„Kro­ne der Musik“ oder „Mys­te­ri­um“: Die ach­te Sin­fo­nie von Anton Bruck­ner for­dert Super­la­ti­ve gera­de­zu her­aus. Denn sie ist selbst alles ande­re als beschei­den. Zu ihrer Zeit – also 1892 – war die Ach­te die längs­te Sin­fo­nie über­haupt. Knapp 90 Minu­ten dau­ert es, die­sen monu­men­ta­len Bro­cken auf­zu­füh­ren – andert­halb Stun­den der Span­nung und Erlö­sung, aber auch der Anstren­gung. Und das nicht nur beim Hören, son­dern auch beim Spie­len. Denn die­ses Rie­sen­werk ver­langt ins­be­son­de­re den Blech­blä­sern viel ab, benö­tigt eine gro­ße Aus­dau­er und viel Kraft – bei tota­ler Prä­zi­si­on im Ide­al­fall. Nahe dran ist das beim Jubi­lä­ums­kon­zert des rhein­land-pfäl­zi­schen Lan­des­ju­gend­or­ches­ters im Gro­ßen Haus des Staats­thea­ters zu erle­ben. Und das ist erstaun­lich und bewun­derns­wert, denn Bruck­ners Ach­te ist auch für gestan­de­ne Pro­fis har­te Arbeit. Umso mehr muss man schät­zen, was die Jugend­li­chen da gestemmt haben. Zum 40jährigen Bestehen die­ses außer­ge­wöhn­li­chen Orches­ters durf­te und soll­te es aber etwas Außer­ge­wöhn­li­ches sein: Zwei Wochen haben die über 80 jun­gen Instru­men­ta­lis­ten dafür geprobt. Und das Kon­zert im Staats­thea­ter beweist, dass sich die­se Arbeit gelohnt hat.

Der Diri­gent Klaus Arp führt sie beson­nen durch Untie­fen und über Gip­fel, erklimmt mit dem Lan­des­ju­gend­or­ches­ter die stei­len Wän­de und gelei­tet sie sicher am Abgrund ent­lang. Denn die Ach­te gleicht in fast jedem Moment einem Tanz auf dem Vul­kan, zwi­schen Absturz ins Ver­der­ben und Auf­he­ben ins Gran­dio­se liegt hier nur ein schma­ler Grat. Und das ist genau das, was man viel­leicht das Pro­gramm die­ser Sin­fo­nie nen­nen könnte.

Gera­de im Scher­zo, dem zwei­ten Satz, wur­de die­ser Tanz unmit­tel­bar hör­bar – ein Tanz auf schma­lem Grat, aber mit siche­ren Füßen, die sich kei­nen Fehl­tritt erlau­ben: Strah­lend und bers­tend geht Arp das Scher­zo an, dämpft das Trio dann mit viel Ruhe zur himm­li­schen Län­ge ab, um in der Repri­se erneut alles an gepfef­fer­ter Erre­gung und auf­ge­wühl­ten Gemü­tern zu ent­fes­seln. Schon von Beginn des ers­ten Sat­zes an führ­te er das Lan­des­ju­gend­or­ches­ter zu einem sehr deut­li­chen Klang mit kla­ren Akzen­ten. Dabei bleibt Arp aber zugleich vor­sich­tig und tas­tend in der Anla­ge und macht die Sin­fo­nie zu einem ech­ten Rät­sel – einem Mys­te­ri­um eben. Beson­ders spür­bar wird das im drit­ten Satz, der sich vor­sich­tig ins Unge­wis­se vor­tas­tet und mit beson­de­rer Zer­brech­lich­keit gefällt. Die geht zwar manch­mal etwas weit, wenn der Satz in Ein­zel­epi­so­den zer­fällt, behält aber doch so viel Nach­druck, dass man den Vor­schein der Unend­lich­keit zu hören glaubt.

Gran­di­os ist dann das Fina­le, die Wuch­tig­keit, die das Lan­des­ju­gend­or­ches­ter hier ent­wi­ckelt, wie fein zise­liert die rie­si­gen Klang­wän­de noch im größ­ten Lär­men blei­ben: Das ist eine wun­der­ba­re Ver­bin­dung von kör­per­li­cher Klang­er­fah­rung und Tran­szen­denz. Ein Tri­umph der Musik und der Musi­ker, ganz fraglos.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.)