“Der Kanon fängt harm­los an” – aber damit ist schnell Schluss. „33 neue Kanons“ haben Oliv­er Gies und Bertrand Gröger, die man hier wohl nicht mehr vorstellen muss, veröf­fentlicht. 33 neue Kanons, das ist eine Menge Mate­r­i­al: meist drei- oder vier­stim­mig gedacht, für Män­ner- und Frauen­stim­men oder gemis­chte Chöre und Singgrup­pen gle­icher­maßen geplant, sind die neuen Kanons kleine Kunst­werke , die alles andere als harm­los sind. Aber auch alles andere als lang­weilig. Denn die Samm­lung bietet viel mehr, als die Zahl ver­muten lässt. Alle Kanons sind gewis­ser­maßen mul­ti­funk­tion­al: Natür­lich liegt das in der Sache, ein Kanon lässt sich immer auf viel­er­lei Weise sin­gen und auf­führen. Die bei­den Kom­pon­is­ten geben den Chor­leit­ern und Chor­lei­t­erin­nen aber gle­ich noch eine Menge Ideen, Hin­weise und Mate­ri­alien an die Hand, wie selb­st “ein­fache” Kanons nicht zu großer Kun­st, aber zu span­nen­der musikalis­ch­er Unter­hal­tung oder unter­halt­samer Musik wer­den kön­nen: Chorspaß wird hier großgeschrieben – auch wenn die Texte manch­mal etwas bemüht lustig sind.

Zu jedem Kanon find­en sich – teil­weise mehrfache – Klavier­be­gleitun­gen, Vor‑, Zwis­chen- und Nach­spiele, Body-Per­cus­sions, ergänzende Begleit-Phrasen und Neben­stim­men (ganz wun­der­bar mit Zitat­en zum Beispiel beim “Weg zur Oper”), aber auch zusät­zliche Instru­mente und vieles mehr. Der eigentliche Wert dieses Heftes liegt genau in diesen reichen Arrange­ment-Ideen, die über das übliche ver­set­zte Ein­set­zen und Sin­gen bis zum Abwinken weit hin­aus­ge­hen und das Kanon­ieren zum fast sportlichen Akt wer­den lassen.

Die Kanons selb­st sind stilis­tisch eben­falls angenehm vielfältig, sie reichen vom eher sim­plen Warm-up bis zur ver­i­ta­blen Choretüde, von der Konz­ertzu­gabe bis zur Pobeanau­flockerung und ‑heiterung. Und die „Sal­sa-Susi“ ste­ht hier nicht nur alpha­betisch neben dem „Schlafe, mein Kindlein“ (übri­gens ein wun­der­bar gemeines „Schlaflied“): Abwech­slung ist Pro­gramm, Gegen­sätze bietet jede neue Dop­pel­seite. Von der schlicht­en Abwech­slung für den Probe­nall­t­ag bis hin zu aus­ge­feil­ten Scatetü­den, die selb­st geprobt sein wollen, span­nen sich die Kanons, vom „Bier“ über den „Chor der Mül­lab­fuhr“ bis zur gesun­gen Chore­ografie. Die Kanons bohren sich als Ohrwurm shcon mal tief ins Bewusst­sein. Ganz schlimm wird es dann, wenn nicht nur die Musik immer weit­er geht, son­dern auch der Text sich im Zirkel bewegt, wie es „Ein Tag wie dieser“ vor­führt. Und ob man will oder nicht, ob man’s ger­ade gut find­et oder nicht, da kann man nur noch — sin­gend natür­lich — rufen: “Der Kanon hört nicht mehr auf!”.

(geschrieben für die Neue Chorzeit.)