Zum Glück ist die Liebe im wahren Leben nicht ganz so aus­geglichen und har­monisch wie auf dem neuen Album der „King’s Men“ aus Cam­bridge – das wäre ja etwas lang­weilig (und es gebe wohl auch weniger Liebeslieder zu sin­gen). In 14 Songs geht es hier nur um das Eine: „Love from King’s“. Schade ist allerd­ings, dass die jun­gen Män­ner das Risiko etwas scheuen. Denn die Möglichkeit­en dazu hät­ten sie dur­chaus, das beweisen sie auch mit dieser Auf­nahme immer wieder: Der form­bare Klang, die Fülle des Tut­tis, die Vielfalt der Stim­men, vor allem aber die organ­is­che Präzi­sion bei Tim­ing und Into­na­tion – eigentlich sind alle Zutat­en für eine großar­tige CD vorhan­den. Aber großar­tig ist „Love from King’s“ lei­der nur in eini­gen Teilen. Denn vieles bleibt doch etwas arg brav und betulich.
Gle­ich die Eröff­nung ist so ein Fall: Ganz klas­sisch und tra­di­tionell gesun­gen, bleibt „Is You Is or Is You Ain’t My Baby?“ erstaunlich belan­glog und lang­weilig. Auch auf dem Rest der Scheibe erfind­en die „King’s Men“ die Gat­tung nicht ger­ade neu. Behut­sam, sehr vor­sichtig fast, mod­ernisieren sie den Kanon der Liebe­lieder in Close Har­mo­ny. Und zunächst denkt man noch, dass ihre Zurück­hal­tung auch an der ten­den­ziell über­mikro­fonierten Auf­nahme liegt, die es dem Klang unnötig schw­er macht, sich wirk­lich zu ent­fal­ten. Aber dann hört man Michael Jack­sons wun­der­bar feinsin­nig arrang­iertes „Bil­lie Jean“ und ist begeis­tert von der ele­gan­ten Spritzigkeit des Ensem­bles. Auch das direkt anschließende „When she loved me“ von Randy New­man kann die Fähigkeit­en der siebzehn Män­ner aus­geze­ich­net zur Gel­tung brin­gen: Wie die „King’s Men“ hier mit eher beschei­de­nen musikalis­chen Mit­teln einen enor­men akustis­chen und emo­tionalen Raum und eine ger­adezu über­wälti­gende klan­gliche Fülle zaubern, das ist ein­fach wun­der­bar.
Das Muster set­zt sich fort: Die Klas­sik­er – unter anderem ein schläfriges „Won­der­ful Word“ und ein unin­spiri­ertes „Scar­bor­ough Fair“ – sind auf „Love from King‘s“ eher eine Schwach­stelle. Dass die neueren (Pop-)Songs, die eigentlich mit den gle­ichen Mit­teln und typ­is­chen Ideen arrang­iert wur­den, so deut­lich her­vorstechen, mag an der Jugend der Sänger liegen. Aber eigentlich ist das auch egal, denn Songs wie „Isn’t she love­ly“ sind echte Dia­man­ten: Hier brin­gen die „King’s Men“ die Musik und den Stim­men­klang immer wieder wirk­lich zum Funkeln und auch fast zum eksta­tis­chen Tanzen – so wie man sich auch die Liebe wün­scht.

The King’s Men: Love from King’s. The Record­ings of King’s Col­lege Cam­bridge 2018. Spielzeit: 47:22.

(Zuerst erschienen in “Chorzeit — Das Vokalmagazin”, #48, April 2018)