Die Konkur­renz war stark. Und vor allem sehr laut. Der englis­che Organ­ist John Scott musste im Dom wirk­lich alle sprich­wörtlichen Reg­is­ter ziehen, um gegen die Bands auf dem Liebfrauen­platz anzukom­men. Die meiste Zeit gelang ihm das auch recht gut, aber so manche zarte und leise Stelle ging dann doch im here­in­schwap­pen­den Rock unter. Dafür war hier das Pub­likum exk­lu­siv­er – nur wenig Orge­len­thu­si­as­ten fan­den am Mittwoch Abends in den Dom.

Gelohnt hat sich der Weg aber dur­chaus. Denn der in New York tätige Scott, den eine Koop­er­a­tion der Domkonz­erte mit dem Kul­tur­som­mer Rhein­land-Pfalz nach Mainz brachte, präsen­tierte ein klas­sis­ches Orgelkonz­ert­pro­gramm. Zumin­d­est auf den ersten Blick. Das begann ganz typ­isch mit deutsch­er Orgel­musik des 17. Jahrhun­derts, um sich dann bis in die Gegen­wart und nach Eng­land vorzuar­beit­en. Und da wurde es dann richtig span­nend. Sich­er, Scott kann als ver­siert­er Organ­ist auch die vor­bach­schen Meis­ter sou­verän dar­bi­eten. Sein sehr behut­samer Umgang mit dem Noten­text, seine fast zer­brech­lich auf­scheinen­den klan­glichen Ideen, die abwech­slungsre­ichen Reg­istrierun­gen, sein defen­sives und weich­es Spiel – all das ste­ht Georg Muf­fat genau­so zugute wie Pachel­bels Choral­par­ti­ta über „Was Gott tut, das ist wohlge­tan“.

Aber erst mit dem Über­gang zum englis­chen Teil des Pro­gramms ent­fal­tete sich Scotts ganze Fasz­i­na­tion und Spannkraft. Schon Samuel Sebas­t­ian Wes­leys Larghet­to zeigte die Rich­tung – allerd­ings vor­erst nur in Andeu­tun­gen. Sehr sachte bre­it­ete Scott das aus, fast schon ein wenig ver­huscht formierte er Klangschwaden in san­ft anrol­len­den Wellen – so kon­nten die med­i­ta­tiv­en Vari­a­tio­nen sich wun­der­bar ent­fal­ten. Und dann ging es mit einem hartem Schnitt rein in die vir­tu­ose, majestätis­che Pracht. Begin­nend mit der Fan­ta­sia & Toc­ca­ta des Iren Charles Vil­liers Stan­ford, ließ der Englän­der seinen Hän­den und Füßen nun wirk­lich freien Lauf. Aber auch hier, in den deut­lich auf Vir­tu­osität konzip­ierten Werken, zauberte Scott immer wieder wun­der­bar san­ft glei­t­ende Übergänge. Dumm nur, dass aus­gerech­net jet­zt, in die feinsin­nig zurück­ge­zo­ge­nen Gespin­ste, die Außen­welt in Gestalt der Rock­musik immer wieder ein­brach. Dafür kon­nte Scott, vol­lkom­men sou­verän­er Herrsch­er über den Spieltisch der Mainz­er Domorgel, mit den „Wild Bells“ von Michael Berke­ley das Ter­rain dann wieder mehr als behaupten. Dieses phan­tastis­che Werk voller vir­tu­os­er Ein­fälle und Tricks ist genau das, was der Titel ver­heißt: Eine impres­sion­is­tisch ange­hauchte Klangstudie über wild gewor­dene, fast irrsin­nig tönende Glock­en. Und das gab Scott zum Schluss noch ein­mal Gele­gen­heit, aus dem Vollen zu schöpfen, einen Wet­tkampf der Zun­gen zu insze­nieren und im vir­tu­osen Rausch beein­druck­ende Klang­be­we­gun­gen vorzuführen.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)