Die ersten Töne ken­nt wahrschein­lich jed­er im ausverkauften Großen Haus des Staat­sthe­aters. Tschaikowski­js erstes Klavierkonz­ert ist ein ewiger Hit, der immer für volle Säle sorgt. Vor allem, wenn er von ein­er Pianistin wie Evge­nia Rubi­no­va – auch in Mainz keine unbekan­nte Größe mehr – vor­ge­tra­gen wird. Die ersten Töne also. Sie sind nicht nur ein Zeichen des Werkes, son­dern sie zeigen auch immer schon sehr deut­lich die Rich­tung, die die Inter­pre­ten nehmen. Im Staat­sthe­ater wer­den mehrere Dinge erkennbar. Ein­mal wird hier mit großer Genauigkeit und wirk­lich­er Lust am dif­feren­zierten Klang musiziert. Ander­er­seits der Klang an sich: Schon die ersten Töne der Pianis­ten zeigen ihre geschmei­di­ge Kraft, ihre Fähigkeit, aus dem sim­plen Flügel eine Unzahl an Klang­vari­a­tio­nen auf­steigen zu lassen. Und schließlich die Versenkung in die Tiefen der imag­inären Welt des Klavierkonz­ertes. Das sind alles alt­modis­che, fast selb­stver­ständliche Tugen­den, die ger­ade bei diesem Konz­ert viele Musik­er aber auf dem Altar der ober­fläch­lichen Bril­lanz opfern. Nicht so dieses Duo an den Tas­ten und auf dem Pult. Und das nicht aus Ver­legen­heit. Ger­ade die beiläu­fige Non­cha­lance, mit der Rubi­no­va sich der vir­tu­osen Pas­sagen entledigt, zeigt ihre Fähigkeit­en. Aber ihr geht es eben um etwas anderes: Um die sub­tilen Klangfelder und ihre vielfälti­gen Strö­mungen, die aus dem radikal nach innen gewandten Kampf zwis­chen Orch­ester und Soloin­stru­ment erwach­sen. Die Genauigkeit, mit der sie sich dem poet­is­chen Feinze­ich­nen hin­gibt, bringt immer wieder erstaunliche Ergeb­nisse und richtige Ent­deck­un­gen her­vor. So unmit­tel­bar lebendig und andächtig-imit­füh­lend hört man das Sehnen, die nie an ihre Ziel kom­mende Suche nach Ver­heißung und Erlö­sung aus der Ungewis­sheit nur sel­ten.
Die zweite Konz­erthälfte kehrte die Ver­hält­nisse vol­lkom­men um. Zumin­d­est was die Bekan­ntheit der Musik ange­ht: Sergej Rach­mani­nows „Sin­fonis­che Tänze“, seine let­zte Kom­po­si­tion, dürften nur die wenig­sten ken­nen – zumal das Phil­har­monis­che Staat­sor­ch­ester sie hier zum ersten Mal spielt. Das ändert aber wenig an der Hingabe, mit der Cather­ine Rück­wardt den Fluss dieser Musik aus­bre­it­et. Und es ist nicht ganz ein­fach, das zusam­men­zuhal­ten. Aber es gelingt ihr trotz der klein­teilig aufgelösten Struk­tur und der sehr abwech­slungsre­ichen Instru­men­ta­tion. Denn statt den momen­ta­nen Ner­venkitzel und Ohren­schme­icheleien zu erliegen, hält sie das kun­stvolle Gle­ichgewicht immer aufrecht. Und damit kommt Rach­mani­now genau­so zu seinem Recht wie Tschaikowskij.
(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)