Sinfonieorchester und Jazz – das sind zwei Welten, die sich oft sehr fremd sind. Und wenn es dann doch zu einem Rendezvous kommt, darf natürlich George Gershwins „Rhapsody in Blue“ auf keinen Fall fehlen. Aber der Klassiker ist wohl nie so zu hören wie beim Konzert des Philharmonischen Staatsorchesters in der Phönixhalle. Doch schon in der ersten Hälfte war eine Menge guter Musik auf der Grenze zwischen Jazz und Sinfonik zu hören. Ohne großes Vorgeplänkel stiegen das Orchester mit der Unterstützung einiger Jazz-Solisten sofot in Earle Hagens „Harlem Nocturne“ ein. Und schon waren sie und das Publikum mittendrin im Hörkino, das direkt nach New York führte – einer Stadt, der die Musiker an diesem Abend noch öfters einen Besuch abstatten würden. Zunächst also Harlem bei Nacht, zu erleben beim eleganten Cruisen durch mehr oder weniger belebte Straßen. Reiche Bilder ziehen hier vorm inneren Auge vorbei. Und das liegt nicht nur am Komponisten, sondern vor allem an zwei Dingen: Den Arrangements von Sebastian Hernandez-Laverny, die die Imagination mit ihrer verschwenderischen Ideenfülle immer wieder zu Höchstleistung anfeuern. Und an den Musikern. Nicht nur das Orchester spielt engagiert swingend auf, auch Saxophonis Oleg Berlin sorgt mit glasklarem Ton und prägnanter Phrasierung für Jazzfeeling und Kurzweil. Drummer Gerhard Stütz und Bassist Götz Ommert liefern derweil ein solides Fundament und Hernandez-Laverny springt zwischen Dirigentenpult und Klavier flink hin und her, ergänzt sein Arrangement immer wieder durch kurze pianistische Einwürfe.
Für mehr besondere Momente sorgt auch Malte Schäfer bei den Standards „Come, fly with me“ und „Fly me to the moon“. Der Bratscher ist diesmal ausschließlich als Sänger im Einsatz – aber dass dies nicht sein Hauptberuf ist, merkt man ihm nicht an: Locker und geschmeidig bringt er die Stimmung wunderbar auf den Punkt. Genau wie der Mainzer Klarinettist Ates Yilmaz, der bei Jorge Calandrellis virtuosem „Solfeggietto/Metamorphosis“ nach einer Vorlage von Carl Philipp Emanuel Bach ein echtes Heimspiel hat.
Apropos Heimspiel: Das hat auch Nick Benjamin, der mit launigen Moderationen dafür sorgt, dass Publikum entspannt und gut gelaunt bleibt – was angesichts der Menge guter Musik gar nicht nötig gewesen wäre. Das ganze kuluminiert schließlich in Gershwins „Rhapsody in Blue“. Die alleine wäre Hernandez-Laverny aber offenbar zu langweilig gewesen. Deswegen unterbricht er das Original immer wieder, um gemeinsam mit Ommert und Stütz mit weit ausholenden Improvisationen über Gershwins Themen dem ganzen noch mehr Jazz einzuverleiben. Ein sehr symphatischer Einfall, der – vor allem durch die phantasiereiche, energische und konzentrierte Improvisationskunst der drei Musiker – das Publikum zu Recht zu standig ovations hinreißt.
(geschrieben für die mainzer rhein-zeitung.)
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