk­lang nicht alleine zu lassen, ihn aufzu­pep­pen, zu erweit­ern, zu ver­frem­den, ist ja ganz schön und nett. Aber das Ergeb­nis oder bess­er die Ergeb­nisse überzeu­gen mich nicht immer vol­lends. Vor allem scheint mir die klan­gliche Erweiterung oder Ver­frem­dung nicht immer aus­re­ichend musikalisch begrün­det und zwin­gend. Zumin­d­est wurde mir das beim Hören nicht entsprechend klar. Und dann bleibt es halt vor allem eine (tech­nis­che) Spiel­erei. Trotz alle­dem ist Piano solo aber den­noch eine defin­i­tiv schöne, überzeu­gende Auf­nahme mit ein­nehmenden Klang­bildern.

Ste­fan Aeby: Piano solo. Intakt Records 2019. Intakt CD 332.

Die Winterreise als Gruppenwanderung

Schubert, Winterreise (Cover)Das ist Schu­berts Win­ter­reise — und auch wieder nicht. Denn sie ist — teil­weise — für Stre­ichquar­tett tran­skri­biert und mit Inter­mezzi verse­hen von Andreas Höricht.

Die Idee scheint ja erst ein­mal ganz vielver­sprechend: Die Win­ter­reise — bzw. ihre “wichtig­sten” (das heißt vor allem: die bekan­ntesten) Lieder — auf die Musik zu reduzieren, zum Kern vorzus­toßen, den Text zu sub­lim­ieren. Das Ergeb­nis ist aber nicht mehr ganz so vielver­sprechend. Die Inter­mezzi, die zwar viel mit Schu­bertschen Motiv­en spie­len und ver­suchen, die Stimmung(en) aufzu­greifen, sind ins­ge­samt dann doch eher über­flüs­sig. Und die Lieder selb­st: Nun ja, bei mir läuft men­tal dann doch immer der Text mit. Und es gibt dur­chaus schöne Momente, wo das Konzept aufzuge­hen scheint. Im ganzen bleibt mir das aber zu wenig: Da fehlt zu viel. Selb­st eher mit­telmäßige Inter­pre­ta­tio­nen haben heute ein Niveau, das mehr an Emo­tion und Ein­druck, mehr Inhalt und Struk­tur ver­mit­telt als es diese Ver­sion beim Voy­ager-Quar­tett tut. Als beken­nen­der Win­ter­reise-Fan und ‑Samm­ler darf das bei mir natür­lich nicht fehlen. Ich gehe aber stark davon aus, dass ich in Zukun­ft eher zu ein­er gesun­genen Inter­pre­ta­tion greifen werde …

Franz Schu­bert: Win­ter­reise for string quar­tet. Voy­ager Quar­tet. Solo Musi­ca 2020. SM 335.

Dreifache Freiheit

Kaufmann/Gratkowski/de Joode, Oblengths (Cover)Sowohl Kauf­mann als auch Gratkows­ki sind Impro­visatoren, deren Arbeit ich immer ver­suche im Blick zu haben. Sie verkör­pern näm­lich eine Form der impro­visierten Musik oder des freien Jazz (oder wie immer man das genau klas­si­fizieren mag), die ver­schiedene Aspek­te vere­int und zusam­men­bringt: Sie sind Kün­stler, die viel am und mit dem Klang arbeit­en (ger­ade bei Achim Kauf­mann fällt mir das immer wieder auf, wie klangstark er das Klavier zu spie­len weiß) und zugle­ich im freien Impro­visieren und Zusan­men­spiel Struk­turen entste­hen lassen kön­nen, die das Hören span­nend und über­raschungsvoll machen. Das gilt auch für ihre Zusam­me­nar­beit mit Wilbert de Joode, die auf Oblengths doku­men­tiert ist. Aufgenom­men wurde ein Aben im Jan­u­ar 2014 im Köl­ner Loft, veröf­fentlicht hat es das immer wieder und immer noch großar­tige Label Leo Records.

Das beste an dieser Auf­nahme ist die Kom­bi­na­tion von gle­ichen oder ähn­lich­er Musiz­er­weisen der drei Tri­opart­ner und der immer wieder über­raschen­den Vielfalt an konkreten klan­glichen Ereignis­sen, die daraus entste­hen. Da ist schon viel Gek­narze, Gerumpel, Kratzen und Fiepen. Aber auch viel Wohlk­lang: Oblengths, das ist eine der großen Stärken dieses Trios, wartet mit ein­er unge­wohn­ten Band­bre­ite vom Geräusch bis zum har­monis­chen Dreik­lang und klas­sisch gebaut­en Melo­di­en oder Motiv­en auf. Man merkt beim Hören aber eben auch unmit­tel­bar, dass das hier kein Selb­stzweck ist, son­dern einge­set­zt wird, um Zusam­men­hänge herzustellen und umfassenderen Aus­druck zu ermöglichen. Dazu passt auch, dass der Klan­graum ein wirk­lich weites Reper­toire umfasst und auch im leisen, vere­inzel­ten, sog­ar im stillen Moment noch sehr aus­d­if­feren­ziert ist. Ich würde nicht sagen, dass das Trio erzählt — aber irgend­wie ergeben sich dann doch so etwas wie Geschicht­en, Abfol­gen von Momenten, die zusam­menge­hören und eine gemein­same Struk­tur haben.

Achim Kauf­mann, Frank Gratkows­ki, Wilbert de Joode: Oblengths. Leo Records 2016. CD LR 748.

Hineingehört #2

Goldige Klänge

the king's singers, gold (cover)Die Jubiläums-Dreifach-CD der King’s Singers mit dem schö­nen und passenden Titel Gold habe ich schon besprochen: klick. Es ist wirk­lich eine schöne und umfassende Doku­men­ta­tion der Kern­fähigkeit­en der englis­chen Boy Group, auch nach der jüng­sten Beset­zungsän­derung immer noch mit den alten klan­glichen (Gold-)Qualitäten. Es ist ziem­lich egal, ob sie Renais­sance-Motet­ten oder raf­finierte Arrange­ments von Pop-Songs sin­gen. Alles, was sie sich vornehmen, machen sie sich unab­d­ing­bar zu eigen. Und so klin­gen dann fünf Jahrhun­derte Musik doch ziem­lich gle­ich – wie fünf Jahrzehnte King’s Singers eben.

The King’s Singers: Gold. Signum Records 2017. 67:37 + 61:15 + 65:37 Minuten.

Liebe für den und im Gesang

the king's men, love from king's (cover)Ein Nach­bar-Pro­jekt sind die “King’s Men”, die am King’s Col­lege studieren (im Gegen­satz zu den King’s Singers …). Ihr Album ist tat­säch­lich ganz liebreizend — es trägt ja auch den Titel Love from King’s. Zu den Liebeslied-Klas­sik­ern habe ich auch schon etwas (für die Chorzeit) geschrieben: klick. Hier brin­gen die „King’s Men“ die Musik und den Stim­men­klang immer wieder wirk­lich zum Funkeln und auch fast zum eksta­tis­chen Tanzen – so wie man sich auch die Liebe wün­scht. Wie die „King’s Men“ hier mit eher beschei­de­nen musikalis­chen Mit­teln einen enor­men akustis­chen und emo­tionalen Raum und eine ger­adezu über­wälti­gende klan­gliche Fülle zaubern, das ist ein­fach wun­der­bar.

The King’s Men: Love from King’s. The Record­ings of King’s Col­lege Cam­bridge 2018. 47:22 Minuten.

Wiederentdeckte Monster

musical monsters (cover)Die Musi­cal Mon­sters sind eigentlich gar keine neue Musik. Aufgenom­men wurde das näm­lich schon 1980 bein Jaz­zfes­ti­val Willisau. Dessen Chef Niklaus Trox­ler hat die Bän­der gut aufge­hoben. Und Intakt kon­nte sie jet­zt, nach umständlich­er Rechte­abklärung, endlich veröf­fentlichen. Zu hören ist ein Quin­tett mit großen Namen: Don Cher­ry, Irène Schweiz­er, Pierre Favre, John Tchi­cai und Léon Fran­ci­oli, das es so son­st nicht zu hören gibt. Und tat­säch­lich merkt man das doch recht deut­lich, dass hier große Meister*innen am Werk sind, auch wenn sie son­st nicht zusam­men spiel­ten. Aber Musi­cal Mon­sters ist eine aus­ge­lassene, fröh­liche, inten­sive Musik. Selb­st wenn das tech­nisch nicht immer per­fekt sein mag: Es ist lebendig. Und das ist dann doch irgend­wie die Haupt­sache.

Don Cher­ry, John Tchi­cai, Irène Schweiz­er, Léon Fran­ci­oli, Pierre Favre: Musi­cal Mon­sters. Intakt Records CD 269, 2016. 59:28 Minuten.

Ins Netz gegangen (6.4.)

Ins Netz gegan­gen am 6.4.:

  • Do We Write Dif­fer­ent­ly on a Screen? | The New York­er → tim parks eher pes­simistis­che sicht auf die gewan­delte art und weise des schreibens und sein­er beglei­tum­stände durch die tech­nol­o­gis­che entwick­lung der let­zten jahrzehnte

    Just as you once learned not to drink every­thing in the hotel mini­bar, not to eat too much at free buf­fets, now you have to cut down on com­mu­ni­ca­tion. You have learned how com­pul­sive you are, how frag­ile your iden­ti­ty, how impor­tant it is to cul­ti­vate a lit­tle dis­tance. And your only hope is that oth­ers have learned the same les­son. Oth­er­wise, your pro­fes­sion, as least as you thought of it, is fin­ished.

  • Das Spiel mit der Exzel­lenz | Forschung & Lehre → michael hart­mann mit ein­er zurück­hal­tenden, aber nicht über­schwänglich pos­i­tiv­en ein­schätzung der exzel­len­zs­trate­gie für die deutschen uni­ver­sitäten

    Die Elite hat gewon­nen, die Masse ver­loren.

  • Peter Brötz­mann inter­view | It’s psy­che­del­ic Baby Mag­a­zine → sehr schönes, offenes und ehrlich­es inter­view mit peter brötz­mann, in dem er vor allem über seine frühen jahre — also die 1960er — spricht
  • Provozieren und Warten | Van → sehr schönes, angenehm fre­undlich­es inter­view mit dem großen fred­er­ic rzews­ki:

    Ich habe nichts Orig­inelles kom­poniert. Alles, was ich gemacht habe, ist von anderen zu klauen. Aber auch Mozart hat links und rechts geklaut und Bach natür­lich genau­so. Du nimmst etwas, machst es auf deine Art.

  • Ganzjährige Som­merzeit wäre der „Clox­it“ | Riffre­porter → trotz der gren­zw­er­tig blö­den Über­schrift ein inter­es­san­ter text über die auswirkun­gen ein­er möglichen ganzjähri­gen som­merzeit in deutsch­land
Cecil Taylor am Klavier

Cecil Taylor (1929–2018)

What a shame: Der große und großar­tige Cecil Tay­lor ist gestern ver­stor­ben. Die Ent­deck­ung sein­er Musik hat nicht ganz unwesentlich dazu beige­tra­gen, dass sich mir der Kos­mos des Free Jazz und der Impro­visierten Musik erschlossen hat. Und seine Auf­nah­men — unter anderem “The Willisau Con­cert” (2000) — sind immer noch und immer wieder unter meinen Lieblingsplat­ten, die ich am öftesten und immer wieder mit Begeis­terung hören kann. Beim Free Jazz Col­lec­tive gibt es einen sym­pa­this­chen Nachruf.

Cecil Tay­lor (ca. 1965)

Taglied 15.11.2017

Amok Amor at Jazz Geht Baden 2016

Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.
web (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (8.6.)

Ins Netz gegan­gen am 8.6.:

  • Der Hype um die Smart City| taz → julia manske mag dem trend zur “smart city” nicht vor­be­halt­los zus­tim­men — mit guten argu­menten

    Dafür zu plädieren, dass die Bürg­er bre­it­flächig ihre Dat­en in der ver­net­zten Stadt teilen sollen, nur weil dies in anderen Län­dern geschieht, ist ein Fehler. Vieles ist heute mit Dat­en möglich, eben­so wie vieles im Bio-Engi­neer­ing-Bere­ich möglich ist. Den­noch haben wir uns darauf geeinigt, nicht alles zuzu­lassen. Wir soll­ten Ideen entwick­eln, wie der Schutz der Pri­vat­sphäre Teil der zukün­ftig ver­net­zten Stadt wer­den kann.

  • On Walk­a­bil­i­ty: An Inter­view with Jeff Speck| park­si­fy → inter­es­santes inter­view mit dem amerikanis­chen stadt­plan­er speck über das konzept “walk­a­bil­i­ty” und die förderung der fußgänger­fre­undlichkeit von städten
  • Dom des Apos­tels der Deutschen ent­deckt | Welt → sven felix keller­hoff nur ein biss­chen reißerisch über die kirchenaus­grabung in mainz (unter st. johan­nis) — nichts wesentlich­es neues, aber ganz nett geschrieben (aber: dass die “welt” die weite, stra­paz­iöse anreise nach mainz nicht mehr selb­st finanzieren kann — ganz schön erbärm­lich …)
  • Smart Homes erin­nern immer mehr an Strafvol­lzug | SZ → adri­an lobe mit einem daten­schutzkri­tis­chen ein­wurf zum “smart home”

  • Ken Vandermark’s Inde­fati­ga­ble Dri­ve and Avant-Garde Vision | band­camp
    → inter­es­san­ter inter­view-text mit dem großar­ti­gen ken van­der­mark über musik, kol­lab­o­ra­tio­nen, labels und den ver­trieb abseit­iger (exper­i­menteller) impro­visiert­er musik …
geknüpftes netz (knoten)

Ins Netz gegangen (30.3.)

Ins Netz gegan­gen am 30.3.:

drahtnetz (detail)

Ins Netz gegangen (9.3.)

Ins Netz gegan­gen am 9.3.:

  • Die unge­wollte Pati­entin | taz → die taz zeigt in ein­er ein­drück­lichen reportage, wie schwierig abtrei­bun­gen auch im ange­blich so lib­eralen deutsch­land in manchen gegen­den sind und wie sich die lage für die frauen eher ver­schlechtert
  • Misha Men­gel­berg (1935 — 2017) | The Free Jazz Col­lec­tive → nachruf auf den großen misha men­gel­berg. den deutschen qual­ität­spub­likumsme­di­en scheint der tod des pianis­ten keine nachricht/nachruf wert zu sein
  • Hier irrte der Ver­leger – und kor­rigierte sein Urteil | Log­buch Suhrkamp → lek­tor raimund fellinger über sigfried unselds urteil der “ästhetik des wider­stands” von peter weiss und die arbeit mit ihm daran — mit zwei fak­sim­i­lies aus unselds jour­nal von 1975 und 1978
  • House of Jazz: Der Leucht­turm und sein Wärter| Tagesspiegel → guter überblick über die diskus­sion um till brön­ners berlin­er “house of jazz”, der bei­den seit­en — der eher kusche­lig-wohlfühl-tra­di­tion­al­is­tis­chen von brön­ner und der eher fortschrit­tlich-avant­gardis­tisch ori­en­tieren der berlin­er szene — raum und ver­ständ­nis gibt
  • Ver­net­ztes Radeln, oder Smart ist doof | … ach, nichts. → bringt meinen stand­punkt zum ziem­lich zwang­haften “ver­net­zen” des fahrrads ziem­lich gut auf den punkt: das wesentlich — die (unbeschw­erte) ein­fach­heit — geht dadurch ver­loren, der gewinn ist (bis­lang zumin­d­est) eher mar­gin­al …
  • Rev­o­lu­tion in Sicht | Zeit → die “zeit” berichtet von einem vor­sichti­gen umdenken in teilen der kon­ven­tionellen land­wirtschaft, der dlg, was frucht­folge, chemieein­satz und nach­haltigkeit sowie arten­schutz ange­ht.
free music (unsplash.com)

Hineingehört #1

Eine kleine Intakt-Auslese aus dem zweit­en Hal­b­jahr — dank des vortr­e­f­flichen Abon­nements bekomme ich ja immer alle Veröf­fentlichun­gen post­wen­dend geliefert:

Musikalische Monster

musical monsters (cover)Die Musi­cal Mon­sters sind eigentlich gar keine neue Musik. Aufgenom­men wurde das näm­lich schon 1980 bein Jaz­zfes­ti­val Willisau. Dessen Chef Niklaus Trox­ler hat die Bän­der gut aufge­hoben. Und Intakt kon­nte sie jet­zt, nach umständlich­er Rechte­abklärung, endlich veröf­fentlichen. Zu hören ist ein Quin­tett mit großen Namen: Don Cher­ry, Irène Schweiz­er, Pierre Favre, John Tchi­cai und Léon Fran­ci­oli, das es so son­st nicht zu hören gibt. Am erstaunlich­sten fand ich, wie wenig man die 36 Jahre, die die Auf­nahme alt ist, der Musik anhört. Die vier groß­for­mati­gen, größ­ten­teils freien Impro­vi­sa­tio­nen — es gibt ein paar melodisch fix­ierte Anker­punk­te, die als fest­gelegte Scharniere zwis­chen Solo- und Kollek­tivim­prosi­a­tio­nen dienen — klin­gen erstaunlich frisch, ja fast zeit­los: Die intu­itive Spon­taneität und Inten­sität ist ziem­lich fes­sel­nd. Vor allem, weil sie von allem etwas bietet — ver­spielte Fax­en, intime Momente, pack­ende Energien … Und weil die fünf ziem­lich gle­ich­w­er­tige, gle­icher­maßen faszinierende Musik­erin­nen sind, die sich immer wieder zu großen Momenten inner­er Stärke auf­schwin­gen, die in erstaunlich­er Dichte aufeinan­der fol­gen und zuweilen sog­ar echt­es Pathos erzeu­gen. Beson­ders faszinierend fand ich das in der zweit­en Impro­vi­sa­tion, mit über zwanzig Minuten auch die läng­ste, in der sich großar­tige Soli (vor allem Tchi­cai sticht hier her­vor) und span­nende, in ihrer fra­gen­den Offen­heit unge­mein fes­sel­nde Grup­pen­im­pro­vi­sa­tio­nen ballen.

Don Cher­ry, John Tchi­cai, Irène Schweiz­er, Léon Fran­ci­oli, Pierre Favre: Musi­cal Mon­sters. Intakt Records CD 269, 2016. 59:28 Minuten.

Tiefe Gedächtnismusik

deep memory (cover)Für Deep Mem­o­ry hat sich Bar­ry Guy, der die CD im Trio mit Mar­i­lyn Crispell und Paul Lyt­ton auf­nahm, von den Bildern Hughie O’ Donoghues zu Kom­po­si­tio­nen anre­gen lassen. Die sieben Stücke tra­gen die Titel der Bilder: Sleep­er, Dark Days, Fall­en Angeld oder Silenced Music heißen sie etwa. Das sind aber keine musikalis­chen Ekphrasen, son­dern eher Kom­po­si­tio­nen, die sich von dem Bild — seinen Far­ben, sein­er Gestalt und vor allem vielle­icht: sein­er Stim­mung — zu akustis­chen Ein­drück­en inspiri­eren lassen. Vieles davon lässt sich in weit­en Bögen, oft verträumt-ver­spon­nen und/oder nach­den­klich, tra­gen und speist sich nicht unwesentlich aus dem inti­men Zusam­men­spiel des Trios, das ja schon seit gefühlten Ewigkeit­en immer wieder miteinan­der musiziert und der Effek­thascherei aus­ge­sprochen abhold ist. Und das auch auf Deep Mem­o­ry vor allem durch seine kam­mer­musikalis­che Dichte und Inten­sität der far­ben­prächti­gen, ten­den­ziell melan­cholis­chen Klang­malerei gefällt. Die befind­en sich, so hört es sich an, eigentlich immer auf der gle­ichen Wellen­länge, um dieses stra­pazierte, hier aber sehr passende Bild zu benutzen.

Bar­ry Guy, Mar­i­lyn Crispell, Paul Lyt­ton: Deep Mem­o­ry. Intakt Records CD 273, 2016. 52:07 Minuten.

Am großen Rad drehen

christoph irniger pilgrim, big wheel live (cover)Big Wheel Live ist die zweite CD von Christo­pher Irniger Pil­grim, wie der span­nende Sax­o­fon­ist, Kom­pon­ist & Band­leader Irniger sein Quin­tett mit Ste­fan Aeby, Davie Gisler, Raf­faele Bossard und Michi Stulz nen­nt. Auch wenn das “Live” wirk­lich auf Live-Auf­nah­men (in Berlin, Ratze­burg und Altenburg) zurück­ge­ht, klingt die CD richtig gut. Und das ist in sofern beson­ders schön, weil ger­ade Aeby ein sehr klangsin­niger Pianist ist.
Die ganze Musik auf Big Wheel Live zeich­net sich meines Eracht­ens nicht nur durch ihren kraftvollen Sound aus, son­dern vor allem durch ihre Räum­lichkeit und Tiefe. Oft ist das nur lose ver­bun­den, nur lock­er gewebt, gibt so den Fün­fen aber viel Chan­cen zum aus­greifend­en Erforschen. Und der Freiraum zum Erkun­den, die Öff­nung in alle Him­mel­srich­tun­gen wird wei­dlich genutzt: Man hört eigentlich immer eine per­ma­nente Such­be­we­gung, die stets fortschre­it­et, die beim schö­nen Augen­blick ver­weilt, son­dern immer weit­er will — wie es gute impro­visierte Musik eben (fast) immer tut. Neben Aeby, der sich immer mehr zu einem sehr inter­es­san­ten Pianist entwick­eln zu scheint, hat mir hier vor allem die oft sehr span­nende, über­raschende Spiel­weise des Schlagzeugers Michi Stulz gefall­en. Gitar­rist Dave Gisler und Irnigers Sax­ophon umspie­len sich oft sehr eng. Entschei­dend aber in allen sechs Titeln: Das bleibt immer im Fluss, die Ideen ver­sanden eigentlich nie, son­dern find­en immer neue Pfade und Wege.

Christoph Irniger Pil­grim: Big Wheel Live. Intakt Records CD 271, 2016. 62:44 Minuten.

Das unsterbliche Trio

schlippenbach trio, warsaw concert (cover)Vielle­icht ist es das europäis­che Jaz­ztrio schlechthin, sicher­lich wohl das am läng­sten amtierende: Alexan­der von Schlip­pen­bach, Evan Park­er und Paul Lovens sind das Schlip­pen­bach-Trio. Und zwar schon ewig. Und jedes Jahr sind wie wieder unter­wegs (die schöne Film-Doku­men­ta­tion Aber das Wort Hund bellt ja nicht hat die jährliche “Win­ter­reise” des Trios ja sehr anschaulich gemacht), immer wieder in der gle­ichen Beset­zung mit immer ander­er Musik — nicht ohne Selb­stironie nen­nt Schlip­pen­bach das im Beglei­theft deshalb “das unsterbliche Trio”.
Erstaunlich daran ist vor allem, dass es nicht lang­weilig wird, dass diese große Ver­trautheit miteinan­der nicht in Belan­glosigkeit­en mün­det. Auch das War­saw Con­cert ist wieder eine auf­nah­me­tech­nisch und musikalisch gut gelun­gene Live-Auf­nahme vom Okto­ber 2015. Und beim Schlip­pen­bach-Trio heißt das: Eine einzige lange Impro­vi­sa­tion ohne Pausen oder Unter­brechun­gen, ohne Verabre­dun­gen und ohne Kom­po­si­tion — knapp 52 Minuten sind das (dazu kommt noch eine kurze, fast humoris­tis­che Zugabe).
Der erste Ein­druck: Nette Musik — das funk­tion­iert ein­fach, das passt. Und das ist wirk­lich Musik der Frei­heit: Weil sie sich (und dem Pub­likum) nichts (mehr) beweisen müssen. Und: Weil sie viel kön­nen, enorm viel, sowohl alleine mit ihren Instru­menten als auch zusam­men als Trio. Deshalb schöpften sie mit lock­er­er Hand auch in Warschau eine Vielfalt der Stim­mungen. Vieles klingt vielle­icht etwas altersmilde in der Klarheit und dem lyrischen Aus­druck (wenn man das so deuten möchte), stel­len­weise aber dur­chaus auch bohrend und insistierend. Das ist ein­fach aus­geze­ich­neter, gelun­gener, “klas­sis­ch­er” Free Jazz, den man gerne wieder­holt anhört und ver­sucht nachzu­vol­lziehen.

Schlip­pen­bach Trio: War­saw Con­cert. Intakt Records CD 275, 2016. 56:36 Minuten.

Zur Erleuchtung

aeby trio, to the light (cover)Ste­fan Aeby war ja auch schon im Christoph Irniger Pil­grim vertreten, hier ist nun noch ein­mal als “Chef” mit seinem eige­nen Trio zu hören, das aber mit Michi Stulz am Schlagzeug noch eine weit­ere Per­son mit dem Pil­grim-Ensem­ble teilt. To the Light ist eine Musik des Klanges: Ich höre hier nicht so sehr rhyth­misch und/oder har­monis­che Struk­turen, son­dern vor allem Klänge. Klänge, die sich immer wieder zu kleinen Szenen und imag­inären Bildern for­men. Das Trio passt da in dieser Hin­sicht aus­geze­ich­net zusam­men: Nicht nur Ste­fan Aeby am Klavier ist ein biss­chen ein Klang­magi­er, auch der Bass von André Pousaz hat erstaunliche Qual­itäten (beson­ders schön im Titel­stück wahrzunehmen, das sowieso eine ziem­lich großar­tige Sache ist). Und Michi Stulz, mit hal­li­gen Beck­en und eng klin­gen­den Toms zaubert für einen Schlagzeuger erstaunlich flächige Klänge. Das ist ein poet­is­ch­er Sound, eine weiche und wan­del­bare Klanggestalt, die mir aus­geze­ich­net gefällt. Vieles ist (min­destens ten­den­ziell) leicht verträumt und klingt mit roman­tisch-impres­sion­is­tis­chem Ein­schlag, ist dabei aber keineswegs schwind­süchtig, son­dern dur­chaus mit gesun­der Kraft und Potenz musiziert, die aber nie auftrumpfend aus­ge­spielt wird: So klin­gen Musik­er, die sich nichts beweisen müssen, möchte ich ver­muten. Die Musik­er muss man sich wohl immer als lauschende Instru­men­tal­is­ten vorstellen: Vielle­icht ist es ja sowieso ger­ade das (Zu-)Hören, das gute Impro­visatorin­nen (oder Jazzer) aus­macht. Oder, wie es Flo­ri­an Keller im Begleit­text sehr tre­f­fend for­muliert: “Eine Musik, die die Fig­ur des Lausch­ers entste­hen lässt. Und diesem viel Raum für seine Fan­tasie gewährt.”

Ste­fan Aeby Trio: To the Light. Intakt Records CD 274, 2016. xx:28 Minuten.

Taglied 21.7.2016

Irène Schweiz­er & Pierre Favre, Fly­ing over the Lim­mat:


Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.

(ich höre mich ger­ade durch einige der älteren Schweiz­er-Auf­nah­men — da sind wirk­lich tolle Sachen dabei …)

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